JudikaturJustiz23R76/20w

23R76/20w – LG Wels Entscheidung

Entscheidung
21. Oktober 2020

Kopf

Das Landesgericht Wels als Rekursgericht hat durch die Präsidentin Dr. Egle als Vorsitzende sowie die weiteren Richter Dr. Lengauer und MMag. Dunzendorfer in der Rechtssache der klagenden Partei H *****, vertreten durch Neumayer, Walter Haslinger Rechtsanwälte-Partnerschaft, 1030 Wien, wider die beklagte Partei A *****, vertreten durch DORDA Rechtsanwälte GmbH, 1010 Wien, wegen Euro 9.595,08 über den Rekurs des Klägers gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Bad Ischl vom 5.8.2020, 3 C 166/20 - 16, den

BESCHLUSS

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit Euro 695,64 (darin enthalten Euro 115,94 USt.) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist zulässig.

Text

Begründung:

T*****, Rechtsanwalt und Notar in der Schweiz, wurde mit rechtskräftigem und vollstreckbarem Versäumungsurteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 3.12.2019, 17 C 378/18b - 58, zur Zahlung von Euro 5.040,00 s.A. an den Kläger und zum Ersatz dessen mit Euro 3.277,98 bestimmten Prozesskosten verurteilt.

Der Kläger begehrt mit seiner am 17.3.2020 eingebrachten Klage die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Euro 9.595,08 (Summe aus im Vorprozess zuerkanntem Kapital und Kostenersatz samt kapitalisierten Zinsen) und brachte vor, der T***** habe in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt und Notar in irreführender Weise Prüfberichte betreffend Übereinstimmung des Ist-Bestands und des Soll-Bestands von Goldvorräten der G***** mit Sitz in der Schweiz erstellt, was zu einem Schaden des Klägers als Anleger in ein von der zuletzt genannten Gesellschaft angebotenes Investment geführt habe. Die Beklagte sei Berufshaftpflichtversicherer von T*****. Sie verweigere als Haftpflichtversicherer des Schädigers rechtswidrig und schuldhaft jegliche Zahlung . Sie lehne die Deckung des entstandenen Schadens mit der Behauptung ab, T***** habe bei Erstellung der Prüfberichte keine typisch anwaltliche Tätigkeit verrichtet und außerdem vorsätzlich gehandelt. Dies sei jedoch unrichtig. Der dem Versicherungsnehmer T***** entzogene Deckungsanspruch habe unmittelbare Wirkung auf die fehlende Auszahlung an den Kläger. Es liege somit auch eine schuldhafte Handlung der Beklagten vor, die den Kläger schädige. Das führe zu einem deliktischen Schadenersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagte gemäß Art. 41 Obligationenrecht (OR). Außerdem liege ein echter Vertrag zugunsten Dritter im Sinn des Art. 112 OR vor, sodass er selbständig von der Beklagten Erfüllung fordern könne. Das ergebe sich aus Art. 13 Abs. 2 der dem Haftpflichtversicherungsvertrag zugrunde liegenden AVB der Beklagten, wonach die Versicherung die Entschädigung in der Regel direkt an den Geschädigten bezahlt. Auch Art. 60 Abs. 2 des schweizerischen VVG begründe ein direktes Forderungsrecht des Klägers im Sinn eines deliktischen Schadenersatzanspruchs. Schließlich sei der Versicherungsvertrag auch ein solcher mit Schutzwirkung zugunsten Dritter. Zur Zuständigkeit des Erstgerichts brachte der Kläger noch vor, dass Art. 9 Abs. 1 lit. b, Art. 10 und Art. 11 Abs. 2 LGVÜ 2007 einen Gerichtsstand am Wohnsitz des Klägers, wenn dieser Versicherungsnehmer, Versicherter, Begünstigter oder Geschädigter sei, vorsehen würden. Aus der dazu ergangenen Judikatur und Literatur ergebe sich, dass die gegenüber dem Versicherer schwächere Partei schützenswert sei. Eine Direktklage des Geschädigten gegen den Versicherer im Sinn des Art. 11 Abs. 2 LGVÜ 2007 sei etwa nach § 26 KHVG, § 24 AtomHG, § 166 LuftfahrtG vorgesehen. In analoger Anwendung dieser gesetzlichen Bestimmungen stehe auch dem Kläger als schutzwürdigem Geschädigten ein direkter Anspruch gegen die Beklagte als Versicherer zu, sodass er diese bei seinem Wohnsitzgericht klagen könne.

