JudikaturJustiz1R262/98s

1R262/98s – LG Leoben Entscheidung

Entscheidung
29. Oktober 1998

Kopf

Das Landesgericht Leoben hat als Rekursgericht durch die Richter Hofrat Dr. Franz Buchrieser (Vorsitz), Dr. Wolfgang Sommerauer und Dr. Robert Wrezounik in der Rechtssache des Antragstellers J***** St***** wegen Bewilligung der Verfahrenshilfe über den Rekurs des Antragstellers J***** St***** gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Leoben vom 25.9.1998, 5 C 5/98t-4, beschlossen:

Spruch

Dem Rekurs wird F o l g e gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird behoben. Dem Erstgericht wird die Fortsetzung des Verfahrens zur Übermittlung des Verfahrenshilfeantrages aufgetragen.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Begründung:

Text

Mit - modifiziertem - Protokollarantrag begehrte der Antragsteller unter Vorlage eines Vermögensbekenntnisses nach § 66 ZPO, ihm zur Einbringung einer Klage in Slowenien gegen die Firma S*****, Slowenien, die Verfahrenshilfe in vollem Umfange zu gewähren, wobei die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich scheine. Er habe von der Firma S***** eine Steuerung für seine Ölheizungsanlage gekauft. Der Einbau sei durch die Firma S***** erfolgt. Dafür habe er S 8.000,-- sowie S 8.400,-- an Monteurkosten gezahlt. Die Steuerung habe nie funktioniert, sei ausgebaut und an die Firma S***** rückübermittelt worden. Durch die nicht zur bestehenden Heizungsanlage passende Steuerung seien an der Heizungsanlage Schäden entstanden, die um S 3.000,-- zu beheben gewesen seien. Die entstandenen Heizungsmehrkosten hätten S 2.600,-- betragen. Im Zuge der Mängelbehebungsversuche habe er mehrmals einen Elektriker der Firma S***** von Marburg nach Leoben und zurück geführt und ihm seien dabei Fahrtkosten in der Höhe von S 6.868,-- entstanden. Vom Gesamtschadensbetrag von S 28.868,-- habe die Firma ***** lediglich S 2.000,-- refundiert, sodaß noch S 26.868,-- offen aushaften würden. Mangels einer ausreichenden Inlandsbeziehung sei davon auszugehen, daß die Firma S***** in Slowenien zu klagen sei. Der Aufforderung eines frei gewählten Vertreters, einen Kostenvorschuß zu erlegen, habe er nicht nachkommen können. Auch die Rechtsschutzversicherung habe bekanntgegeben, mangels einer inländischen Gerichtsbarkeit keine Deckung geben zu können.

Mit dem angefochtenen Beschluß wurde der Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe zurückgewiesen. In seiner Begründung verwies das Erstgericht im Wesentlichen darauf, daß nach dem Vorbringen des Antragstellers davon auszugehen sei, daß zumindest im Hinblick auf einen Großteil seiner Forderungen mangels einer gegenteiligen Übereinkunft zwischen ihm und der Firma S***** die Prozeßvoraussetzung der inländischen Gerichtsbarkeit nicht vorliege. Da gemäß § 65 Abs.2 ZPO über den Antrag stets das Prozeßgericht erster Instanz zu entscheiden habe, lägen die Voraussetzungen der inländischen Gerichtsbarkeit auch im Hinblick auf den Verfahrenshilfeantrag nicht vor, weshalb dieser zurückzuweisen gewesen wäre.

Dagegen richtet sich ein fristgerecht erhobener Protokollarrekurs des Antragstellers. Er sei der Auffassung, daß die inländische Gerichtsbarkeit gegeben sei; selbst wenn dem nicht so wäre, stünde dies der Bewilligung der Verfahrenshilfe nicht entgegen. Im Rekursantrag begehrt er, ihm die Verfahrenshilfe in vollem Umfange zu gewähren. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Dem Rechtsmittel kommt keine Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Nach österreichischem Prozeßrecht erfolgt die Einleitung des Verfahrens zur Bewilligung der Verfahrenshilfe über Antrag. Soll für ein noch nicht eingeleitetes Verfahren die Verfahrenshilfe gewährt werden, muß die Gegenpartei und mit einiger Klarheit auch der Gegenstand des Rechtsstreites erkennbar sein (§ 66 ZPO; Fasching ZPR**2 Rdz 496).

