JudikaturJustiz4Ob5/24z

4Ob5/24z – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. Januar 2024

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schwarzenbacher als Vorsitzenden sowie den Vizepräsidenten Hon. Prof. PD Dr. Rassi, die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M., und Mag. Waldstätten und den Hofrat Dr. Stiefsohn als weitere Richter in der Rechtssache der gefährdeten Partei R* OG, *, gegen die Gegnerin der gefährdeten Partei Z* GmbH, *, vertreten durch Dr. Johannes Öhlböck, LL.M., Rechtsanwalt in Wien, wegen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung (Streitwert 20.000 EUR), über den Revisionsrekurs der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 28. November 2023, GZ 5 R 172/23k 15, womit der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 27. September 2023, GZ 13 Cg 54/23b 9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

I. Die Bezeichnung der gefährdeten Partei wird wie aus dem Kopf dieser Entscheidung ersichtlich berichtigt.

II. Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass der Beschluss wie folgt zu lauten hat:

„Einstweilige Verfügung

Die Gegnerin der gefährdeten Partei hat es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr im Auftrag Dritter Aufforderungsschreiben an (potenzielle) Besitzstörer zu versenden, mit denen diese zur Abgabe von Unterlassungserklärungen und/oder zur Zahlung von Geldbeträgen aufgefordert werden und/oder mit denen Vergleichsangebote für das Absehen von der Einbringung einer Besitzstörungsklage unterbreitet werden. Die Unterlassungspflicht bezieht sich auch auf gleichartige Verhaltensweisen sowie auf das Anbieten und/oder Bewerben der in Satz 1 genannten Verhaltensweisen/Dienstleistungen im geschäftlichen Verkehr.

Die gefährdete Partei hat die Klage zur Geltendmachung des gesicherten Anspruchs binnen vier Wochen ab Zustellung dieser Entscheidung bei Gericht einzubringen. Diese einstweilige Verfügung gilt bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Rechtfertigungsklage.“

Die gefährdete Partei hat ihre Kosten des Sicherungsverfahrens aller drei Instanzen vorläufig, die Gegnerin der gefährdeten Partei ihre diesbezüglichen Kosten endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Zu I.:

[1] Die Änderung der Firma der gefährdeten Partei (im Folgenden: Antragstellerin) ergibt sich aus dem Firmenbuch. Ihre Parteibezeichnung war daher von Amts wegen zu berichtigen (RS0039666 [T10]).

Zu II.:

[2] Die Antragstellerin betreibt eine Rechtsanwaltskanzlei in Wien.

[3] Die Antragsgegnerin verfügt über Gewerbeberechtigungen für das Sicherheitsgewerbe (Berufsdetektive, Bewachungsgewerbe) und für Dienstleistungen in der automatischen Datenverarbeitung und Informationstechnik. Folgender Geschäftszweig ist im Firmenbuch bei der Antragsgegnerin eingetragen: „Dienstleistungen in der automatischen Datenverarbeitung und Informationstechnik in Zusammenhang mit Besitzstörungen respektive Besitzschutz“ .

[4] Die Antragsgegnerin bietet im geschäftlichen Verkehr Abmahnungen bei Besitzstörungen an. Der Kunde kann eine von ihm als solche erachtete Besitzstörungshandlung (unter Beifügung von Beweisfotos) online melden und die Antragsgegnerin beauftragen. Die Beklagte bietet dem Kunden an, dass für ihn bei der Behörde die Halterdaten ermittelt und dem Falschparker eine Unterlassungserklärung übermittelt werden, in der er sich zur Abwendung einer Klage zur Unterlassung und Zahlung einer Pauschale von 399 EUR ( „Pauschalbetrag zum Klagsverzicht wegen Besitzstörung“ ) auf das Konto der Antragsgegnerin verpflichtet, wobei der Kunde 50 % der Pauschale (als „Provision“ ) erhält.