Die Beklagte bestritt bereits in ihrem vorbereitenden Schriftsatz vom 13.7.2020 (ON 11) die internationale Zuständigkeit des Erstgerichts. Eine Direktklage im Sinn des Art. 11 Abs. 2 LGVÜ 2007 sei weder im österreichischen noch im Schweizer Recht vorgesehen. Im Übrigen bestritt sie das Vorbringen des Klägers zu ihrer behaupteten Haftung.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht die Klage wegen internationaler und örtlicher Unzuständigkeit zurück. Es stellte fest, dass nicht feststellbar ist, auf welchen Tatsachen und rechtlichen Grundlagen das Versäumungsurteil vom 3.12.2019 beruht. Insbesondere ist nicht feststellbar, dass ein deliktischer Schadenersatzanspruch des Klägers gegen T***** zugrunde liegt und wann T***** ein schädigendes Verhalten gegenüber dem Kläger gesetzt haben soll. Laut vorliegender Polizze schloss T***** am 17.6.2010 bei der Beklagten einen Berufshaftpflichtversicherungsvertrag mit Versicherungsbeginn 16.6.2010 und Ablauf 28. 2. 2015. Die Beklagte lehnte mit Schreiben an T***** vom 16.7.2018 eine Versicherungsdeckung für die in Österreich geführten Zivilverfahren ab. Diese Ablehnung wiederholte sie mit Schreiben vom 15.4.2019 und begründete sie unter anderem damit, dass im Zusammenhang mit der vom ihm vorgenommenen Prüfung von Lagerdepotlisten weder eine versicherte rechtsanwaltliche oder notarielle Tätigkeit vorliege. Außerdem sei der Schaden vorsätzlich bzw. eventualvorsätzlich herbeigeführt worden.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, dass aus dem Versäumungsurteil nicht entnommen werden könne, dass die Beklagte Haftpflichtversicherer des T***** in einem Zeitraum, der dem Versäumungsurteil zugrundeliege, gewesen sei. Schon deshalb lasse sich kein Direktanspruch gegen die Beklagte ableiten. Außerdem seien weder in Österreich noch in der Schweiz Direktansprüche gegen eine Berufshaftpflichtversicherung von Rechtsanwälten und Notaren vorgesehen. Sollte ein Anspruch des T***** gegen die Beklagte bestehen, könne der Kläger seine Ansprüche im Wege einer Drittschuldnerklage geltend machen, wofür aufgrund des Sitzes der Beklagten in der Schweiz die dortigen Gerichte zuständig seien. Da weder ein Direktanspruch des Klägers gegen die Beklagte bestehe noch ersichtlich sei, worin ein für den Schaden des Klägers ursächliches, rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten der Beklagten liegen soll, sei die Klage unschlüssig und es würden sich keine Anhaltspunkte für eine Zuständigkeit eines österreichischen Gerichts ergeben. Die Klage sei daher mangels internationaler und örtlicher Zuständigkeit des Erstgerichts zurückzuweisen gewesen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs des Klägers mit dem Antrag, ihn aufzuheben und die internationale und örtliche Zuständigkeit des Erstgerichts auszusprechen.

Die Beklagte erstattete eine Rekursbeantwortung mit dem Antrag, dem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Es kann dahingestellt bleiben, aufgrund welches Klagsvorbringens das Versäumungsurteil vom 3.12.2019 erging, weil auch bei Zugrundelegung der Behauptungen des Klägers zum ihm gegenüber T***** zuerkannten Schadenersatz die internationale und damit auch örtliche Zuständigkeit des Erstgerichts für die gegen die Beklagte erhobene Klage nicht gegeben ist.