Nach dem vorliegenden und zu gerichtlichem Protokoll ergänzten Antrag strebt der Antragsteller die Geltendmachung diverser Ansprüche in einer einheitlichen Klage gegen ein in Slowenien ansässiges Unternehmen an.

Hier stellt sich nun die vorweg zu prüfende Frage einer inländischen Gerichtsbarkeit. Aus dem Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Übereinkommen von Lugano, BGBl 1996/448) ist nichts zu gewinnen, zumal Slowenien nicht Vertragsstaat ist (vgl Art.61 LGVÜ).

Der Antragsteller scheint nun, neben einer (Rest )Forderung aus der Rückabwicklung eines (aufgehobenen) Vertrages (Kosten der Steuerungsanlage und deren Montage), Mängelfolgeschäden (aus einer positiven Vertragsverletzung; Koziol/Welser I10, 268) geltend zu machen.

Die Anwendbarkeit des Wahlgerichtsstandes nach § 92a JN erachtet der OGH entgegen der Ansicht der Lehre (Fasching ZPR**2 Rdz 308; Rechberger/Simotta, Zivilprozeßrecht Rdz 97) auch auf Ersatzansprüche aus Vertragsverletzungen für gegeben, wenn als Schadensentstehungsursachen unter anderem eine Beschädigung einer körperlichen Sache vorliegt (RdW 1991, 147; 1992, 112; 1994, 177:

RIS-Justiz RS0046714, 0046693, RS0046705; Mayr in Rechberger, Kommentar zur ZPO § 92a JN Rdz 1). Diese Voraussetzung könnte allerdings nur für jenen (im Ausmaß von S 3.000,--) behaupteten Schaden an der Heizungsanlage erfüllt sein, der durch den Einbau der Steuerung verursacht worden ist. Der Gerichtsstand der Schadenszufügung gemäß § 92a JN brächte (grundsätzlich) bereits eine ausreichende Inlandsbeziehung für die Ableitung auch der inländischen Gerichtsbarkeit zum Ausdruck (OGH 2 Ob 503/95 = RS 0046698 = SZ 68/19; Mayr in Rechberger aaO § 92a JN Rdz 3).

Daß der Antragsteller allerdings beabsichtigt, lediglich einen geringen Teil seines Gesamtanspruches in Österreich unter Berufung auf den Wahlgerichtsstand durchzusetzen, kann nach seinem Protokollarvorbringen nicht angenommen werden, zumal er stets zum Ausdruck bringt, seine gesamten Ansprüche in Slowenien durchsetzen zu wollen.

Wenn der Vorinstanz damit zwar beizupflichten ist, daß dem angerufenen Gericht mangels inländischer Gerichtsbarkeit eine Entscheidung über den Verfahrenshilfeantrag verwehrt ist, so stellt sich doch die weitere Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen dieses dennoch zur Aufnahme und Weiterleitung eines entsprechenden Antrages verpflichtet ist.

Das auch im Verhältnis zu Slowenien (BGBl 1993/364) anwendbare Haager Prozeßübereinkommen (HPÜ 1954, BGBl 1957/91) legt in seinen Art.20 bis 24 in Übereinstimmung mit den Art.4 bis 6 des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien über den wechselseitigen rechtlichen Verkehr (BGBl 1955/224; anwendbar auch im Verhältnis zum Nachfolgestaat Slowenien, BGBl 1993/714) die grundsätzliche Möglichkeit der Erlangung des "Armenrechtes" (der Verfahrenshilfe) für Angehörige eines anderen Vertragsstaates in Zivil- und Handelssachen dar (vgl Duschek/Schütz/Torko, Zwischenstaatlicher Rechtsverkehr in Zivilrechtssachen**2 V, 160ff, Anm 45; SLO I, 1088ff). Nach Art.21 HPÜ 1954 ist das Armenrechtszeugnis oder die Erklärung des Unvermögens zur Bestreitung der Prozeßkosten von den Behörden des gewöhnlichen Aufenthaltsortes auszustellen. In Österreich ist dafür gemäß § 2 des Verfahrenshilfegesetzes, BGBl 1973/569, der Bürgermeister zuständig (so auch Art.5 des Rechtshilfevertrages mit Jugoslawien/Slowenien).

