JudikaturJustiz32R39/15b

32R39/15b – LG Leoben Entscheidung

Entscheidung
30. Juli 2015

Kopf

Das Landesgericht Leoben hat als Rekursgericht durch die Richter Dr. Günter Kafrda (Vorsitz), Mag. Maria-Luise Schröcker und Mag. Georg Schober in der Exekutionssache der betreibenden Partei F*** G***, vertreten durch Dr. Hans-Moritz Pott, Rechtsanwalt in Liezen, wider die verpflichtete Partei Dkfm. I*** H***, vertreten durch Karasek Wietrzyk Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Versteigerung einer gemeinschaftlichen Liegenschaft, über den Rekurs der verpflichteten Partei gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Liezen vom 2. Juni 2015, 14 E 19/13x-25, beschlossen:

Spruch

Der Rekurs wird, soweit er Nichtigkeit geltend macht, v e r w o r f e n.

Im Übrigen wird dem Rekurs F o l g e gegeben.

Der angefochtene Beschluss, der im Übrigen als nicht bekämpft unberührt bleibt, wird in seinem Punkt I. (Aufschiebung nach §§ 45a, 200a EO) aufgehoben und die Rechtssache insoweit zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

BEGRÜNDUNG:

Mit Beschluss vom 23. Juli 2013 bewilligte das Erstgericht die Exekution durch gerichtliche Versteigerung der im Miteigentum des Betreibenden und der Verpflichteten stehenden Liegenschaften EZ * und * GB 67002 Bad Aussee.

Nachdem das Erstgericht mit Edikt vom 24. April 2015 die Versteigerung der Liegenschaften für den 2. Juni 2015 angesetzt hatte, beantragte der Betreibende mit Antrag vom 1. Juni 2015 die „ Aufschiebung des Exekutionsverfahrens gemäß § 45a EO bzw. § 200a EO “, weil Vergleichsverhandlungen geführt würden und er daher von der Fortsetzung der Exekution vorerst abstehe. Für seinen Antrag verzeichnete er Kosten nach TP2 RAT von EUR 593,82.

Mit dem bekämpften Beschluss schob das Erstgericht das Verfahren begründungslos nach §§ 45a, 200a EO auf, ohne der Verpflichteten zuvor die Möglichkeit zur Äußerung einzuräumen (Punkt I.). Weiters beraumte es den Versteigerungstermin vom 2. Juni 2015 ab (Punkt II.) und wies letztlich das Kostenbegehren des Betreibenden ab (Punkt III.).

Gegen die Aufschiebung des Verfahrens richtet sich der fristgerecht aus den Anfechtungsgründen der Nichtigkeit, der Mangelhaftigkeit des Verfahrens sowie der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Rekurs der Verpflichteten mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und dem Erstgericht die unverzügliche Fortsetzung des Versteigerungsverfahrens aufzutragen. Inhaltlich führt die Verpflichtete im Wesentlichen zwei Argumente ins Treffen: Einerseits hätte ihr das Erstgericht vor seiner Entscheidung Gelegenheit geben müssen, zum Aufschiebungsantrag Stellung zu nehmen, wobei sie vorbringen hätte können, dass es in Wahrheit keinerlei Vergleichsgespräche mit dem Betreibenden gäbe. Dies verwirkliche den Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 4 ZPO, zumindest aber einen Verfahrensmangel. Andererseits komme im Zivilteilungsverfahren eine Aufschiebung nach §§ 45a oder 200a EO schon grundsätzlich nicht in Frage, sodass das Erstgericht auch einem Rechtsirrtum unterlegen sei.

Der Betreibende erstattete keine Rekursbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Dem Rekurs kommt im Umfang des im Abänderungsantrag enthaltenen Aufhebungsantrags (RIS-Justiz RS0041774 [T1], RS0043902 [T9] und RS0043924; Klauser/Kodek , JN-ZPO 17 , E 15 zu § 467 ZPO; Pimmer in Fasching/Konecny , ZPG 3 , Rz 19 und 24 sowie Rz 2 zu § 483 ZPO zu § 467 ZPO; Zechner in Fasching/Konecny , aaO, Rz 158 zu § 503 ZPO; Kodek in Rechberger , ZPO 4 , Rz 4 zu § 471 ZPO uva) Berechtigung zu.