Der Rekurswerber stützt die internationale Zuständigkeit des Erstgerichts im Rechtsmittel noch darauf, dass es die Direktklage gemäß Art. 11 Abs. 2 LGVÜ 2007 dem unmittelbar Geschädigten ermögliche, den Haftpflicht- und Deckungsprozess in einem vor seinem Wohnsitzgericht gegen den Haftpflichtversicherer zu führen. Der österreichische Gesetzgeber sehe Direktklagen geschädigter Dritter gegen Pflichtversicherungen vor, etwa in § 26 KHVG, § 24 AtomHG und § 166 LuftfahrtG. Im Rahmen einer analogen Anwendung dieser Bestimmungen stehe auch ihm als schutzwürdigem Geschädigten ein direkter Anspruch gegen die Beklagte zu. Er habe durch die versicherte Tätigkeit des Versicherungsnehmers bzw. die trotz rechtskräftigen und vollstreckbaren Urteils ausbleibende Zahlung der Beklagten einen Schaden erlitten, der gemäß Art. 13 Abs. 2 der AVB der Beklagten im direkten Weg an den Geschädigten, somit an ihn, zu zahlen sei. Da er seinen Wohnsitz im Sprengel des Erstgerichts habe, sei dieses international und örtlich zuständig.

Diesen Ausführungen ist nicht zu folgen. Abschnitt 3 des LGVÜ 2007 regelt die Zuständigkeit für Versicherungssachen. Gemäß Art. 8 LGVÜ 2007 bestimmt sich die Zuständigkeit für Klagen in Versicherungssachen unbeschadet des Art. 4 und des Art. 5 Nr. 5 nach diesem Abschnitt. Ein Versicherer, der seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines durch dieses Übereinkommen gebundenen Staates hat, kann gemäß Art. 9 Abs. 1 lit. b) LGVÜ 2007 in einem anderen durch dieses Übereinkommen gebundenen Staat vor dem Gericht des Ortes, an dem der Kläger seinen Wohnsitz hat, verklagt werden, wenn es sich um Klagen des Versicherungsnehmers, des Versicherten oder des Begünstigten handelt. Bei der Haftpflichtversicherung kann der Versicherer außerdem vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist, verklagt werden (Art.10 LGVÜ 2007). Art. 11 Abs. 2 LGVÜ 2007 bestimmt, dass auf eine Klage, die der Geschädigte (in der Haftpflichtversicherung) unmittelbar gegen den Versicherer erhebt, die Art. 8, 9 und 10 anzuwenden sind, sofern eine solche unmittelbare Klage zulässig ist. Diesen Bestimmungen entsprechen die Art. 10, 11 Abs. 1 lit. b), 12 und 13 Abs. 2 EuGVVO 2012, sodass auf die Lehre und Judikatur zu diesen Bestimmungen auch zur Auslegung der angeführten Bestimmungen des LGVÜ 2007 zurückgegriffen werden kann.

Die Art. 10-16 EuGVVO 2012 (und damit auch die Art. 8-14 LGVÜ 2007) stellen eine grundsätzlich abschließende Sonderregelung der Zuständigkeit für Versicherungssachen dar (Paulus in Paulus/Pfeiffer/Pfeiffer, Europäische Gerichtsstands- und Vollstreckungsverordnung, Rz 5 zu Art. 10; Wittwer in Mayr, Europäisches Zivilverfahrensrecht, Rz 3.395). Der grundsätzliche Vorrang der genannten Sondervorschriften gilt, soweit überhaupt vertragliche Ansprüche und Rechtsstreitigkeiten den Gegenstand des Verfahrens bilden. Den Gerichtsständen der Art. 11 ff EuGVVO (Art. 9 ff LGVÜ 2007) unterfallen nur vertraglich zu qualifizierende Ansprüche (Paulus aaO, Rz 15 zu Art. 10). Auf – freilich in der Praxis im Verhältnis zum Versicherer selten auftretende – außervertragliche Ansprüche von Versicherungsnehmern und gegen Versicherungsnehmer bleiben hingegen theoretisch die allgemeinen Regeln anwendbar. Vorstellbar sind insofern etwa Ansprüche, die ihren primären Grund in einer unerlaubten Handlung und einen nur zufälligen Anknüpfungspunkt zum Versicherungsrecht haben, etwa bei deliktischen Ansprüchen wegen Prämienbetrugs (Paulus aaO, Rz 15 zu Art. 10; Geimer in Geimer/Schütze, EuZVR 4 , Rz 15a zu Art. 10 EuGVVO).

