JudikaturJustiz1Cga39/21t

1Cga39/21t – ASG Wien Entscheidung

Entscheidung
09. Juni 2021

Kopf

Das Arbeits- und Sozialgericht Wien erkennt durch seine Vizepräsidentin Hofrätin Dr. Patricia Wolf als Senatsvorsitzende und die fachkundigen Laienrichter Karl Klement (AG) und Walter Braunsteiner (AN) in der Rechtssache der Klägerin W ***** L ***** GmbH Co KG, *****, vertreten durch Fellner Wratzfeld Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die beklagte Partei A ***** S *****, Linienfahrer, Busfahrer, *****, vertreten durch Mag. Johannes Bügler, Rechtsanwalt in Wien, wegen Elternteilzeit, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung zu Recht:

Spruch

Die Einwilligung in die von der klagenden Partei vorgeschlagenen Bedingungen der Änderung der Lage der Arbeitszeit des Beklagten anläßlich der Geburt des Kindes K***** A***** am ***** im Zeitraum von 15.3.2021 bis 18.3.2023 mit einer Verteilung der Lage der Arbeitszeit auf Montag und Dienstag ohne zeitliche Lagerung und Mittwoch bis Freitag mit einer zeitlichen Lagerung bis spätestens 15:00 Uhr Endzeit, wobei der Dienstbeginn an diesen Tagen offen ist, wird gemäß §§ 8h in Verbindung mit § 8c Abs.3 VKG erteilt.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte ist seit 31.1.2008 als Straßenbahnfahrer bei der Klägerin tätig, dies nach Maßgabe des anzuwendenden Kollektivvertrages der Wiener Stadtwerke im Ausmaß von 37,5 Stunden in der Woche.

Der Beklagte ist seit 2018 geschieden und Vater von drei minderjährigen Kindern. Die Kindesmutter S***** S***** ist bei der Beklagten ebenfalls als Straßenbahnfahrerin tätig.

Der Beklagte beantragte für sein Kind K***** A***** S*****, geboren am ***** für die Zeit vom 15.3.2021 bis 2023 eine Änderung der Lage der Arbeitszeit nach § 8h VKG, für den Zeitraum Montag bis Freitag während der Zeiten 07:40 Uhr bis 15:40 Uhr.

Die Klägerin brachte dazu vor, dass dies betriebsintern nicht möglich sei, da diesbezüglich betriebliche Interessen dagegen sprechen würden.

Überdies lehne der Beklagte eine Reduktion der Arbeitszeit ab von mindestens zwanzig Prozent.

S***** S*****, befinde sich in Elternteilzeit im Ausmaß von 22,5 Wochenstunden, gelagert auf die Tage Mittwoch bis Freitag von 07:45 Uhr bis 16:30 Uhr, sodass die Kinder jedenfalls Montag und Dienstag durch die Kindesmutter ausreichend betreut seien.

Auch Mittwoch bis Freitag könne die Kindesmutter die Kinder am Morgen in den Kindergarten bringen.

Unnachvollziehbar für die Klägerin sei, warum bei offener Dienstzeit, etwa am Freitag und einem Dienstzeitende bis 15:00 Uhr, die Interessen des Beklagten nachteilig berührt werden.

Die Voraussetzung für eine Änderung der Lage der Arbeitszeit würde unter anderem die Notwendigkeit der Kinderbetreuung beinhalten.

Die Klägerin könne nicht dazu verhalten werden, neue Dienstgruppen zu schaffen und Diensteinteilungen durchzuführen. Dagegen würden zwingende dienstliche Interessen der Klägerin sprechen.

Die beklagte Partei bestritt, beantragte Klagsabweisung und führte aus, dass sich seine Dienste bis zu neun Stunden täglich ausdehnen könnten, was bedeuten würde, dass die Kinder des Beklagten bis zu zehn Stunden im Kindergarten oder in der Schule sein müssten, was für sie nachteilig sei.

Die Fahrpläne der Klägerin seien keinesfalls in Stein gemeißelt, relevante dienstliche Interessen würden nicht gegen den Vorschlag des Beklagten sprechen, von Mittwoch bis Freitag von 07:40 Uhr bis 15:40 Uhr zu arbeiten. Dies würde durch das Interesse des Beklagten mehr Zeit mit seinen Kindern zu verbringen, gerechtfertigt sein. Die mittlere Tochter E***** sei überdies Autistin, habe besondere Bedürfnisse und wäre es für den Beklagten wünschenswert, das von ihm vorgeschlagene Intervall einhalten zu können.

