JudikaturJustiz2R191/13w

2R191/13w – OLG Graz Entscheidung

Entscheidung
22. November 2013

Kopf

Das Oberlandesgericht Graz hat als Rekursgericht durch die Richter Dr.Bornet (Vorsitz), Dr.Kirsch und Mag.Tanczos in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Erwin Bajc , Rechtsanwalt, Mittergasse 28, 8600 Bruck an der Mur, als Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der M***** GmbH (Landesgericht Leoben 18 S *****), gegen die beklagte Partei M***** , vertreten durch Muhri Werschitz Partnerschaft von Rechtsanwälten GmbH in Graz, und deren Nebenintervenienten *****, Öffentlicher Notar, *****, vertreten durch Scherbaum Seebacher Rechtsanwälte GmbH in Graz, wegen EUR 1.462.455,61 sA - hier wegen Bewilligung der Verfahrenshilfe -, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Leoben vom 19.September 2013, 6 Cg 21/13d-17, beschlossen:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Revisionsrekurs ist gemäß § 528 Abs 2 Z 4 ZPO jedenfalls unzulässig .

Text

begründung:

Die beklagte Gebietskörperschaft ist die Alleingesellschafterin der Schuldnerin, über deren Vermögen am 23.April 2012 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde; der Kläger wurde zum Insolvenzverwalter bestellt.

Die Schuldnerin als Werkbestellerin hat von der G***** GmbH als Werkunternehmerin die Mautstraße auf die ***** auf Liegenschaften errichten lassen, die nicht der Schuldnerin gehören. Das Land ***** gewährte der Beklagten Bedarfszuweisungen, die die Beklagte an die Schuldnerin weiterleitete; aus diesen Bedarfszuweisungen hat die Schuldnerin Werklohnforderungen der G***** GmbH von EUR 1.462.455,61 (das entspricht der Höhe der Klagsforderung) getilgt.

Am 22.September 2010 schlossen die Beklagte und die Schuldnerin eine Nutzungsvereinbarung ab, die die Rechte und Pflichten der Schuldnerin an der Mautstraße auf die ***** regelte; am 28.März 2012 haben sie diese Nutzungsvereinbarung aufgelöst.

Mit der Klage vom 17.April 2013 begehrte der Kläger von der Beklagten EUR 1.462.455,61 sA gemäß §§ 82, 83 GmbHG als Rückersatz verbotener Einlagenrückgewähr, aus den Anfechtungsgründen der §§ 29 (Unentgeltlichkeit), 30 IO (Begünstigung) und § 31 IO (Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit) und wegen behaupteter ungerechtfertigter Bereicherung. In der erstgerichtlichen Tagsatzung vom 10.Juni 2013 (ON 9, Seite 5) begehrte er für den Fall der Abweisung des Hauptbegehrens („in eventu“; ON 9, Seite 5) wörtlich folgendes Urteil:

„Die Kündigung bzw. einvernehmliche Beendigung der Nutzungsvereinbarung vom 22.September 2010 und das entschädigungslose Zufallen der Panoramastraße samt allen Befestigungen und Bestandteilen sowie auch dem Zubehör an die beklagte Partei ist den Gläubigern im Insolvenzverfahren der M ***** GmbH, 18 S ***** des LG Leoben, gegenüber unwirksam.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei EUR 1,462.455,61 samt 4% Zinsen seit 28.März 2012 zu bezahlen und die Prozesskosten zu ersetzen. Dies alles binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution.“

Er behauptet, die Schuldnerin habe ihren einzigen Vermögenswert - „die Panoramastraße“ - ihrer Alleingesellschafterin (der Beklagten) entschädigungslos überlassen. Der Übergang dieses „wirtschaftlichen Vermögens der Schuldnerin“ (ON 6, Seite 4) an die Beklagte sei durch Wertersatz – in der Höhe des Werklohns, den die Schuldnerin an die G***** GmbH bezahlt hat – auszugleichen, weil Naturalersatz nicht tunlich sei. Da weder die Beklagte noch die Schuldnerin Eigentümerin jener Liegenschaften sei, über die die Panoramastraße verläuft, sei eine Rückstellung der Panoramastraße „in natura“ rechtlich und faktisch nicht möglich. Die Schuldnerin habe als „Nutzungsberechtigte auf fremdem Grund die Panoramastraße auf eigene Rechnung und eigene Kosten errichtet“. Sie habe dafür Investitionen „von über EUR 2.677.000,00 getätigt“; davon habe sie EUR 1.462.000,00 bezahlt, den Rest sei sie schuldig geblieben. Da die Schuldnerin die „Verfügungsgewalt über die Straße“ (ON 6, Seite 3) in dem Sinn gehabt habe, dass sie die von ihr errichtete Straße uneingeschränkt nutzen und bewirtschaften durfte, habe sie am 18.März 2012 mit Auflösung der Nutzungsvereinbarung vom 22.September 2010 gemäß deren Punkt 6. die Straße ihrer Alleingesellschafterin entschädigungslos überlassen. Für jeden anderen „Eigentümer“ als die Beklagte sei die Panoramastraße nicht nutzbar und daher völlig wertlos.

