JudikaturJustiz28R178/07p

28R178/07p – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
29. November 2007

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch die Richterin des Oberlandesgerichtes Dr. Fabian als Vorsitzende, die Richterin des Oberlandesgerichtes Dr. Wittmann-Tiwald und den Richter des Oberlandesgerichtes Mag. Ziegelbauer in der Firmenbuchsache der V*****-Aktiengesellschaft mit dem Sitz in Wien, FN *****, über den Rekurs der Gesellschaft, vertreten durch Dr. Robert Löffler, öffentlicher Notar in 1070 Wien, gegen den Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 8. August 2007, 74 Fr*****, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist zulässig.

Text

Begründung:

In dem vom Handelsgericht Wien geführten Firmenbuch ist seit 7.3.1989 zu FN ***** (früher HRB *****) die V*****-Aktiengesellschaft (im Folgenden: Gesellschaft) eingetragen. Die ursprüngliche Satzung sah folgende Vertretungsbefugnis vor:

„Die Gesellschaft wird, wenn mehrere Vorstandsmitglieder bestellt sind, durch zwei Vorstandsmitglieder gemeinsam oder durch eines von ihnen gemeinsam mit einem Prokuristen vertreten.“

Die Hauptversammlung beschloss am 30.5.2007 eine Satzungsänderung in § 6 Z 2 mit nachstehendem Wortlaut:

„II. Vorstand

§ 6 Vorstand

...

2. Die Gesellschaft wird durch zwei Vorstandsmitglieder gemeinsam oder durch ein Vorstandsmitglied gemeinsam mit einem Prokuristen oder durch zwei Prokuristen gemeinsam vertreten.“ (Hervorhebung Rekursgericht).

Vorstandsmitglieder waren damals Martin S***** und Stefan Albert M*****. Das Vorstandsmitglied Mag. Ilse W***** hatte ihre Funktion zum 31.3.2007 zurückgelegt und wurde im Firmenbuch gelöscht (74 Fr *****).

Am 4.6.2007 beantragte das Vorstandsmitglied Stefan Albert M***** gemeinsam mit einer Prokuristin die Eintragung u.a. der mit Hauptversammlungsbeschluss vom 30.5.2007 geänderten Vertretungsbefugnis. Das Erstgericht teilte den Einschreitern zweimal seine Bedenken gegen die Zulässigkeit der beschlossenen Vertretungsmöglichkeit (auch) nur durch Prokuristen mit und räumte den Einschreitern eine Frist zur Verbesserung bzw zur Erklärung, ob der Antrag aufrecht erhalten werde, ein (ON 4 und ON 8). Die Antragsteller hielten ihr Eintragungsbegehren aufrecht und verwiesen auf die Eintragung zu FN ***** mit dem exakt gleichen Wortlaut einer Vertretungsbefugnis wie die von ihnen begehrte. Mit dieser Eintragung solle lediglich ausgedrückt werden, dass zwei Prokuristen ohne Mitwirkung eines Vorstandsmitgliedes die Tagesgeschäfte der Gesellschaft erledigen dürften. Aus dem Gesetz ergebe sich ohnehin, welche Vertretungshandlungen weiterhin dem Vorstand vorbehalten blieben (ON 5 und ON 9).

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht das Eintragungsbegehren betreffend die begehrte Änderung der Vertretungsbefugnis ab.

Rechtlich verwies es im Wesentlichen auf die Gestaltungsmöglichkeiten des § 71 Abs 3 AktG. Dem Vorstand seien kraft Gesetztes Vertretungsakte vorbehalten, wie zB der Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, welche dem in eine gemischte Vertretung eingebundenen Prokuristen nicht zustünde.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Rekurs der Gesellschaft mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und dem Erstgericht die beantragte Eintragung der Satzungsänderung aufzutragen.

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Die Rekurswerberin bringt im Wesentlichen vor, dass mit der Eintragung der Vertretungsbefugnis von zwei Prokuristen gemeinsam diese keine über das UGB hinausgehenden Vertretungsrechte erhalten würden. Mit der Eintragung solle lediglich ausgedrückt werden, dass zwei Prokuristen ohne Mitwirkung eines Vorstandsmitgliedes die Tagesgeschäfte der Gesellschaft erledigen dürften. Die begehrte Eintragung durch die gemeinsame Zeichnung von zwei Prokuristen sei bei jeder größeren Bank in Österreich im Firmenbuch eingetragen.

1.1. § 71 AktG normiert die gesetzliche (organschaftliche) Vertretung der Aktiengesellschaft; diese wird durch den Vorstand gerichtlich und außergerichtlich vertreten. Der Vorstand ist sohin gesetzlicher Vertreter der Aktiengesellschaft (Ch. Nowotny in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG § 71 Rz 3).

