JudikaturJustiz17Bs1/24g

17Bs1/24g – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
10. Januar 2024

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat durch die Richterin Mag. Schneider-Reich als Vorsitzende sowie den Richter Ing.Mag. Kaml und die Richterin Mag. Primer als weitere Senatsmitglieder in der Strafsache gegen A* B* wegen § 27 Abs 2a zweiter Fall SMG über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 18. Dezember 2023, GZ 72 Hv 54/22w-69, nichtöffentlich den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Begründung:

Der am ** geborene russische Staatsangehörige A* B* wurde mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 5. Juli 2022 wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 2a zweiter Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt (ON 19).

Nach Einholung eines klinisch-psychologischen Gutachtens der Sachverständigen Dr. C* vom 2. August 2022, welches eine behandlungsbedürftige Abhängigkeit des B* von Opioiden, Kokain und Benzodiazepinen diagnostizierte, diesem ausreichende Therapiefähigkeit und Therapiemotivation attestierte und die Prognose für einen Behandlungserfolg als nicht sehr günstig, jedoch nicht als offenbar aussichtslos ansah (ON 28 S 20 f), fasste der Erstrichter am 11. August 2022 den Beschluss auf Gewährung eines Strafaufschubes gemäß § 39 Abs 1 SMG bis zum 10. August 2024, damit sich der Verurteilte den notwendigen gesundheitsbezogenen Maßnahmen unterziehe, und zwar einer sechsmonatigen stationären psychotherapeutischen Behandlung mit Einzeltherapiemaßnahmen, Gruppentherapiesitzungen, begleitenden Harnkontrollen, sowie der Etablierung einer Tagesstruktur mit Beschäftigungs- oder Arbeitstherapie und einer daran anschließenden ambulanten psychotherapeutischen Behandlung in der Dauer von achtzehn Monaten mit wöchentlichen Einzelsitzungen und engmaschigen Harnkontrollen, um die im stationären Rahmen erlernten Strategien zur Bewältigung von Problemen im realen Umfeld zu erproben und verfestigen zu können, sowie sozialarbeiterischer Betreuung zur Unterstützung bei einer beruflichen Integration. Eine Bestätigung über den Beginn der Maßnahme sei binnen einem Monat, Bestätigungen über den Verlauf seien alle drei Monate unaufgefordert vorzulegen (ON 32). Daraufhin wurde B* am 17. August 2022 enthaftet (ON 33). Die am selben Tag begonnene stationäre Behandlung bei der Einrichtung D* brach er bereits am 25. November 2022 ab (ON 46). In weiterer Folge war er ohne Meldeadresse in Österreich und unterzog sich fortan keiner weiteren Suchtgiftentwöhnungsbehandlung, weshalb er zur Aufenthaltsermittlung im Inland ausgeschrieben wurde (ON 49).

Am 11. Oktober 2023 wurde über B* wegen neuer Vorwürfe die Untersuchungshaft verhängt (ON 57 AS 5 ff); in der Folge wurde er mit am selben Tag in Rechtskraft erwachsenem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 15. November 2023 des Vergehens des teils gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 Abs 1 (zu ergänzen:) erster Fall, 15 StGB und des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB schuldig erkannt und hiefür zu einer weiteren Freiheitsstrafe von zwanzig Monaten verurteilt (ON 63).

Daraufhin widerrief das Landesgericht für Strafsachen Wien mit dem angefochtenen Beschluss über Antrag der Staatsanwaltschaft (ON 58), wozu sich B* nicht äußerte, den mit Beschluss vom 11. August 2022 gemäß § 39 Abs 1 SMG gewährten Strafaufschub und sprach aus, dass die verhängte Freiheitsstrafe zu vollziehen sei.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die rechtzeitige Beschwerde des Verurteilten (ON 70), der keine Berechtigung zukommt.

Gemäß § 39 Abs 4 Z 1 und Z 2 SMG ist der Aufschub zu widerrufen und die Strafe zu vollziehen, wenn der Verurteilte sich einer gesundheitsbezogenen Maßnahme, zu der er sich gemäß Abs 1 Z 1 bereit erklärt hat, nicht unterzieht oder es unterlässt, sich ihr weiterhin zu unterziehen (Z 1), oder wenn der Verurteilte wegen einer Straftat nach diesem Bundesgesetz oder wegen einer im Zusammenhang mit seiner Gewöhnung an Suchtmittel begangenen Straftat neuerlich verurteilt wird (Z 2) und der Vollzug der Freiheitsstrafe geboten erscheint, um den Verurteilten von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten.

Voraussetzung nach § 39 Abs 4 Z 1 SMG ist beharrliche Therapieunwilligkeit, die sich nach außen hin durch konsequente Verweigerung des Antritts der Therapie oder dauerhaften Abbruch dieser gesundheitsbezogenen Maßnahme zeigen muss ( Schwaighofer in WK 2 SMG § 39 Rz 40).