Der dem Kläger angebotene Abschluss einer gleichlautenden Nutzungsvereinbarung sei unzumutbar, weil mit dem Betrieb der Panoramastraße ständig ein Verlust erwirtschaftet werde (ON 6, Seiten 10, 11).

Die Schuldnerin sei seit länger als einem Jahr vor der Insolvenzeröffnung zahlungsunfähig gewesen; die Beklagte sei „aufgrund ihrer Haftungserklärung“ (ON 6, Seite 2) Gläubigerin der Schuldnerin, habe sie der Schuldnerin doch ein Darlehen zur Rückzahlung des von der Schuldnerin bei der *****Bank und Sparkassen AG aufgenommenen Darlehens gewährt.

Die Nutzungsvereinbarung vom 22.September 2010 und ihre Beendigung vom 28.März 2012 werde wegen Unentgeltlichkeit gemäß § 29 IO angefochten, weil die Schuldnerin der Beklagten die Panoramastraße unentgeltlich („entschädigungslos“) übergeben habe. Die Anfechtung wegen Begünstigung gemäß § 30 IO stützt der Kläger darauf, dass die Schuldnerin als nahe Angehörige der Beklagten (§ 32 IO) durch entschädigungslose Übertragung der Panoramastraße die Beklagte vor anderen Gläubigerin begünstigt habe. Die am 28.März 2012 vereinbarte Auflösung der Nutzungsvereinbarung vom 22.September 2010 werde wegen „Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit“ (§ 31 IO) angefochten, weil durch dieses Rechtsgeschäft die Beklagte als nahe Angehörige der Schuldnerin in einer für die übrigen Gläubiger nachteiligen Weise „für ihre Insolvenzforderung als Sicherstellung oder Befriedigung die Panoramastraße erhalten“ (ON 1, Seite 12) habe.

Die Beklagte und ihr Nebenintervenient beantragten die Abweisung der Klage.

Die Beklagte behauptet, die am 1.Juni 2008 abgeschlossene und am 22.September 2010 „kodifizierte“ (ON 3, Seite 8) Nutzungsvereinbarung habe weder einen iSd § 82 GmbHG verbotenen Vermögenstransfer bewirkt, noch liege im Abschluss oder in der Auflösung dieser Nutzungsvereinbarung eine anfechtbare Rechtshandlung. Die Beklagte sei bis zuletzt keine Gläubigerin der bis unmittelbar vor Insolvenzeröffnung nicht überschuldeten Schuldnerin gewesen. Die Panoramastraße sei kein verwertbares Vermögensobjekt der Schuldnerin gewesen, alle Rückzahlungen des Darlehens der Schuldnerin an die ***** Bank und Sparkassen AG seien aus einem Darlehen erfolgt, das die Beklagte der Schuldnerin gewährt habe. Weder der Abschluss der Nutzungsvereinbarung noch deren Auflösung habe zu einem Vermögenstransfer von der Schuldnerin zur Beklagten geführt. Durch das Anbot der Beklagten an den Kläger auf „Rückersatz der Straßennutzung“ (ON 3, Seite 5) habe die Beklagte den Kläger „außergerichtlich klaglos gestellt“ (ON 3, Seite 5). Der behauptete Anspruch auf Wertersatz gemäß § 83 GmbHG für die Zahlungen der Schuldnerin an die G***** GmbH von EUR 1.462.455,61 sei außerdem verjährt, weil „für die Straße seit Mitte 2007 keine Bauleistungen durch die G***** erbracht wurden“ (ON 3, Seite 6).

Da die Panoramastraße kein verwertbarer Vermögensgegenstand der Schuldnerin sei, könne durch deren „Rückübertragung“ der Befriedigungsfonds ihrer Gläubiger nicht vergrößert werden. Da die Nutzungsvereinbarung am 1.Juni 2008 abgeschlossen und am 22.September 2010 lediglich schriftlich festgehalten worden sei, sei die für die Anfechtung gemäß § 29 IO maßgebliche Frist abgelaufen.

