JudikaturJustiz1R167/08p

1R167/08p – LG Leoben Entscheidung

Entscheidung
20. Mai 2008

Kopf

Urteil

Das Landesgericht Leoben als Berufungsgericht hat durch die Richter Hofrat Dr. Krempl (Vorsitz), Dr. Weixelbaumer und Dr. Pochmarski in der Rechtssache der klagenden Partei K S*****, Brennstoffhändler, vertreten durch Dr. K***** *****, gegen die beklagte Partei *****, vertreten durch P***** Partner *****, wegen EUR 6.711,03 s.A., über die Berufung der klagenden Partei (EUR 951,60 s.A. Berufungsinteresse) gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Leoben vom 23.1.2008, 20 C 1066/07x-14, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird keine Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 434,11 (darin EUR 72,35 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.

Die Revision ist jedenfalls unzulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

Strittig ist im Berufungsverfahren nur mehr, ob dem Kläger auch ein weiterer Anspruch von EUR 951,60 „zuzüglich Zinsen“ zusteht, wobei es sich um die Umsatzsteuer aus den klagsweise geltend gemachten und vom Erstgericht unbekämpft zuerkannten Reparaturkosten handelt.

Das Erstgericht stellte dazu unbekämpft fest: Für die Behebung des Schadens sind Reparaturkosten in Höhe von EUR 5.711,03 der Höhe nach angemessen; die Mehrwertsteuer ist mit EUR 951,60 in der Rechnung angeführt. Der Kläger hat sich die Vorsteuer im Hinblick auf die Reparaturkosten bereits abgezogen; allerdings noch nicht bei Klagseinbringung. (Anm: Hervorhebung durch den Rekurssenat)

In rechtlicher Hinsicht folgerte das Erstgericht in Bezug auf die Umsatzsteuer, dass diese zufolge des Abzuges vor Schluss der Verhandlung nicht zuzusprechen sei.

Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers aus dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Er stellt als Rechtsmittelantrag einen Abänderungsantrag auf Zuspruch des Betrages von EUR 951,60 (= der Umsatzsteuer) „zuzüglich Zinsen“. Der Berufungswerber bringt in seinem Rechtsmittel dazu vor, dass das Erstgericht bei seiner Entscheidung über den Anspruch auf Ersatz einer Sache oder Leistung die Umsatzsteuer, die aus dem Titel des Schadenersatzes begehrt wird, nicht gesondert zu behandeln und auch nicht die abgabenrechtliche Vorfrage zu entscheiden habe, ob der Ersatzberechtigte die Umsatzsteuer im Wege des Vorsteuerabzuges vergütet erhalten könne. Dies gründe sich darauf, dass der Prozess weder mit Steuerfragen belastet noch verzögert werden solle und im Zivilverfahren nicht auf die komplizierte, oftmals jährlich wechselnde Rechtsfrage der Vorsteuerabzugsberechtigung eingegangen werden solle. Zum Zinsenbegehren finden sich weder dem Grunde noch der Höhe nach Argumente in der Berufung.

Die beklagte Partei erstattete eine Berufungsbeantwortung, verneinte das Vorliegen einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung und begehrte, der Berufung des Klägers keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung, über die mangels Antrags einer Partei und mangels Erfordernisses einer mündlichen Berufungsverfahren in nichtöffentlicher Sitzung zu entscheiden war (§ 492 ZPO) ist nicht berechtigt, wobei das Berufungsgericht seiner Entscheidung die unbekämpften erstgerichtlichen Feststellungen zugrundelegt (§ 498 ZPO).

1. Da Art XII EGUStG 1972 keine vom UStG 1994 abweichende Regelung zum Inhalt hat, gilt er auch nach Aufhebung des UStG 1972 seit dem Inkrafttreten des UStG 1994 weiter fort (OGH 11.12.2006, 7 Ob 247/06h). Dieser Art XII Z 3 EGUStG 1972 wurde im Zuge der parlamentarischen Beratung der Regierungsvorlage eines Bundesgesetzes über die Einführung des UStG 1972 in den Gesetzestext aufgenommen. Der Gesetzgeber wollte damit der Forderung Rechnung tragen, dass bei Ersatzleistungen Vorsteuerbeträge dann nicht bei der Bemessung des Ersatzes dem Ersatzpflichtigen angelastet werden können, wenn der (richtig wohl:) Ersatzberechtigte zum Vorsteuerabzug berechtigt ist und andererseits sicherstellen, dass Schadenersatzprozesse nicht durch Aufrollen steuerlicher Fragen erschwert oder verzögert werden (Schwarz, Der Rückersatzanspruch gemäß Art XII Z 3 EGUStG 1972, AnwBl 1989, 175).

