JudikaturJustiz17Bs281/23g

17Bs281/23g – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
24. Januar 2024

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A* wegen §§ 127 ff StGB uaD über die Berufung der Staatsanwaltschaft Wien wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 12. September 2023, GZ 54 Hv 4/19f-34, nach der am 24. Jänner 2024 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten Dr. Röggla, im Beisein der Richterin Mag. Schneider-Reich und des Richters Ing.Mag. Kaml als weitere Senatsmitglieder, in Gegenwart der Oberstaatsanwältin Dr. Lechner, in Abwesenheit des Angeklagten A*, indes in Anwesenheit seiner Verteidigerin Mag. Lisa Feiertag durchgeführten öffentlichen und mündlichen Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am ** geborene serbische Staatsangehörige A* des Vergehens des Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB und des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB schuldig erkannt und hiefür unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 105 Abs 1 StGB zu einer gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Setzung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Monaten verurteilt.

Danach hat er am 1. Jänner 2019 in **

I./ mit dem Vorsatz, sich durch die Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, C* eine fremde bewegliche Sache in einem EUR 5.000,-- nicht übersteigenden Wert, nämlich dessen Fahrrad im Wert von etwa EUR 30,- wegzunehmen versucht (§ 15 StGB), indem er es aus dem Wohnhaus, in dem es unversperrt abgestellt war, hinausschob, wobei es nur deshalb beim Versuch blieb, weil C* ihn auf frischer Tat betrat und anhalten konnte;

II./ C* im Anschluss an die zu I./ genannte Handlung mit Gewalt zu einer Unterlassung nämlich der Abstandnahme seiner Anhaltung genötigt, indem er mit ihm rangelte, ihm mehrere Barthaare ausriss und ihn in die Hoden zwickte.

Hingegen wurde er von den weiters wider ihn erhobenen Vorwürfen, er habe in ** und anderen Orten gewerbsmäßig (§ 70 Abs 1 Z 3 StGB) fremde bewegliche Sachen anderen mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, weggenommen, wobei er zur Ausführung der Tat Sperrvorrichtungen aufbrach und zwar I./ am 27. März 2023 ein Fahrrad der Marke D* E* im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem von der Staatsanwaltschaft Eisenstadt zu AZ 4 St 190 23t abgesondert verfolgten H*;

II./ ein Fahrrad der Marke I* L* zwischen 17. und 24. Mai 2023;

III./ zu einem noch festzustellendem Zeitpunkt ein Fahrrad der Marke J* einer noch festzustellenden Person;

IV./ zu einem noch festzustellendem Zeitpunkt ein Fahrrad der Marke K* einer noch festzustellenden Person;

V./ zu einem noch festzustellendem Zeitpunkt ein Fahrrad der Marke N* einer noch festzustellenden Person

gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Dazu traf das Erstgericht wortwörtlich folgende Feststellungen und gründete sie auf nachstehende Beweiswürdigung:

Feststellungen:

Der am ** in ** geborene Angeklagte ist serbischer Staatsangehöriger, verheiratet, hat als Gelegenheitsarbeiter in Serbien ein Einkommen von ca EUR 1.000,-, hat ein Vermögen in Höhe von ca EUR 5.000,-, Schulden in Höhe von ca EUR 5.000,- und ist sorgepflichtig für einen Sohn. Er ist bislang gerichtlich unbescholten.

