JudikaturJustiz32Bs293/23g

32Bs293/23g – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
26. März 2024

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A* wegen §§ 15, 127, 129 Abs 1 Z 1 StGB über die Berufung des Genannten wegen Nichtigkeit sowie des Ausspruchs über die Schuld und Strafe gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 7. November 2023, GZ 96 Hv 88/23y 13.3, sowie dessen (implizite) Beschwerde gegen den unter einem gefassten Beschluss nach § 494a StPO nach der unter dem Vorsitz der Senatspräsidentin Mag. Seidl, im Beisein der Richterin Dr. Vetter und des Richters Dr. Farkas als weitere Senatsmitglieder, in Gegenwart des Oberstaatsanwalts Mag. Wohlmuth LL.M. sowie des Verteidigers Mag. Stefan Danzinger, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten A* durchgeführten öffentlichen Berufungsverhandlung am 26. März 2024

I./ zu Recht erkannt:

Spruch

Die Berufung wegen Nichtigkeit wird zurückgewiesen , jener wegen des Ausspruchs über die Schuld und Strafe nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

II./ den

B e s c h l u s s

gefasst:

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde A* des Vergehens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 15, 127, 129 Abs 1 Z 1 StGB schuldig erkannt und hiefür gemäß §§ 31, 40 StGB unter Bedachtnahme auf das am selben Tag in Rechtskraft erwachsene Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 20. Dezember 2022, AZ 54 Hv 116/22f, nach dem Strafsatz des § 129 Abs 1 StGB zu einer Zusatzfreiheitsstrafe in der Dauer von zwölf Monaten verurteilt.

Mit unter einem gefassten Beschluss sah das Erstgericht gemäß § 53 Abs 3 StGB iVm § 494a Abs 1 Z 2, Abs 6 StPO vom Widerruf der ihm mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 3. August 2022 (rechtskräftig seit 23. Februar 2023) zu AZ 84 Hv 67/22w gewährten bedingten Strafnachsicht ab und verlängerte die Probezeit auf fünf Jahre.

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat A* in ** versucht (§ 15 StGB), fremde bewegliche Sachen, nämlich Wertgegenstände, durch Einbruch anderen mit dem Vorsatz wegzunehmen, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar

A./ zwischen 9. November 2022 und 10. November 2022 B*, indem er die Aluminium-Lamellen von deren Kellerabteil aufbog;

B./ am 27. November 2022 C*, indem er danach trachtete, eine versperrte Schiebetüre zu einer Trafik aufzudrücken und diese mit einem nicht näher festzustellenden Gegenstand aufzuhebeln.

Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht drei einschlägige Vorstrafen und die Tatwiederholung als erschwerend, als mildernd hingegen das reumütige Geständnis zum Schuldspruch B./ sowie zu den Fakten des Bedachtnahmeurteils, den Umstand, dass es bei den Spruchpunkten A./ und B./ sowie beim Faktum I./ des Bedachtnahmeurteils beim Versuch geblieben ist, sowie die überwiegende objektive Schadensgutmachung durch Sicherstellung zum Schuldspruch II./ des Bedachtnahmeurteils.

Gegen dieses Urteil richtet sich die rechtzeitig angemeldete Berufung des Angeklagten wegen Nichtigkeit sowie des Ausspruchs über die Schuld und Strafe (ON 14), die in weiterer Folge jedoch nur in den Anfechtungspunkten Schuld und Strafe schriftlich zur Ausführung gelangte (ON 16). Gegen den unter einem gefassten Probezeitverlängerungsbeschluss wendet sich dessen implizite (§ 498 Abs 3 dritter Satz StPO) Beschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Auf die Berufung des Angeklagten wegen Nichtigkeit war gemäß § 489 Abs 1 iVm § 467 Abs 2 StPO keine Rücksicht zu nehmen, weil er weder bei der Anmeldung der Berufung noch in einer Berufungsschrift ausdrücklich erklärt hat, welche Nichtigkeitsgründe er geltend machen will. Im Übrigen haftet dem Urteil auch keine gemäß § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO iVm §§ 471, 489 Abs 1 StPO von Amts wegen wahrzunehmende Nichtigkeit an.

