JudikaturJustiz24Cgs103/20t

24Cgs103/20t – ASG Wien Entscheidung

Entscheidung
21. Februar 2021

Kopf

Klagende Partei

Mag. ****** B******

******

******

FRANKREICH

VSNR: ******

vertreten durch

Dr. Michael AUGUSTIN, Mag. Peter HASLINGER,

Mag. Thomas BÖCHZELT

8700 Leoben,Krottendorfer Gasse 4

******

Beklagte Partei

Österreichische Gesundheitskasse LA-Verfahren

Wienerbergstraße 15-19

1100 Wien

****** ******

(Zeichen: ******)

Wegen:

Sozialrechtssache - Kinderbetreuungsgeld (Leistung)

Spruch

1.) Die von der beklagten Partei erhobene Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges wird verworfen.

2.) Der Antrag der beklagten Partei, die Klage zurückzuweisen, wird

abgewiesen.

Text

BEGRÜNDUNG:

Außer Streit steht bzw infolge übereinstimmenden Vorbringens oder mangels substanziierter Bestreitung unstrittig ist (§ 87 Abs 3 ASGG), dass hinsichtlich der Klägerin in der Zeit vom 15.01.2010 bis 20.02.2013 keine Versicherungszeiten in Österreich nach den österreichischen Rechtsvorschriften vorliegen, dass die Klägerin mit ihren am 19.04.2012 beim Krankenversicherungsträger eingebrachten Anträgen jeweils aus Anlass der Geburt ihrer Tochter ******, geboren am ******, die Gewährung von pauschalem Kinderbetreuungsgeld nach § 5c KBGG in der vor BGBl I 53/2016 geltenden Fassung („Pauschalvariante 12+2“) und von Beihilfe zum pauschalen Kinderbetreuungsgeld jeweils für den Zeitraum von 12.02.2012 bis 11.02.2013 beantragt hat, und dass über diese Anträge bis dato weder eine Leistungsmitteilung im Sinne des § 27 Abs 1 KBGG noch ein Bescheid erlassen wurde.

Mit ihrer (ursprünglich als „Beschwerde an das Verwaltungsgericht Wien“ bezeichneten, am 31.07.2020 bei der beklagten Partei eingelangten [ON 1] und mit Schriftsatz vom 03.11.2020 [ON 4] verbesserten) Säumnisklage nach § 67 Abs 1 Z 2 ASGG begehrt die Klägerin erkennbar, die beklagte Partei zur Gewährung der oben genannten beantragten Leistungen im gesetzlichen Ausmaß zu verpflichten. Soweit im Hinblick auf die von der beklagten Partei erhobene Prozesseinrede der Rechtswegunzulässigkeit relevant, führte die Klägerin darin unter Verweis auf die Entscheidung des OGH zu 10 ObS 42/19b zusammengefasst aus, dass die beklagte Partei nach Maßgabe der einschlägigen unionsrechtlichen Bestimmungen dazu verpflichtet gewesen wäre, eine Entscheidung zu treffen und unter Umständen den allenfalls zustehenden Unterschiedsbetrag im Sinne des Art 68 Abs 2 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, ABl L 166/2004 idgF, (im Folgenden: „VO 883/2004“) vorläufig festzustellen bzw auch auszuzahlen, sohin einen Bescheid, sei er positiv oder negativ, über die Leistungspflicht zur Erbringung eines etwaigen Unterschiedsbetrages zu erlassen. Dies sei innerhalb der einschlägigen Frist nicht geschehen, obwohl die Klägerin ihrer Mitwirkungspflicht im Sinne des § 32 KBGG nachgekommen sei.

Die beklagte Partei beantragte in ihrer Klagebeantwortung die Zurückweisung der Säumnisklage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges, in eventu deren Abweisung. Der Rechtsweg sei unzulässig, da nach Maßgabe des § 27 Abs 4 KBGG mangels Entscheidungsreife der Sache noch keine Säumigkeit im Sinne des § 67 Abs 1 Z 2 ASGG eingetreten sei.

Im Zuge der Anspruchsprüfung habe sich für die beklagte Partei die Fragestellung ergeben, ob die Klägerin im klagsrelevanten Zeitraum ihren Lebensmittelpunkt tatsächlich im Bundesgebiet gehabt habe. Die beklagte Partei habe daher die Klägerin zur Ermöglichung einer Beurteilung hinsichtlich des Lebensmittelpunktes der Klägerin und ihrer Tochter im anspruchsrelevanten Zeitraum mehrfach aufgefordert, entsprechende Nachweise für einen Lebensmittelpunkt in Österreich vorzulegen. Die von der Klägerin in der Folge vorgelegten Kontoauszüge ihres Girokontos würden abgesehen von einzelnen - näher bezeichneten - Positionen keine Bezahlvorgänge aufweisen, die einen Rückschluss auf den Aufenthalt der Klägerin im Inland zuließen. Aus einem weiteren Dokument vom Jänner 2012 sei ersichtlich, dass die Klägerin im Frankreich krankenversichert gewesen sei und beabsichtige, sich bis 31.03.2012 in Österreich aufzuhalten. Darüber hinaus habe die Klägerin keine weiteren Nachweise zum Beleg ihres Lebensmittelpunktes in Österreich vorgelegt.

