JudikaturJustiz3R146/15h

3R146/15h – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
05. November 2015

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz als Rekursgericht hat durch Senatspräsidentin Dr. Brigitta Hütter als Vorsitzende sowie die Richter Dr. Ulrike Bourcard und Dr. Wolfgang Seyer in der Rechtssache des Antragstellers A***** F*****, ***** vertreten durch Mag. F***** E*****, Rechtsanwalt*****, als Verfahrenshelfer gegen den Antragsgegner Mag. W***** S*****, ***** vertreten durch Dr. B***** Rechtsanwalts-Kommanditpartnerschaft *****, wegen Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Einbringung einer Schadenersatzklage (EUR 63.000,00), infolge des Rekurses des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichtes Wels vom 25. Februar 2015, 36 Nc 25/14s-10, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Aus Anlass des Rekurses wird der angefochtene Beschluss als nichtig aufgehoben.

Dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Parteien haben ihre Kosten des Rechtsmittelverfahrens selbst zu tragen.

Ein Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

Begründung:

Der Antragsteller begehrte die Bewilligung der Verfahrenshilfe, insbesondere durch Beigebung eines Rechtsanwaltes zur Einbringung einer Schadenersatzklage über EUR 63.000,00 gegen Mag. W***** S*****. Dieser habe sowohl als Partei im Prozess 8 Cg 62/12g des Erstgerichtes als auch als Zeuge in den Verfahren 1 Cg 64/12z und 19 Cga 125/12y des Erstgerichtes falsch ausgesagt. Deshalb sei im Urteil 8 Cg 62/12g in zwei Instanzen gegen den Antragsteller entschieden worden. Der entstandene Schaden betreffe die Klagesumme von EUR 29.000,00 sowie die Kosten von zwei Rechtsanwälten, insgesamt daher EUR 63.000,00. Wichtige Beweise zur Entkräftung der urteilswesentlichen Feststellungen und Falschaussagen des Mag. S***** habe er erst nach Schluss der Verhandlung erhalten und habe diese neuen Beweise in der Berufung nicht mehr vorbringen können. Er habe diesbezüglich auch Strafanzeige gegen Mag. W***** S***** erstattet.

Mit Beschluss vom 11. Dezember 2014, 36 Nc 25/14s-3, wies das Erstgericht den Verfahrenshilfeantrag ab. Dieser Beschluss musste über Rekurs des Antragstellers mit Beschluss dieses Rekurssenates vom 15. Jänner 2015, 3 R 3/15d-7, aufgehoben werden, weil die Sache aus mehreren – im Einzelnen detailliert dargestellten Erwägungen – noch nicht spruchreif war. Diese betrafen sowohl die Frage einer allfälligen Mutwilligkeit oder Aussichtslosigkeit der vom Antragsteller angestrebten Klagsführung gegen Mag. W***** S*****, zu der mangels eines vom Erstgericht erhobenen und festgestellten Tatsachensubstrats (noch) nicht Stellung genommen werden konnte (S 3 Abs 1 des angeführten Beschlusses), als auch verschiedene Fragen der finanziellen Voraussetzungen der Verfahrenshilfe.

Über die Anregung des Rekursgerichtes lud das Erstgericht den Antragsteller für die notwendigen Verfahrensergänzungen persönlich vor. Allerdings vernahm es den Antragsteller gemeinsam mit seiner Ehefrau ***** und legte darüber ein Protokoll an, in dem die Angaben des Antragstellers und seiner Ehefrau vermengt, also nicht getrennt dargestellt werden.

Der nunmehr vom Antragsgegner angefochtene Bewilligungsbeschluss enthält weder eine Begründung noch ist ihm zu entnehmen, wofür Verfahrenshilfe bewilligt wird.

In der Folge bestellte die ***** Mag. F***** E***** zum Verfahrenshelfer des Antragstellers. Dieser brachte zu 36 Cg 82/15 des Erstgerichtes gegen Mag. W***** S***** eine auf Leistung von EUR 237.021,45 sA und Feststellung (bewertet mit EUR 5.000,00) gerichtete Klage ein.

Mit seinem Rekurs bekämpft der Antragsgegner den Bewilligungsbeschluss wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens sowie unrichtiger rechtlicher Beurteilung und beantragt Abänderung in eine Abweisung des Verfahrenshilfeantrages, in eventu Aufhebung und Zurückverweisung an das Erstgericht. Er verbindet mit seinem Rekurs einen Antrag auf Entziehung der Verfahrenshilfe gemäß § 68 Abs 2 ZPO und erstattet unter einem auch eine Klagebeantwortung.

