JudikaturJustiz3R30/08s

3R30/08s – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
08. April 2008

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichtes Dr. Jelinek als Vorsitzenden sowie die Richter des Oberlandesgerichtes Mag. Guggenbichler und MMMag. Frank in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.*****, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der *****, wider die beklagte Partei ***** AG, *****, vertreten durch Dr. Alexander Milavec, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 5.396,74 über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 2.1.2008, 46 Cg 45/07y-4 in nichtöffentlicher Sitzung den

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

B e g r ü n d u n g:

Der Kläger begehrte als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der ***** mit seiner am 29.5.2007 beim Erstgericht eingelangten Anfechtungsklage die Zahlung von EUR 5.396,74.

Die Klage sowie die Ladung zu der für den 18.9.2007 anberaumten Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung wurden der Beklagten am 25.6.2007 durch Aushändigung an einen Postbevollmächtigten für Rsa–Briefe zugestellt.

Zur Verhandlungstagsatzung erschien für die Beklagte niemand, sodass das Erstgericht über Antrag des Klägers ein klagsstattgebendes Versäumungsurteil fällte, welches der Beklagten durch Aushändigung an einen Arbeitnehmer am 12.10.2007 zugestellt wurde und unbekämpft in Rechtskraft und Vollstreckbarkeit erwuchs.

Mit einem am 29.11.2007 beim Erstgericht eingelangten Schriftsatz begehrte die Beklagte die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung sowie die neuerliche Anberaumung einer Tagsatzung.

Sie brachte vor, ihr Rechtsvertreter habe dem Kläger bereits mit Schreiben vom 15.2.2007 mitgeteilt, dass sein Anfechtungsbegehren nicht anerkannt werde, sowie dass er auch für ein allfälliges Anfechtungsverfahren bevollmächtigt und eine Klage daher „zu seinen Handen zuzustellen“ wäre. Der Kläger habe das zwischen der Beklagten und ihrem Rechtsvertreter bestehende Vollmachtsverhältnis in der Klage nicht ausgewiesen, sodass die Klage der Beklagten und nicht ihrem Vertreter zugestellt worden sei. Ihre Mitarbeiterin Claudia Z***** leite gerichtliche Schriftstücke grundsätzlich ordnungsgemäß an die Rechtsvertretung der Beklagten weiter. Im gegenständlichen Fall sei ihr aber bekannt gewesen, dass der Beklagtenvertreter bereits in die außergerichtliche Korrespondenz involviert gewesen sei und das – auch für den Fall eines Prozesses bestehende - Vollmachtsverhältnis zur Beklagten gegenüber dem Kläger ausgewiesen habe. Sie sei deshalb der Ansicht gewesen, im gegenständlichen Fall gerichtliche Schriftstücke nicht an den Beklagtenvertreter weiterleiten zu müssen, weil dieser mit der Betreuung der Sache bereits betraut sei. Dieses Missverständnis sei erst am 15.11.2007 aufgeklärt worden, als Claudia Z***** sich beim Beklagtenvertreter über den Stand des Verfahrens informiert und die Auskunft erhalten habe, dass nach seiner Ansicht die Sache nicht gerichtsanhängig sei. Sei der Beklagten daher die Offenlegung des Vollmachtsverhältnisses durch den Beklagtenvertreter gegenüber dem Kläger bekannt gewesen, treffe sie kein Verschulden an der Versäumung der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung. Bei Claudia Z***** handle es sich um eine sehr zuverlässige Mitarbeiterin, der bei ihrer Tätigkeit im Unternehmen der Beklagten bisher noch nie Irrtümer unterlaufen seien. Sie habe entsprechend den eindeutigen und unmissverständlichen Weisungen der Geschäftsführung stets sämtliche Gerichtsschriftstücke an den Beklagtenvertreter weitergeleitet.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht den Wiedereinsetzungsantrag der Beklagten ohne Durchführung eines Bescheinigungsverfahrens als verspätet zurück. Es folgerte aus dem Vorbringen der Beklagten in rechtlicher Sicht, der Beklagten sei die Versäumung der Tagsatzung vom 18.9.2007 spätestens am 12.10.2007 bekannt gewesen, spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte Claudia Z***** mit der Geschäftsleitung Rücksprache halten müssen. Sie habe dem entgegen offenbar zum zweiten Mal ein Gerichtsstück einfach abgelegt. Beim ungelesenen Ablegen eines Gerichtsurteiles, nach dessen Text klar sei, dass die Verhandlung versäumt wurde, und dem schon vorangehenden Ablegen der Ladung zu dieser Verhandlung könne auch nicht von einem geringen Verschulden gesprochen werden.

Text

Beschluss

gefasst:

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich der Rekurs der Beklagten mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss im Sinne einer Bewilligung ihres Antrages auf Wiedereinsetzung abzuändern.

Der Kläger hat keine Rekursbeantwortung erstattet.