Der sich ausschließlich gegen das Schuldspruchfaktum A./ richtenden Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld ist vorauszuschicken, dass die freie Beweiswürdigung ein kritisch-psychologischer Vorgang ist, bei dem durch Subsumierung der Gesamtheit der durchgeführten Beweise in ihrem Zusammenhang unter allgemeine Erfahrungssätze logische Schlussfolgerungen zu gewinnen sind. Im Verfahren vorgekommene Beweismittel führen das Gericht in Ansehung ihrer Glaubwürdigkeit und Beweiskraft zur Überzeugung vom Vorliegen oder Nichtvorliegen entscheidender Tatsachen, die Beweismittel sind dabei nicht nur einzeln, sondern in ihrer Gesamtheit und auch in ihrem inneren Zusammenhang zu prüfen (RIS-Justiz RS0098314; Lendl, WK-StPO § 258 Rz 25 f). Die Bewertung hat unter Beachtung der Gesetze folgerichtigen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen zu erfolgen, wobei nicht nur logisch zwingende, sondern auch Wahrscheinlichkeitsschlüsse das Gericht zu Tatsachenfeststellungen berechtigen (RIS-Justiz RS0098362; Lendl aaO).

In Ansehung dieser Prämissen gelingt es dem Berufungswerber nicht, Zweifel an der überzeugenden Beweiswürdigung des Erstgerichts zu erwecken.

Die Tatrichterin stellte unter ersichtlicher Einbeziehung des vom Angeklagten in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks den Geschehensablauf in einleuchtender und nachvollziehbarer Weise dar und gelangte nach Durchführung des Beweisverfahrens mit lebensnaher Argumentation zur Überzeugung, dass der Angeklagte die dem Schuldspruchfaktum A./ zugrunde gelegte Tathandlung in objektiver und subjektiver Hinsicht begangen hat.

Es bestehen keine Bedenken dagegen, dass die Erstrichterin ihre Feststellungen zum objektiven Tathergang das Schuldspruchfaktum A./ betreffend insbesondere auf die im Akt erliegenden Lichtbilder vom Tatort (ON 2.3), den Tatortbericht (ON 2.5) sowie auf das an einer der beiden aufgebogenen Aluminium Lamellen am unteren Ende gesicherte DNA Profil des Angeklagten (ON 5.2 S 3f; ON 12 S 11ff) gestützt hat. Mit der in Ansehung des Faktums A./ leugnenden Verantwortung des Angeklagten und dessen Erklärungsversuch zum Zustandekommen seiner DNA Spur auf einer der aufgebogenen Lamellen hat sich das Erstgericht auseinandergesetzt und mit nicht zu beanstandender Begründung dargelegt, weshalb es dieser Einlassung den Glauben versagte, wobei die Tatrichterin auch den Umstand, dass sowohl die Stiegenzugangstüre als auch die Kellerzugangstüre Beschädigungen vorangegangener Einbrüche aufwies, in ihre Erwägungen miteinbezog (US 7f).

Dem Monitum des Berufungswerbers, wonach sich aus dem Akt nicht ergebe, was mit dem „unteren Ende“ der Lamellen gemeint sei, bzw von wo die Spuren genommen worden seien, es sich dabei um die schmale Unterseite der Lamellen oder um die untere äußere Fläche gehandelt habe und nicht klar sei, ob auch ein Abrieb an der Innenseite gemacht worden sei, ist entgegenzuhalten, dass sich dem Tatortbericht (ON 2.5 S 3) in Verbindung mit der im Akt erliegenden Lichtbildbeilage (ON 2.3 S 9f) entnehmen lässt, dass vom unteren Bereich der aufgebogenen Lamellen ein großflächiger DNA Abrieb mittels befeuchteten Tupfer angefertigt wurde und selbst die Annahme, dass sich die aufgefundene DNA Spur des Angeklagten nur auf der äußeren unteren Fläche einer der aufgebogenen Lamellen befunden hat, dessen Täterschaft nicht zwingend ausschließen würde. Soweit der Berufungswerber in diesem Zusammenhang vermeint, dass bei einem Nichtvorhandensein seiner DNA Spuren auf der Innenseite der (aufgebogenen) Lamellen begründete Zweifel an seiner Täterschaft bestünden, verkennt er, dass der Grundsatz „in dubio pro reo“ keine negative Beweisregel darstellt, die das erkennende Gericht im Falle mehrerer denkbarer Schlussfolgerungen verpflichten würde, sich durchwegs für die dem Angeklagten günstigste Variante zu entscheiden, es kann sich vielmehr jede Meinung bilden, die den Denkgesetzen und der Lebenserfahrung nicht widerspricht (Mayerhofer, StPO 6 § 258 E 65; RIS Justiz RS0098336). Diesen Anforderungen wird die erstgerichtliche Beweiswürdigung zur Täterschaft des Angeklagten, zumal sich diese nicht allein auf dessen aufgefundene DNA Spur beschränkt (US 7f), jedoch gerecht.