Die Verpflichtete führt vollkommen zutreffend aus, dass das Teilungsurteil als iudicium duplex auch vom Beklagten gegen den Kläger in Vollzug gesetzt werden kann, wobei über die Verteilung der Parteirollen das Zuvorkommen mit dem Exekutionsantrag entscheidet. Wenn einem Miteigentümer bereits die Exekution bewilligt wurde, ist jeder weitere Exekutionsantrag anderer Miteigentümer überflüssig und daher unzulässig (RIS-Justiz RS0004553 insb [T4]; RpflE 1984/77 und 1977/151; Angst/Jakusch/Mohr , EO 15 , E 16 zu § 351 sowie E 14 und 17 zu § 352; Klicka in Angst , EO 2 , Rz 6 zu §§ 352-352c; Höllwerth in Burgstaller/Deixler-Hübner , EO; Rz 12 zu § 352 je mwN; vgl allg: Gruber/Sprohar-Heimlich in Schwimann/Kodek , ABGB 4 , Rz 39 zu § 830; Gamerith in Rummel , ABGB 3 , Rz 20 zu § 830 ABGB; Sailer in KBB 4 , Rz 7 zu § 841 ABGB je mwN). Die Exekution wird daher nicht wie üblich bloß im Interesse des Betreibenden, sondern auch im Interesse des Verpflichteten geführt, wobei ihnen nach § 351 Z 1 EO auch die Rechte und Pflichten des jeweils anderen zukommen. Diesem Grundsatz trägt das Gesetz etwa dadurch Rechnung, dass der Betreibende nach § 352 Z 5 EO nicht wie sonst auch nach Belieben, sondern nur mit Zustimmung des Verpflichteten die Exekution (nach § 39 Abs 1 Z 6 EO) zur Einstellung bringen kann (RIS-Justiz RS0001506; SZ 41/98 = RpflE 1969/125; RpflE 1977/125; Höllwerth , aaO, Rz 29 zu § 252; Klicka , aaO, Rz 1 und 14 zu §§ 352-352c je mwN). Die Aufschiebung des Zivilteilungsverfahrens ist demgegenüber in gleicher Weise zulässig, wie im Verfahren über die Zwangsversteigerung von Liegenschaften (RpflE 1998/49 und 1994/130; Angst/Jakusch/Mohr , aaO, E 59 zu § 44; Höllwerth , aaO, Rz 33 zu § 352; vgl auch Klicka , aaO, Rz 15 zu §§ 352-352c uva).

Was nun die Aufschiebung nach §§ 45a, 200a EO anlangt, so vermag sich das Rekursgericht der Ansicht der Verpflichteten hingegen nicht gänzlich anzuschließen. Besteht nämlich die Möglichkeit, das Zivilteilungsverfahren nach den §§ 42 ff EO aufzuschieben, ist es nach Ansicht des Rekursgerichtes nur konsequent, auch eine Aufschiebung nach § 45a EO zuzulassen. Richtig ist zwar, dass Höllwerth (aaO, Rz 33 zu § 352) die nicht näher begründete Ansicht vertritt, die Aufschiebung wegen einer „Zahlungsvereinbarung“ scheide im Zivilteilungsverfahren jedenfalls aus. Nach der mittlerweile herrschenden Ansicht, der sich auch das Rekursgericht anschließt, ist § 45a EO aber auf alle Arten von Exekutionsverfahren und damit auch im Rahmen der Naturalexekution anzuwenden (RIS-Justiz RFE0000148; RpflE 2009/11; Jakusch in Angst , aaO, Rz 1 und 2 zu § 45a; Angst in Angst , aaO, Rz 1 zu § 200a; Deixler-Hübner in Burgstaller/Deixler-Hübner , aaO, Rz 1 zu § 45a; Breinl in Burgstaller/Deixler-Hübner , aaO, Rz 1 zu § 200a ua). Wie Jakusch (aaO, Rz 2 zu § 45a) überzeugend darlegt, scheidet außerhalb des dritten Abschnitts des zweiten Teils der EO (§§ 346 bis 369 EO) eine Zahlungsvereinbarung mangels betriebener Geldforderung schon begrifflich aus, sodass es dort, nähme man § 45a EO wörtlich, entgegen der oben dargestellten Ansicht keine Aufschiebung nach dieser Bestimmung geben könne. Der Ausweg daraus besteht nun darin, § 45a EO in der Naturalexekution die Funktion eines Moratoriums zuzuerkennen, sofern zwischen den Parteien eine Vereinbarung über ein Hinausschieben der Fälligkeit des betriebenen Anspruchs getroffen wurde. Da kein Grund ersichtlich ist, warum eine solche Vereinbarung nicht auch im Zivilteilungsverfahren möglich sein sollte, vermag das Rekursgericht der dargestellten Ansicht Höllwerths nicht näher zu treten. Auch im Zivilteilungsverfahren ist daher eine Aufschiebung nach § 45a EO möglich und zulässig.

