JudikaturJustiz4R67/24s

4R67/24s – OLG Graz Entscheidung

Entscheidung
10. April 2024

Kopf

Das Oberlandesgericht Graz hat als Rekursgericht durch die Richterinnen Dr. in Angerer (Vorsitz), Mag. a Zeiler-Wlasich und Dr. in Jost-Draxl in der Rechtssache der klagenden Partei A* d.o.o. , **, Slowenien, vertreten durch ScherbaumSeebacher Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei B* GmbH, **, vertreten durch Dr. Edwin Anton Payr, Rechtsanwalt in Graz, wegen EUR 20.000,06 samt Anhang, über den Kostenrekurs der beklagten Partei (Rekursinteresse: EUR 3.125,19) gegen die im Endurteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 27. Februar 2024, 44 Cg 38/18ka-129, enthaltene Kostenentscheidung in nichtöffentlicher Sitzung den

BESCHLUSS

gefasst:

Spruch

Dem Kostenrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 336,82 (darin EUR 56,14 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig .

Text

BEGRÜNDung:

Gegenstand des Verfahrens in der Hauptsache war das von der Klägerin begehrte restliche Entgelt von EUR 20.000,06 samt Zinsen für die Lieferung von Fenster- und Türelementen, dem die Beklagte eine konnexe Gegenforderung von EUR 15.000,00 sowie weitere nicht konnexe Gegenforderungen von ursprünglich insgesamt EUR 45.000,00 entgegensetzte.

Mit rechtskräftigem Teilurteil gemäß § 391 Abs 3 ZPO vom 3. November 2021, 4 R 161/21k, erachtete das Berufungsgericht in Abänderung des klageabweisenden Ersturteils die Klageforderung als mit EUR 18.557,64 samt Zinsen zu Recht und die konnexe Gegenforderung von EUR 15.000,00 als nicht zu Recht bestehend, verpflichtete daher die Beklagte zur Zahlung von EUR 18.557,64 samt Zinsen an die Klägerin und wies das Mehrbegehren von EUR 1.442,42 samt Zinsen ab (Band II ON 101 iVm ON 105).

In der ersten Stunde der Tagsatzung vom 14. November 2023 im fortgesetzten Verfahren schränkte die Beklagte ihre noch offenen (nicht konnexen) Gegenforderungen auf (letztlich) EUR 4.327,26 ein , die die Klägerin in dieser Höhe anerkannte (Band II ON 125 PS 2 AS 505 verso).

Folgerichtig erklärte das Erstgericht mit seinem in der Hauptsache rechtskräftigen Endurteil vom 27. Februar 2024 die Gegenforderungen mit EUR 4.327,26 als zu Recht bestehend und die mit dem erwähnten Teilurteil des Berufungsgerichts zuerkannte Klageforderung von EUR 18.557,64 samt Zinsen im Umfang von EUR 4.327,26 samt Zinsen durch Aufrechnung für erloschen, wies das Mehrbegehren von EUR 4.327,26 samt Zinsen ab und verpflichtete - gestützt auf § 43 Abs 1 ZPO - die Beklagte zum Kostenersatz (einschließlich des Berufungsverfahrens) von EUR 12.183,23 (darin EUR 1.373,13 Umsatzsteuer und EUR 3.944,40 Barauslagen) an die Klägerin (Band III ON 129).

Gegen diese Kostenentscheidung richtet sich der Kostenrekurs der Beklagten wegen arithmetischer Fehler im ersten Verfahrensabschnitt und unrichtiger rechtlicher Beurteilung im zweiten Verfahrensabschnitt mit dem Antrag, ihre Kostenersatzpflicht gegenüber der Klägerin um EUR 3.125,19 auf EUR 9.058,04 (darin EUR 852,29 Umsatzsteuer und EUR 3.944,30 Barauslagen) zu reduzieren .

Die Klägerin erstattet eine Rekursbeantwortung .

Rechtliche Beurteilung

Der Kostenrekurs ist nicht berechtigt .

1. erster Verfahrensabschnitt

1.1. Zutreffend - und von der Rekurswerberin auch nicht gerügt - geht das Erstgericht im ersten Abschnitt (ON 1 bis einschließlich ON 101) von einem Streitwert von EUR 20.000,06 und einem Obsiegen der Klägerin mit EUR 14.230,38, das sind rund 70 %, aus. Ebenso zutreffend ermittelt es einen Vertretungskostenersatz von 40 % und einen Barauslagenersatz von 70 % zugunsten der Klägerin sowie einen Barauslagenersatz von 30 % zugunsten der Beklagten. Die Rekurswerberin hält zwar richtig fest, dass auch das Berufungsverfahren zu diesem Abschnitt zählt. Aus der Behandlung des Berufungsverfahrens als gesonderten Abschnitt durch das Erstgericht ergibt sich allerdings rechnerisch keine Änderung, weil es ohnedies auch hier eine Erfolgsquote von 70 % und die entsprechenden Ersatzquoten von 30 % (Berufungsschrift) bzw 70 % (Pauschalgebühr II. Instanz) zugrunde legt.