Der Nebenintervenient der Beklagten behauptete, nach dem Willen der Vertragspartner der Nutzungsvereinbarung vom 22.September 2010 sei damit eine Superädifikatsvereinbarung geschlossen worden, gemäß der „die nunmehr klagende Partei durch Bauführung originär Eigentum am Superädifikat Straßenband erworben“ (ON 8, Seite 9) habe. „Sie“ (offenbar gemeint die Schuldnerin) sei immer noch Eigentümerin des „Superädifikats Straßenband“.

Das Erstgericht stellte mit Zwischenurteil vom 19.August 2013 fest, dass das Klagebegehren mit EUR 1.462.455,61 samt 4% Zinsen seit 28.März 2012 dem Grunde nach zu Recht bestehe.

Gegen dieses Zwischenurteil richtet sich die Berufung der Beklagten vom 18.September 2013 mit dem Antrag, es in Klagsabweisung abzuändern, in eventu, es aufzuheben und die Rechtssache zur Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Am 10.September 2013 beantragte die beklagte Gebietskörperschaft unter Vorlage eines Vermögensbekenntnisses vom 27.August 2013 (Beilage ./10) die Bewilligung der Verfahrenshilfe im Umfang der einstweiligen Befreiung von Gerichtsgebühren, anderer bundesgesetzlich geregelter staatlicher Gebühren, Gebühren von Zeugen, Sachverständigen, Dolmetschern, Übersetzern und Beisitzern (§ 64 Abs 1 Z 1 lit a und lit c ZPO).

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht diesen Antrag ab.

Ohne einen Sachverhalt (im Indikativ) festzustellen, fasste das Erstgericht die rechtserzeugenden Tatsachenbehauptungen der Antragstellerin (im Konjunktiv) wörtlich wie folgt zusammen:

"Unter Vorlage eines durch Belege untermauerten Vermögensbekenntnisses bringt sie dabei vor, dass sie im Jahr 2012 zwar Einnahmen von (jeweils gerundet) EUR 2,087.840,00 erzielt habe, allerdings auch Ausgaben von EUR 2,483.030,00 habe tragen müssen. Obwohl eine detaillierte Einkommens- und Ausgabenrechnung für das Jahr 2013 noch nicht vorliege, zeichne sich auch heuer kein rosigeres Ergebnis ab. Prognostizierten Einnahmen von ungefähr EUR 1,859.000,00 stünden vermeintliche Ausgaben von EUR 2,508.200,00 gegenüber. Da das Land ***** bislang Bedarfszuweisungen von EUR 140.000,00 gewährt habe, sei daher von einem Abgang von rund EUR 509.200,00 auszugehen. Obwohl sie Vermögen im Wert von rund EUR 5,966.100,00 besitze, dem Schulden von nur EUR 3,464.700,00 gegenüberstünden, könne sie daraus die Prozesskosten nicht finanzieren. Der wesentliche Teil ihres Vermögens sei nämlich Liegenschaftsbesitz, der öffentlichen Interessen diene (zB Schul- und Amtsgebäude, Bauhof, Festsaal etc), und sowohl de facto nicht werthaltig, als auch nach § 15 EO einer Verwertung entzogen. Ihr einziges bewegliches Vermögen seien Löschfahrzeuge der Feuerwehr. Zwar habe sie diverse Rücklagen (in Summe mehr als EUR 135.000,00) gebildet, doch würden auch diese dem Allgemeinwohl (zB Müll- und Abwasserbeseitigung, Wasserversorgung etc) zu Gute kommen, sodass deren Auflösung nicht zumutbar sei. Ihr „Hauptkonto“ weise einen Negativstand jenseits der EUR 210.000,00 auf."

Das Erstgericht kam zu folgenden rechtlichen Schlüssen:

1. Die Beklagte könne die Pauschalgebühren des Rechtsmittelverfahrens zweiter Instanz von "rund EUR 30.000,00" und allfällige Sachverständigen- und Zeugengebühren von "bestenfalls EUR 10.000,00" in ihren "zur Aufrechterhaltung des Betriebes notwendigen Kosten unterbringen", seien diese "präsumtiven Verfahrenskosten" von rund EUR 40.000,00 doch "gerade einmal 1,6 % der Ausgaben der Beklagten des Jahres 2013". Auf Basis der notorischen Aufgaben und der damit einhergehenden Ausgabenstruktur einer Gemeinde gingen mit der Finanzierung von 1,6 % der Ausgaben bzw 2 % der Einnahmen ("hier EUR 1,859.000,00 zuzüglich EUR 140.000,00 Bedarfszuweisungen") evidentermaßen keine Probleme einher.