Das Vorliegen der subjektiven Tatseite wiederum hat das Erstgericht empirisch einwandfrei aus dem (zuvor dargestellten) äußeren Tatgeschehen abgeleitet (US 7), wobei der Schluss von einem gezeigten Verhalten auf ein zugrundeliegendes Wollen oder Wissen bei einem wie hier leugnenden Angeklagten rechtsstaatlich vertretbar und in der Regel methodisch gar nicht zu ersetzen ist (RIS Justiz RS0116882, RS0098671; Ratz, WK StPO § 281 Rz 452).

Da der Angeklagte sohin betreffend das Schuldspruchfaktum A./ nichts vorgebracht hat, was geeignet wäre, die diesbezügliche schlüssige und lebensnahe Beweiswürdigung des Erstgerichts und die darauf gegründeten Feststellungen in objektiver und subjektiver Hinsicht zu erschüttern, war der Schuldberufung ein Erfolg zu versagen.

Auch die Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe ist nicht im Recht.

Zunächst ist anzumerken, dass ausgehend von der Strafregisterauskunft des Angeklagten (ON 6) angesichts der auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Vorstrafen (vgl hiezu Jerabek/Ropper, WK 2 StGB § 71 Rz 8) die Voraussetzungen des § 39 Abs 1 StGB gegeben sind. Denn der Berufungswerber wurde mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 5. August 2009, AZ 142 Hv 63/09l, wegen §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB zu einer Zusatzfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, die er nach einer bedingten Entlassung daraus am 27. Dezember 2009 letztlich mit 17. Dezember 2016 verbüßte. Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 27. Jänner 2011, AZ 151 Hv 140/10f, wurde er erneut unter anderem wegen §§ 12 dritter Fall, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall, 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt, die er entgegen der Strafregisterauskunft mit 2. November 2015 (vgl ON 107 aus dem beigeschafften Vorstrafakt) verbüßte (Punkt 2. und 4. der Strafregisterauskunft ON 6). Rückfallsverjährung (§ 39 Abs 2 erster Satz zweiter Satzteil StGB) ist demnach im Hinblick auf die gegenständlich erneute Tatbegehung im November 2022 fallbezogen nicht eingetreten, weshalb die Voraussetzungen für die seit 1. Jänner 2020 zwingend zur Anwendung gelangende Strafschärfung bei Rückfall nach § 39 Abs 1 StGB vorliegen (RIS Justiz RS0133600).

Aus § 295 Abs 1 StPO ergibt sich, dass das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung lediglich an den Ausspruch des Gerichts über die Schuld des Angeklagten und das anzuwendende Strafgesetz gebunden ist. Gemäß § 295 StPO enthält das Urteil des Berufungsgerichts der Sache nach stets einen eigenständigen Sanktionsausspruch, der jenen des Erstgerichts ersetzt. Sogar dann, wenn das Berufungsgericht sich im Rahmen eines Berufungspunkts von einer Nichtigkeit des Sanktionsausspruchs überzeugt (§ 281 Abs 1 Z 11 StPO), kassiert es den getroffenen Ausspruch nicht, sondern ersetzt ihn durch einen eigenen Ausspruch (vgl RIS-Justiz RS0127710; Ratz, WK-StPO § 295 Rz 2, 4).