1.2. Rechnerische Fehler sind dem Erstgericht in diesem Abschnitt nicht unterlaufen :

Die Rekurswerberin berücksichtigt in ihrer Aufstellung der Verfahrenskosten der Klägerin (Band III ON 130 AS 47) weder die vom Erstgericht (entgegen ihren Einwendungen) nach TP1 zuerkannte Position vom 3. Oktober 2018 noch die (in den Einwendungen gar nicht gerügte) Position vom 24. April 2019 und auch nicht den ERV-Erhöhungsbetrag für die Position vom 3. Februar 2021. Andererseits unterlegt sie ihrer Berechnung der Kosten für die Tagsatzungen vom 24. Oktober 2018, 24. Jänner 2019, 2. Juli 2020 und 18. Februar 2021 den doppelten Einheitssatz von 100 %, den die Klägerin gar nicht verzeichnete.

Im ersten Abschnitt (einschließlich des Berufungsverfahrens) errechnen sich nach den (vom Erstgericht ungerügt vorgenommenen) Kürzungen ersatzfähige Vertretungskosten der Klägerin von EUR 14.177,25 netto, entsprechend der Ersatzquote von 40 % somit EUR 5.670,90. Zuzüglich der Umsatzsteuer von 20 % (EUR 1.134,18) und der unstrittigen Barauslagen von EUR 3.944,40 ergibt sich eine Ersatzpflicht der Beklagten von EUR 10.749,47. Zu exakt diesem Ergebnis gelangt das Erstgericht (EUR 9.156,21 für das erstinstanzliche Verfahren im ersten Rechtsgang plus EUR 1.593,26 für das Berufungsverfahren = EUR 10.749,47).

2. zweiter Verfahrensabschnitt

2.1. Für das fortgesetzte Verfahren erster Instanz nach dem Teilurteil des Berufungsgerichts geht das Erstgericht von einem Streitwert von EUR 18.557,64 und einem Obsiegen der Klägerin mit EUR 14.230,38 - rund 76 % - aus und spricht der Klägerin 52 % der Vertretungskosten dieses Abschnitts zu. Es erwägt, dass zunächst über Gegenforderungen von EUR 45.000,00 verhandelt worden sei, die - hätten sie zu Recht bestanden - die Klageforderung von EUR 18.557,64 zur Gänze zum Erlöschen hätten bringen können. Da die Klägerin die in der ersten Stunde der Tagsatzung vom 14. November 2023 auf EUR 4.327,26 eingeschränkten Gegenforderungen in dieser Höhe anerkannt habe, sei sie in diesem Umfang als unterlegen anzusehen.

2.2. Die Rekurswerberin argumentiert nun, in diesem Verfahrensabschnitt seien nur mehr die Gegenforderungen streitgegenständlich gewesen, sodass letztlich von ihrem Obsiegen zu 100 % auszugehen wäre, habe sie doch die Gegenforderungen mit jenem Betrag „präzisiert“. Die Klägerin könne kein zweites Mal mit einem Teil obsiegen, über welchen im ersten Verfahrensgang bereits rechtskräftig abgesprochen worden sei. Auf einer Bemessungsgrundlage von EUR 4.327,26 strebt die Rekurswerberin daher den vollen Ersatz ihrer Kosten von EUR 1.473,10 (inklusive 20 % Umsatzsteuer) für die Tagsatzungen vom 14. Dezember 2022 und vom 14. November 2023 sowie für zwei Schriftsätze an. Diesem Gedanken sind die folgenden Überlegungen entgegenzuhalten:

2.3. Gemäß § 3 RATG ist der für die Anwendung eines bestimmten Tarifsatzes maßgebende Betrag ( Bemessungsgrundlage ) im Zivilprozess nach dem Wert des Streitgegenstands zu berechnen. Gemäß § 4 RATG richtet sich die Bemessungsgrundlage nach den Vorschriften der §§ 54 bis 59 JN. Danach bestimmt ausschließlich die begehrte Geldsumme den Streitwert, wenn - wie hier - der Streitgegenstand in einem Geldbetrag besteht. Eine Gegenforderung , die der Beklagte im Laufe des Verfahrens einwendet, ist eine Gegenleistung iSd § 56 Abs 3 JN, über die im Urteil abzusprechen ist. Eine solche eingewendete Gegenberechtigung des Beklagten hat auf die Bewertung des Streitgegenstands keinen Einfluss (4 Ob 70/18z; Mayr in Rechberger/Klicka, ZPO 5 § 54 JN Rz 3, § 56 JN Rz 1, Rz 9).

