JudikaturJustiz2R190/23k

2R190/23k – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
02. Februar 2024

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Hofmann als Vorsitzenden und die Richter Dr. Heissenberger und MMag. Popelka in der Rechtssache der klagenden Partei A* m.b.H., FN **, **, vertreten durch die Rechtsanwälte Estermann Partner OG in Mattighofen, gegen die beklagte Partei B* GmbH, FN **, **, wegen Herausgabe samt Anhang (Streitwert [richtig] EUR 15.000,-), über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 9.11.2023, GZ 23 Cg 37/23h-6, in nicht öffentlicher Sitzung den Beschluss gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteigt EUR 5.000,-, nicht auch EUR 30.000,-.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Die Entscheidung über den eventualiter gestellten Überweisungsantrag bleibt dem Erstgericht vorbehalten.

Text

Begründung:

Die Klägerin begehrt die Herausgabe von Containern und anderen Gegenständen. Sie bewertet dieses Begehren mit EUR 15.000,-. Darüber hinaus begehrt sie – dem Kapitalbetrag hinzugerechnet und als „Leistung“ bezeichnet – einen Betrag von EUR 250,-. Dazu bringt sie vor, sie habe mit der Geltendmachung der Herausgabeansprüche etliche Mehraufwendungen gehabt, habe etliche Telefonate und Korrespondenzen führen müssen und mache daher Spesen in Höhe dieses Betrags (gemäß § 273 ZPO) geltend.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht die Klage mangels sachlicher Zuständigkeit des Gerichtshofs a limine zurück. Auch wenn § 1333 Abs 2 ABGB einen gesonderten materiell-rechtlichen Anspruch auf Ersatz von Kosten, die dem Geschädigten durch Aufwendungen zur Geltendmachung der Hauptforderung entstanden sind, gewähre, seien diese als Nebenforderung gemäß § 54 Abs 2 JN zu werten. Sie seien daher bei der Beurteilung des die sachliche Zuständigkeit des Gerichts begründenden Streitwerts nicht zu berücksichtigen.

Dagegen richtet sich der Rekurs der Klägerin mit dem Antrag, den Beschluss ersatzlos zu beheben; hilfsweise wird ein Überweisungsantrag nach § 230a ZPO gestellt.

Der Rekurs ist nicht berechtigt .

1. Die Klägerin hält der Begründung des Erstgerichts entgegen, dass sie die Spesen für Mehraufwendungen im Sinn eines Schadenersatzanspruchs als Hauptforderung geltend gemacht habe und auch habe geltend machen können.

2. Gemäß § 54 Abs 2 JN bleiben bei der Berechnung des für die Zuständigkeit maßgebenden Wertes des Streitgegenstandes Zuwachs, Früchte, Zinsen, Schäden und Kosten, die als Nebenforderungen geltend gemacht werden, unberücksichtigt.

Bei Beurteilung der Frage, ob die in § 54 Abs 2 JN genannten Nebenforderungen der Hauptforderung hinzuzurechnen sind oder nicht, kommt es nicht darauf an, ob der Kläger sie in die eingeklagte Forderung (Kapitalbetrag) integriert hat oder nicht; es kommt vielmehr auf ihre rechtliche Qualifikation durch das Gericht an ( Gitschthaler in Fasching/Konecny 3 § 54 JN Rz 27 mwN).

3. Gemäß § 1333 Abs 2 ABGB kann der Gläubiger außer den gesetzlichen Zinsen auch den Ersatz anderer, vom Schuldner verschuldeter und ihm erwachsener Schäden geltend machen, insbesondere die notwendigen Kosten zweckentsprechender außergerichtlicher Betreibungs- oder Einbringungsmaßnahmen, soweit diese in einem angemessenen Verhältnis zur betriebenen Forderung stehen.

Der Gesetzgeber ging dabei ausweislich der Materialien von einem materiell-rechtlichen Ansatz aus (1167 BlgNR 21. GP, 12 f) und sah den Betreibungsaufwand des Gläubigers als einen Schaden, den der Schuldner diesem durch seine Säumigkeit schuldhaft zugefügt hat. Die Inkassokosten seien aber als „Nebenforderungen“ iSd § 54 Abs 2 JN, der auch „Schäden und Kosten“ erwähne, dem gerichtlichen Streitwert nicht hinzuzurechnen.

Dem folgte der OGH: Dass § 1333 Abs 3 [nunmehr Abs 2] ABGB Kosten von Betreibungs- und Einbringungsmaßnahmen aus dem Titel des Schadenersatzes zubilligt, nötigt keineswegs zum Schluss, es müsse sich zwingend um eine Hauptsachenforderung handeln. Dagegen spricht allein schon das Argument, dass auch die in dieser Gesetzesstelle genannten Zinsen ihre Grundlage im materiellen Recht haben und dennoch völlig unstrittig - sind sie doch in § 54 Abs 2 JN ausdrücklich erwähnt - zu den Nebenforderungen gezählt werden. Dass Inkassospesen, die zur Einbringung der Hauptforderung aufgewendet werden, schon ihrer Natur nach Nebenforderungen sind, ergibt sich übrigens bereits aus dem allgemeinen Sprachgebrauch. Sie können zudem zwanglos unter die im § 54 Abs 2 JN gebrauchten Begriffe „Schäden und Kosten“ subsumiert werden (1 Ob 46/03a).

4. Wie dem Klagevorbringen zu entnehmen ist, begehrt die Klägerin Betreibungskosten im Zusammenhang mit der außergerichtlichen Geltendmachung des Herausgabeanspruchs (im Sinn von Aufwendungen, die die Realisierung der Forderung auf außergerichtlichem Weg ermöglichen sollen, vgl 8 ObS 6/06z). Auch wenn damit nicht ein (prozessualer, somit öffentlich-rechtlicher) Kostenersatzanspruch erhoben, sondern ein (materiell-rechtlicher) Schadenersatzanspruch geltend gemacht wird (zur Abgrenzung siehe 3 Ob 127/05f), handelt es sich dabei um eine Nebenforderung iSd § 54 Abs 2 JN, die – wie vom Erstgericht zutreffend beurteilt – dem für die Begründung der sachlichen Zuständigkeit maßgeblichen Streitwert nicht hinzuzurechnen ist.

Ausgehend von der Bewertung des Herausgabeanspruchs durch die Klägerin mit EUR 15.000,- ist daher die bezirksgerichtliche Wertzuständigkeit nach § 49 Abs 1 JN gegeben. Das Erstgericht hat die Klage folglich zu Recht gemäß § 43 Abs 1 JN zurückgewiesen.

Rechtliche Beurteilung

Dem Rekurs war somit nicht Folge zu geben.

5. Rekurskosten wurden nicht verzeichnet.

6. Der Bewertungsausspruch nach §§ 526, 500 Abs 2 Z 1 ZPO orientiert sich an der unbedenklichen Bewertung des Herausgabeanspruchs durch die Klägerin.

7. Der Revisionsrekurs ist nicht zulässig, weil Rechtsfragen im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO nicht zu beantworten sind.

8. Für die Erledigung des Überweisungsantrags ist das Erstgericht zuständig ( Mayr in Fasching/Konecny 3 III/1 § 230a ZPO Rz 11).

Rechtssätze
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