Neben diesem Verstoß der Klägerin gegen ihre Mitwirkungspflicht fehle es auch deshalb an Entscheidungsreife, weil im Hinblick auf die Beschäftigung des Kindesvaters in Frankreich jedenfalls von einer vorrangigen Zuständigkeit Frankreichs im Sinne des Art 68 VO 883/2004 auszugehen sei und daher selbst für den - von der beklagten Partei dezidiert bestrittenen - Fall eines tatsächlich in Österreich gelegenen Lebensmittelpunktes der Klägerin und ihrer Tochter der österreichische Krankenversicherungsträger nur zur Erbringung einer Differenzzahlung verpflichtet wäre, aber die Berechnung einer solchen allfälligen Differenzzahlung nicht möglich wäre. Zwar hätten die französischen Behörden mitgeteilt, dass sich Frankreich grundsätzlich aufgrund der Erwerbstätigkeit des Kindesvaters als vorrangig zuständig erachte, aber Frankreich deshalb keine Leistungen erbringe, weil der Kindesvater keine Unterhaltszahlungen für seine Tochter leiste. Jedoch könne Frankreich bei richtiger Anwendung der unionsrechtlichen Vorgaben die Erbringung von Familienleistungen nicht deshalb verweigern, weil der Kindesvater allenfalls von der Kindesmutter getrennt lebe oder keinen Unterhalt für seine Tochter leiste. Sollten die entsprechenden Schreiben der französischen Behörden bereits als verwaltungsbehördliche Entscheidung im Sinne eines Hoheitsaktes zu werten sein, hätte die Klägerin jedenfalls die Verpflichtung gehabt, diese Entscheidung aufgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung zu bekämpfen. Dies sei jedoch unterblieben.

Sohin sei die Anspruchsprüfung bisher noch nicht abgeschlossen worden, weil für die beklagte Partei die notwendigen Informationen für eine Beurteilung einer höchstens allenfalls nachrangigen Zuständigkeit Österreichs sowie für eine Bemessung des in Österreich allenfalls gebührenden Leistungsumfanges schlichtweg nicht vorlägen. Mangels Entscheidungsreife der Sache sei die beklagte Partei nicht säumig geworden, weshalb die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurückzuweisen sei.

Mit dem Beschluss vom 20.11.2020 wurde den Parteien zur Vorbereitung der Entscheidung über die erhobene Prozesseinrede jeweils die abschließende Ausführung ihrer diesbezüglichen Standpunkte mittels Schriftsatzes aufgetragen (ON 5) .

Die beklagte Partei wiederholte in ihrem hierauf erstatteten Schriftsatz vom 02.12.2020 (ON 6) zusammengefasst ihren bereits in der Klagebeantwortung dargelegten Standpunkt. Die Klägerin habe trotz mehrfachen Ersuchens durch die beklagte Partei keine ausreichenden Nachweise zur Überprüfung des Lebensmittelpunktes in Österreich vorgelegt. Sie sei daher einerseits ihrer gesetzlichen Mitwirkungspflicht nicht ausreichend nachgekommen, andererseits sei die Sache aus den bereits dargelegten Gründen noch nicht entscheidungsreif, weshalb die beklagte Partei im Sinne des § 27 Abs 4 KBGG nicht säumig sei.

Außerdem führte die beklagte Partei unter Wiederholung der bereits in der Klagebeantwortung eingenommenen Position, wonach die von den französischen Behörden zugrundegelegte Rechtsansicht über die Verweigerung der Gewährung einer konkreten Familienleistung an den Kindesvater mangels Erbringung von Unterhaltsleistungen für seine Tochter europarechtswidrig sei, des weiteren aus, dass der OGH in seiner Entscheidung zu 10 ObS 42/19b sowohl die Bestimmung des Art 7 Abs 1 der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.09.2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der VO 883/2004, ABl L 284/2009 idgF, (im Folgenden: „VO 987/2009“) als auch den Beschluss Nr. F2 der Verwaltungskommission für die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit vom 23.06.2015 über den Datenaustausch zwischen den Trägern zum Zweck der Gewährung von Familienleistungen, ABl C 52/2016, (im Folgenden: „Beschluss F2“) außer Acht gelassen habe bzw den Regelungsinhalt dieser beiden Bestimmungen unberücksichtigt gelassen habe. Zwar enthalte Pkt 5. Beschluss F2 die Festlegung, dass ein allenfalls zu gewährender Unterschiedsbetrag durch den nachrangig zuständigen Träger unverzüglich zu berechnen und auszuzahlen sei; dies gelte jedoch nur, „sobald die betroffene Person (durch Antragstellungen in beiden Staaten) einen Leistungsanspruch erwirkt und dem Mitgliedstaat die Informationen vorliegen, die er für die Berechnung des Unterschiedsbetrages benötigt“. Folge von Beschluss F2 sei daher, dass die Gewährung eines Unterschiedsbetrages zu allererst zu unterbleiben habe, wenn der betreffende Leistungsanspruch des vorrangig zuständigen Staates nicht bekannt sei, sei dies aufgrund einer noch ausständigen Datenübermittlung durch behördliche Bearbeitungsverzögerungen oder aufgrund von durch die Eltern „verursachter Verunmöglichung der ausländischen Anspruchsprüfung, indem offenkundig europarechtswidrige Entscheidungen der französischen Behörden unbekämpft bleiben“.

„Andernfalls würde die unterbliebene Bekämpfung der französischen unionsrechtswidrigen Rechtsansicht zu dem Ergebnis führen, dass ein vorrangig zuständiger Mitgliedstaat sich auf Kosten des nachrangig zuständigen Staates letztendlich leistungsfrei halten könnte bzw die Eltern den zahlungspflichtigen Staat selbst wählen könnten, womit de facto eine verordnungswidrige Zuständigkeitsänderung herbeigeführt würde.“ Eine „verweigerte Mitwirkung im vorrangig zuständigen Staat in Form der unterbliebenen Rechtsmittelerhebung durch die Klägerin“ könne durch den nachrangig zuständigen Staat auch nicht in sonst irgendeiner Form saniert werden und jedenfalls nicht dazu führen, dass die beklagte Partei säumig sei. Insofern unterscheide sich der gegenständliche Sachverhalt von jenem zu der Entscheidung des OGH zu 10 ObS 42/19b.

