JudikaturJustiz1R2/97f

1R2/97f – LG Krems/Donau Entscheidung

Entscheidung
28. April 1995

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch Dr. Weihs als Vorsitzenden sowie Dr. Hostek und Dr. Hurch als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Partei F***** P*****, Maurer, Türnitz, Markt 18, vertreten durch Dr. Alexander Widter, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1) W*****, Wien 1, Schottenring 30, und 2) P***** S*****, derzeit ohne Beschäftigung, Freiland Nr. 32, beide vertreten durch Dr. Christian Prem und Dr. Michael Mathes, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 150.000,- s.A. und Feststellung (Streitwert S 50.000,-), infolge der Berufung der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 19.10.1994, GZ 25 Cg 346/93y-80 (Berufungsstreitwert S 20.500,-), mangels Antrages auf Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird t e i l w e i s e F o l g e gegeben.

Das angefochtene Urteil, das in der Abweisung des Leistungsbegehrens und in der Feststellung der Haftung der beklagten Parteien für künftige unfallbedingte Nachteile der klagenden Partei zu 3/5 als nicht in Beschwerde gezogen in Rechtskraft erwachsen ist, wird im übrigen dahin abgeändert, daß es insgesamt zu lauten hat:

"Die Klageforderung besteht mit S 72.000,- zu Recht.

Die Gegenforderung der erstbeklagten Partei besteht bis zur Höhe der berechtigten Klageforderung zu Recht.

Das Klagebegehren, die beklagten Parteien seien zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei S 150.000,- samt 4 % Zinsen seit 7.12.1990 zu zahlen, wird abgewiesen.

Es wird festgestellt, daß die beklagten Parteien zur ungeteilten Hand dem Kläger für 75 % seiner künftigen Nachteile aufgrund des Verkehrsunfalles vom 15.8.1990 im Gemeindegebiet von Hohenberg zu haften haben, für künftige Schmerzengeldansprüche jedoch nur zu 60 %. Die Haftung der erstbeklagten Partei bleibt auf die zur Unfallszeit vereinbarte Haftpflichtversicherungssumme für das Kraftfahrzeug VW Golf LF-581A beschränkt.

Das Feststellungsmehrbegehren wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien Prozeßkosten von S 16.176,58 (darin S 3.821,18 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien an Kosten des Berufungsverfahrens S 600,- (Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen. Im übrigen werden die Kosten des Berufungsverfahrens gegeneinander aufgehoben.

Der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteigt nicht S 50.000,-.

Die Revision ist unzulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 15.8.1990 verschuldete der Zweitbeklagte als Lenker des bei der Erstbeklagten haftpflichtversicherten VW Golf des Klägers, Kennzeichen LF-581A, einen Verkehrsunfall, bei dem der Kläger als Fahrzeuginsasse verletzt wurde.

Der Kläger begehrte von den Beklagten aus dem Titel des Schmerzengeldes unter Einräumung eines Mitverschuldens von 20 % wegen Verletzung der Gurtenpflicht die Zahlung von S 150.000,- s.A. sowie des weiteren die Feststellung der Haftung der Beklagten für 4/5 seiner künftigen unfallbedingten Nachteile.

Die Beklagten beantragten die Klageabweisung. Der Zweitbeklagte sei zur Unfallszeit alkoholisiert gewesen. Da der Kläger sein Fahrzeug einem alkoholisierten Lenker überlassen habe, stelle die vorliegende Klageführung eine unzulässige Rechtsausübung dar. Die Erstbeklagte habe aus Anlaß des Unfalles Leistungen in einer S 100.000,- weit übersteigenden Höhe erbringen müssen, für welche ihr der Kläger bis zum Betrag von S 100.000,- regreßpflichtig sei. Da ihr der Kläger bislang lediglich S 4.000,- ersetzt habe, stehe ihr eine Gegenforderung von S 96.000,- zu, die aufrechnungsweise geltend gemacht werde.

Mit dem angefochtenen Urteil erkannte das Erstgericht die Klageforderung mit S 80.000,- und die Gegenforderung bis zur Höhe der Klageforderung als zu Recht bestehend und wies das Leistungsbegehren ab. Dem Feststellungsbegehren gab es statt. Es traf die den Seiten 5 bis 7 der Urteilsausfertigungen zu entnehmenden Feststellungen, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, und folgerte rechtlich, daß dem Kläger wegen Verletzung der Gurtenpflicht nur 3/4 des seinen immateriellen Nachteilen angemessenen Schmerzengeldes von S 120.000,- zustünden, wogegen das Feststellungsbegehren im beantragten Umfang zur Gänze berechtigt sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es dahin abzuändern, daß die Klageforderung nur mit S 72.000,- als zu Recht bestehend erkannt und ihre Haftung lediglich für 3/5 künftiger Nachteile des Klägers ausgesprochen werde.