Feststellungen:

Zu hg. 30 Nc 2/21k erfolgte ein Einigungsversuch zwischen den Streitteilen betreffend den Elternteilzeitantrag des Beklagten betreffend K***** A***** S*****, geboren am *****, die diesbezüglichen Vergleichsgespräche scheiterten am 24.3.2021.

Die Klage wurde am 1.4.2021 eingebracht.

Die geschiedene Ehegattin und Kindesmutter S***** S***** vereinbarte mit der beklagten Partei Elternteilzeit für K***** A***** S*****, geboren am *****, wobei die wöchentliche Arbeitszeit 22,5 Stunden beträgt, die Arbeitstage Mittwoch bis Freitag sind, wobei die Rahmenzeit für die Arbeitsleistung 07:45 Uhr 16:30 Uhr ist. Dies für den Zeitraums 1.9.2018 bis 18.3.2023.

Das Kind K***** A***** lebt bei der Kindesmutter S***** S*****, die ihr Kind K***** u.a.Mittwoch bis Freitag in den Kindergarten bringt.

Die Kindergartenöffnungszeiten sind 06:00 Uhr bis 18:00 Uhr (vergleiche PV des Beklagten, Seite 7 in ON 22).

Der Beklagte und seine Ex-Gattin sind überdies Eltern der Kinder E*****, geboren am ***** und des Kindes Z*****, geboren am *****. Alle Kinder wohnen bei der Kindesmutter.

Der Beklagte und die Kindesmutter haben die geteilte Obsorge.

Da sämtliche Kinder bei der Kindesmutter wohnen und ihr Dienstbeginn während der Tage Mittwoch bis Freitag um 07:40 Uhr ist, bringt S***** S***** an sämtlichen Tagen der Woche auch die anderen Kinder in den Kindergarten.

Die ausreichende Versorgung des Kindes K***** durch die Kindesmutter (sowie der weiteren beiden Kinder des Beklagten und seiner Ex-Frau) ist somit gewährleistet und nicht dadurch gefährdet dass der Beklagte Mittwoch bis Freitag ohne zeitliche Lagerung beginnt , aber spätestens um 15 zu arbeiten aufhört.

Der Beklagte wohnt örtlich in der Nähe der Wohnung seiner Ex-Frau und der gemeinsamen Kinder, sodass er das Kind K***** auch, wenn seine Dienstzeit nicht, wie manchmal möglich um 04:35 Uhr beginnt, sondern etwa um 07:40 Uhr oder 07:45 Uhr, das Kind K***** und auch die anderen Kinder in den Kindergarten bringen könnte.

Würde die Klägerin den Wünschen des Beklagten betreffend seinen Dienstzeiten Folge leisten, wäre dies für die Beklagte mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Sie müsste geteilte Dienste schaffen oder die Schaffung neuer Dienstgruppen durchführen unter erheblichem Aufwand.

Dabei ist folgendes zugrunde zu legen: Nur der Beginn und das Ende der Dienst-gruppe Line 71 / Gruppe 101 der der Beklagte zuzuordnen ist, liegt innerhalb des vom Beklagten vorgeschlagenen Zeitrahmens. Diese Dienstgruppe hat eine Arbeitszeit von 6:36 Stunden. Alle anderen Dienstgruppen beginnen oder enden außerhalb des vorgeschlagenen Zeitrahmens.

Würde der Beklagte, was möglich ist, Montag und Dienstag zu Fahrdienste von bis zu 9 Stunden eingeteilt werden, ergibt sich aufgrund der Länge der Dienste der Dienst- gruppe Linie 71 /Gruppe 101 eine Wochendienstleistung von 34 Stunden. Dies würde zu einer vom Beklagten nicht akzeptierten Unterschreitung der, von ihm gewünschten vollen Normalarbeitszeit, von 3,5 Stunden führen..