Die Klägerin erstattete in Erwiderung hierauf einen Schriftsatz vom 15.12.2020 (ON 7) , in welchem sie der Argumentation der beklagten Partei mit dem wesentlichen Vorbringen entgegentrat, dass sie ihrer Mitwirkungspflicht nachgekommen sei und stets zur Vorlage sämtlicher notwendiger Unterlagen bereit gewesen sei, sowie dass die beklagte Partei jedenfalls zur unverzüglichen Erlassung einer vorläufigen Entscheidung über die anzuwendenden Prioritätsregeln und über die vorläufige Feststellung des allenfalls zustehenden Unterschiedsbetrages verpflichtet gewesen wäre.

Rechtliche Beurteilung

Zu der von der beklagten Partei erhobenen Prozesseinrede ist wie folgt zu erwägen:

Durch die Novelle BGBl 53/2016 wurden (jeweils mit Geltung ab 01.03.2017; § 50 Abs 15 KBGG) sowohl die neue Bestimmung des § 27 Abs 4 KBGG als auch die neue Bestimmung des § 32 Abs 4 KBGG in das Kinderbetreuungsgeldgesetz eingefügt.

Nach § 27 Abs 4 KBGG idgF liegt abweichend von § 67 Abs 1 Z 2 ASGG eine Säumnis des Krankenversicherungsträgers nur dann vor, „wenn die Sache entscheidungsreif ist, also insbesondere wesentliche Vorfragen rechtskräftig geklärt sind und Mitwirkungspflichten erfüllt wurden.“

Nach § 32 Abs 4 KBGG idgF „kann“ der Krankenversicherungsträger den Leistungsanspruch ohne weitere Ermittlungen ablehnen, wenn „der antragstellende Elternteil trotz zweimaliger, schriftlicher Aufforderung seinen persönlichen Mitwirkungs- oder Mitteilungspflichten nicht nach[kommt]“ und hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert oder verhindert wird. Zumal eine (zumindest teilweise) ablehnende Entscheidung im System des KBGG immer in Bescheidform ergehen muss (§ 27 Abs 3 Z 1 KBGG; Sonntag in Sonntag/Schober/Konezny ³ § 27 KBGG Rz 1; Burger-Ehrnhofer § 27 KBGG Rz 5 ff; vgl auch OGH 10 ObS 112/18w), hat daher auch eine ablehnende Entscheidung nach § 32 Abs 4 KBGG in Form eines Bescheides zu erfolgen. Gegen einen nach § 32 Abs 4 KBGG ergangenen (ablehnenden) Bescheid steht dann eine (Bescheid-) Klage im Sinne des § 67 Abs 1 Z 1 ASGG offen, wobei der Gegenstand des über eine solche Klage geführten sozialgerichtlichen Verfahrens der geltend gemachte Leistungsanspruch selbst - und nicht die als Bescheidgrundlage herangezogene Mitwirkungspflichtverletzung - ist ( Sonntag in Sonntag/Schober/Konezny ³ § 32 KBGG Rz 3; Sonntag , Unions-, verfassungs- und verfahrensrechtliche Probleme der KBGG-Novelle 2016 und des Familienzeitbonusgesetzes, ASoK 2017, 2 [10 f]).

Ausweislich der diesbezüglichen Gesetzesmaterialien (ErläutRV in 1110 BlgNR 25. GP 13) sind sowohl § 27 Abs 4 KBGG als auch § 32 Abs 4 KBGG idF BGBl I 53/2016 jeweils durch die gesetzgeberische Motivation inspiriert, dem Eintritt einer auf Seiten des Krankenversicherungsträgers unverschuldeten Säumnis und einem hieran anknüpfenden klagsweisen Vorgehen durch die Eltern bzw den Antragsteller vorzubeugen. Mit der Bestimmung des § 32 Abs 4 KBGG soll nämlich verhindert werden, „dass der Krankenversicherungsträger unverschuldet säumig wird und die eigentlich säumigen Eltern dann auch noch dagegen vorgehen, wie zB bei Nichtvorlage von Nachweisen für den behaupteten Lebensmittelpunkt in Österreich oder Vorlage von nur mangelhaften Nachweisen“ (ErläutRV aaO). Aus entsprechenden Erwägungen erachtete es der Gesetzgeber der Novelle BGBl I 53/2016 für opportun, in Reaktion auf eine von ihm konstatierte „unnachvollziehbare Vorgangsweise“, die er in der Ausübung des gesetzlich eingeräumten Rechts zur Erhebung von Säumnisklagen nach § 67 Abs 1 Z 2 ASGG sah, die Zulässigkeit solcher Säumnisklagen im Wege des § 27 Abs 4 KBGG auf jene Fälle einzuschränken, in denen die Sachentscheidung nicht innerhalb der sechsmonatigen Entscheidungsfrist nach § 67 Abs 1 Z 2 ASGG (vgl auch OGH 10 ObS 42/19b) erlassen wurde, „obwohl der Antragsteller seinen Mitwirkungspflichten gemäß § 32 nachgekommen ist und die Sache demnach entscheidungsreif ist“. Ebenso soll die Zulässigkeit einer Säumnisklage durch § 27 Abs 4 KBGG in jenen Fällen, „in denen eine wesentliche Vorfrage schon Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw dem zuständigen Gericht bildet (oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird)“, so lange ausgeschlossen werden, bis eine rechtskräftige Entscheidung dieser vorliegt (ErläutRV aaO).

Gerade die Bestimmung des § 27 Abs 4 KBGG idF BGBl I 53/2016 begegnet neben Zweifeln an ihrer Zweckmäßigkeit vor allem erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken unter dem Aspekt des Gleichheitssatzes (siehe dazu näher Sonntag, ASoK 2017, 8 f, 11; Sonntag aaO § 27 KBGG Rz 9a; Sonntag in Köck/Sonntag § 67 ASGG Rz 72; Burger-Ehrnhofer § 27 KBGG Rz 17). Diese Zweifel und Bedenken werden freilich im Hinblick auf die gleichzeitig eingeführte und vom gleichen Regelungsmotiv getragene Bestimmung des § 32 Abs 4 KBGG sogar noch verstärkt , welche bei systematischer Betrachtung in einem evidenten Spannungsverhältnis zu § 27 Abs 4 KBGG steht.