Aus der allgemeinen Erwägung, Steuerfragen aus dem Schadenersatzprozess auszuklammern, bestimmt daher Art XII Z 3 EGUStG 1972, dass der Umstand, dass jemand, der Anspruch auf Ersatz auf eine Sache oder Leistung hat, als Unternehmer zum Abzug von Vorsteuern berechtigt ist, an sich die Bemessung des Ersatzes nicht berührt. Ist nach den zivilrechtlichen Bestimmungen Schadenersatz einschließlich USt zu leisten, wie dies nach stRsp etwa beim Ersatz von Fahrzeugschäden durch Zuspruch des angenommenen Reparaturkostenaufwandes der Fall ist, so gebührt diese Ersatzleistung dem Geschädigten ohne Rücksicht darauf, ob er vorsteuerabzugsberechtigt ist oder nicht (Schwarz, a.a.O., AnwBl 1989/175, vgl weiter Beirer, Die Praxis und Art XII Z 3 EGUStG 1972, AnwBl 1991/873; Mirna, Umsatzsteuerprobleme im Schadenersatzrecht, SWK 1991, A II 29).

2. Konsequent judiziert der Oberste Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung, dass das Gericht bei seiner Entscheidung über den Anspruch auf Ersatz einer Sache oder Leistung die USt nicht gesondert zu behandeln und auch nicht die abgabenrechtliche Vorfrage zu entscheiden hat, ob der Ersatzberechtigte die USt im Wege des Vorsteuerabzuges vergütet erhalten könnte (OGH RIS-Justiz RS0038172). Um aber eine Bereicherung des tatsächlich vorsteuerabzugsberechtigten Geschädigten durch die Zuerkennung von Schadenersatz inclusive USt zu verhindern, ist der vorsteuerabzugsberechtigte Geschädigte ohne Rücksicht darauf, ob bzw. wie er die Reparatur durchführen ließ, iS des Art XII Z 3 EGUStG 1972 zum Rückersatz der Umsatzsteuer verpflichtet (OGH RIS-Justiz RS0037853). Diese Rechtslage bedeutet, dass im Schadenersatzprozess eine Einwendung des beklagten Schädigers, wonach der klagende Geschädigte zum Vorsteuerabzug berechtigt sei und aus dem begehrten Schadenersatzbetrag nach dessen Bezahlung sich die Vorsteuer vom Staat (in der Zukunft) zurückholen werde können oder sich diese bereits (in der Vergangenheit) zurückholen hätte können, unbeachtlich und vom Gericht nicht zum Gegenstand eines Verfahrens zu machen ist.

3. Der hier zu befindende Fall ist jedoch anders gelagert, hat das Erstgericht doch in seinem Urteil - unbekämpft - festgestellt: "Der Kläger hat sich die Vorsteuer im Hinblick auf die Reparaturkosten bereits abgezogen, allerdings noch nicht bei Klagseinbringung". Damit ist nicht bloß festgestellt, dass der Kläger potentiell zur Geltendmachung der Vorsteuer berechtigt sein wird bzw. gewesen wäre, sondern, dass diese Geltendmachung tatsächlich bereits erfolgt und die Zahlung (oder Gegenverrechnung) der Vorsteuer durch den Fiskus in der Vergangenheit geschehen ist. Im vorliegenden Fall ist somit die Frage, ob der Kläger in Zukunft zum Abzug der Vorsteuer gegenüber dem Staat berechtigt sein wird, gar nicht Gegenstand des Streites; es steht vielmehr bereits fest, dass er zum Vorsteuerabzug berechtigt war und dass dieser Vorsteuerabzug auch erfolgt ist.

4. Richtig ist, dass der Oberste Gerichtshof in der vom Kläger in seinem Rechtsmittel zitierten Entscheidung OGH 14.5.1975, 8 Ob 79/75 = EvBl 1976/22 angedeutet hat, dass die USt im Schadenersatzprozess auch dann zuzusprechen sei, wenn der Vorsteuerabzug bereits gemacht wurde (so zitiert von Reischauer in Rummel, ABGB3, Rz 25 zu § 1323; wörtlich findet sich der von Reischauer zitierte Satz in der bewussten Entscheidung nicht). Tatsächlich war in jenem Verfahren - soweit dem in EvBl 1976/22 veröffentlichten Sachverhalt zu entnehmen ist - aber gerade die Frage, ob ein Vorsteuerabzug zur Gänze erfolgen werde können, strittig, handelte es sich bei dem beschädigten PKW um einen, der von einem Arzt, welcher die Vorsteuer nach § 14 Abs 4 UStG 1972 nach Durchschnittssätzen ermittelte, auch teilweise privat gebraucht wurde. Dies bedeutet, dass - anders als im vorliegenden Fall - auf Tatsachenebene gerade strittig war, ob bzw. in welchem prozentuellen Umfang ein Vorsteuerabzug erfolgen könne. In der E OGH 14.1.2002, 7 Ob 301/01t = JBl 2002, 592 (ebenfalls zitiert von Rummel, a.a.O., Rz 25 zu § 1323) handelt es sich bei dieser wiederholten Aussage, dass USt im Schadenersatzprozess auch dann zuzusprechen ist, wenn der Vorsteuerabzug bereits gemacht wurde, um ein bloßes obiter dictum, scheiterte die Behandlung der USt-Problematik in jener Entscheidung schon am mangelnden Vorbringen der dortigen Klägerin.