§ 71 Abs 2 AktG geht vom Grundsatz der Gesamtvertretung aus, wenn der Vorstand aus mehreren Personen besteht. § 71 Abs 3 AktG ermöglicht abweichende Regelungen durch die Satzung oder den von der Satzung hiezu ermächtigten Aufsichtsrat, wobei das Gesetz selbst den zulässigen Rahmen festschreibt. Danach kann die Satzung, wenn der Vorstand aus mehreren Personen besteht, auch bestimmen, dass einzelne von ihnen allein (Einzelvertretung) oder in Gemeinschaft mit einem Prokuristen (unechte/gemischte Gesamtvertretung) zur Vertretung der Gesellschaft befugt sind; es muss aber in jedem Fall die Möglichkeit bestehen, dass die Gesellschaft vom Vorstand auch ohne die Mitwirkung eines Prokuristen vertreten werden kann. Gleiches kann der Aufsichtsrat bestimmen, wenn die Satzung ihn hiezu ermächtigt. Danach erlaubt das Gesetz nicht, dass die Satzung als organschaftliche (gesetzliche) Vertreter auch zwei Gesamtprokuristen vorsieht.

1.2. Die Prokura ist eine rechtsgeschäftliche Vertretungsbefugnis mit einem gesetzlich festgelegten, nach außen nicht beschränkbaren Umfang. Sie ermächtigt zu allen Arten von gerichtlichen und außergerichtlichen Geschäften und Rechtshandlungen, die der Betrieb eines Unternehmens mit sich bringt. Nach der Immobiliarklausel des § 49 Abs 2 UGB berechtigt die Prokura an sich nicht zur Veräußerung und Belastung von Grundstücken, diese Befugnis muss dem Prokuristen besonders erteilt werden.

1.3. Im Fall einer gemischten (unechten) Gesamtvertretung richten sich die Befugnisse, die den Prokuristen im Rahmen der Ausübung der gemischten Gesamtvertretung zukommen, nach dem Umfang der Vertretungsmacht des gesetzlichen Vertreters. Der an einer Gesamtvertretung beteiligte Prokurist verfügt daher über umfangreichere Befugnisse, als sie das Gesetz einem Prokuristen an sich gewährt (§ 48ff UGB); seine Befugnisse werden um organschaftliche Funktionen erweitert (Schinko in Straube, HGB3 § 48 Rz 24; Ch.Nowotny in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG § 71 Rz 25; 4 Ob 145/83 = SZ 56/177; 6 Ob 224/01m = EvBl 2002/43 = wbl 2002/95, 134). Es ist auch zulässig, für eine gemischte Gesamtvertretung bloß einen einzigen Gesamtprokuristen (halbseitige Gesamtprokura) zu bestellen (6 Ob 15/90 = EvBl 1991/28 = GesRZ 1991, 49, 135; 6 Ob 19/90 = GesRZ 1991, 50).

1.4. Von der gemischten Gesamtvertretung und der halbseitigen Gesamtprokura ist strikt die Frage zu trennen, ob das AktG eine Satzungsbestimmung zulässt, die eine organschaftliche Vertretung u.a. auch durch zwei Prokuristen allein zulässt. Dies ist nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut zu verneinen.

Zwar ermöglicht § 71 Abs 3 AktG eine Erweiterung der organschaftlichen Vertretung durch Einbindung von Prokuristen in eine gemischte Gesamtvertretung, wobei in diesem Fall die Vertretungsbefugnis des Prokuristen, wie ausgeführt, erweitert wird. Hingegen ist eine Satzungsbestimmung, die eine organschaftliche Gesamtvertretung allein durch zwei Prokuristen vorsieht, durch die zwingende Bestimmung des § 71 Abs 3 AktG nicht gedeckt. Das käme außerdem einer Umgehung der zwingenden Bestimmungen des § 75 AktG gleich, wonach der Aufsichtsrat sowohl für die Bestellung des Vorstands als auch für den Widerruf der Bestellung zuständig ist; die Bestellung darf überdies nur aus wichtigen Gründen widerrufen werden (§ 75 Abs 4 AktG).

Hingegen wird der Prokurist bei einer AG, wenn der Gesellschaftsvertrag nichts anderes vorsieht, durch sämtliche Vorstandsmitglieder gemeinsam (Schinko in Straube, HGB3 § 48 Rz 7) bestellt, wobei die Bestellung gem § 95 Abs 1 Z 11 AktG nur mit Zustimmung des Aufsichtsrats vorgenommen werden soll. Eine Prokura ist nach § 52 Abs 1 UGB jederzeit widerruflich.

Nach der vorliegenden Satzung würde somit der Vorstand die mit organschaftlicher Vertretungsbefugnis ausgestatteten Prokuristen bestellen (wenn auch mit Zustimmung des Aufsichtsrates, § 6 Z 6 lit j der Satzung) und die Prokura jederzeit widerrufen können. Damit würden Vorstandsmitglieder selbst - weil zwei Prokuristen organschaftlich vertreten dürften - organschaftliche Vertretungsbefugnis erteilen und widerrufen. Dies ist mit § 71 Abs 3 und § 75 AktG unvereinbar. Satzungsbestimmungen, die von zwingenden Vorschriften des AktG abweichen, sind wirkungslos (Gruber in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG § 17 Rz 33; 6 Ob 167/00b = EvBl 2001/40 = GesRz 2001, 32).