Die genannten Vorschriften sind gemäß Art. 10 EuGVVO 2012 (Art. 8 LGVÜ 2007) für Klagen in Versicherungssachen anwendbar. Der Begriff der Versicherungssache ist in der EuGVVO 2012 (im LGVÜ 2007) nicht ausdrücklich definiert, wird vielmehr vorausgesetzt bzw. erschließt sich aus dem Regelungszusammenhang der Art. 10 ff EuGVVO 2012 (Art. 8 ff LGVÜ 2007) und ist autonom zu bestimmen. Er ist im Lichte seines Schutzzwecks grundsätzlich weit auszulegen. Dabei bemisst sich das Vorliegen einer Versicherungssache nach zwei Kriterien, nämlich dem jeweiligen Streitgegenstand, der eine Streitigkeit aus einem Versicherungsvertrag betreffen muss, und nach den jeweils beteiligten Personen. Als für das Vorliegen einer Versicherungssache konstituierende Verfahrensbeteiligte nennen die angeführten Vorschriften auf der einen Seite den Versicherer, auf der anderen Seite – als typisiert schutzwürdige Verfahrensgegner des Versicherers – den Versicherungsnehmer, Versicherten oder Begünstigten bzw. auch – unter den Voraussetzungen des Art. 13 EuGVVO 2012 (Art. 11 LGVÜ 2007) – den Geschädigten (Paulus aaO, Rz 27, 32 zu Art. 10). Von den Gerichtsständen der Art. 11 ff EuGVVO 2012 (Art. 9 ff LGVÜ 2007) werden insbesondere Streitigkeiten über den Abschluss, die Durchführung, Auslegung oder Beendigung eines Versicherungsvertrags erfasst (Paulus aaO, Rz 38 zu Art. 10; Geimer aaO, Rz 15 zu Art. 10 EuGVVO; Wittwer aaO; 2 Ob 93/15p). Es müssen Rechte und Pflichten aus einem Versicherungsverhältnis bzw. die inhaltliche Reichweite des Versicherungsschutzes selbst im Streit stehen. Erforderlich ist, dass das Bestehen oder Nichtbestehen eines (gegenwärtigen oder früheren) Versicherungsverhältnisses unmittelbar anspruchsbegründende Tatbestandsvoraussetzung des Klageanspruchs ist; liegt hingegen bloß eine versicherungsvertragliche Vorfrage vor, greifen die Sonderregeln für Versicherungssachen nicht ein. Versicherungssachen sind demzufolge etwa Ansprüche, die aus einem bestehenden oder früheren Versicherungsverhältnis hergeleitet werden (Paulus aaO, Rz 38 zu Art. 10). Auch die Direktklage eines Geschädigten gegen einen Versicherer zählt (soweit sie nach der jeweils maßgeblichen lex causae zulässig ist) aus Art. 13 Abs. 2 und 3 EuGVVO (Art. 11 Abs. 2 und 3 LGVÜ 2007) ersichtlich zu den Versicherungssachen (Paulus aaO, Rz 40 zu Art. 10; Geimer aaO, Rz 15 zu Art. 10 EuGVVO; 2 Ob 93/15p).

Aus diesen Grundsätzen folgt, dass es sich beim vom Kläger mittels Direktklage geltend gemachten Anspruch gegen die Beklagte um eine Versicherungssache handelt, sodass ausschließlich die Zuständigkeitsvorschriften des LGVÜ 2007 für Versicherungssachen anzuwenden sind. Hinsichtlich aller vom Kläger geltend gemachten Anspruchsgrundlagen sind Rechte und Pflichten aus einem Versicherungsverhältnis strittig, nämlich die vom Kläger behauptete Verpflichtung der Beklagten, aufgrund des zwischen ihr und T***** abgeschlossenen Haftpflichtversicherungsvertrags den ihm im Haftpflichtprozess zuerkannten Schadensbetrag samt Kosten zu decken. Das Bestehen eines Versicherungsverhältnisses ist unmittelbar anspruchsbegründende Tatbestandsvoraussetzung für den Anspruch des Klägers, weil ohne die zwischen dem Schädiger T***** als Versicherungsnehmer und der Beklagten als Versicherer abgeschlossene Berufshaftpflichtversicherung von vornherein kein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte in Betracht käme.