2. Die Beklagte sei auf die Möglichkeit zu verweisen, während des Verfahrens Vermögen anzusparen. Ihre Rücklagen zeigten, dass sie dazu grundsätzlich in der Lage sei.

3. Die Situation der Beklagten könne nicht so trist sein, wie sie es darzustellen versuche: "Träfe nämlich ihre Darstellung zu, wäre wohl von schweren Kridadelikten auszugehen, weil sie vor dem Hintergrund, dass sie schon im Jahr 2012 Abgänge verzeichnete, und damals Bedarfszuweisungen von EUR 180.000,00 für den Ausgleich der Abgänge der Vorjahre erhielt, schon lange die Eröffnung des Insolvenzverfahrens hätte beantragen müssen."

4. Schon nach dem Vorbringen der Beklagten lägen daher die Voraussetzungen für die begehrte Verfahrenshilfe nicht vor, sodass eine weitergehende Überprüfung ihrer Angaben entbehrlich sei.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Beklagten aus den Anfechtungsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, ihn in Antragsstattgebung abzuändern, in eventu ihn aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Rekursbeantwortungen wurden nicht erstattet.

Wie sich aus der Begründung des angefochtenen Beschlusses ergibt, hatte das Erstgericht Bedenken gegen das Vermögensbekenntnis und die übrigen rechtserzeugenden Tatsachenbehauptungen der Antragstellerin ("... liegen die Voraussetzungen für die begehrte Verfahrenshilfe schon nach dem Vorbringen der Beklagten nicht vor, sodass eine weitergehende Überprüfung ihrer Angaben entbehrlich war"). Auf einen möglichen Verfahrensmangel, das Vermögensbekenntnis trotz dieser Bedenken nicht überprüft und die von der Beklagten angebotenen Auskunftspersonen Bürgermeister DI ***** und Amtsleiter ***** nicht einvernommen zu haben (§ 66 Abs 2 ZPO), kommt es aufgrund nachstehender rechtlicher Beurteilung nicht an:

1.) Gemäß § 63 Abs 2 ZPO ist einer juristischen Person (das Gesetz unterscheidet nicht zwischen juristischen Personen des Privatrechts und des öffentlichen Rechts) die Verfahrenshilfe zu bewilligen, wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der juristischen Person selbst noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint. Wirtschaftlich Beteiligte der Beklagten im Sinne des § 63 Abs 2 ZPO sind jene Personen, denen aufgrund ihrer Rechtsbeziehung zur Beklagten ein wirtschaftlicher Nachteil entsteht, wenn die Beklagte in diesem Zivilprozess zur Tilgung der Klagsforderung verurteilt wird (OLG Wien, 15 R 163/01b; M.Bydlinski in Fasching/Konecny² § 63 ZPO Rz 12).

2.) Gemäß § 2 Finanzverfassungsgesetz (F-VG) hat die beklagte Marktgemeinde grundsätzlich den Aufwand, der sich aus der Besorgung ihrer Aufgaben - hier der Rechtsverteidigung in einem Zivilprozess - ergibt, selbst zu tragen; dies gilt auch für den im öffentlichen Interesse getätigten Aufwand im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung (Ruppe in Korinek/Holoubek, Österreichisches Bundesverfassungsrecht § 2 F-VG Rz 19 mwN; § 12 F-VG Rz 6; Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Grundriss des österreichischen Bundesverfassungsrechts 10 Rz 285). § 2 F-VG setzt voraus, dass die Beklagte - auch im Wege des Finanzausgleichs zwischen den Gebietskörperschaften (Ruppe aaO Einführung zum F-VG Rz 3) - ausreichende Mittel im eigenen Haushalt zur Verfügung hat, um diese Aufgabe finanzieren zu können (Ruppe aaO § 2 F-VG Rz 3).

3.) Die Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung des Gleichgewichts des Gemeindehaushalts und die Deckung "bestimmter Erfordernisse" im Haushalt der Gemeinde ist ein in §§ 8 Abs 6, 13 F-VG, § 21 Abs 3 Finanzausgleichsgesetz (FAG) 2008 erklärter Zweck des Finanzausgleichs zwischen den Gebietskörperschaften (vgl Ruppe aaO § 8 F-VG, Rz 43).