1.5. Selbstverständlich ist eine Vertretung der AktG allein durch Prokuristen (Einzel- und/oder Gesamt-Prokuristen) zulässig. Allerdings bestimmt sich diese Vertretungsbefugnis dann ausschließlich nach §§ 49f UGB, was nicht ausschließt, dass den Prokuristen über die gesetzliche Vertretungsbefugnis hinaus weitere Befugnisse eingeräumt werden. Es ist jedoch nicht zulässig, dass Prokuristen allein (ohne Mitwirkung eines Vorstandsmitgliedes) organschaftlich vertreten.

2.1. Für das Firmenbuch sieht § 3 Z 8 FBG die Eintragung von „Name und Geburtstag des Einzelkaufmanns, bei anderen Rechtsträgern ihrer vertretungsbefugten Personen sowie der Beginn und die Art der Vertretungsbefugnis“ vor. Nach § 3 Z 9 FBG ist bei Prokuristen deren Name und Geburtstag sowie der Beginn und die Art ihrer Vertretungsbefugnis einzutragen.

§ 3 Z 16 FBG lässt sonstige Eintragungen zu, die gesetzlich vorgesehen sind. § 32 Abs 1 AktG verpflichtet zur Eintragung, welche Vertretungsbefugnis die Vorstandsmitglieder haben. Diese Bestimmung deckt somit nur die Eintragung der Vertretungsbefugnis des Vorstandes. Abgesehen davon, dass die Eintragung einer grundsätzlichen Vertretungsregelung für den Fall der Bestellung von Prokuristen nicht vorgesehen ist, wäre eine Vermengung der Eintragung von organschaftlicher und rechtsgeschäftlicher Vertretungsbefugnis irreführend und würde die Rechtssicherheit beeinträchtigen. Die Rekurswerberin bringt vor, mit der Eintragung solle lediglich ausgedrückt werden, dass zwei Prokuristen ohne Mitwirkung eines Vorstandsmitgliedes die Tagesgeschäfte der Gesellschaft erledigen dürften. Hiezu ist ohnehin nach § 3 Z 9 FBG eine gesonderte Eintragung vorgesehen, weil nämlich Namen bei Prokuristen und neben dferen Geburtsdatum auch Beginn und Art seiner Vertretungsbefugnis auszuweisen sind.

2.2. Das Firmenbuch hat jede Anmeldung in formeller und materieller (in tatsächlicher wie rechtlicher) Hinsicht zu prüfen (Kodek in Kodek/Nowotny/Umfahrer, FBG § 15 Rz 11; Schenk in Straube, HGB I³ § 8 Rz 14; RIS-Justiz RS0014295; 6 Ob 7/94 ua) und bei seiner Eintragung auf die Einhaltung zwingender gesetzlicher Bestimmungen zu achten (Kodek in Kodek/Nowotny/Umfahrer, FBG § 15 Rz 22).

2.3. Die dem Eintragungsbegehren zugrunde liegende Satzungsänderung betrifft die Erweiterung der Vertretungsbefugnis des Vorstands durch eine organschaftliche Vertretung allein durch zwei Prokuristen. Da diese Bestimmung, wie dargelegt, gegen zwingende Bestimmungen des AktG verstößt, wies das Erstgericht zu Recht das Eintragungsbegehren ab.

Dem Einwand der Rekurswerberin, das Erstgericht habe bereits in mehreren Fällen derartige Vertretungsregelungen in Satzungsbestimmungen eingetragen, ist lediglich entgegenzuhalten, dass diese Entscheidungen keine Bindungswirkung entfalten. Der Rekurs erweist sich somit als nicht berechtigt. Der Ausspruch über die Zulässigkeit des Revisionsrekurses gründet auf § 15 FBG iVm § 59 Abs 1 Z 2, § 62 Abs 1 und 4 AußStreitG. Soweit überblickbar, fehlt oberstgerichtliche Rechtsprechung, ob die Eintragung einer Satzungsbestimmung einer AG über eine Vertretungsregelung des Vorstandes, die eine organschaftliche Vertretung auch durch zwei Prokuristen gemeinsam vorsieht („Die Gesellschaft wird durch zwei Vorstandsmitglieder gemeinsam (...) oder durch zwei Prokuristen gemeinsam vertreten“), zulässig ist. Dieser Entscheidung kommt Bedeutung über den Einzelfall hinaus zu, weil das Erstgericht bereits derartige Vertretungsregelungen eingetragen hat (zB FN *****).

Oberlandesgericht Wien

Schmerlingplatz 11, 1016 Wien

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