Der Antragsteller beantragte mit seiner Rekursbeantwortung die Bestätigung des angefochtenen Beschlusses.

Der Revisor beim Landesgericht Wels beteiligte sich nicht am Rekursverfahren.

Rechtliche Beurteilung

Aus Anlass des zulässigen und rechtzeitigen Rekurses ist von Amts wegen eine dem angefochtenen Beschluss anhaftende Nichtigkeit wahrzunehmen.

Gemäß § 477 Abs 1 Z 9 ZPO ist ein Urteil als nichtig aufzuheben, wenn seine Fassung so mangelhaft ist, dass eine Überprüfung nicht mit Sicherheit vorgenommen werden kann, wenn das Urteil mit sich selbst in Widerspruch ist oder für die Entscheidung keine Gründe angegeben sind. Gemäß § 514 Abs 2 ZPO sind auch Beschlüsse aus den in § 477 ZPO angegebenen Gründen anfechtbar.

§ 428 Abs 1 ZPO ordnet an, dass Beschlüsse über widerstreitende Anträge und Beschlüsse, durch welche ein Antrag abgewiesen wird, begründet werden müssen. Dass andere Beschlüsse generell nicht zu begründen sind, ist daraus nicht abzuleiten. Vielmehr liegt es im Ermessen des Gerichts, auch andere Beschlüsse zu begründen. Eine solche Begründung ist insbesondere dann zweckmäßig und nahezu unentbehrlich, wenn dem Beschluss durchgeführte Erhebungen und darauf beruhende Tatsachenfeststellungen zugrunde liegen (M. Bydlinski in Fasching/Konecny2 § 428 ZPO Rz 1). Zwar wird der Verzicht auf eine Begründung bei ohne Gegenantrag des Prozessgegners bewilligter Verfahrenshilfe in der Rechtsprechung der zweitinstanzlichen Gerichte verschiedentlich für zulässig erachtet (vgl. M. Bydlinski in Fasching/Konecny3 § 72 ZPO Rz 5 mwN; Klauser/Kodek, JN-ZPO4 § 72 ZPO E 2a). Allerdings handelt es sich im vorliegenden Fall um einen im zweiten Rechtsgang ergangenen Bewilligungsbeschluss, in dem detaillierten Aufträgen des Rekursgerichtes zur Verbreiterung der Sachverhaltsgrundlage nachzukommen war. Diese Konstellation erfordert eine Begründung des Bewilligungsbeschlusses, der verlässlich entnommen werden kann, von welchen Tatsachen das Erstgericht bei seiner Entscheidung ausgegangen ist.

Dieses Erfordernis erfüllt der angefochtene Beschluss in keiner Weise, was den Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 9 ZPO iVm § 514 Abs 2 ZPO verwirklicht. Der angefochtene Beschluss musste daher aufgehoben werden. Seine neuerliche Entscheidung wird das Erstgericht nachvollziehbar und überprüfbar zu begründen haben.

Sollte das bisherige Verfahren keine für die Beurteilung der Mutwilligkeit oder Aussichtslosigkeit ausreichende Tatsachengrundlage ergeben, ist gegebenenfalls eine Verfahrensergänzung durch weitere Erhebungen erforderlich.

Hinzuweisen ist auch auf die Bestimmung des § 66 Abs 1 ZPO, wonach im Verfahrenshilfeantrag die Rechtssache bestimmt zu bezeichnen ist, für die die Verfahrenshilfe begehrt wird. Das bedeutet, dass der Gegenstand des Rechtsstreits mit einiger Klarheit erkennbar sein muss und so weit zu beschreiben ist, dass die Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung wenigstens grob abgeschätzt werden können (Bydlinski in Fasching/Konecny2 § 65 ZPO Rz 1 und § 66 ZPO Rz 1; Klauser/Kodek aaO § 66 ZPO E 1). Dementsprechend hat auch ein über einen Verfahrenshilfeantrag ergehender Beschluss den Streitgegenstand so zu bezeichnen, dass erkennbar ist, wofür Verfahrenshilfe bewilligt oder nicht bewilligt wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 72 Abs 3 letzter Satz ZPO.

Der Ausschluss eines weiteren Rechtszugs ergibt sich aus § 528 Abs 2 Z 4 ZPO.

Rechtssätze
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