Am 1.1.2019 begab sich der Angeklagte in den Abendstunden in das Wohnhaus in **, nahm das Fahrrad des C* in Wert von ca EUR 30,-, dass unversperrt dort abgestellt war, an sich und wollte das Wohnhaus durch die Eingangstüre verlassen. In dem Moment kam der Eigentümer des Fahrrades, C* und wollte in das Haus gehen. Der Angeklagte hielt ihm die Türe auf, C* erkannte sein Fahrrad und stellte den Angeklagten zur Rede, warum er sein Fahrrad stehlen möchte. Der Angeklagte stammelte nur einige Worte, ließ das Fahrrad fallen und wollte davon laufen. C* wollte ihn aufhalten, damit er nicht wegläuft, und hielt ihn fest. Es kam zu einem Gerangel, wobei der Angeklagte C* am Bart riß und ihm dabei Barthaare ausriß. Schließlich zwickte er C* in den Hoden, der ihn daraufhin losließ und flüchtete. C* wurde durch die Handlungen des Angeklagten nicht verletzt. Der Angeklagte konnte von inzwischen alarmierten Polizeibeamten schließlich am 1.1.2019 um 22:15 Uhr festgenommen werden und wurde am 2.1.2019 um 16:30 Uhr wieder auf freien Fuß gesetzt bzw in fremdenrechtliche Haft genommen.

Im Zuge der Wegnahme des im Urteilsspruch zu Punkt I./ angeführten Fahrrades wusste und wollte der Angeklagte, dass er einem anderen, nämlich C*, eine fremde bewegliche Sache wegnahm bzw. dies versuchte und wollte sich selbst bewusst durch deren Zueignung unrechtmäßig bereichern. Dabei wusste und wollte der Angeklagte, dass das Fahrrad fremd war und er darauf keinen Anspruch hatte.

Der Angeklagte wusste und wollte, dass er durch die zu Spruchpunkt II./ genannte Handlung, nämlich das Gerangel, das Ausreißen der Barthaare und das Zwicken in den Hoden Gewalt gegen C* anwandte. Er wusste, dass er den Genannten durch die von ihm angewandte Gewalt zu einer Handlung, nämlich ihn loszulassen, nötigte und wollte das auch.

Der Angeklagte wurde am 24.8.2023, 14:30 Uhr, festgenommen und befindet sich seit dem in Untersuchungshaft in der Justizanstalt Wien-Josefstadt.

Zum Freispruch:

Am 20.5.2023 wurde die PI ** von einem Passanten in Kenntnis gesetzt, dass auf einem öffentlichen Fahrradabstellplatz in **, fortlaufend wechselnde Fahrräder im Verband mit Edelstahlkette und Vorhängeschloss abgesperrt abgestellt werden. Die Fahrräder würden nach kurzer Zeit verschwinden und wieder andere Fahrräder mit Kette abgesichert abgestellt werden. In der Nähe am ** befand sich ein Busparkplatz, von welchem internationaler Linienverkehr vornehmlich durch serbische Reisebusse stattfand.

Am 24.5.2023 waren insgesamt fünf Fahrräder im Verbund mit Gliederkette und Vorhängeschloss gesichert und abgestellt. Die einschreitenden Polizeibeamten konnten schließlich zu zweien der Fahrräder ermitteln, dass diese gestohlen waren. Am 27.03.2023 wurde E* in ** ein Fahrrad der Marke D* gestohlen, welches sich nunmehr in dem gemeinsam abgesicherten Verband befand. Zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt zwischen 17.05.2023 und 24.5.2023 wurde L* sein Fahrrad der Marke I*, das dieser mit Fahrradschloss gesichert hatte, gestohlen. Auch dieses Fahrrad befand sich unter den fünf gemeinsam abgesicherten Fahrrädern. Nicht festgestellt werden konnte, dass die weiteren Fahrräder im Verband, nämlich das Fahrrad der Marke J*, das Fahrrad der Marke K*, sowie das Fahrrad der Marke N* jemandem gestohlen wurden. Auf den Griffen der Fahrräder Marke D* und Marke I* sowie auf der Gliederkette und dem Vorhängeschloss konnte am 24.5.2023 DNA sichergestellt werden, die dem Angeklagten zweifelsfrei zugeordnet werden konnte. Auf dem Vorhängeschloss und der Gliederkette befand sich noch eine DNA Spur einer weiteren unbekannten Person. Auf den übrigen drei Fahrrädern konnten keine DNA Treffer erzielt werden. Der Angeklagte hatte die Fahrräder im Verband dort abgestellt und gesichert. Am 24.8.2023 wurde der Angeklagte beim Busparkplatz am ** dabei beobachtet, wie er von einem Fahrrad, das keinem Diebstahl zugeordnet werden konnte, das Vorderrad abmontierte und das Rad in einen Reisebus am genannten Busparkplatz verlud und er wurde aufgrund bestehender Festnahmeanordung festgenommen. Es kann insgesamt nicht festgestellt werden, dass der Angeklagte die anklagegegenständlichen Fahrräder gestohlen hat. E* und L* wurden jeweils ihre Fahrräder wieder ausgefolgt.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Angeklagte wusste und wollte, dass er anderen fremde bewegliche Sachen, nämlich Fahrräder durch Einbruch wegnahm und auch nicht, dass er sich selbst bewusst durch deren Zueignung unrechtmäßig bereichern wollte.

Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen, dem alias Namen T* und den Vorstrafen des Angeklagten beruhen auf dessen diesbezüglich glaubwürdigen Angaben in der Hauptverhandlung und den Strafregisterauskünften (ON 24 und ON 25).

Die Feststellungen zum objektiven Tathergang zu den Spruchpunkten I./ und II./ gründen sich auf die Ermittlungen der PI Keplergasse zu PAD/19/00003192 sowie auf die Angaben des Zeugen C*, der sowohl in seiner Vernehmung im Ermittlungsverfahren (ON 2, AS 33) als auch in der Hauptverhandlung (vgl HV Protokoll vom 12.9.2023) gleichlautend und widerspruchsfrei angab, dass er den Angeklagten dabei erwischte, wie dieser das Haus mit seinem Fahrrad verlassen wollte und er ihn zur Rede stellte. Er machte einen gewissenhaften und um Aufklärung bemühten Eindruck und gab sogar, auch bereits im Ermittlungsverfahren, an, dass er dem Angeklagten das Fahrrad auch geschenkt hätte, er ihm mitteilte, dass es sich nicht lohne das Fahrrad zu stehlen. Gleichlautend zu seinen Angaben im Ermittlungsverfahren schilderte er sodann die versuchte Anhaltung des Angeklagten, wobei schließlich ein Gerangel entstand, dadurch dass er ihn festhielt, der Angeklagte ihn am Bart riss und in den Hoden zwickte, sodass er den Angeklagten los ließ. Seine Angaben waren in sich schlüssig und daher umfassend glaubwürdig. Im Lichte der glaubwürdigen Schilderungen des Zeugen C* war die Verantwortung des Angeklagten als bloße Schutzbehauptung zu werten. Dieser schilderte in seinen Vernehmungen im Ermittlungsverfahren (ON 2 AS 27) und in der Hauptverhandlung (vgl HV Protokoll vom 12.9.2023) unterschiedliche Versionen der Geschehnisse. So gab er im Ermittlungsverfahren noch an, er sei vor dem Haus gestanden und habe eine Zigarette geraucht, als plötzlich ein Mann kam und ihm sagte, er solle veschwinden, wobei dieser Mann dann auf ihn losging, weil er glaubte, er wolle sein Fahrrad stehlen und dann sei ein Gerangel entstanden. Er sei dabei aber nicht verletzt worden. In der Hauptverhandlung schmückte er die Geschichte aus, indem er zunächst angab, er sei plötzlich von dem Mann angegriffen worden, dieser habe ihn an der Brust und der Kehle gepackt, deshalb sei er geflüchtet. Schließlich schilderte er, dass er mit einem Kind Ball spielte vor dem Haus, als er eine Zigarette rauchte und dann der Angriff von dem Mann stattfand. Er habe nie vorgehabt, das Rad zu stehlen. Seine Angaben sind im Lichte des positiven Eindrucks und den glaubwürdigen Angaben des Zeugen C* unglaubwürdig und völlig lebensfremd. Warum sollte ihn ein Fremder aus heiterem Himmel einfach so angreifen und warum sollte der Angeklagte plötzlich mit einem Kind draußen Ball spielen, hatte er dies doch bisher auch nicht angegeben und es war überdies bereits später Abend. Ein Kind wurde außerdem im Abschlussbericht von den einschreitenden Beamten nicht erwähnt, der Angeklagten hingegen flüchtete und hätte das Kind, glaubte man seinen Angaben, einfach dort zurückgelassen. Die Feststellungen zu dem Fahrrad und dessen Wert ergeben sich ebenso aus den umfassend glaubwürdigen Angaben des Zeugen C*.