Voraussetzung für eine Direktklage des Geschädigten gegen den Haftpflichtversicherer des versicherten Schädigers ist, dass das in der Sache anwendbare Recht überhaupt einen im Wege einer derartigen Direktklage einklagbaren Direktanspruch gegen die Haftpflichtversicherung kennt. Ist dies der Fall, eröffnet Art. 13 Abs. 2 EuGVVO 2012 (Art. 11 Abs. 2 LGVÜ 2007) einem Geschädigten die Gerichtsstände der Art. 11 und 12 EuGVVO 2012 (Art. 9 und 10 LGVÜ 2007), wobei dem Geschädigten auch an seinem eigenen Wohnsitz der Klägergerichtsstand des Art. 11 Abs. 1 lit. b) EuGVVO 2012 (Art. 9 Abs. 1 lit. b) LGVÜ 2007) offen steht (Paulus aaO, Rz 19, 22 zu Art. 13; Wittwer aaO, Rz 3.409; Heiss in Czernich/Kodek/Mayr, Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsrecht 4 , Rz 4, 8 zu Art. 13 EuGVVO je unter Hinweis auf EuGH C-463/06 [FBTO/Odenbreit]). Der Direktanspruch eines Geschädigten gegen eine Haftpflichtversicherung ist als außervertraglicher Anspruch einzustufen. Die entsprechende Kollisionsregel für Direktansprüche enthält Art. 18 Rom II-VO. Danach unterliegt ein etwaiger Direktanspruch eines Geschädigten gegen die Haftpflichtversicherung eines Ersatzpflichtigen im Wege der Alternativanknüpfung entweder dem nach Art. 4 ff Rom II-VO bestimmten Deliktsstatut oder aber dem nach Art. 7 Rom I-VO bestimmten Versicherungsstatut (Paulus aaO, Rz 21 zu Art. 13).

Im vorliegenden Fall kommen als Rechtsordnungen, die einen Direktanspruch des Geschädigten gegen den Haftpflichtversicherer des Haftenden vorsehen könnten, nur das österreichische und das Schweizer Recht in Betracht. Eine Direktklage gegen den Berufshaftpflichtversicherer eines Rechtsanwalts oder Notars kennen aber weder das österreichische Recht noch das Schweizer Recht.

In Österreich gelten gemäß § 158b VersVG für eine Haftpflichtversicherung, zu deren Abschluss eine gesetzliche Verpflichtung besteht, die besonderen Vorschriften der §§ 158c bis 158i VersVG. Gemäß § 158c Abs. 5 VersVG wird durch die in den Abs. 1 bis 4 dieser Bestimmung geregelten Vorschriften ein Recht des Dritten, den Versicherer unmittelbar in Anspruch zu nehmen, nicht begründet. Weder die §§ 158b ff VersVG noch die meisten Materiengesetze, die eine Pflichtversicherung anordnen, eröffnen eine unmittelbare Zahlungspflicht des Haftpflichtversicherers gegenüber dem Geschädigten. Diesem wird nur durch einige wenige Materiengesetze unmittelbar ein Direktanspruch gegen den Versicherer eingeräumt. Der Geschädigte hat somit auch in der Pflichthaftpflichtversicherung grundsätzlich keinen eigenständigen Anspruch unmittelbar gegen den Haftpflichtversicherer seines Schädigers (Rubin in Fenyves/Schauer, VersVG, Rz 31 zu § 158b, Rz 87 zu § 158c). Gemäß § 21a Abs. 1 RAO ist jeder Rechtsanwalt verpflichtet, vor Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte dem Ausschuss der Rechtsanwaltskammer nachzuweisen, dass zur Deckung der aus seiner Berufstätigkeit gegen ihn entstehenden Schadenersatzansprüche eine Haftpflichtversicherung bei einem zum Geschäftsbetrieb in Österreich berechtigten Versicherer besteht. Er hat die Versicherung während der Dauer seiner Berufstätigkeit aufrechtzuerhalten und dies der Rechtsanwaltskammer auf Verlangen nachzuweisen. Ein direkter Anspruch des Geschädigten gegen die Versicherung besteht nicht (Vitek in Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO 10 , Rz 3 zu § 21a). Auch § 30 Abs. 1 NO, der eine entsprechende Pflichtversicherung für Notare anordnet, begründet keinen Direktanspruch des Geschädigten gegen die Versicherung. RAO und NO gehören nicht zu den Materiengesetzen, die einen Direktanspruch gegen den Versicherer einräumen (vgl. Rubin aaO, Rz 45 zu § 158b, Rz 89 zu § 158c; Schauer, Die Direktklage des Geschädigten in der Haftpflichtversicherung 33 f, in Berisha u.a., Haftpflicht-, Rechtsschutzversicherung und Versicherungsvertriebsrecht 2018, Tagungsband zum 4. Kremser Versicherungsforum).