2.4. Inhalt der Aufrechnungseinrede ist die Einwendung einer Gegenforderung des Beklagten gegen den Kläger mit dem Ziel, das Gericht möge durch die Entscheidung über den Bestand und die Aufrechenbarkeit der Gegenforderung die Aufrechnung mit der Klageforderung vollziehen und das Klagebegehren abweisen (RIS-Justiz RS0033911). Gedanklich mag darin ein Leistungsbegehren des Beklagten gesehen werden, bei dem jedoch die „Vollstreckung“ auf die Klageforderung beschränkt bleiben soll. Die verfahrensrechtliche Besonderheit der Prozessaufrechnung ist darin gelegen, dass die Urteilsvollstreckung ausnahmsweise bereits in das Titelverfahren einbezogen wird, weil der Beklagte für den Fall, dass der vom Kläger angestrebte Leistungsbefehl in Ansehung seiner Klageforderung zu erlassen wäre, dessen Durchsetzung auf den Befriedigungsgegenstand seiner Gegenforderung beschränkt und gleichzeitig auch vollzogen wissen will. Dieser ausschließlich auf die Tilgung der Klageforderung beschränkte Sachantrag, der in der aufrechnungsweisen Geltendmachung einer Gegenforderung enthalten ist, ist auch der Grund dafür, dass durch den Prozessaufrechnungseinwand der durch die Klageforderung bestimmte Streitgegenstand wertmäßig nicht erweitert wird. Dass der Rechtsbestand der Gegenforderung (oder deren Aufrechenbarkeit) einziger oder doch hauptsächlicher Inhalt der Verhandlung ist, macht die Gegenforderung nicht zum „Streitgegenstand“ (1 Ob 68/97z mwN).

2.5. Die Einwendung von Gegenforderungen wird in den meisten Fällen zu einer Verlängerung, gelegentlich auch zu einer Verschleppung des Rechtsstreits führen. Dementsprechend sieht die Zivilprozessordnung in § 391 Abs 3 ZPO die Möglichkeit der Fällung eines Teilurteils über die Klageforderung vor ( Deixler-Hübner in Fasching/Konecny 3 III/2 § 391 ZPO [Stand 1.11.2017, rdb.at] Rz 55ff), deren Zweck es ist, der Prozessverschleppung durch die Kompensationseinwendung des Beklagten zu begegnen ( Fasching , Lehrbuch des Österreichischen Zivilprozessrechts² [1990] Rz 1296; Rechberger/Klicka in Rechberger/Klicka, ZPO 5 §§ 391-392 Rz 15). Gemäß § 392 Abs 1 ZPO ist (auch) dieses Teilurteil in Bezug auf Rechtsmittel und Exekution ein selbständiges Urteil. Gegenstand der nach Fällung eines Teilurteils über die Klageforderung ohne Unterbrechung (§ 391 Abs 3 Satz 2 ZPO) fortzusetzenden Verhandlung über eine eingewendete Gegenforderung ist nur das bisher unerledigte - auf die vor Fällung des Teilurteils über die Klageforderung aufrechnungsweise eingewendete Gegenforderung gestützte - Aufrechnungsbegehren des Beklagten. Die Fällung eines Teilurteils nach § 391 Abs 3 Satz 1 ZPO spaltet zwar den Prozess , weitet ihn aber nicht aus (1 Ob 580/86 mwN).

2.6. Wäre im konkreten Fall ein Teilurteil nach der zitierten (Kann-)Bestimmung nicht gefällt – der Prozess somit nicht gespalten - worden, wären sowohl der Streitwert (EUR 20.000,06) als auch der von der Klägerin obsiegte Betrag (EUR 14.230,38) und deren Obsiegensquote (rund 70 %) durchgehend gleichgeblieben. Die Gegenforderungen der Beklagten wären zu keinem Zeitpunkt streitwertbestimmend gewesen. Aus den Bestimmungen der §§ 3, 4 RATG iVm §§ 54, 56 JN lässt sich für das Verfahren nach Erlassung eines Teilurteils nach § 391 Abs 3 ZPO nichts anderes ableiten.

2.7. Mit Recht stellt das Erstgericht daher im zweiten Verfahrensabschnitt der Klageforderung von EUR 18.557,64 den obsiegten Betrag von EUR 14.230,38 (rund 76 %) gegenüber und gelangt gemäß § 43 Abs 1 ZPO zu einem Vertretungskostenersatz von 52 % von EUR 1.194,80 zuzüglich EUR 238,96 Umsatzsteuer, gesamt somit EUR 1.433,76.

3. Rechnet man beide Verfahrensabschnitte zusammen, ergibt sich die vom Erstgericht ermittelte Kostenersatzpflicht der Beklagten gegenüber der Klägerin von EUR 12.183,23 (darin EUR 1.373,13 Umsatzsteuer und EUR 3.944,40 Barauslagen). Der Kostenrekurs der Beklagten muss daher erfolglos bleiben.

4. Die Kostenentscheidung im Rekursverfahren gründet auf §§ 41, 50 ZPO iVm § 11 Abs 1 RATG. Die Beklagte hat der Klägerin die auf der Bemessungsgrundlage von EUR 3.125,19 nach TP3A RAT richtig verzeichneten Kosten der Rekursbeantwortung zu ersetzen.

5. Der Revisionsrekurs gegen diese Entscheidung im Kostenpunkt ist gemäß § 528 Abs 2 Z 3 ZPO jedenfalls unzulässig (RS0044233).

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