Die Feststellungen zur inneren Tatseite zu den Spruchpunkt I./ waren zwanglos aus dem äußeren Geschehen, insbesondere aus der Handlungsweise des Angeklagten abzuleiten. Die angespannte finanzielle Situation des Angeklagten lässt zudem nachvollziehbar auf dessen Bereicherungsvorsatz zum Tatzeitpunkt ableiten.

Die Feststellungen zur subjektiven Tatseite zu Spruchpunkt II./ ergeben sich ebenfalls aus den objektiven Tatumständen. Das Verhalten des Angeklagten und die beschriebenen Umstände ergeben, dass er es ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand, C* durch Gewalt zur Abstandnahme von seiner Anhaltung zu nötigen, denn anders kann das Gerangel, das Reißen am Bart und das Zwicken in den Hoden gegen einen anderen, der ihn nach einem Diebstahl festhalten will, nicht gedeutet werden. Schließlich ist deshalb einzig der Schluss zulässig, dass er wusste, C* zum Loslassen zu veranlassen und dass er dies auch wollte.

Die Zeitpunkte der Festnahmen und die Dauer der anzurechnenden Vorhaften ergeben sich aus dem Gerichtsakt.

Zum Freispruch:

Das Beweisverfahren brachte überdies keine stichhaltigen Beweise dafür, dass der Angeklagte die ihm vorgeworfenen Fahrraddiebstähle beging. Zunächst konnten bereits die ermittelnden Beamten der PI ** zu PAD/23/01038436 die drei Fahrräder Marke J*, Marke K*, sowie Marke N* mangels Anzeigenlegung bzw aufgrund fehlender Beschreibungsmerkmale oder Rahmennummern weder einer Straftat noch einem Eigentümer zuordnen (ON 2.2,5 in ON 17), sodass nicht festgestellt werden konnte, dass die Fahrräder überhaupt gestohlen wurden. Die Feststellungen dazu, dass der E* am 27.03.2023 in ** ihr Fahrrad der Marke D* gestohlen wurde, ergeben sich aus den Ermittlungen der ** (ON 5.2,2 in ON 17), die Feststellungen dazu, dass L* sein Fahrrad der Marke I* gestohlen wurde, ergeben sich ebenso aus den Ermittlungen der PI ** (ON 2.2,3 in ON 17), wobei allerdings nicht ermittelt werden konnte, wann der Diebstahl des Fahrrades stattfand, zumal L* den einschreitenden Polizeibeamten gegenüber im Ermittlungsverfahren angab, dass er zu der Zeit auf Urlaub war und den Diebstahl erst nach seiner Rückkehr bemerkte (ON 2.2,3 in ON 17). Die Feststellungen dazu, dass sich die DNA des Angeklagten auf den Griffen der Fahrräder der E* und des L* sowie auf dem Schloss und der Gliederkette befand, ergeben sich aus dem unbedenklichen Sachverständigengutachten der Dr. U* (ON 4 in ON 17) in Zusammenhalt mit den Ermittlungsergebnissen der PI ** sowie dem bereits im Zuge der ersten Anhaltung nach dem Diebstahl am 1.12019 erfolgten Mundhöhlenabstrich und Sicherstellung der DNA des Angeklagten (ON 6 in ON 17 sowie ON 30). Die Feststellungen dazu, dass sich auf dem Vorhängeschloss und der Gliederkette noch die DNA einer weiteren Person befand, gründen ebenso auf dem unbedenklichen Gutachten der Sachverständigen Dr. U* (ON 4 in ON 17). Der Angeklagte verantwortete sich im Ermittlungsverfahren zunächst damit, dass die DNA auf den Rädern und der Kette nicht seine sei, er habe keine fremden Fahrräder angefasst (ON 13.6,4 in ON 17). Dies wird eindeutig dadurch widerlegt, dass es sich, wie oben bereits ausgeführt