[5] Es wird betont, dass die Antragsgegnerin ausschließlich auf Meldung und Beauftragung von Besitzstörungen durch Privatpersonen oder Unternehmen tätig wird und in der Folge ganz gezielt den Besitz von „Herrn und Frau Österreicher“ schützt. Eine wie immer geartete rechtliche Beratung, (außer-)gerichtliche Vertretungshandlung und sonstige in den Vertretungsvorbehalt des § 8 RAO fallende Tätigkeiten würden nicht übernommen.

[6] Nach den AGB der Antragsgegnerin beauftragt der Kunde ( „Melder“ ) mit der Meldung der Störungshandlung gleichzeitig die Antragsgegnerin mit der kostenlosen Bewachung seines Besitzes und räumt ihr „Mitbesitz an der gestörten Liegenschaft“ ein (§ 2 Z 3 AGB). Eine selbstständige Verfolgung bzw Geltendmachung der gemeldeten Besitzstörungen seien nach Auftragsbestätigung nicht länger zulässig (§ 2 Z 4.1 AGB). Für den Fall, dass der Störer die Abgabe der Unterlassungserklärung und/oder die Zahlung verweigert, bringt die Antragsgegnerin nach eigenem Ermessen und auf eigenes Kostenrisiko eine Klage durch einen österreichischen Partneranwalt ein (§ 3 Z 5 AGB).

[7] Auf der Website der Antragsgegnerin werden die Dienstleistungen ua wie folgt beworben und erklärt:

[8] Mit ihrem Sicherungsantrag begehrt die Antragstellerin die Erlassung einer einstweiligen Verfügung wie aus dem Spruch ersichtlich. Die Antragsgegnerin verhalte sich unlauter iSd § 1 Abs 1 Z 1 UWG („Vorsprung durch Rechtsbruch“). Die Antragsgegnerin betreibe gewerbsmäßig – im Auftrag Dritter – ein außergerichtliches Abmahnwesen bei Besitzstörungen und übe damit im geschäftlichen Verkehr eine Tätigkeit aus, die gemäß § 8 RAO Rechtsanwälten vorbehalten sei, indem sie vorprozessual für Dritte in Rechtsangelegenheiten einschreite. Mit den Gewerbeberechtigungen der Antragsgegnerin sei keine Kompetenz zur Vertretungstätigkeit in rechtlichen Angelegenheiten verbunden. Sie verstoße überdies gegen die Standesregeln des Fachverbands der gewerblichen Dienstleister für das Sicherheitsgewerbe, nach denen sich Berufsdetektive standeswidrig verhalten, wenn sie sich zivilrechtliche Forderungen des Auftraggebers gegenüber Dritten abtreten lassen oder solche Forderungen einziehen bzw eintreiben. Angesichts der vorliegenden höchstgerichtlichen Rechtsprechung zum Umfang des Rechtsanwaltsvorbehalts könne sich die Antragsgegnerin nicht erfolgreich auf eine „vertretbare Rechtsauffassung“ berufen. Die Antragsgegnerin habe einen erheblichen Wettbewerbsvorteil, weil sie nicht an das restriktive anwaltliche Berufsrecht gebunden sei.

[9] Die Antragsgegnerin wandte ein, sie sei Mitbesitzerin der Parkplätze, gegen deren Störung sie vorgehe, und mache daher eigene Ansprüche geltend. Grundlage ihrer Tätigkeit sei der von den Liegenschaftsbesitzern unterschriebene Bewachungsauftrag, durch den die Antragsgegnerin Mitbesitzerin des Liegenschaftsbesitzes werde, der bewacht werden soll. Die Antragsgegnerin biete ihre Leistungen unentgeltlich an und sei damit Akquisiteurin für Besitzstörungsmandate, die ausschließlich an Rechtsanwälte vergeben würden. Sie sei Schnittstelle zwischen Rechtsanwälten, die außergerichtliche Korrespondenz nicht nach Tarif abrechnen möchten, und Personen, die eine Besitzstörung verfolgen möchten, ohne dass sie dafür anwaltlichen Stundensatz zahlen möchten. Eine Abtretung erfolge nicht, es würden privatautonom festgesetzte Pauschalbeträge zum Klagsverzicht angeboten und zwar unter Verzicht auf das eigene Klagerecht. Die Verfolgung eigener Ansprüche samt Unterbreitung eines Angebots an den Störer, gegen Zahlung eines geringen Pauschalbetrags auf das Klagerecht zu verzichten, unterliege nicht dem Vorbehaltsbereich des Rechtsanwaltsberufs und stelle keine Tätigkeit iSd § 8 RAO dar.