Die Diensteinteilung der Beklagten ist auch unter Zugrundelegung der Betriebsvereinbarung ./D unter Berücksichtigung der vom Beklagten gewünschten Stundenanzahl von 37,5 h/wöchentlich so zu gestalten, dass der Beklagte Montag und Dienstag auf lange Dienstgruppen eingeteilt wird. Würde man die Wünsche des Beklagten berücksichtigen müssen, für die Dienste von Mittwoch bis Freitag, müssten andere Mitarbeiter organisiert werden, die die an- gefangenen Dienstgruppen des Beklagten zu Ende fahren. Diese Mitarbeiter würden somit sogenannte „Extra“-Fahrten leiste, die zuschlagspflichtige Mehr- und Überstunden darstellen. Die Klägerin hätte einen erhöhten administrativen Aufwand, weil die Diensteinteilung nach den gesetzlichen Bestimmungen und den Betriebsvereinbarungen zu erfolgen hat. Außerdem würden höhere Lohnkosten für die übernehmenden Mitarbeiter entstehen.

Rechtliche Beurteilung

Rechtlich folgt:

Da die klagende Partei als Dienstgeberin den Antrag auf gütliche Einigung nach VKG stellte, die Klage einbrachte und die Feststellung wie im Spruch ersichtlich begehrte, anerkannte sie den Anspruch des Beklagten auf Elternteilzeit.

Dass dem Beklagten Elternteilzeit zusteht, war daher zugrundezulegen (vergleiche auch RWA 0000033).

Der Zweck der Elternteilzeit besteht darin, dem Dienstnehmer ausreichend Zeit zur Kinderbetreuung zu gewähren. Die gewünschte Teilzeit muss daher der notwendigen Betreuung des Kleinkindes dienen (vergleiche 9 ObA 80/10w, 8 ObA 15/12g).

Im vorliegenden Fall kann gerade nicht davon ausgegangen werden, dass nur die gewünschte Änderung der Arbeitszeit der Betreuung des Kleinkindes dient.

Verfahrensgegenständlich ist die Betreuung des Kleinkindes K*****. Der Wunsch des Vaters, sein Kleinkind K***** anstelle der Mutter in den Kindergarten zu bringen, dafür aber später als von der Klägerin vorgeschlagen vom Kindergarten abzuholen, entspricht keinesfalls der Vorgabe, dass nur die gewünschte Änderung der Arbeitszeit die erforderliche Betreuung des Kleinkindes gewährleistet und sicherstellt, da die Betreuung des Kindes K***** an sämtlichen Tagen der Woche durch die Kindesmutter und Ex-Gattin des Beklagten gewährleistet ist.

Somit hat der Beklagte gar keine Betreuungspflichten im Sinne des § 8 VKG..

Der vorliegenden Klage der Arbeitgeberin ist daher unter diesen Voraussetzungen ohne Interessensabwägung stattzugeben, da der Beklagte ohnedies keiner Betreuungspflicht im Sinne des Väterkarenzgesetzes unterliegt.

Zusätzlich würde eine Interessensabwägung zugunsten der Beklagten erfolgen.

Bei den betrieblichen Interessen muss es sich nämlich um Umstände handeln, die negative Auswirkungen auf den Betrieb in seiner Eigenschaft als eine dem Zweck der Leistungshervorbringung gewidmete Organisation haben. Ein betriebliches Interesse liegt dann vor, wenn die Teilzeitbeschäftigung die Organisation, den Arbeitsablauf oder die Sicherheit im Betrieb wesentlich beeinträchtigt und Maßnahmen zur Verhinderung dieser Beeinträchtigung, insbesondere die Aufnahme von Ersatzkräften nicht möglich sind oder unverhältnismäßige Kosten verursachen würden (vergleiche Erläut.RV 399, BlG. Nr. XX II.EP5).

Die Einführung eines weiteren quasi Schichtmodells nur zugunsten des Beklagten, ist für die Klägerin aus betrieblichen Gründen (erhöhter Verwaltungsaufwand und Kosten) nicht zumutbar (vergleiche auch LGZ Graz zu 38 Cga 96/06i, ASG Wien zu 1 Cga 61/20a).

Die Frage, ob das Kind E***** besonders auf den Beklagten fixiert ist, ist für das Elternteilzeitverfahren betreffend das Kind K***** nicht entscheidungsrelevant, weshalb die zu diesem Thema beantragten Zeugen nicht einvernommen wurden.

Das Klagebegehren ist daher berechtigt.

Rechtssätze
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