zweifellos um seine DNA handelte. In der Hauptverhandlung schilderte er sodann, dass er die Fahrräder, die er am Flohmarkt kaufte, im Verband absperrte, wobei er widersprüchliche Angaben dazu machte, wann er die Fahrräder am Flohmarkt gekauft habe. Er habe sie, genauso wie bereits andere von ihm gekaufte Gegenstände, nach Serbien schicken wollen. Zunächst ist in Anbetracht dessen, dass das Fahrrad der E* im März 2023 gestohlen wurde, das des L* erst im Mai 2023, in Zusammenhalt mit der nicht widerlegbaren Verantwortung des Angeklagten, dass dieser die Fahrräder gemeinsam am Flohmarkt gekauft hatte, nicht mit der für das Strafverfahren erforderlichen Sicherheit feststellbar, dass er beide Fahrräder gestohlen hat, mag die Verantwortung es Angeklagten noch so widersprüchlich und undurchsichtig sein. Es kann genauso gut sein, dass er diese tatsächlich am Flohmarkt kaufte und im Verband absperrte. Beweisergebnisse, die dies widerlegen, liegen nicht vor. Die Tatsache allein, dass sich auf den Fahrrädern und der Kette bzw dem Vorhängeschloss der Fahrräder die DNA des Angeklagten befand, ist – in Anbetracht seiner Verantwortung dazu, dass er die Fahrräder im Verband versperrte - nicht ausreichend dafür festzustellen, dass er auch die Diebstähle beging. Genauso ist aus der Tatsache, dass er im Jänner 2019 – wie festgestellt – einen Fahrraddiebstahl beging – nicht das Beweisergebnis abzuleiten, dass er auch die anklagegenständlichen Fahrräder gestohlen hatte. Auch die Tatsache, dass er im August ein Fahrrad, das nach den Ermittlungen der PI ** keinem Diebstahl zugeordnet werden konnte, in einen Bus verlud um dieses nach Serbien zu schicken, vermochte keinen Beweis dazu bringen, dass er zumindest im März und im Mai Fahrräder gestohlen hatte – wobei, wie festgestellt, drei der anklagegegenständlichen Fahrräder keinem Diebstahl zugeordnet werden konnten. Zu guter Letzt vermochte auch die Tatsache, dass am Handy des Angeklagten Bilder von Fahrrädern sowie chatverläufe über den Verkauf von Fahrrädern zu finden waren, nichts an der Beweislage zu ändern. Der Angeklagte verantwortete sich auch damit, dass er nicht gewusst habe, dass die Fahrräder derE * und des L*, die er am Flohmarkt kaufte, gestohlen waren. Auch diese Verantwortung ist nicht widerlegbar. Insgesamt kann daher nicht mit der für das Strafverfahren erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, dass der Angeklagte die ihm vorgeworfenen Handlungen, nämlich Fahrraddiebstähle oder andere strafbare Handlungen im Zusammenhang mit den Fahrrädern, beging.

Ausgehend von den Beweisergebnissen ist daher auch kein anderer Schluss zulässig, als dass der Angeklagte weder wusste und wollte, dass er anderen fremde bewegliche Sachen, nämlich Fahrräder durch Einbruch wegnahm, noch, dass er sich selbst bewusst durch deren Zueignung unrechtmäßig bereichern wollte.

Rechtlich erachtete – soweit im Berufungsverfahren relevant – das Erstgericht, dass eine Anklage wegen Diebstahls nicht per se auch den Vorwurf der Hehlerei hinsichtlich des gestohlenen Gegenstands umfasse, und es einer entsprechende Änderung der Anklage in der Hauptverhandlung bedurft hätte.