[10] Ausgehend vom eingangs zusammengefasst referierten Sachverhalt wiesen die Vorinstanzen den Verfügungsantrag ab.

[11] Das Erstgericht ging davon aus, dass der Antragsgegnerin durch die Erteilung des Bewachungsauftrags und der Gewährung von Mitbesitz durch ihre Kunden Rechtsbesitz an den Liegenschaften eingeräumt werde. Die Antragsgegnerin mache nur eigene und nicht abgetretene Ansprüche geltend, weshalb auch kein Verstoß gegen die Standesregeln der Berufsdetektive vorliege, zumal diese Regeln im Anlassfall (Parkraumüberwachung) nicht gelten würden.

[12] Nach Ansicht des Rekursgerichts komme es für einen Eingriff in den durch § 8 RAO dem Rechtsanwaltsstand vorbehaltenen Bereich darauf an, ob das angebotene und beworbene Tätigwerden eine Vertretungstätigkeit für dritte Personen (Mandanten) darstellt oder einer eigenwirtschaftlichen Interessenverfolgung entspricht. Letzteres sei der Fall. Die Antragsgegnerin entfalte keine Vertretungstätigkeit zugunsten Dritter gegenüber Behörden oder Privatpersonen. Die von ihr versendeten Unterlassungserklärungen betreffen nur ihre eigene Anspruchs- und Interessenverfolgung.

[13] Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige. Es ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil das Geschäftsmodell der Antragsgegnerin prominent beworben werde und ein über den Einzelfall hinausgehendes Interesse an der Beurteilung der zugrunde liegenden Rechtsfragen bestehe.

Rechtliche Beurteilung

[14] Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin mit dem Antrag, die einstweilige Verfügung zu erlassen. Die Antragsgegnerin beantragte in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs zurückzuweisen bzw ihm nicht Folge zu geben.

[15] Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

[16] 1.1 Das Vertretungsrecht eines Rechtsanwalts umfasst die Befugnis zur berufsmäßigen Parteienvertretung in allen gerichtlichen und außergerichtlichen, in allen öffentlichen und privaten Angelegenheiten (§ 8 Abs 1 RAO). Die Befugnis zur umfassenden berufsmäßigen Parteienvertretung ist den Rechtsanwälten vorbehalten (§ 8 Abs 2 RAO). § 8 RAO stellt auf „das typische Berufsbild des Rechtsanwaltes und die traditionellerweise von Rechtsanwälten ausgeübten Tätigkeiten ab“ ( VwGH 97/19/1553 und Ra 2018/03/0001 ). Der Begriff der „Parteienvertretung in allen gerichtlichen und außergerichtlichen, in allen öffentlichen und privaten Angelegenheiten“ in § 8 Abs 1 RAO umfasst damit nicht bloß die Vertretung vor Behörden und Gerichten, sondern ua auch die Vertretung eines Klienten in Rechtsangelegenheiten gegenüber Dritten im Zuge einer vor- und/oder nachprozessualen Korrespondenz ( 4 Ob 45/23f ; Ra 2018/03/0001 ; Ra 2019/03/0111 ). Für den Rechtsanwaltsberuf ist typisch, dass er die rechtliche Beratung und Vertretung von Klienten vor Gerichten in dem weitesten Ausmaß und Umfang umfasst, der denkbar ist ( Vitek in Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek , RAO 11 § 8 Rz 6 ).

[17] 1.2 Ein Eingriff in die Befugnis zur umfassenden berufsmäßigen Parteienvertretung nach § 8 Abs 2 RAO liegt damit nicht nur bei prozessualen Vertretungshandlungen für andere in einem konkreten Verfahren. Vielmehr genügt es, dass einzelne oder auch nur eine einzige Tätigkeit aus dem Gesamtspektrum der den Rechtsanwälten vorbehaltenen Tätigkeiten gewerbsmäßig ausgeübt wird ( VwGH 97/19/1553 ; [Korrespondenz in juristischen Angelegenheiten mit Androhung einer Klage und Anzeige]; VwGH 2006/06/0125 [Beratungstätigkeit]).