Denn während § 32 Abs 4 KBGG dem Krankenversicherungsträger gerade in den Fällen einer qualifizierten Verletzung von Mitwirkungspflichten (nämlich bei Unterbleiben der gebotenen Mitwirkung trotz zweimaliger vergeblicher schriftlicher Aufforderung) die Befugnis zur Erlassung eines - wenngleich ablehnenden bzw abweisenden, jedenfalls aber den Zugang zum Sozialgericht im Wege einer Bescheidklage eröffnenden - Bescheides einräumt, versetzt § 27 Abs 4 KBGG den Krankenversicherungsträger insbesondere in jenen Fällen, in denen infolge einer Mitwirkungspflichtverletzung noch keine Entscheidungsreife eingetreten ist, in die Position, eine Sachentscheidung überhaupt zu unterlassen und dadurch den Weg zu Gericht (einerseits mangels eines nach § 67 Abs 1 Z 1 ASGG anfechtbaren Bescheides, andererseits mangels einer nach § 27 Abs 4 KBGG beachtlichen Säumnis im Sinne des § 67 Abs 1 Z 2 ASGG) gänzlich auszuschließen. Versteht man sohin die in § 32 Abs 4 KBGG dem Wortlaut nach enthaltene „Kann“-Bestimmung in dem Sinne, dass der Krankenversicherungsträger bei Erfüllung der entsprechenden Voraussetzungen lediglich dazu berechtigt, aber nicht dazu verpflichtet ist, einen (ablehnenden) Bescheid nach § 32 Abs 4 KBGG zu erlassen, dann würde dies auf die Konsequenz hinauslaufen, dass es der Krankenversicherungsträger (in den von § 32 Abs 4 KBGG erfassten Fällen) nach Belieben in der Hand hätte, dem Antragsteller den Weg zu Gericht zu versperren oder zu eröffnen: Der Krankenversicherungsträger könnte jegliche Sachentscheidung im Hinblick auf das (kontumazbedingte) Fehlen der Entscheidungsreife unterlassen, wodurch selbst die Erhebung einer Säumnisklage kraft § 27 Abs 4 KBGG bis zur Herbeiführung der Entscheidungsreife ausgeschlossen wäre, oder er könnte gerade das Kontumazverhalten des Antragstellers zum Anlass dafür nehmen, diesem durch Erlassung eines anfechtbaren Bescheides nach § 32 Abs 4 KBGG faktisch einen schnelleren Übergang der Entscheidungskompetenz auf das Gericht zu ermöglichen (vgl zu diesem Aspekt bereits Sonntag, ASoK 2017, 11; Sonntag aaO § 32 KBGG Rz 3).

Unter dieser Hypothese hätte somit der Krankenversicherungsträger in den Fällen einer im Sinne des § 32 Abs 4 KBGG qualifizierten Mitwirkungspflichtverletzung die freie Wahl, welche der von § 27 Abs 4 KBGG einerseits und von § 32 Abs 4 KBGG andererseits vorgesehenen, unterschiedlichen Kontumazierungsfolgen er gegenüber dem Antragsteller herbeiführt. Ein solches Interpretationsergebnis wäre freilich (noch stärker als schon der Regelungsgehalt des § 27 Abs 4 KBGG für sich allein) unter dem Aspekt des Gleichheitsgrundsatzes bzw des hieraus erfließenden Sachlichkeitsgebots wie auch aus grundsätzlichen rechtsstaatlichen Erwägungen zu missbilligen und ist daher zu vermeiden. Zumal mit der Bestimmung des § 32 Abs 4 KBGG erkennbar der Zweck verfolgt wurde, in den Fällen einer qualifizierten Mitwirkungspflichtverletzung eine unverschuldete Säumigkeit des Krankenversicherungsträgers gerade durch Ermöglichung einer raschen bescheidmäßigen (ablehnenden) Beendigung des Verwaltungsverfahrens zu verhindern (siehe wiederum ErläutRV in 1110 BlgNR 25. GP 13), ist daher davon auszugehen, dass der Krankenversicherungsträger in jenen Fällen, in denen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 32 Abs 4 KBGG tatsächlich erfüllt sind, zur Ausübung der darin eingeräumten Kontumazierungsbefugnis nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet ist.

Eine solche Auslegung des § 32 Abs 4 KBGG steht in systematischer Hinsicht auch wesentlich besser im Einklang mit § 27 Abs 4 KBGG als die gegenteilige Annahme einer bloßen Ermächtigung bzw Ermessenseinräumung. Denn immerhin stellt § 27 Abs 4 KBGG für die Annahme von Säumnis im Sinne des § 67 Abs 1 Z 2 ASGG in erster Linie darauf ab, ob „die Sache entscheidungsreif ist“ (die rechtskräftige Klärung von Vorfragen und die Erfüllung von Mitwirkungspflichten bilden nach dem Normwortlaut [arg „insbesondere“] nur einzelne Aspekte bzw Erscheinungsformen der Entscheidungsreife). Entscheidungsreife in der Sache liegt aber gerade auch in den Anwendungsfällen des § 32 Abs 4 KBGG vor , wird doch bei Erfüllung der dort normierten Tatbestandsvoraussetzungen gerade die Erlassung eines (wenngleich abweisenden Kontumaz-) Bescheides ermöglicht, der ebenfalls meritorischer Natur ist (vgl wiederum Sonntag aaO § 32 KBGG Rz 3; Sonntag , ASoK 2017, 11). Die Verwirklichung des Tatbestandes von § 32 Abs 4 KBGG begründet somit eine besondere Form von Entscheidungsreife .

