JudikaturJustiz2R9/10a

2R9/10a – LG Krems/Donau Entscheidung

Entscheidung
29. März 2010

Kopf

Das Landesgericht Krems a.d.Donau als Rekursgericht hat durch den Richter Dr.Mischer als Vorsitzenden sowie die Richterin Dr.Gruber-Neudeck und den Richter Mag.Mörtl in der Sachwalterschaftssache der betroffenen Person J*****, *****, *****, infolge Rekurses der betroffenen Person gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Krems a.d.Donau vom 4.11.2009, GZ 24 P 3/09k-21, in nichtöffentlicher Sitzung den

B E S C H L U S S

gefasst:

Spruch

Aus Anlass des Rekurses wird der angefochtene Beschluss aufgehoben und dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung aufgetragen.

Text

Begründung:

Auf Grund eines Berichtes des Magistrates der Stadt Krems, Sozialamt vom 6.3.2009, wonach die Delogierung des J***** und dessen Vater drohe, beide ein Angebot auf Unterbringung in einem Wohnheim abgelehnt hätten, J***** ohne Beschäftigung sei, und es notwendig sei, das Wohnbedürfnis für J***** sicherzustellen (ON 1), wurde das Sachwalterschaftsverfahren eingeleitet.

Die nach der Geschäftsverteilung zuständigen Richterin des Erstgerichtes, *****, hat nach Einholung eines Clearingberichtes des NÖ Landesvereins für Sachwalterschaft und Bewohnervertretung (ON 4) am 26.5.2009 die Erstanhörung der betroffenen Person J***** durchgeführt (ON 9).

Nach Einholung eines Gutachtens der Sachverständigen ***** (ON 15) wurde in der Tagsatzung vom 5.10.2009, in der sowohl J***** als auch dessen Vater S*****, der Verfahrenssachwalter und die Sachverständige ***** anwesend waren, das Gutachten erörtert. Aus dem Protokoll vom 5.10.2009, ON 20, ergibt sich, dass die zuständige Richterin ***** erkrankt gewesen ist und die Untersuchungstagsatzung von ihrem Stellvertreter, dem Vorsteher des Bezirksgerichtes *****, durchgeführt wurde. Am 4.11.2009 fasste dann ***** den angefochtenen Beschluss, womit für die betroffene Person J***** der NÖ Landesverein für Sachwalterschaft und Bewohnervertreter gemäß § 268 ABGB zum Sachwalter bestellt und der Kreis der Angelegenheiten wie folgt festgelegt wurde: Vertretung vor Gerichten, Behörden und Sozialversicherungsträger, Verwaltung von Einkünften, Vermögen und Verbindlichkeiten; Vertretung bei Rechtsgeschäften, die über Geschäfte des täglichen Lebens hinausgehen; insbesondere in Wohnungsangelegenheiten. Weiters wurde festgelegt, dass J***** seinen Willen nur mündlich vor Gericht oder vor einem Notar erklären kann.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Beschluss richtet sich der rechtzeitige Rekurs der betroffenen Person mit dem erkennbaren Antrag, den angefochtenen Beschluss dahingehend abzuändern, dass das Verfahren eingestellt werde, in eventu den Beschluss aufzuheben und dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung aufzutragen.

Der Rekurswerber bekämpft nicht die Feststellungen im angefochtenen Beschluss, macht aber als Mangelhaftigkeit des Verfahrens geltend, dass der Verhandlungsrichter (der jedoch nicht den angefochtenen Beschluss ausgefertigt hat) geäußert habe, dass er ungepflegt sei, was nicht gestimmt habe, außerdem seinen Vater während der Tagsatzung beschimpft und den Verfahrenssachwalter nicht ordnungsgemäß gehört habe. Weiters habe die Untersuchung durch die Sachverständige auf einer Bank (siehe ON 15, Sitzbank vor dem Gerichtsgebäude in Krems am 28.Juli 2009) stattgefunden.

Aus Anlass des Rekurses ist folgendens festzuhalten:

Im Mittelpunkt des Sachwalterschaftsverfahrens steht die obligatorische mündliche Verhandlung nach § 121 AußStrG, in der der Richter ein möglichst unmittelbares, umfassendes und zusammenhängendes Bild von den Entscheidungsgrundlagen gewinnen soll (§ 121 AußStrG; Maurer, Sachwalterrecht³, § 121 Rz 1). Das Sachwalterschaftsverfahren wird von den Grundsätzen der Mündlichkeit und Unmittelbarkeit beherrscht (10 Ob 102/08k). Gerade in Sachwalterschaftsverfahren ist es wichtig, dass sich der Richter, der die Entscheidung zu treffen hat, ein persönliches Bild vom Betroffenen macht (Maurer aaO, § 118 Rz 1, § 121 Rz 2; 10 Ob 102/08k). Es kommt bei der Wahrheitsfindung gerade auf den unmittelbaren Eindruck des entscheidenden Richters von der betroffenen Person, dem Sachverständigen und allfälligen anderen Beweismitteln an. Daraus folgt, dass in Sachwalterschaftsverfahren der Richter, der am Verfahren teilgenommen hat, auch entscheidet. Im vorliegenden Fall wurde der Beschluss von der Richterin gefasst, die zwar die erste Anhörung durchgeführt hat, nicht jedoch die mündliche Verhandlung nach § 121 AußStrG.

Wird der Beschluss, mit dem ein Sachwalter bestellt wird, nicht von dem Richter/der Richterin gefasst, der/die die mündliche Verhandlung nach § 121 AußStrG geleitet hat, liegt darin ein Verstoß gegen das Unmittelbarkeitsprinzip. Für den streitigen Zivilprozess gilt, dass, wenn die Entscheidung von einem Richter getroffen wird, der nicht an der der Entscheidung zu Grunde liegenden gesamten Verhandlung teilgenommen hat, das Gericht nicht gehörig besetzt ist (Fasching, Zivilprozessrecht², Rz 674; Bydlinski in Fasching/Konecny², § 412 ZPO Rz 2). Jedenfalls im Verfahren nach dem 9. Abschnitt des AußStrG erhält der ansonsten eingeschränkte Grundsatz der Unmittelbarkeit durch die §§ 118, 121 AußStrG eine besondere Ausformung. In diesem Zusammenhang stellt die aufgezeigte Mangelhaftigkeit eine so schwere Verletzung von Verfahrensvorschriften dar, dass der Beschluss nach § 58 Abs 4 Z 3 AußStrG jedenfalls aufzuheben ist. Dies - unabhängig davon - ob der Verfahrensmangel im konkreten Fall tatsächlich Auswirkungen auf die Entscheidung hatte oder nicht.

Aus Anlass des Rekurses war daher die angefochtene Entscheidung aufzuheben und an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung durch den Richter, der die mündliche Verhandlung abgehalten hat, zurück zu verweisen.

Rechtssätze
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