Der Kläger beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.

Die Berufung ist teilweise berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Den Berufungswerbern ist zuzugeben, daß das Klagevorbringen rechnerisch nicht schlüssig ist und daß der Hinweis des Klägers im Schriftsatz vom 15.10.1991, ON 8, auf eine Mitverschuldensquote von 25 % der in der Klage zugestandenen Quote von 20 % widerspricht. Aus den in der Berufungsbeantwortung angeführten zutreffenden Gründen kann jedoch bei Würdigung des gesamten Vorbringens des Klägers unter Einbezug auch des Urteilsantrages nicht zweifelhaft sein, daß der Kläger Ersatz von 4/5 seines Schadens begehrt.

Beizupflichten ist den Berufungswerbern des weiteren darin, daß sich der Ausspruch des Zurechtbestehens der Klageforderung mit S 80.000,-

mit der Begründung des Erstgerichtes, der Kläger müsse eine Kürzung des angemessenen Schmerzengeldes von S 120.000,- um 25 % hinnehmen, nicht vereinbaren läßt.

Im übrigen kann den Berufungsausführungen nur teilweise gefolgt werden.

Der Kläger hat es zunächst zu vertreten, daß er sich einem Lenker anvertraute, dessen die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigende Alkoholisierung ihm nach den konkreten Umständen (gemeinsamer Alkoholkonsum) bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte erkennbar sein müssen und nur deshalb nicht erkennbar war, weil es ihm zufolge der eigenen, ihn nicht exkulpierenden Alkoholisierung am Urteilsvermögen mangelte (vgl SZ 43/231 u.v.a.). Diese Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten rechtfertigt unter Bedachtnahme auf die Umstände des Falles, so vor allem auf den Grad der Alkoholisierung des Lenkers, eine Kürzung der Schadenersatzansprüche um 25 %. Zum sogenannten Auslösungsverschulden des Klägers kommt hier allerdings noch der Verstoß gegen die Gurtenpflicht. Zufolge dieses Verstoßes muß sich der Kläger eine Minderung des Schmerzengeldanspruches um 25 % gefallen lassen. Sein Argument, seine Verletzung wäre auch bei angelegtem Gurt "wohl" nicht geringer gewesen, findet in den Urteilsfeststellungen keine Deckung. Die ersatzfähige Schmerzengeldquote beträgt sohin 75 % von 75 % (vgl hiezu Reischauer in Rummel, ABGB Rz 28 zu § 1304), somit nicht mehr als die in der Berufung zugestandenen 60 %. Ausgehend von einem angemessenen Schmerzengeld in der nicht mehr strittigen Höhe von S 120.000,- folgt hieraus, daß die Klageforderung lediglich mit S 72.000,- zu Recht besteht. Auch für künftige immaterielle Nachteile haben die Beklagten dem Kläger nur zu 60 % einzustehen, wogegen sie ihm für alle übrigen unfallbedingten Schäden zu 75 % zu haften haben.

In teilweiser Stattgebung der Berufung war das angefochtene Urteil daher in der Hauptsache spruchgemäß abzuändern.

Die Entscheidung über die Prozeßkosten erster Instanz gründet sich auf § 43 Abs 1 ZPO, wobei das teilweise Unterliegen des Klägers mit dem Feststellungsbegehren als geringfügig außer Betracht bleiben konnte. Der Kläger ist demnach als zu 25 % obsiegend anzusehen, sodaß er den Beklagten 50 % deren Kosten abzüglich von 25 % seiner dem § 43 Abs 1 letzter Satz ZPO zu unterstellenden Barauslagen zu ersetzen hat.

Im Berufungsverfahren ist von einem annähernd gleichteiligen Durchdringen beider Seiten auszugehen, weshalb eine Kostenaufhebung unter Zuspruch von 50 % der Pauschalgebühr an die Beklagten der Sach- und Rechtslage entspricht.

Der Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstandes beruht auf § 500 Abs 2 Z 1 ZPO. Die Unzulässigkeit der Revision folgt aus § 502 Abs 3 leg cit.

Rechtssätze
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