Soweit § 27 Abs 4 KBGG Fälle jeglicher Mitwirkungspflichtverletzung schlechthin als Grund für das Fehlen von Entscheidungsreife anerkennt, ist somit dessen Anwendungsbereich aus den dargelegten verfassungsrechtlichen, teleologischen und normsystematischen Erwägungen um jene Konstellationen einer besonderen, qualifizierten Mitwirkungspflichtverletzung zu reduzieren, die vom Tatbestand des § 32 Abs 4 KBGG erfasst sind und zu der darin geregelten besonderen Form von Entscheidungsreife führen. Im Ergebnis ist daher zu konstatieren, dass Entscheidungsreife im Sinne des § 27 Abs 4 KBGG (auch und erst recht) dann vorliegt und der Krankenversicherungsträger zur Erlassung eines entsprechenden meritorischen (Kontumaz-) Bescheides nach § 32 Abs 4 KBGG verpflichtet ist, wenn die Voraussetzungen für ein solches Vorgehen nach § 32 Abs 4 KBGG erfüllt sind, sohin eine eine qualifizierte bzw hinreichend „nachdrückliche“ (ErläutRV in 1110 BlgNR 25. GP 13) Mitwirkungspflichtverletzung eingetreten ist. Geht der Krankenversicherungsträger trotz Verwirklichung der Voraussetzungen des § 32 Abs 4 KBGG nicht im Sinne dieser Bestimmung durch Erlassung eines (ablehnenden) Bescheides vor, dann ist er auch unter Berücksichtigung des § 27 Abs 4 KBGG säumig , was nach Ablauf der Frist des § 67 Abs 1 Z 2 ASGG die zulässige Erhebung einer Säumnisklage ermöglicht.

Ausgehend davon erweist sich die vorliegend erhobene Säumnisklage somit schon deshalb als zulässig, weil selbst und gerade nach dem Vorbringen der beklagten Partei von der Verwirklichung der Anwendungsvoraussetzungen des § 32 Abs 4 KBGG auszugehen ist.

Denn die beklagte Partei stützt den gegenüber der Klägerin erhobenen Vorwurf der Verletzung ihrer Mitwirkungspflichten gerade darauf, dass die Klägerin „mehrfach“ (ON 2 AS 10, ON 6 AS 38) zur Vorlage von Nachweisen für den Lebensmittelpunkt in Österreich aufgefordert worden sei, diesen Aufforderungen aber nur in mangelhafter Weise nachgekommen worden sei. Mit einer solchen „mehrfachen“ - sohin erkennbar mindestens zweimaligen - Aufforderung, die zu keiner hinreichenden Mitwirkung geführt habe, ist aber gerade der die Rechtsfolge des § 32 Abs 4 KBGG auslösende Tatbestand erfüllt, zumal gleichermaßen nach dem Standpunkt der beklagten Partei die von ihr ins Treffen geführte Mitwirkungspflichtverletzung auch die Aufklärung anspruchsrelevanter Umstände verhindert hat bzw weiterhin verhindert (vgl auch die Mat in ErläutRV 1110 BlgNR 25. GP 13, wo besonders die „Nichtvorlage von Nachweisen für den … Lebensmittelpunkt in Österreich oder Vorlage von nur mangelhaften Nachweisen“ als Anwendungsfall des § 32 Abs 4 KBGG hervorgehoben wird). Jedenfalls nach der zweiten Aufforderung des Krankenversicherungsträgers, auf welche nach dem Beklagtenstandpunkt keine hinreichende Mitwirkung der Klägerin erfolgt ist, bestand daher Entscheidungsreife im Sinne des § 27 Abs 4 KBGG insoweit, als der Krankenversicherungsträger zur Erlassung eines abweisenden meritorischen Bescheides nach § 32 Abs 4 KBGG (befugt und auch) verpflichtet war.

Dieser Verpflichtung ist die beklagte Partei bis dato nicht nachgekommen. Zumal aus dem Beklagtenvorbringen auch keineswegs abzuleiten ist, dass seit der für die Anwendbarkeit des § 32 Abs 4 KBGG maßgeblichen zweiten vergeblichen Aufforderung erst weniger als sechs Monate (bis zum aktuellen Zeitpunkt der nunmehrigen Beschlussfassung über die Rechtswegzulässigkeit; vgl Neumayr in ZellKomm³ § 67 ASGG Rz 13) vergangen wären, ist überdies ohne weiteres zugrundezulegen, dass die nach § 32 Abs 4 KBGG gebotene Sachentscheidung nicht innerhalb der nach § 67 Abs 1 Z 2 ASGG offenstehenden Frist erlassen wurde.

Schon aus den dargestellten Erwägungen ist daher zu konstatieren, dass die vorliegende Säumnisklage auch unter Berücksichtigung des § 27 Abs 4 KBGG zulässigerweise erhoben wurde.

Aber selbst ohne Rückgriff auf § 32 Abs 4 KBGG und unabhängig von den dargestellten verfassungsrechtlichen, teleologischen und normsystematischen Erwägungen bieten die Ausführungen der beklagten Partei keine Grundlage für die Beurteilung, dass der Zulässigkeit der erhobenen Säumnisklage das Hindernis der mangelnden Entscheidungsreife im Sinne des § 27 Abs 4 KBGG entgegenstehen würde.