Um das Haushaltsgleichgewicht in einer Gemeinde aufrechtzuerhalten oder zu erreichen, stehen den Gebietskörperschaften finanzverfassungsrechtlich mehrere Möglichkeiten offen:

1. Die Bundesgesetzgebung kann gemäß § 3 Abs 1 F-VG unter Bedachtnahme auf die Leistungsfähigkeit der anderen beteiligten Gebietskörperschaften (§ 4 F-VG) aus allgemeinen Bundesmitteln der Gemeinde Finanzzuweisungen für ihren Verwaltungsaufwand und Zuschüsse für bestimmte Zwecke gewähren. Gemäß § 7 Abs 2 F-VG kann die Bundesgesetzgebung bestimmte Arten von Abgaben zu Gemeindeabgaben erklären (Ruppe aaO § 7 F-VG Rz 36), gemäß § 7 Abs 5 F-VG kann die Bundesgesetzgebung die Gemeinde ermächtigen, bestimmte Abgaben aufgrund eines Beschlusses der Gemeindevertretung "auszuschreiben", also neue Steuerquellen zu erschließen und sie zu nutzen (Ruppe aaO § 7 F-VG Rz 41ff). Eine solche Ermächtigung der Gemeinden findet sich in § 15 FAG 2008.

2. Die Landesgesetzgebung kann im Rahmen ihrer Abgabenhoheit (§ 8 Abs 1 F-VG) Landesabgaben - unter Rücksichtnahme auf die finanzielle Lebensfähigkeit der Gemeinden - zwischen dem Land und den Gemeinden teilen oder den Gemeinden überlassen (§ 8 Abs 2 F-VG). Sie kann die Gemeinden aber auch ermächtigen, bestimmte Abgaben aufgrund eines Beschlusses der Gemeindevertretung einzuheben (§ 8 Abs 5 F-VG). Wenn dies zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung des Gleichgewichts oder zur Deckung bestimmter Erfordernisse im Haushalt einer Gemeinde erforderlich ist, kann die Landesgesetzgebung gemäß § 8 Abs 6 F-VG eine bestimmte Gemeinde (wie die Beklagte) sogar zur Erhebung bestimmter Abgaben verpflichten oder die Landesregierung ermächtigen, für diese bestimmte Gemeinde im Wege der Ersatzvornahme bestimmte Abgaben zu erheben, bis das Haushaltsgleichgewicht wieder hergestellt ist oder die bestimmten Erfordernisse gedeckt sind (Ruppe aaO § 8 F-VG Rz 43).

3. Die Gemeinde selbst hat gemäß Art 116 Abs 2 B-VG das Recht, im Rahmen der Finanzverfassung im eigenen Wirkungsbereich (Art 118 Abs 2 Satz 1 B-VG) Abgaben auszuschreiben und so von den ihrer Abgabenhoheit unterworfenen Personen jene Mittel zu erlangen , die sie benötigt, um ihr Haushaltsgleichgewicht aufrechtzuerhalten oder zu erreichen.

4. § 12 F-VG sieht Transferzahlungen (Schlüsselzuweisungen, Bedarfszuweisungen und Zweckzuschüsse) des Bundes und des Landes an eine Gemeinde vor, die zur Aufrechterhaltung oder Erreichung des Haushaltsgleichgewichts, insbesondere zur Beseitigung von im Einzelfall auftretenden Härten derartige Zuschüsse benötigt (Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer aaO Rz 287; Ruppe aaO § 12 F-VG Rz 2, 8).

Wenn die Beklagte im vorliegenden Prozess zur Zahlung der Klagsforderung an den Kläger verurteilt wird, droht daher aufgrund unmittelbarer finanzverfassungsrechtlicher Beziehungen zur Beklagten dem Bund, dem Land ***** - beide Gebietskörperschaften müssen über den Finanzausgleich den mit dem Prozessverlust verbundenen Nachteil der Beklagten wirtschaftlich mittragen - und den der Abgabenhoheit der Beklagten unterworfenen Personen (sie müssen über erhöhte Abgaben den Nachteil der Beklagten mittragen) ein wirtschaftlicher Nachteil. Diese Vielzahl wirtschaftlich Beteiligter (zu denen auch der Bund gehört, aus dessen Mitteln die Verfahrenshilfe zu bestreiten wäre) führt letztendlich dazu, dass die beklagte Gebietskörperschaft die Kosten ihrer Rechtsverteidigung aus den Mitteln ihrer wirtschaftlich Beteiligten und nicht aus den für die Verfahrenshilfe gewidmeten Mitteln des Bundes zu bestreiten hat.

Der Rekurs muss daher erfolglos bleiben.

In Verfahrenshilfesachen ist der Revisionsrekurs gemäß § 528 Abs 2 Z 4 ZPO jedenfalls unzulässig.

Oberlandesgericht Graz, Abteilung 2

Rechtssätze
0

Keine verknüpften Rechtssätze zu diesem Paragrafen