Wird allerdings bis zum Schluss der Verhandlung erster Instanz eingewendet und bewiesen (= festgestellt), dass der Vorsteuerabzug bereits gewährt wurde, hat kein Zuspruch der Umsatzsteuer zu erfolgen (OGH 29.1.2003, 7 Ob 3/03x; LG St. Pölten 12.4.2007, 21 R 90/07d = RIS-Justiz RSP0000063; LG Feldkirch 19.10.1998, 1 R 499/98k; jeweils mwN). In diesem Fall ist nämlich davon auszugehen, dass im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung I.Instanz gar kein Schaden mehr besteht (vgl LG Feldkirch 19.10.1998, 1 R 499/98k). Reischauer in Rummel, a.a.O., Rz 25 zu § 1323 begründet diese Konsequenz mit einer gebotenen teleologischen Reduktion der Norm des Art XII EGUStG: Bildet die Vorsteuerabzugsberechtigung des Geschädigten bzw. der bereits erfolgte Abzug der Vorsteuer keinen Streitpunkt, kann dadurch auch keine Verzögerung des Zivilprozesses eintreten, welche die genannte Bestimmung vermeiden will.

5. Der erkennende Senat schließt sich der zitierten jüngsten einschlägigen OGH-Entscheidung 29.1.2003, 7 Ob 3/03x und der überzeugenden Lehre Reischauers, a.a.O., an:

Es ist zutreffend, dass die Bestimmung des Art XII EGUStG prozessökonomisch Sinn macht, um einen Zwischenstreit im Zivilprozess über komplizierte Steuerfragen des Umsatzsteuerrechts zu vermeiden, sodass das Gericht nicht gehalten ist, ein gesondertes Beweisverfahren durchzuführen, welches die Frage klären soll, ob der geschädigte Kläger vom Fiskus die Vorsteuer aus dem Schadenersatzanspruch in Zukunft ersetzt bekommen werde oder in der Vergangenheit ersetzt bekommen habe.

Ist allerdings wie hier - noch dazu unbekämpft und quasi „nebenbei“ - im Verfahren erster Instanz die Feststellung erfolgt, dass der geschädigte Kläger die Vorsteuer bereits erhalten hat, liegt gar kein Streit mehr über den möglichen Vorsteuerabzug vor. Hier führte die Verweisung des beklagten Schädigers auf einen gesondert von ihm zu führenden Rückersatzprozess um die Vorsteuer zu einer weiteren Belastung der Gerichte mit einem Folgeverfahren. Eine solche Auslegung würde aber den Sinn des Art XII EGUStG - Entlastung der Gerichte - in sein Gegenteil kehren.

Dies bedeutet für den vorliegenden Fall, in welchem vom Erstgericht unbekämpft festgestellt wurde, dass der Vorsteuerabzug des Klägers zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz bereits erfolgt ist, dass der Zuspruch von Umsatzsteuer aus dem geforderten Schadenersatzbetrag nicht zu erfolgen hat. Aus diesen Erwägungen ist auch der Berufung in der Hauptsache ein Erfolg zu versagen.

6. Die Frage, ob der geschädigte Kläger Anspruch auf Ersatz von Zinsen für die Zeit zwischen Zahlung der Reparaturrechnung (samt USt) und Rückerhalt der Vorsteuer hat, braucht nicht beantwortet zu werden: Weder hat der Kläger in der ersten Instanz dazu ein Vorbringen erstattet, noch in der Berufung dazu Argumente vorgetragen. Da es sich bei dem Anspruch auf Zinsen aber um bloße Nebengebühren gem § 182a ZPO handelt, war auch eine Erörterung dieses Mangels an Vorbringen im Verfahren erster und zweiter Instanz entbehrlich.

7. Die Kostenentscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens stützt sich auf §§ 41, 50 ZPO. Der Ausspruch, dass die Revision jedenfalls unzulässig ist, ergibt sich mangels Übersteigen des im § 502 Abs 2 ZPO genannten Entscheidungsgegenstandes.

Landesgericht Leoben

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