Denn in Ansehung der von der beklagten Partei als nur unzureichend geklärt erachteten Frage der örtlichen Lage des Lebensmittelpunktes der Klägerin und ihrer Tochter ist festzuhalten, dass die von der beklagten Partei vertretene Einschätzung, wonach die von der Klägerin diesbezüglich erbrachten Nachweise nicht ausreichend zum Beleg des Lebensmittelpunktes in Österreich geeignet wären, keineswegs die Entscheidungsreife ausschließt. Denn die Beurteilung, ob die in einem Verfahren erhobenen bzw von einer Partei beigebrachten Nachweise oder Beweismittel zur Dartuung einer anspruchsrelevanten Tatsache genügen, ist vielmehr bloß eine Frage der (freien) Beweiswürdigung, die auch im gegebenen Zusammenhang im Rahmen des Verwaltungsverfahrens (§ 25a KBGG iVm §§ 358 ff ASVG) dem Krankenversicherungsträger obliegt (vgl zum Verwaltungsverfahren in Leistungssachen nach dem ASVG allgemein Derntl in Sonntag 11 § 360b ASVG Rz 8 sowie die bei Kneihs in Mosler/Müller/Pfeil , Der SV-Komm § 360b ASVG Rz 6/1 [Stand 01.12.2020, rdb.at] angeführten Fundstellen; zum KBGG im Besonderen siehe Ehmer ua , Kinderbetreuungsgeldgesetz², 203). Wenn sohin die beklagte Partei die von der Klägerin beigebrachten Belege unter Berücksichtigung der weiteren im Beklagtenvorbringen dargelegten Unterlagen bzw Ergebnisse des Verwaltungsverfahrens dahingehend würdigt, dass sie nicht geeignet sind, beim Krankenversicherungsträger eine hinreichende Überzeugung vom tatsächlichen Bestand des Lebensmittelpunktes in Österreich hervorzurufen, dann ist darin (wenn schon nicht der positive Beweis eines außerhalb Österreichs, etwa in Frankreich, gelegenen Lebensmittelpunktes, so doch) zumindest die Situation eines „non liquet“ zu sehen, welches schon nach allgemeinen verfahrensrechtlichen Grundsätzen (sohin unabhängig von der Nichtanwendbarkeit der §§ 45 ff AVG im Verwaltungsverfahren nach § 25a KBGG) zur Konsequenz hat, dass der Krankenversicherungsträger bei seiner Entscheidung vom Nichtvorliegen der nicht erweislichen (bzw nach seinem Dafürhalten nicht hinreichend erwiesenen) rechtsrelevanten Tatsache des Lebensmittelpunktes in Österreich auszugehen hat (vgl etwa Rechberger/Klicka in Rechberger/Klicka 5 Vor § 266 ZPO Rz 8, 11 sowie zum Verwaltungsverfahren nach dem AVG allgemein Hengstschläger/Leeb § 45 AVG Rz 2 [Stand 01.07.2005, rdb.at]).

Denn „Beweislosigkeit darf nicht zu Entscheidungslosigkeit führen“ ( Rechberger/Klicka aaO Vor § 266 ZPO Rz 8).

Somit ist die beklagte Partei gerade unter Zugrundelegung ihrer eigenen beweiswürdigenden Ansicht von der Unzulänglichkeit der im Verwaltungsverfahren erhobenen Nachweise und Verfahrensergebnisse durchaus in der Lage, diese Ansicht in dem Sinne zur Grundlage einer (wenngleich ablehnenden) meritorischen Entscheidung zu machen, dass mangels hinreichender Überzeugung vom Bestehen des Lebensmittelpunktes in Österreich eben nicht von der örtlichen Lage des Lebensmittelpunktes in Österreich ausgegangen wird, daher eine Zuständigkeit Österreichs für die - im antragsgegenständlichen Zeitraum unstrittig in Österreich auch nicht erwerbstätige - Klägerin gemäß Art 11 Abs 1, Abs 3 lit a, e VO 883/2004 zu verneinen ist und dementsprechend ein Anspruch der Klägerin nach dem österreichischen Kinderbetreuungsgeldgesetz bereits dem Grunde nach von vornherein ausgeschlossen ist. Wollte man demgegenüber schon ein (zu) zaghaftes oder zögerliches Vorgehen des Krankenversicherungsträgers bei der Beweiswürdigung und bei der Umsetzung der dabei gewonnenen Schlussfolgerungen als Grund für das Fehlen von Entscheidungsreife im Sinne des § 27 Abs 4 KBGG anerkennen, würde dies zu der Konsequenz führen, dass der Eintritt von Entscheidungsreife und damit einer - die Frist nach § 67 Abs 1 Z 2 ASGG auslösenden - Entscheidungspflicht ohne Rücksicht auf die objektiv gegebene Möglichkeit einer Beendigung des Verwaltungsverfahrens wiederum allein vom Krankenversicherungsträger bzw von dessen Dafürhalten und von dessen Fähigkeit und Antrieb zur Entscheidungsfindung abhinge . Dass auch eine solche Konsequenz der mit § 27 Abs 4 KBGG verfolgten Regelungsabsicht entspräche, kann aber dem Gesetzgeber mangels eindeutiger diesbezüglicher Anhaltspunkte redlicherweise nicht unterstellt werden.

Zusammengefasst ist daher im vorliegenden Zusammenhang der Krankenversicherungsträger bereits aufgrund der von der beklagten Partei selbst ins Treffen geführten Skepsis gegen die von der Klägerin beigebrachten Nachweise in der Lage zu sehen, auf der Grundlage seiner - wenngleich negativen - Einschätzung über das Vorliegen des Lebensmittelpunktes in Österreich eine - wenngleich abweisende - bescheidförmige Sachentscheidung über die Leistungsanträge der Klägerin zu erlassen. Somit ist auch unter diesem Gesichtspunkt schon nach Maßgabe des Beklagtenvorbringens die von § 27 Abs 4 KBGG verlangte Entscheidungsreife zu bejahen.