Dies ändert wohlgemerkt aber nichts an den oben dargestellten Besonderheiten des Zivilteilungsverfahrens, denen selbstverständlich auch im Zusammenhang mit einer Aufschiebung nach § 45a EO Rechnung zu tragen ist. Auch wenn nach wohl zutreffender Ansicht grundsätzlich keine Verpflichtung des Betreibenden besteht, in einem von ihm gestellten Antrag das Zustandekommen der Zahlungsvereinbarung nicht bloß zu behaupten, sondern auch zu bescheinigen ( Jakusch , aaO, Rz 6 zu § 45a; Angst , aaO, Rz 5 zu § 200a; aA: LG Feldkirch, RpflE 2003/41; Breinl , aaO, Rz 4 zu § 200a), ist dies im Rahmen der Zivilteilung sehr wohl der Fall. Das ansonsten stichhaltige Argument, schon aufgrund des Parteibetriebs (vgl dazu RIS-Justiz RS0118251 und RS0037454; 3 Ob 35/12m und 3 Ob 94/10k mwN; Angst/Jakusch/Mohr , aaO, E 71 zu § 3; zuletzt LG Leoben, 32 R 56/14a mwN uva) liege es allein im Ermessen des Betreibenden, ein Moratorium zu gewähren, sodass über den von ihm selbst gestellten Antrag hinaus nicht noch zusätzlich die Vorlage einer schriftlichen Vereinbarung zu verlangen ist, überzeugt hier nämlich nicht, weil die Zivilteilung auch im Interesse des Verpflichteten geführt wird und diesem auch die Rechte des Betreibenden zukommen. Daraus folgt, dass es für eine Aufschiebung nach § 45a EO nicht allein auf einen Antrag des Betreibenden ankommt, sondern dafür auch die Zustimmung des Verpflichteten notwendig ist. Damit werden seine Rechte ausreichend berücksichtigt, weil es gegen seinen Willen nicht zu einer Aufschiebung kommen kann. Auch aus diesem Blickwinkel besteht daher keine Veranlassung, § 45a EO im Zivilteilungsverfahren nicht anzuwenden.

Im Licht dieser Grundsätze ist zunächst die behauptete Nichtigkeit nicht verwirklicht. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt nach der Judikatur nämlich nur dann vor, wenn der Partei die Möglichkeit zur Stellungnahme endgültig genommen wurde, nicht aber dann, wenn sie im Rechtsmittelverfahren ohnehin noch Tatsachen- und Beweismittel vorbringen kann (10 Ob 61/14i, 8 Ob 22/13p und 7 Ob 3/13m [je AußStrG]; RIS-Justiz RS0006057 [T7], [T8] und [11], RS0006036 [T4] sowie RS0005915 [T2], [T6] und [T9]; jüngst LG Leoben, 32 R 9/15s mwN uva). Da es sich bei der Zustimmung des Verpflichteten um eine (Antrags-)Voraussetzung für die Aufschiebung nach § 45a EO handelt, kann er diesen Umstand ohne Verstoß gegen das im Exekutionsverfahren geltenden Neuerungsverbot (RIS-Justiz RS0002371; LG Salzburg, 22 R 39/05x; LG Leoben, 32 R 36/15m und 32 R 34/15t je mwN; Angst/Jakusch/Mohr , aaO, E 181 zu § 65; Jakusch , aaO, Rz 33 zu § 65; Rassi in Burgstaller/Deixler-Hübner , aaO, Rz 38 zu §§ 65-67 uva) aber noch – wie hier – im Rekurs geltend machen.

Demgegenüber ist richtig, dass dem Erstgericht eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens unterlaufen ist. Ohne Bescheinigung der behaupteten Vereinbarung hätte das Erstgericht entweder dem Betreibenden einen Verbesserungsauftrag erteilen oder der Verpflichteten die Möglichkeit zur Äußerung zum Antrag einräumen müssen. Da das Unterlassen eines gebotenen Verbesserungsverfahrens eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens begründet (RIS-Justiz RS0048529 und RS0037095; 3 Ob 46/11b und 2 Ob 9/10b; jüngst LG Leoben, 32 R 41/15x, 32 R 62/13g und 32 R 71/12d mwN uva; vgl auch RIS-Justiz RS0036355), ist die Aufhebung des Punkt I. der bekämpften Entscheidung zwingend.

Was die Entscheidung über die Kosten erster Instanz in Punkt III. der bekämpften Entscheidung betrifft, kann hier dahinstehen, dass jede Kostenentscheidung grundsätzlich immer nur mit der Entscheidung in der Hauptsache rechtskräftig werden kann (RIS-Justiz RS0107860 und RS0035900; Zechner , aaO, Rz 6 zu § 504 ZPO

uva), weil – wie das Erstgericht zutreffend erkannt hat – im Zivilteilungsverfahren ein Kostenersatz nicht statt findet (§§ 352 Z 6 iVm 351 Abs 3 EO; 3 Ob 8/13t,

3 Ob 111/11m,

3 Ob 98/10y; LG Klagenfurt, 2 R 314/11w; Klicka , aaO, Rz 7 zu § 351; Höllwerth , aaO, Rz 43 zu § 351 uva). Damit stehen zumindest für den Aufschiebungsantrag jedenfalls keine Kosten zu, sodass das Kostenbegehren des Betreibenden vom Ausgang in der Hauptsache völlig unabhängig ist und sich die Aufhebung daher auch auf diese beschränken kann.

Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht die Sachverhaltsgrundlage daher dadurch zu verbreitern haben, dass es überprüft, ob die behauptete Vereinbarung nach § 45a EO tatsächlich zustande gekommen ist. Ob es dafür dem Betreibenden einen Verbesserungsauftrag erteilt, der Verpflichteten die Möglichkeit zur Äußerung einräumt oder sich mit ihrer Stellungnahme im Rekurs begnügt, bleibt seinem Ermessen anheim gestellt.

Der Kostenvorbehalt stützt sich auf § 78 EO iVm § 52 ZPO.

Landesgericht Leoben, Abteilung Abt

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