Art.23 HPÜ 1954 sieht in seinem Abs.1 vor, daß der Antrag der mittellosen Partei auf Bewilligung des Armenrechtes samt Zeugnissen und Erklärungen, die zur Behandlung des Antrages dienlich sind, von dem Konsul ihres Staates (österreichischer Konsul in Slowenien), der zur Entscheidung über den Antrag zuständigen Behörde (oder der von dem Staat, in dem der Antrag behandelt werden soll, bezeichneten Behörde) übermittelt werden kann. Auf die Übermittlung von Ersuchen um Bewilligung des Armenrechts und ihrer Beilagen sind die Bestimmungen in Art.9 Abs.2, 3 und 4 sowie Art.10 und 12 HPÜ 1954 anzuwenden (Art.23 Abs.2 HPÜ 1954). Nach Art.9 Abs.2 HPÜ 1954 sind Anstände, die sich anläßlich dieser Übermittlung ergeben, im diplomatischen Wege zu bereinigen. Vereinbarungen zwischen Vertragsstaaten, bei denen der unmittelbare Verkehr zwischen beiderseitigen Behörden zulässig wäre, sind nicht ausgeschlossen (Art.9 Abs.4 HPÜ 1954). Art.10 HPÜ sieht vor, daß das Ersuchschreiben in der Sprache der ersuchten Behörde oder in der zwischen den beiden beteiligten Staaten vereinbarten Sprache abzufassen oder mit einer Übersetzung zu versehen ist, die von einem diplomatischen oder konsularischen Vertreter des ersuchte Staates oder von einem beeideten Dolmetsch des ersuchten Staates beglaubigt sein muß.

Gemäß Art.1 des von Österreich ratifizierten Europäischen Übereinkommens über die Übermittlung von Anträgen auf Verfahrenshilfe (BGBl 1982/190, abgedruckt auch in Duschek/Schütz/Torko XXXII) kann aber jede Person, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Hoheitsgebiet einer Vertragspartei hat und im Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei Verfahrenshilfe in Zivil-, Handels- oder Verwaltungssachen beantragen will, ihren Antrag in dem Staat einreichen, in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Dieser Staat übermittelt den Antrag dem anderen Staat. In diesen Fällen wären die Bezirksgerichte Übernahmsstellen iS des Art.2 des genannten multilateralen Vertrages. Die entsprechenden Durchführungsbestimmungen wurden mit dem Bundesgesetz vom 1.12.1981 (BGBl 1982/91) festgelegt. Da Slowenien jedoch nicht Vertragspartei des bezeichneten Übereinkommens ist, kann dieses auch nicht als Grundlage zur Weiterleitung eines gemäß § 3 des Durchführungsgesetzes angebrachten Verfahrenshilfeantrages dienen.

Die Frage, in welcher Art und Weise ein Verfahrenshilfeantrag (samt den erforderlichen Beilagen) an den mit der Weiterleitung im Entscheidungsstaat zu betrauenden österreichischen Konsul zu übermitteln ist, bleibt also allein ausgehend vom HPÜ 1954 zu lösen. Hiebei entspricht es der Übung, daß die österreichischen Vertretungsbehörden im Ausland mit der Weiterleitung von (außergerichtlichen) Schriftstücken im Rechtshilfeweg über das Bundesministerium für Justiz (BMJ) befaßt werden. Damit erscheint aber zur Aufnahme und Übermittlung eines an ein slowenisches Prozeßgericht gerichteten Antrages auf Bewilligung der Verfahrenshilfe die Inanspruchnahme eines österreichischen Bezirksgerichtes möglich. Dessen Aufgabe ist es dann, für die Übersetzung (Art.10 iVm Art.23 Abs.2 HPÜ 1954) des zu Protokoll gegebenen Antrages samt einer dem Art.21 HPÜ entsprechenden Erklärung des Bürgermeisters Sorge zu tragen und dann an das BMJ ein entsprechendes Ersuchen um Weiterleitung an den österreichischen Konsul in Slowenien (vgl Art.1 HPÜ und Art.8 des Rechtshilfevertrages mit Jugoslawien, BGBl 1955/224) zu richten.

Das Erstgericht wird den Antragsteller daher im fortzusetzenden Verfahren zweckmäßigerweise vorzuladen, mit diesem die weitere oben dargestellte Vorgangsweise zu erörtern und letztlich die zu vervollständigenden Unterlagen mit dem Ersuchen um Weiterleitung dem BMJ zu übermitteln haben.

Aus den dargestellten Erwägungen ergibt sich daher der Erfolg des Rekurses und die im Spruch ersichtliche Entscheidung.

Der Ausspruch über die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses fußt auf § 528 Abs.2 Z 4 ZPO.

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