Das von der beklagten Partei weiters relevierte Thema der allfälligen Gebührlichkeit von Familienleistungen in Frankreich nach den dortigen Rechtsvorschriften trägt ebenfalls nichts dazu bei, die Unzulässigkeit des Rechtswegs für die vorliegend erhobene Säumnisklage zu begründen. Es trifft zwar zu, dass im Hinblick auf die Beschäftigung des Kindesvaters in Frankreich (und im Hinblick auf das unstrittige Fehlen einer Erwerbstätigkeit der Klägerin in Österreich) die Höhe allfälliger (gleichartiger) französischer Familienleistungen nach Maßgabe des Art 68 Abs 1 lit a, Abs 2, 3 VO 883/2004 eine Vorfrage für die Bemessung der der Klägerin auf der Grundlage des österreichischen Kinderbetreuungsgeldgesetzes gebührenden (Differenz-) Ansprüche bildet (sofern hinsichtlich der Klägerin überhaupt eine durch einen hiesigen Lebensmittelpunkt begründete - nachrangige - Zuständigkeit Österreichs anzunehmen ist).

Wie jedoch der OGH in seiner Entscheidung zu 10 ObS 42/19b (RIS-Justiz RS0132682) bereits klargestellt hat, hat der Krankenversicherungsträger gerade in einer solchen Konstellation, in der die Gewährung des Unterschiedsbetrages nach Art 68 Abs 2, 3 VO 883/2004 im nachrangig zuständigen Staat Österreich von Bestand und Höhe der im vorrangig zuständigen Mitgliedstaat vorgesehenen Familienleistungen abhängt, unverzüglich nach Art 68 Abs 3, VO 883/2004, Art 60 Abs 3 VO 987/2009 vorzugehen und innerhalb des sich aus Art 60 Abs 3 VO 987/2009 iVm § 67 Abs 1 Z 2 ASGG ergebenden Zeitraums zumindest einen Bescheid über die vorläufige (Differenz-) Leistung nach Art 7 VO 987/2009 zu erlassen, widrigenfalls ungeachtet der Bestimmung des § 27 Abs 4 KBGG Säumigkeit im Sinne des § 67 Abs 1 Z 2 ASGG eintritt. Ausgehend davon wird somit die Zulässigkeit der vorliegend erhobenen Säumnisklage auch durch einen allenfalls noch offenen Klärungsbedarf betreffend französische Familienleistungen nicht ausgeschlossen .

Entgegen den nunmehrigen Ausführungen der beklagten Partei hat der OGH in der zitierten Entscheidung sehr wohl auch die Bestimmung des Art 7 VO 987/2009 ausdrücklich berücksichtigt und vielmehr sogar als eine tragende Grundlage seiner Entscheidung herangezogen. Ebenso entgegen dem Standpunkt der beklagten Partei lässt sich aus Pkt 5. Beschluss F2 kein anderes Ergebnis ableiten. Denn die im ersten Satz von Pkt 5. Beschluss F2 enthaltene Einschränkung, wonach der Unterschiedsbetrag „unverzüglich“ (erst) berechnet und ausbezahlt wird, „sobald … dem Mitgliedstaat die [für die die Berechnung benötigten] Informationen vorliegen“, bezieht sich erkennbar nur auf die definitive Berechnung des endgültig gebührenden Unterschiedsbetrags, aber nicht auf die Berechnung des nach Art 7 VO 987/2009 bloß vorläufig festzustellenden Unterschiedsbetrags. Dies erhellt bereits aus einem Vergleich mit dem zweiten Satz von Pkt 5. Beschluss F2, wo der Begriff des „Unterschiedsbetrages“ ausdrücklich neben dem in Abgrenzung dazu gesondert genannten Begriff des „vorläufigen Unterschiedsbetrages“ angeführt wird, und wird auch durch ErwGr 6 von Beschluss F2 bestätigt, in dessen Licht sich der erste Satz von Pkt 5. bloß als Wiedergabe der für die definitive Berechnung des Unterschiedsbetrages maßgeblichen Rechtslage nach Art 68 Abs 3 lit a VO 883/2004 iVm Art 60 Abs 3 VO 987/2009 erweist. Damit im Einklang hebt ErwGr 7 von Beschluss F2 das in Art 7 VO 987/2009 begründete Gebot der Berechnung und Gewährung des vorläufigen Unterscheidungsbetrags nach Maßgabe nur der vorhandenen Informationen gerade für den Fall hervor, dass „noch nicht alle Informationen für die definitive Berechnung des Unterschiedsbetrags [vorliegen]“.

Dass der beklagten Partei im vorliegenden Fall eine derartige vorläufige Berechnung unter Berücksichtigung der in Frankreich nach den dortigen Rechtsvorschriften vorgesehenen (gleichartigen) Familienleistungen überhaupt nicht möglich wäre und sohin keinerlei vorläufiger Unterschiedsbetrag ermittelt werden könnte, kann nicht zugrundegelegt werden. Insbesondere überzeugt auch der Einwand nicht, wonach die von den französischen Behörden getroffenen Entscheidungen über die Verweigerung von Familienleistungen unrichtig bzw unionsrechtswidrig seien.