Bei der Strafzumessung wertete das Erstgericht als mildernd den bisher ordentlichen Lebenswandel und dass es teilweise beim Versuch geblieben ist, erschwerend das Zusammentreffen zweier Vergehen und erachtete ausgehend von einem Strafrahmen von bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen die verhängte Freiheitsstrafe als schuld- und tatangemessen, wobei es sowohl ein diversionelles Vorgehen mangels Verantwortungsübernahme als auch eine Geldstrafe aus spezialpräventiven Gründen ausschloss.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil richtet sich die rechtzeitig wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe angemeldete (ON 37), fristgerecht mit ON 40 wegen Nichtigkeit und Schuld zur Ausführung gelangte Berufung der Staatsanwaltschaft Wien, der keine Berechtigung zukommt.

Der zuerst zu behandelnden (siehe Ratz in WK-StPO § 476 Rz 9) Schuldberufung gelingt es nicht, Zweifel an der sorgfältigen Beweiswürdigung des Erstgerichts zu wecken. Die Staatsanwaltschaft sieht in den widersprüchlichen und unglaubwürdigen Angaben des A* in Verbindung mit dessen DNA-Spur auf den Fahrrädern und der Verurteilung für einen Fahrraddiebstahl im Jahr 2019 einen ausreichenden Schuldbeweis für das angeklagte Verbrechen des gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch. Damit überzeugt sie aber allein schon deshalb nicht, weil drei der mit Strafantrag ON 16 in ON 17 angeklagten Fahrräder gar keinem Diebstahl zuzuordnen sind, und daher keinesfalls mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit festgestellt werden kann, dass der Angeklagte diese gewerbsmäßig durch Einbruch weggenommen hat, zumal auch jegliche Konkretisierung der Tat fehlt („noch festzustellender Ort, Zeitpunkt und Geschädigter“). Für das Freispruchsfaktum I./ (am 27. März 2023 der E* gestohlenes Fahrrad) wurde H* mit Urteil des Landesgerichts Eisenstadt vom 5. Oktober 2023 zu GZ 8 Hv 80/23y-84 als (alleiniger) unmittelbarer Täter rechtskräftig verurteilt, das Beweisverfahren hat mit Ausnahme des DNA-Treffers am Lenker des Fahrrads (auf dem sich aber auch DNA weiterer Personen befand) keinerlei Hinweise einer (Mit-)Täterschaft des Angeklagten A* ergeben, und hat dieser letztlich unwiderlegbar angegeben, dieses (und die anderen) Fahrräder gekauft zu haben, um diese nach Serbien zu schicken. Ebenso wenig lässt sich eine Täterschaft des A* zum Diebstahl des Fahrrades des L* zwischen 17. und 24. Mai 2023 (II./) zweifelsfrei feststellen, und hat sich das Erstgericht in seiner Beweiswürdigung mit allen Aspekten nicht zu kritisierend auseinandergesetzt, dem hat die Berufung, die mit allgemeiner Lebenserfahrung und der Unglaubwürdigkeit des Angeklagten argumentiert, nichts entgegenzuhalten.

Zur Rechtsrüge nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO ist Folgendes zu erwägen:

Dem Vorbringen, dem Erstgericht seien infolge fehlender Feststellungen Rechtsfehler unterlaufen, weil der unter Anklage gestellte Lebenssachverhalt vom Gericht nach allen Richtungen unter den rechtlich maßgeblichen Umständen zu erforschen und jenem Gesetz zu unterstellen gewesen sei, das bei richtiger Auslegung darauf anzuwenden gewesen sei, wodurch das Gericht auch ohne Anklageänderung zu einem Urteil in Bezug auf Hehlerei hätte gelangen können, ist zu entgegnen, dass diesbezüglich keine Identität der Tat mehr vorgelegen hätte.