[18] 1.3 Der Vertretungsvorbehalt lässt die in § 8 Abs 2 RAO genannten Berufsbefugnisse diverser österreichischer Berufsordnungen unberührt; jedenfalls unberührt bleiben auch die in Abs 3 leg cit angeführten Befugnisse. Auf eine solche Ausnahme hat sich die Antragsgegnerin nicht berufen.

[19] 2. Im Anlassfall bietet die Antragsgegnerin im geschäftlichen Verkehr Abmahnungen bei Besitzstörungen an. Durch ihr Geschäftsmodell werden Personen, deren Besitz durch Handlungen Dritter gestört wurden, unterstützt. Die Antragsgegnerin offeriert ihren Kunden, dass deren Besitz geschützt wird. Durch eine Unterlassungserklärung und den von den Störern mit einer Zahlung abzulösenden „Verzicht auf die Klagsführung“ will die Antragsgegnerin ihre (in ihrem Besitz gestört) Kunden vor weiteren Besitzstörungshandlungen schützen. Die Antragsgegnerin wirbt damit, dass sie nach der Meldung einer Besitzstörung „ für die Kunden übernimmt“ ( „Ab diesem Zeitpunkt übernehmen wir für sie“ ). Das korrespondiert mit den zentralen Werbebotschaften der Antragsgegnerin „Zupf di, Wir schützen Besitz ! , „Wir schützen Ihren Besitz“ , „Wir ... schützen ganz gezielt den Besitz von Herrn und Frau Österreicher“ . Den Kunden wird empfohlen, nicht selbst zu klagen , sondern die Antragsgegnerin zu beauftragen . Das Geschäftsmodell der Antragsgegnerin zielt damit zentral darauf ab, die Interessen des besitzenden Kunden gegenüber dem Besitzstörer zu vertreten und die sich daraus ergebenden zivilrechtlichen Ansprüche des Kunden außerprozessual durchzusetzen.

[20] 3. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Antragsgegnerin bei der Durchsetzung von Besitzschutzrechten ihrer Kunden gegenüber den in Anspruch genommenen Dritten nicht im Namen der Kunden auftritt.

[21] 3.1 Die Antragsgegnerin argumentiert hier damit, sie mache nur eigene Ansprüche geltend, weshalb ein Verstoß gegen § 8 RAO schon deshalb ausscheide. Ihr werde von den Kunden im Zusammenhang mit dem Auftrag zur Bewachung von Liegenschaften „Mitbesitz“ eingeräumt, weshalb ihr als Rechtsbesitzerin gegenüber dritten Störern Besitzschutz zukomme, sodass sie eigene Ansprüche durchsetze.

[22] 3.2 Diese Ausführungen sind nicht geeignet, einen Verstoß gegen § 8 Abs 2 RAO zu verneinen.

[23] 3.2.1 Rechtsbesitz setzt voraus, dass die Ausübung des Rechtsinhalts als Recht in Anspruch genommen wird ( Kodek in Fenyves/Kerschner/Vonkilch Klang 3 § 313 ABGB Rz 7); was hier nicht vorliegt. Zudem scheitert ein Rechtsbesitz im Anlassfall schon daran, dass kein Gebrauch im eigenen Namen (§ 312 ABGB) vorliegt (vgl Riedler , ZR V SR 6 Rz 12/15). Darüber hinaus steht dem bloßen Bewacher einer Sache weder Sach- noch Rechtsbesitz zu, weil dieser keinen Willen hat, die Sache für sich zu haben (vgl Holzner in Rummel/Lukas 4 § 309 ABGB Rz 3 mwN; siehe zur vergleichbaren Situation bei der Verwahrung: 8 Ob 549/92 mwN ). Der Überwachungsauftrag kann allenfalls zu einer (bloßen) Innehabung an den Liegenschaften führen. Selbst bei Setzen einer Überwachungshandlung würde die Antragsgegnerin keine Rechtsausübung vornehmen, weil darunter keine Handlungen fallen, die nur zur Erfüllung einer Pflicht unternommen werden ( Kodek aaO Rz 9).