Betreffend die Voraussetzungen der Wiedereinsetzung und die Entschuldbarkeit der Säumnis nach §146 ZPO sei zunächst allgemein auf Fasching (Lb² Rz 579 und 580) verwiesen. Nach hA ist das Verschulden der Hilfskräfte des Vertreters der Partei (etwa von Kanzleiangestellten oder Konzipienten) bei Versäumung befristeter Prozesshandlungen im Wiedereinsetzungsverfahren der Partei zuzurechnen (3 Ob 22/07t; 3 Ob 264/04a uva; aA Gitschthaler in Fasching, ZPO3, § 146 Rz 19 und Deixler - Hübner in Fasching, ZPO2, § 146 Rz 52). Der Oberste Gerichtshof hat sich dabei der Ansicht Ertls (Der Wiedereinsetzungswerber und seine Gehilfen, RZ 1998, 3) angeschlossen, der eine Zurechnung solcher Personen zur Partei im Wege der extensiven Auslegung bzw der Analogie von (zu) § 146 ZPO vertritt. Im vorliegenden Fall handelt es sich bei der Beklagten um eine Aktiengesellschaft, somit eine juristische Person. Die Bearbeitung einlangender gerichtlicher Schriftstücke wurde nach ihrem eigenen Vorbringen einer Angestellten übertragen und dieser die Weisung erteilt, solche Schriftstücke umgehend an den Rechtsvertreter der Beklagten weiterzuleiten. Es ist nun keine sachliche Rechtfertigung dafür ersichtlich, das Verhalten einer solchen Person, die der Partei zweifellos näher steht als die Hilfskraft eines berufsmäßigen Parteienvertreters, im Wiedereinsetzungsverfahren nicht der Partei zuzurechnen. Die Beklagte führt in ihrem Antrag im Übrigen auch gar nicht näher aus, welches Kontrollsystem sie eingerichtet hat, um die Befolgung der der zuständigen Mitarbeiterin erteilten Weisungen und damit die Einhaltung von Fristen und Terminen sicherzustellen.

Davon ausgehend erweist sich die Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrages durch das Erstgericht aber als rechtsrichtig. Gem § 148 Abs 2 ZPO ist der Wiedereinsetzungsantrag innerhalb von 14 Tagen ab jenem Tag zu stellen, an welchem das Hindernis weggefallen ist. Hat das Hindernis in einem Irrtum - beispielsweise über den Umstand, dass eine Prozesshandlung versäumt oder tatsächlich verspätet vorgenommen wurde - bestanden, so beginnt der Lauf der Frist jedenfalls mit der tatsächlichen Aufklärung des Irrtums in dem Sinn, dass die betroffene Partei zureichende Kenntnis vom Sachverhalt erlangt (OLG Wien ÖJZ 1934/435). Dies bedeutet, dass ein die Säumnis verursachendes Hindernis bereits dann als weggefallen zu betrachten ist, wenn der Partei selbst unter Berücksichtigung ihrer persönlichen Möglichkeiten und unter Bedachtnahme auf die durch § 147 Abs 3 ZPO zum Ausdruck gebrachte Handlungspflicht zugemutet werden kann, die Prozesshandlung nachzuholen. Eine Wiedereinsetzung ist demnach ausgeschlossen, wenn die Partei nicht nur ein leichtes Verschulden daran trifft, dass für sie das Hindernis nicht bereits früher weggefallen ist (Gitschthaler aaO, Rz 7 ff zu §§ 148-149 ZPO). Davon ausgehend ist dem Erstgericht darin beizupflichten, dass der Beklagten (der ihr zuzurechnenden Mitarbeiterin) der Umstand der Versäumung der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung spätestens mit der Zustellung des Versäumungsurteiles (ON 2) am 12.10.2007 zur Kenntnis gelangte. Einer auch nur durchschnittlich sorgfältigen Angestellten einer juristischen Person, die regelmäßig mit der Behandlung gerichtlicher Schriftstücke betraut ist, ist es zuzumuten, den Inhalt einer solchen, bloß auf einer einzigen DIN-A4-Seite wiedergegebenen Entscheidung zur Kenntnis zu nehmen. Schon aus dem ersten Satz der Entscheidungsgründe ergibt sich unmissverständlich die Tatsache der Versäumung der Tagsatzung durch die Beklagte. Wenn die zuständige Mitarbeiterin in dieser Situation nicht unverzüglich Kontakt mit dem Beklagtenvertreter aufnimmt, sondern weiter darauf vertraut, dieser sei „ohnehin mit der Sache befasst“ und das Schriftstück ablegt, ist dies unter den gegebenen Umständen als nicht mehr bloß minderer Grad des Versehens zu bezeichnen. War das die Säumnis der Beklagten verursachende Hindernis somit spätestens mit Zustellung des Versäumungsurteiles weggefallen, ist der erst am 29.11.2007 beim Erstgericht eingelangte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 149 Abs 3 ZPO als verspätet zurückzuweisen.

Der Revisionsrekurs ist gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls

unzulässig.

Oberlandesgericht Wien

1016 Wien, Schmerlingplatz 11

Rechtssätze
0

Keine verknüpften Rechtssätze zu diesem Paragrafen