Wie vom Obersten Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 29. Oktober 2009, AZ 12 Os 133/09i, festgehalten hat das Gericht das Verhalten des Angeklagten in Bezug auf das inkriminierte Ereignis nach allen Richtungen zu erforschen und sich ohne Rücksicht auf die in der Anklage vertretene (Rechts-)Anschauung ein Urteil zu bilden, in welcher Art sich das Ereignis abgespielt und in welcher Form sich der Angeklagte daran schuldhaft beteiligt hat. Nach dem maßgeblichen prozessualen Tatbegriff (vgl Ratz in WK-StPO § 281 Rz 502 ff) stellt eine unmittelbar nach Beendigung eines Einbruchsdiebstahls im Tatortbereich begangene Hehlerei in Bezug auf einen Teil der Einbruchsbeute denselben Lebenssachverhalt dar.

Aufgrund des vom Erstgericht in casu festgestellten Sachverhalts, wonach sich die DNA des Angeklagten auf Fahrrädern, die zwei Monate bzw bis zu einer Woche vor deren Auffindung gestohlen wurden bzw von welchen unbekannt ist, ob sie überhaupt gestohlen wurden, befunden hatte, woraus die Staatsanwaltschaft eine Hehlerei ableiten möchte, kann nicht mehr von einem Lebenssachverhalt ausgegangen werden. Wie das Erstgericht nämlich zutreffend ausführt umfasst eine Anklage wegen Diebstahls nicht per se auch den Vorwurf der Hehlerei hinsichtlich des gestohlenen Gegenstands. Die selbe Tat im prozessualen Sinn liegt nämlich nur vor, wenn aus der Sachverhaltsschilderung in der Begründung der Anklageschrift ein Anklagewille auch in Richtung Hehlerei auszumachen ist. Andernfalls bedarf ein Schuldspruch wegen Hehlerei ohne Anklageüberschreitung einer entsprechenden Änderung der Anklage in der Hauptverhandlung (OGH 22. Mai 2023, 12 Os 37/23t). Fallgegenständlich geht aus dem angeklagten Lebenssachverhalt keineswegs der Wille des Anklägers auch in Richtung Hehlerei hervor. Denn die Staatsanwaltschaft beschränkte sich ausschließlich auf die (rudimentäre, weil teils Tatzeit, -ort und -opfer vermissenlassende) Schilderung eines entsprechenden Einbruchsdiebstahls (siehe Lewisch in WK-StPO § 262 Rz 58), womit auch kein auf Hehlerei bezogener Anklagewille auszumachen ist. Damit läge keine bloße Änderung eines rechtlichen Gesichtspunktes der angeklagten Tat im Sinne des § 262 erster Satz StPO vor, und hätte es einer Änderung der Anklage (allenfalls in Form einer Alternativanklage) im Sinne des § 263 Abs 1 erster Satz StPO bedurft, um allenfalls eine Verurteilung wegen Hehlerei zu erwirken.

An dieser Stelle sei jedoch angemerkt, dass die Ergebnisse des Beweisverfahrens – wie bereits zur Berufung wegen Schuld ausgeführt – auch keinen Rückschluss auf eine Hehlerei in objektiver und subjektiver Hinsicht ergeben haben, ist doch bei drei der fünf Fahrräder nicht einmal feststellbar, dass diese überhaupt gestohlen wurden, hinsichtlich der anderen beiden ist die Verantwortung des Angeklagten, diese auf einem Flohmarkt gekauft zu haben, letztlich unwiderlegbar, zumal sich auch aus dem genannten Verfahren des Landesgerichts Eisenstadt keinerlei Zusammenhang des Angeklagten mit der ungarischen Tätergruppe ergibt.

Aber auch der unausgeführten Berufung wegen Strafe ist kein Erfolg beschieden, hat das Erstgericht doch die besonderen Strafzumessungsgründe vollständig erfasst und angemessen gewichtet und ist unter Berücksichtigung der allgemeinen Strafzumessungsregeln des § 32 StGB sowie spezial- und generalpräventiver Aspekte ausgehend von einem Strafrahmen von bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe oder 720 Tagessätzen Geldstrafe zu einer schuld- und tatangemessenen, bedingt nachgesehenen Strafe gelangt, sodass insgesamt spruchgemäß zu entscheiden war.

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