Sohin hatte das Berufungsgericht bei der Strafbemessung nicht wie vom Erstgericht angenommen von einem Strafrahmen von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe, sondern richtigerweise nach § 129 Abs 1 StGB iVm § 39 Abs 1 StGB von bis zu 4½ Jahren Freiheitsstrafe auszugehen (vgl hiezu auch Fabrizy/Michel Kwapinski/Oshidari, StGB 14 § 39 Rz 1; Flora, WK 2 StGB § 39 Rz 1 und 44).

Die vom Erstgericht angenommenen Erschwerungsgründe waren des Weiteren dahingehend zu korrigieren, dass beim Angeklagten nicht drei, sondern insgesamt vier einschlägige Vorstrafen als erschwerend zu werten waren (zur Zulässigkeit der erschwerenden Wertung trotz Anwendung des § 39 StGB vgl RIS Justiz RS0091527), weil dieser das zu AZ 84 Hv 67/22w ergangene Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 3. August 2022 nicht wegen des Schuld und Strafausspruchs, sondern nur wegen des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche bekämpft hat (ON 21a S 26, ON 26 im angeführten Akt). Demzufolge war angesichts des diesbezüglich in Rechtskraft erwachsenen Schuld und Strafausspruchs auch der rasche Rückfall des Angeklagten (erneute Tatbegehung bereits im November 2022) als zusätzlich erschwerend zu veranschlagen. Im Rahmen allgemeiner Strafzumessungserwägungen war darüber hinaus die Tatbegehung innerhalb der bereits rechtskräftig bestimmten Probezeit als schuldaggravierend zu berücksichtigen.

Entgegen der Ansicht des Berufungswerbers kann bei einem Versuch dem Umstand, dass die Tat keinen Schaden verursacht hat, keine mildernde Bedeutung zugebilligt werden (Mayerhofer, StGB 6 § 34 E 41a).

Auch die Behauptung des Angeklagten, dass er die Taten unter Drogeneinfluss begangen habe, wirkt sich nicht mildernd aus, weil die Vorwerfbarkeit von Suchtgiftkonsum an sich den Milderungsgrund einer rauschbedingt eingeschränkten Zurechnungsfähigkeit nach § 35 StGB bereits von vornherein ausschließt (vgl RIS Justiz RS0091038 [T2]; Riffel, WK 2 StGB § 35 Rz 4 mwN).

Bei rechtbesehener Abwägung der nach dem Vorgesagten korrigierten Strafzumessungslage erweist sich die verhängte Zusatzfreiheitsstrafe von zwölf Monaten ausgehend von einem nach § 39 Abs 1 StGB zwingend anzuwendenden erweiterten Strafrahmen von bis zu 4½ Jahren selbst unter Berücksichtigung der mit dem Bedachtnahmeurteil ausgesprochenen Freiheitsstrafe von drei Monaten durchaus dem Schuld und Unrechtsgehalt sowie dem sozialen Störwert der Taten entsprechend. Weder das Berufungsvorbringen des Angeklagten noch der Akteninhalt bietet begründeten Anlass für eine Herabsetzung der verhängten Sanktion.

Schließlich kommt auch der impliziten Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss auf Verlängerung der Probezeit betreffend die mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 3. August 2022, AZ 84 Hv 67/22w, gewährte (teil)bedingte Strafnachsicht keine Berechtigung zu.

Im Hinblick darauf, dass der Angeklagte trotz bereits mehrfach verspürten Haftübels die ihm anlässlich der obgenannten Vorverurteilung erneut gebotene Resozialisierungschance in Form einer teilbedingten Strafnachsicht nicht für ein normangepasstes Leben zu nutzen verstand, stellt die diesbezügliche Verlängerung der Probezeit auf das gesetzliche Höchstmaß von fünf Jahren eine angemessene Reaktion auf seine neuerliche Straffälligkeit dar und war jedenfalls zur weiteren Sicherstellung seines künftig rechtstreuen Wandels geboten.

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