So ist bereits zu betonen, dass es schon nach dem Wortlaut des Art 68 VO 883/2004 und seiner Überschrift („Prioritätsregeln bei Zusammentreffen von Ansprüchen“) bei der Anwendung der darin normierten Kollisions- bzw Anrechnungsregel nicht auf die im anderen - vorrangig zuständigen - Mitgliedstaat tatsächlich gewährten Leistungen ankommt, sondern vielmehr auf das bloße Bestehen eines entsprechenden kollidierenden Leistungs anspruchs nach den Rechtsvorschriften dieses prioritär zuständigen Mitgliedstaates (arg „Sind … Leistungen nach den Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten zu gewähren …“, „Ansprüche“ in Abs 1 leg cit, „Zusammentreffen von Ansprüchen“, „… Höhe des nach den vorrangig geltenden Rechtsvorschriften vorgesehenen Betrags …“ in Abs 2 leg cit; in diesem Sinne auch ErwGr 35 VO 883/2004: „... für den Fall des Zusammentreffens von Ansprüchen … mit Ansprüchen …“; vgl auch Igl in Fuchs 5 Art 68 VO 883/2004 Rz 1). Der Anwendungsbereich des Art 68 VO 833/2004 ist sohin schon durch die Kumulierung von (bloßen) Anspruchsberechtigungen aus verschiedenen Mitgliedstaaten eröffnet (vgl OGH 10 ObS 148/14h, 10 ObS 103/18x), weshalb auch eine Anspruchskürzung nach Art 68 Abs 3 VO 883/2004 (lediglich) den Bestand einer Leistungsverpflichtung nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaates voraussetzt (vgl OGH 10 ObS 74/17f).

Somit setzt die Anwendung der Anrechnungsbestimmung des Art 68 Abs 3 VO 883/2004 nicht zwangsläufig die Einholung von Entscheidungen bzw Auskünften des ausländischen (vorrangig zuständigen) Trägers über die Gewährung von Leistungen nach dessen Rechtsvorschriften voraus, sondern zur Anwendung dieser Bestimmung genügt vielmehr bereits die Kenntnis darüber, welche gleichartigen Familienleistungen in welcher Höhe in den Rechtsvorschriften des vorrangig zuständigen Staates vorgesehen sind, sowie ob und in welchem Umfang nach Maßgabe der in diesen Rechtsvorschriften normierten Anspruchsvoraussetzungen (gegebenenfalls unter Berücksichtigung des Art 60 Abs 1 VO 987/2009) ein solcher Anspruch besteht. Dass der beklagten Partei die im gegebenen Zusammenhang einschlägigen französischen Rechtsvorschriften nicht bekannt wären (oder ihr diesbezügliche Erhebungen noch nicht möglich gewesen wären) und/oder ihr die auf dieser Grundlage vorzunehmende Beurteilung von Bestand und Höhe des nach französischem Recht vorgesehenen Anspruchs nicht möglich wäre und daher aus diesem Grund noch keine - zumindest für eine vorläufige Berechnung nach Art 7 VO 987/2009 hinreichende - Entscheidungsreife eingetreten wäre, wird von der beklagten Partei gerade nicht ins Treffen geführt. Vielmehr gibt die beklagte Partei mit ihrem Standpunkt, wonach die Verweigerung von Familienleistungen durch die französischen Behörden rechtsirrig bzw (unions-) rechtswidrig wäre, gerade zu erkennen, dass aus dem ihr offenstehenden Einblick in die einschlägige französische Rechtslage bei richtiger Beurteilung sehr wohl ein Anspruch auf - nach Art 68 Abs 3 VO 883/2004 anzurechnende - Familienleistungen bestehe.

Abgesehen davon läuft der von der beklagten Partei zuletzt erhobene Vorwurf, die Klägerin habe die Erhebung eines Rechtsmittels gegen die „offenkundig europarechtswidrigen Entscheidungen der französischen Behörden“ unterlassen und dadurch ihre Mitwirkung „verweigert“, ohnedies geradezu auf die Anerkennung von Entscheidungsreife im Sinne des § 27 Abs 4 KBGG hinaus. Denn gerade infolge des Unterbleibens von Rechtsmitteln gegen die ablehnenden Entscheidungen der französischen Behörden wäre die Rechtskraft dieser Entscheidungen über die für den Anspruch der Klägerin nach dem KBGG wesentliche Vorfrage des Bestandes von anrechenbaren französischen Leistungsansprüchen eingetreten, was wiederum selbst nach § 27 Abs 4 KBGG zur Entscheidungsreife führt.

Demgegenüber kann im bloßen Unterlassen von Rechtsmitteln gegen die von der beklagten Partei in Kritik gezogenen Entscheidungen der französischen Behörden schon deshalb keine (die Säumigkeit nach § 27 Abs 4 KBGG möglicherweise ausschließende) Mitwirkungspflichtverletzung gesehen werden, weil die in § 32 Abs 1 KBGG gegründete Mitwirkungspflicht der Klägerin (nur) die Mitwirkung an der Feststellung bzw Ermittlung des anspruchsrelevanten Sachverhaltes - sohin nur die Bereitstellung von Informationen - umfasst (vgl Ehmer ua , aaO 235; Burger-Ehrnhofer § 32 KBGG Rz 3), sich aber nicht auch auf eine Verpflichtung zur Ausübung von Verfahrensrechten zur Verfolgung einer vom Krankenversicherungsträger vertretenen Rechtsansicht erstreckt. (Nur der Vollständigkeit halber ist in diesem Zusammenhang überdies festzuhalten, dass das von der beklagten Partei vertretene Verdikt einer geradezu „offenkundigen“ Europarechtswidrigkeit der Entscheidungen der französischen Behörden schon angesichts der selbst für einschlägig befasste Juristen nur mühsam durchdringbaren Komplexität der unionsrechtlichen Vorgaben äußerst kühn und überschießend erscheint. Umso weniger kann unterstellt werden, dass es für die Klägerin in zumutbarer Weise naheliegend sein hätte müssen, gegen die nun von der beklagten Partei kritisierten Entscheidungen der französischen Behörden vorzugehen.)

Im Ergebnis bestehen somit auch unter Bedachtnahme auf § 27 Abs 4 KBGG keine Bedenken gegen die Zulässigkeit des Rechtsweges für die vorliegend erhobene Säumnisklage, weshalb wie im Spruch ersichtlich zu entscheiden ist.

Die Durchführung einer Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung war nicht erforderlich, zumal den Parteien das rechtliche Gehör bereits mit dem Beschluss vom 20.11.2020 eingeräumt wurde (§ 261 Abs 2 ZPO).

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