Auch das Schweizer Recht gewährt bislang nur in Art. 65 Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz (SVG) und in Art. 14 der Verordnung über klinische Versuche (KlinV) dem Geschädigten einen direkten Anspruch gegen den Haftpflichtversicherer (Wittwer aaO, Rz 3.414 FN 1399). Die laufende Teilrevision des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) sieht zwar in Art. 60 Abs. 1bis ein direktes Forderungsrecht des geschädigten Dritten gegenüber dem Versicherungsunternehmen vor, ist aber noch nicht in Kraft getreten. Außerdem zählt die genannte Bestimmung gemäß dem neuen Art. 104 VVG nicht zu jenen Bestimmungen, die auch für Verträge, die vor dem Inkrafttreten des neuen Rechts abgeschlossen worden sind, gelten (https//www.svv.ch/sites/default/files/2020-06/20200619_Synopse%20Teilrevision%20VVG%20Schlussabstimmung_de.pdf). In der Schweiz ist nach wie vor das Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag (VVG) in der Fassung vor der genannten Teilrevision in Kraft (https//www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19080008/index.html).

Entgegen der Ansicht des Rekurswerbers ist somit nach keinem der in Betracht kommenden Rechte eine Direktklage des Geschädigten gegen die Berufshaftpflichtversicherung des Schädigers vorgesehen. Für eine analoge Anwendung von Bestimmungen, die nur ausnahmsweise dem Geschädigten die Direktklage ermöglichen, besteht kein Anlass.

Eine Direktklage kann auch nicht aus Art. 60 VVG abgeleitet werden. Art. 60 VVG in der geltenden Fassung beschäftigt sich nämlich mit dem gesetzlichen Pfandrecht des geschädigten Dritten in der Haftpflichtversicherung. Nach seinem Abs. 1 besitzt der geschädigte Dritte im Umfang seiner Schadenersatzforderung ein Pfandrecht an dem Ersatzanspruch, der dem Versicherungsnehmer aus der Versicherung gegen die Folgen gesetzlicher Haftpflicht zusteht. Der Versicherer ist berechtigt, die Ersatzleistung direkt an den geschädigten Dritten auszurichten. Der Versicherer ist nach Abs. 2 dieser Bestimmung für jede Handlung, durch die er den Dritten in seinem Recht verkürzt, verantwortlich. Auch nach dieser Bestimmung ist somit der Versicherer lediglich berechtigt, aber nicht verpflichtet, die Ersatzleistung direkt an den Geschädigten zu zahlen. Außerdem stützt der Kläger seine Klage auch gar nicht auf einen aus einer Verletzung seines Pfandrechts am Ersatzanspruch des Versicherungsnehmers entstandenen Schaden.

Der Rekurswerber stützt sich durch seinen Verweis auf Art. 13 Abs. 2 AVB weiterhin auch darauf, dass der zwischen T***** und der Beklagten abgeschlossene Haftpflichtversicherungsvertrag ein echter Vertrag zugunsten Dritter sei. In diesem Fall könnte der Kläger Begünstigter im Sinn des Art. 9 Abs. 1 lit. b) LGVÜ 2007 sein (Schmaranzer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rz 3 FN 5 zu Art. 9 EuGVVO 2000). Es liegt aber kein Vertrag zugunsten Dritter vor.