[24] 3.2.2 Abgesehen von der evidenten sachenrechtlichen Unwirksamkeit der Einräumung eines Mit- bzw Rechtsbesitzes an die Antragsgegnerin als Bewacherin der Liegenschaft, dient die Konstruktion des angegriffenen Geschäftsmodells primär (nur) dazu, um nach außen zu verschleiern, dass die Interessen der von der Antragsgegnerin betreuten Kunden durchgesetzt werden sollen. Dies ergibt sich aus der von den Vorinstanzen detailliert dargestellten Vorgangsweise, wie die Kunden „ganz ohne Klage und Gerichtsverfahren zu ihrem Recht kommen“ .

[25] 3.2.3 Ungeachtet des mit der gegenständlichen Konstruktion verbundenen Umstands, dass die Antragsgegnerin gegenüber den störenden Dritten formal nicht als Vertreterin der Kunden auftritt, liegt im Anlassfall ein Eingriff in das Vertretungsmonopol der Rechtsanwälte vor, weil die Antragsgegnerin – wie oben ausgeführt – ihre Kunden außergerichtlich dahin unterstützt, dass deren verletzte Rechte durchgesetzt werden. Die Antragsgegnerin bietet damit eine traditionellerweise von Rechtsanwälten ausgeübte Tätigkeit an. Würde man eine solche „verdeckte Parteienvertretung“ vom Vorbehalt ausnehmen, würde dies gegen die ratio legis des § 8 RAO sprechen. Diese Norm will im Hinblick auf das strenge rechtsanwaltliche Standes- und Disziplinarrecht ua auch die rechtsuchende Bevölkerung bei der Rechtsdurchsetzung schützen.

[26] 4. Mit Blick auf die oben referierte Judikatur, wonach beim Vorbehalt des § 8 Abs 2 RAO nicht bloß auf reine Vertretungstätigkeiten, sondern auf das typische Berufsbild des Rechtsanwalts und die traditionellerweise von Rechtsanwälten ausgeübten Tätigkeiten abzustellen ist, ist die lauterkeitsrechtliche Vertretbarkeit des der Antragsgegnerin vorzuwerfenden Rechtsbruchs zu verneinen. Die Rechtsdurchsetzung im Fall von Besitzstörungen gehört zu den typisch von Rechtsanwälten ausgeübten Tätigkeiten. Die behauptete nachgelagerte Einschaltung von Rechtsanwälten für die klagsweise Durchsetzung ändert daran nichts. Zudem zielte das Vorgehen der Antragsgegnerin geradezu darauf ab, die Bestimmung des § 8 Abs 2 RAO durch die von ihr gewählte Konstruktion zu umgehen.

[27] 5. Die angefochtene Entscheidung ist damit im antragsstattgebenden Sinn abzuändern, sodass die einstweilige Verfügung zu erlassen ist.

[28] 6. Wenn eine einstweilige Verfügung vor Eintritt der Fälligkeit des von der antragstellenden Partei behaupteten Rechts oder sonst vor Einleitung des Prozesses oder der Exekution bewilligt wird, ist nach § 391 Abs 2 EO im Beschluss eine angemessene Frist für die Einbringung der Klage oder für den Antrag auf Bewilligung der Exekution zu bestimmen. Diese Bestimmung verfolgt den Zweck, die gefährdete Partei unter Androhung der Aufhebung der einstweiligen Verfügung zu zwingen, die zur Geltendmachung des behaupteten Anspruchs notwendige Klage in möglichst kurzer Zeit anzubringen, damit die durch die einstweilige Verfügung geschaffene Lage unverzüglich einer Klärung zugeführt wird ( RS0005632). Im Anlassfall erscheint eine Frist von vier Wochen angemessen.

[29] 7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 393 Abs 1 EO.