JudikaturJustiz4R268/08y

4R268/08y – LG für ZRS Graz Entscheidung

Entscheidung
12. November 2008

Kopf

Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz, Marburgerkai 49, 8010 Graz, Senat 4, hat als Rekursgericht durch den Richter Dr. Wetzelberger (Vorsitz) sowie die Richterinnen Dr. Seyffertitz und Dr. Erhartmaier-Volc in der Vollstreckbarerklärungssache der Antragstellerin U*****vertreten durch Großmann und Wagner Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in 9020 Klagenfurt, wider den Antragsgegner L*****wegen Vollstreckbarerklärung, über den Rekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Leibnitz vom 10.7.2008, 6 Nc 61/08w-2, in nicht öffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs, dessen Kosten die Rekurswerberin selbst zu tragen hat, wird k e i n e Folge gegeben.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

Begründung:

Unter Vorlage des "Verlustscheines infolge Pfändung" (gemäß Art 149 des [schweizerischen] Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs vom 11.4.1889 [SchKG]), des Betreibungsamtes Full-Reuenthal vom 18.5.2006, begehrte die Antragstellerin (Rekurswerberin) die "Ausstellung der erforderlichen Amtsbestätigung bzw. Erteilung der Vollstreckbarkeitsbestätigung zur Einleitung exekutionsrechtlicher Schritte in Österreich".

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht diesen Antrag ab. Es ging (zusammengefasst) davon aus, dass es sich hiebei um eine Entscheidung in einem Zwangsvollstreckungsverfahren handle. Solche in einem Zwangsvollstreckungsverfahren ergangene Entscheidungen seien jedoch keine "Entscheidung" im Sinn weder des Art 25 LGVÜ noch des allenfalls weiter geltenden Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen (öBGBl 1962/[richtig]125).

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs der Antragstellerin mit dem die Bewilligung anstrebenden Abänderungsantrag; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Rekurswerberin vertritt die Ansicht, dass ein Titel aus einem Zwangsvollstreckungsverfahren, wie im gegenständlichen Fall, einer Entscheidung eines Zivilgerichtes gleichzuhalten sei, zumal ein Zwangsvollstreckungsverfahren nur nach Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung eines Zivilgerichtes eingeleitet werden könne. Der vorliegende Verlustschein sei insofern am ehesten einem österreichischen Exekutionsbewilligungsbeschluss gleichzusetzen. Im Übrigen rügt die Rekurswerberin die unterlassene Einleitung eines Verbesserungsverfahrens; hätte das Gericht weitere Unterlagen für die Erteilung der Vollstreckbarkeitserklärung benötigt, wie eine Abschrift der dem Pfändungsverlustschein zu Grunde liegenden Entscheidung, hätte es deren Vorlage auftragen sollen. Der Rekurs erweist sich (im Ergebnis) als nicht zielführend.

Rechtliche Beurteilung

Zufolge des in § 86 Abs 1 EO angeordneten Anwendungsvorranges von Völkerrecht oder von Rechtsakten der Europäischen Union gegenüber den §§ 79 ff EO ist hier vom Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckbarkeit gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, unterzeichnet in Lugano am 16.9.1988, öBGBl 1996/446, (in Kraft zwischen Österreich und der Schweiz seit 1.9.1996) - LGVÜ auszugehen. Dieses Übereinkommen geht somit den entsprechenden innerstaatlichen Vorschriften der §§ 79 ff EO vor (RIS-Justiz RS0109738 [T3]). In dessen Titel III. wird die "Anerkennung und Vollstreckung" von Entscheidungen (im Sinn der Legaldefinition des Art 25) und im Titel IV. die Vollstreckung von "Öffentliche[n] Urkunden und Prozeßvergleiche[n]" geregelt.

Ausgehend von Art 149 SchKG (siehe die unter www.admin.ch =

Dokumentation = Gesetzgebung in der systematischen Sammlung des Bundesrechtes (SR) unter Nr 281.1 zugängliche Textfassung) handelt es sich beim "Verlustschein nach Pfändung" nicht um eine "Entscheidung" im Sinn des LGVÜ. das (schweizer) Bundesgericht hat wiederholt festgehalten (BGE 116 III 66 [68]), der Pfändungsverlustschein sei nichts anderes als eine amtliche Bestätigung darüber, dass in einer Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner keine oder nur ungenügende Deckung der Forderung erzielt werden konnte. Diese Bescheinigung stellt eine öffentliche (betreibungsrechtliche) urkunde dar (Amonn/Walther, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts7, § 31 Rz 5), die aber (Naegeli [in Dasser/oberhammer, Kommentar zum Lugano-Übereinkommen - LugÜ, 2008] Art 50 Rz 33 folgend) keine vollstreckbare öffentliche Urkunde ist. Der vorgelegte Pfändungsverlustschein kann somit auch nicht nach Art 50 LGVÜ für vollstreckbar erklärt werden (der Oberste Gerichtshof war - soweit feststellbar - noch nicht mit der Frage der "Vollstreckbarerklärung" eines Pfändungsverlustscheines befasst; der Vollstreckbarkeit von Konkursverlustscheinen nach Art 265 SchKG steht er ablehnend gegenüber [1 Ob 756/26 = SZ 8/319; 1 Ob 2095/96m = RIS-Justiz RS0106899]).

der Ansicht der Rekurswerberin, die vorgelegte Urkunde entspreche am ehesten einer "Exekutionsbewilligung", somit einer "Entscheidung", die für vollstreckbar erklärt werden könne, kann nicht gefolgt werden. Es handelt sich auch nicht um einen einer Entscheidung eines Zivilgerichtes gleichzuhaltenden Titel aus einem Zwangsvollstreckungsverfahren.

Soweit sich die Rekurswerberin im Rechtsmittel auf den oben genannten Vollstreckungsvertrag vom 16.12.1960 zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft beruft, ist dieser durch Art 55 des LGVÜ ersetzt (verdrängt) worden. Der von ihr zitierte Vertrag vom 26.8.1968 zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Ergänzung des Haager Übereinkommens betreffend das Verfahren in bürgerlichen Rechtssachen, öBGBl 1969/354, hat einen anderen Regelungsgegenstand. Da der vorgelegte Pfändungsverlustschein aus den dargelegten Gründen nicht Gegenstand einer Vollstreckbarerklärung sein kann, brauchte das Erstgericht auch kein Verbesserungsverfahren einzuleiten (die von der Rekurswerberin monierte unterlassene Aufforderung zur Vorlage der Abschrift der dem Verlustschein zu Grunde liegenden Entscheidung hätte zum Austausch der für vollstreckbar zu erklärenden Urkunde geführt, was aber nicht Gegenstand eines Verbesserungsverfahrens sein könnte). Gegenstand einer Vollstreckbarerklärung könnte - unter den sonstigen Voraussetzungen (ob diese erfüllt sind, kann hier nicht beurteilt werden) - nur die dem schweizerischen Betreibungsverfahren zu Grunde liegende Entscheidung sein.

Dem Rekurs ist somit ein Erfolg nicht zu bescheiden. Die Entscheidung über die Selbsttragung der für den Rekurs verzeichneten Kosten ist eine Folge davon (§ 40 und § 50 Abs 1 ZPO iVm § 78 EO).

Ein Bewertungsausspruch erübrigt sich, weil dem Verlustschein eine Geldforderung zu Grunde liegt.

Ungeachtet des § 84 Abs 4 EO ist der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig, weil der Wert des Entscheidungsgegenstandes (umgerechnet) € 4.000,-- nicht übersteigt (§ 528 Abs 2 Z 1 ZPO iVm § 78 EO).

Rechtssätze
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