Art. 7 Rom I-VO, der das auf Versicherungsverträge anzuwendende Recht regelt, gilt nach seinem Abs. 1 für Versicherungsverträge, die keine Großrisiken decken, nur dann, wenn Risiken gedeckt werden, die im Gebiet der Mitgliedstaaten belegen sind. Bei Haftpflichtversicherungen ist das Risiko beim Versicherungsnehmer, d. h. für natürliche Personen an deren Aufenthalt belegen (Staudinger in Ferrari u.a., Internationales Vertragsrecht 3 , Rz 68 zu Art. 7 Rom I-VO; Verschraegen, Internationales Privatrecht, Rz 450). Da T***** seinen Aufenthalt immer und damit auch im maßgeblichen Zeitpunkt des Abschlusses des Versicherungsvertrags (Verschraegen aaO) in der Schweiz und damit nicht in einem Mitgliedstaat der EU hatte, ist das auf den zwischen T***** und der Beklagten abgeschlossenen Versicherungsvertrag anzuwendende Recht somit nicht nach Art. 7 Rom I-VO zu bestimmen, sondern es ist auf die allgemeinen Bestimmungen der Art. 3, 4 und 6 Rom I-VO zurückzugreifen (Staudinger aaO, Rz 20 zu Art. 7 Rom I-VO; Verschraegen aaO, Rz 464). Bei Massenverträgen und Pflichtversicherungsverträgen mit einer Risikobelegenheit außerhalb der EU – ein solcher Vertrag liegt hier vor – können die Parteien das Recht frei wählen. Mangels einer (wirksamen) Rechtswahl ist gemäß Art. 4 Abs. 1 lit. b) Rom I-VO das Sitzrecht des Dienstleisters, also des Versicherers maßgeblich; auch über Art. 4 Abs. 2 Rom I-VO gelangte man zum selben Ergebnis (Verschraegen aaO, Rz 466 f). Sollte – worauf nichts hinweist – ein Großrisiko iSd Art. 7 Abs.2 Rom I-VO vorliegen, käme es wieder auf die Rechtswahl an, mangels einer solchen unterläge der Versicherungsvertrag dem Recht des Staats, in dem der Versicherer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, also ebenfalls dem der Schweiz.

Gemäß Art. 19 der nach dem Vorbringen des Klägers dem Versicherungsvertrag zugrunde liegenden AVB der Beklagten ist auf den Versicherungsvertrag ausschließlich schweizerisches Recht anwendbar. Unabhängig davon, ob tatsächlich eine wirksame Rechtswahl vorliegt, ist im Hinblick auf die obigen Ausführungen aber jedenfalls Schweizer Recht auf den Versicherungsvertrag anzuwenden. Nach diesem liegt aber kein Vertrag zugunsten Dritter vor. Art. 112 Abs. 1 OR bestimmt, dass dann, wenn sich jemand, der auf eigenen Namen handelt, eine Leistung an einen Dritten zu dessen Gunsten versprechen lassen hat, zu fordern berechtigt ist, dass an den Dritten geleistet werde. Der Dritte oder sein Rechtsnachfolger kann gemäß Art. 112 Abs. 2 OR selbständig die Erfüllung fordern, wenn es die Willensmeinung der beiden anderen war, oder wenn es der Übung entspricht. Der Rekurswerber stützt sich zur Begründung seiner Ansicht, dass ein Vertrag zugunsten Dritter vorliege, ohne Anführung anderer Beweismittel ausschließlich auf Art. 13 Abs. 2 der AVB der Beklagten, wonach die Versicherung die Entschädigung in der Regel direkt an den Geschädigten bezahlt. Nach der Judikatur des Schweizer Bundesgerichts sind die Allgemeinen Bedingungen eines Versicherungsvertrags nach den gleichen Grundsätzen auszulegen wie andere Vertragsbestimmungen. Entscheidend ist demnach in erster Linie der übereinstimmende wirkliche Wille der Vertragsparteien und in zweiter Linie, falls ein solcher nicht festgestellt werden kann, die Auslegung der Erklärungen der Parteien nach dem Vertrauensprinzip. Mehrdeutige Klauseln sind nach der Unklarheitenregel gegen den Versicherer als deren Verfasser auszulegen. Sie gelangt jedoch nur zur Anwendung, wenn sämtliche übrigen Auslegungsmittel versagen (Bundesgericht 4A_499/2018). Da sich der Kläger im vorliegenden Fall ohne Berufung auf andere Beweismittel, mit denen ein übereinstimmender Wille der Vertragsparteien nachgewiesen werden könnte, bloß auf die Formulierung des Art. 13 Abs. 2 AVB stützt, ist diese Bestimmung nach dem Vertrauensprinzip auszulegen.