Fallaktuell brach B* nach dem Akteninhalt die Therapie bereits anlässlich seines ersten Ausgangs nach nur etwas mehr als drei Monaten ab und war in der Folge – mangels aufrechter Meldeadresse – für das Gericht bis zu seiner neuerlichen Inhaftierung im Oktober 2023 nicht greifbar. In der Zeitspanne von 25. November 2022 (Entlassung aus der Therapieeinrichtung) bis 9. Oktober 2023 (neuerliche Verhaftung) bemühte sich der Beschwerdeführer weder um eine Wiederaufnahme in die Therapieeinrichtung noch um andere Therapieangebote und nahm auch keinen Kontakt zum Erstgericht auf, sondern verfiel – wie auch von ihm in seiner Beschwerde zugestanden – in alte Verhaltensmuster, indem er wiederum illegale Suchtmittel konsumierte (vgl ON 57 AS 4 und 7; ON 65 AS 6 f). Soweit der Beschwerdeführer ins Treffen führt, ihm hätten im Jahr 2022 die finanziellen Mittel für eine Rückkehr vom Ausgang gefehlt (ON 65 S 9), ist dies wenig nachvollziehbar, hätte er diesfalls doch die Möglichkeit eines Ausgangs gar nicht in Anspruch nehmen müssen. Auch das weitere gegenüber der Sachverständigen erstattete Vorbringen, wonach ihm seitens der Therapieeinrichtung gesagt worden sei, er sei nicht mehr versichert und müsse seine Medikamente selbst bezahlen (ON 65 S 9), ist unschlüssig, weil – wie bereits das Erstgericht zutreffend ausführt - er während der stationären Therapie im Verein D* krankenversichert war und es keinen Grund gab, warum er bei einem Ausgang den Versicherungsschutz verlieren sollte. Zudem hätte diesfalls die Kostentragungspflicht des Bundes nach § 41 SMG gegriffen. Das Erstgericht ging aufgrund der Dauer und Beharrlichkeit des Therapieabbruchs daher zutreffend von einer nachhaltigen Therapieunwilligkeit des Beschwerdeführers aus, woran auch die in der Beschwerde erstmals als Ursache für den Therapieabbruch erwähnten Umstände, nämlich ein nicht näher spezifizierter „Schicksalsschlag“ sowie „schwerwiegende familiäre Probleme“, keine Änderung herbeizuführen vermögen.

Aber auch der Widerrufstatbestand nach § 39 Abs 4 Z 2 SMG ist gegeben. Denn die neuerliche Verurteilung des Beschwerdeführers vom 15. November 2023 wegen des Vergehens des teils gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 Abs 1 erster Fall, 15 StGB erfolgte im Zusammenhang mit seiner Gewöhnung an Suchtmittel (siehe ON 63 S 2: „ Ich war drogenabhängig und habe Drogen gebraucht. Ich hatte keine Versicherung und deshalb war ich gezwungen, diese Sachen zu stehlen, um sie zu verkaufen und damit Drogen zu kaufen“ ).

Der Vollzug der Freiheitsstrafe ist zudem auch spezialpräventiv geboten. Tatsächlich weist der Beschwerdeführer nämlich mittlerweile zehn Verurteilungen wegen Vermögens- sowie Drogendelikten auf und kommt auch die Sachverständige Dr. C* in ihrem zu AZ 114 Hv 143/23v des Landesgerichts für Strafsachen Wien erstatteten Gutachten vom 23. November 2023 - unter Einbeziehung der bisherigen Therapieerfahrungen des Beschwerdeführers - nachvollziehbar zu dem Schluss, dass dieser keine nachhaltige Therapiemotivation aufweist, weshalb eine offenbare Aussichtslosigkeit einer erneuten Behandlung festzustellen ist (ON 65 S 18). Zur Einholung eines (weiteren) Sachverständigengutachtens besteht angesichts der lediglich substanzlos geübten Kritik an der Expertise der Sachverständigen vom 23. November 2023 im Übrigen keine Veranlassung. Insgesamt sprechen die langjährige Drogenerfahrung des Beschwerdeführers (aaO S 6 f), das von mehreren Rückfällen geprägte Vorleben (vgl die Strafregisterauskunft ON 60) und die fehlende nachhaltige Therapiemotivation für eine spezialpräventiv ausgeprägt negative Verhaltensprognose, sodass ein Widerruf des gewährten Strafaufschubes unvermeidbar ist.

Der Beschwerde gegen den der Sach- und Rechtslage entsprechenden Beschluss war somit ein Erfolg zu versagen. Es wird am Beschwerdeführer gelegen sein, während des Strafvollzugs allfällige Therapiemöglichkeiten gemäß § 68a StVG in Anspruch zu nehmen, um eine Grundlage für ein künftig straffreies Leben zu schaffen.

Rechtssätze
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