Danach kann jedoch entgegen der Ansicht des Rekurswerbers aus der angeführten Bestimmung der AVB nicht abgeleitet werden, dass die Beklagte nicht bloß in der Regel direkt an den Geschädigten zu zahlen hat, sondern dadurch auch ein Recht des Geschädigten, selbständig die Erfüllung zu fordern, begründet werden sollte. Das ergibt sich eindeutig auch aus den übrigen Bestimmungen des Art. 13 AVB. Danach führt die Versicherung auf ihre Kosten die Verhandlungen mit dem Geschädigten, wobei sie in dieser Hinsicht Vertreterin des Versicherten ist. Kann eine Verständigung mit dem Geschädigten nicht erzielt werden und beschreitet dieser den Prozessweg, bestimmt die Versicherung den Prozessanwalt, die Prozessstrategie, die Prozesserledigung und alle weiteren prozessualen Vorkehrungen. Sie hält diesbezüglich Rücksprache mit dem Versicherten und übernimmt die diesem anfallenden Prozess- und Anwaltskosten, wobei eine allfällige dem Versicherten zugesprochene Prozessentschädigung der Versicherung zusteht. Der Versicherte ist auch ohne vorgängige Zustimmung der Versicherung nicht berechtigt, Ansprüche aus der Versicherung an Geschädigte oder an Dritte abzutreten. Diese detaillierten Regelungen wären nicht erforderlich, wenn der Geschädigte seinen Schaden nicht nur vom schädigenden Versicherten einklagen könnte, sondern auch selbständig von der Versicherung Erfüllung fordern könnte. Der Versicherungsnehmer konnte Art. 13 Abs. 2 AVB nicht so verstehen, dass dadurch ein Vertrag zugunsten eines Dritten mit dem Recht des Dritten, selbständig die Erfüllung zu fordern, begründet werden sollte. Mangels schlüssiger Behauptungen des Klägers zum Vorliegen eines Vertrags zugunsten Dritter ist er auch nicht als Begünstigter im Sinn des Art. 9 Abs. 1 lit. b) LGVÜ 2007 anzusehen, sodass er die Beklagte auch nicht am Gericht seines Wohnsitzes klagen kann.

Auf das Vorliegen eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter kommt der Rekurswerber im Rechtsmittel nicht mehr zurück. Die Zuständigkeit des Erstgerichts könnte auch nicht aus einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter abgeleitet werden, zumal der Kläger selbst zugesteht, dass das Schweizer Bundesgericht diese Rechtsfigur bisher nicht anerkannt hat.

Der angefochtene Beschluss war daher zu bestätigen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50, 41 ZPO.

Der ordentliche Revisionsrekurs war zuzulassen, weil – soweit ersichtlich – keine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs dazu vorliegt, ob in einem Fall wie dem vorliegenden bereits die Behauptung eines Vertrags zugunsten eines Dritten, nämlich des vom Versicherungsnehmer Geschädigten, ausreicht, um im Sinn der Judikatur zu doppelrelevanten Tatsachen bei der Zuständigkeitsprüfung davon auszugehen, dass dieser die Haftpflichtversicherung des Schädigers als Begünstigter im Sinn des Art. 9 Abs. 1 lit. b) LGVÜ 2007 am Gericht seines Wohnsitzes klagen kann. Die Frage der Zuständigkeit des angerufenen Erstgerichts hängt daher von der Lösung einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 528 Abs. 1 ZPO ab, insbesondere im Hinblick auf die gerichtsbekannte Vielzahl von gegen T***** ergangenen Urteilen, die die Einbringung weiterer Klagen gegen die hier beklagte Versicherung erwarten lässt.

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