JudikaturJustiz16R57/08g

16R57/08g – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
11. April 2008

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes Dr. Strauss als Vorsitzenden, den Richter des Oberlandesgerichtes Dr. Sonntag und die Richterin des Oberlandesgerichtes Dr. Fabian in der Rechtssache der klagenden Partei *****, *****, vertreten durch Dr. Matthias Göschke, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei *****, *****, vertreten durch Dr. Walter Schuhmeister, Rechtsanwalt in Schwechat, wegen EUR 14.671,98 s.A. und Feststellung (Streitwert: EUR 3.000,--), über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes Korneuburg vom 20.2.2008, 11 Cg 167/06k-23, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluss ersatzlos behoben.

Der Antrag, dem Rekurs aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wird zurückgewiesen.

Die Rekurskosten stellen weitere Verfahrenskosten dar. Der Wert des Streitgegenstandes übersteigt EUR 4.000,--, nicht jedoch EUR 20.000,--.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist zulässig.

Text

Begründung:

Mit der am 7.11.2006 beim Erstgericht eingelangten Klage macht der Kläger Schadenersatzansprüche und ein Feststellungsbegehren aufgrund eines Radfahrunfalls gegen den Beklagten geltend.

Mit Beschluss vom 30.10.2007 (ON 17) bestellte das Erstgericht Dr. Manfred Kolb zum Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Unfallchirurgie und erteilte ihm den Auftrag, ein Gutachten unter anderem zu den unfallkausalen Verletzungen des Klägers zu erstatten. Dieses Gutachten legte der Sachverständige dem Erstgericht samt Gebührennote am 14.1.2008 vor (ON 18 und 19).

Mit Beschluss vom 22.1.2008 übermittelte das Erstgericht den Parteien je eine Ausfertigung des Gutachtens samt Gebührennote mit dem Auftrag, sich zum Gebührenantrag zu äußern und bekanntzugeben, ob eine mündliche Erörterung des Gutachtens beantragt werde, bejahendenfalls trug es die Vorlage einer Fragenliste und einen weiteren Kostenvorschuss auf, wobei jeweils eine Frist von 14 Tagen gesetzt wurde. Dieser Beschluss wurde den Parteienvertretern am 6.2.2008 zugestellt.

Am 19.2.2008 übermittelte der Klagevertreter per Fax einen mit 18.2.2008 datierten Schriftsatz an das Erstgericht, indem er bekanntgab, gegen die Gebührennote des Sachverständigen keine Einwände zu erheben und beantragte, dass der Sachverständige näher ausformulierte Fragen schriftlich beantworten möge. Weiters wurde beantragt, eine Gleichschrift dieses Schriftsatzes an den Sachverständigen zu übermitteln (ON 22). Der Klagevertreter hielt auf der Faxeingabe fest, dass eine Direktzustellung an den Beklagtenvertreter gemäß § 112 ZPO erfolge.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht diese Eingabe „vom 17.2.2008 gemäß § 89c Abs 5 GOG iVm § 11 Abs 1a ERV 2006" ohne weitere Begründung zurück.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs des Klägers aus dem Rekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss ersatzlos aufzuheben, hilfsweise wird ein Abänderungsantrag dahin gestellt, dass dem Kläger die Verbesserung der Eingabe durch Beifügung der Glaubhaftmachung im Sinne des § 11 Abs 1a letzter Satz ERV 2006 binnen angemessener Frist aufgetragen werde. Weiters beantragt der Rekurswerber, dem Rekurs die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Der Rekurs ist berechtigt.

Der Rekurswerber führt zusammengefasst aus, der Klagevertreter habe es bloß unterlassen, darauf hinzuweisen, dass die technischen Möglichkeiten für den elektronischen Rechtsverkehr zur Einbringung der zurückgewiesenen Eingabe noch nicht vorlägen und diesen Umstand glaubhaft zu machen. Sollte in diesem Unterlassen überhaupt ein Mangel im Sinn des § 84 ZPO erblickt werden, handle es sich dabei jedenfalls um einen verbesserungsfähigen Mangel. Es erscheine fraglich, ob die Eingabe des Klägers überhaupt zu verbessern gewesen wäre, weil sie mit keinem Mangel, der die Weiterbehandlung des Schriftsatzes verhindern könnte, behaftet sei.

Diesen Ausführungen ist beizupflichten.

§ 89c Abs 5 GOG idgF lautet wie folgt:

Eingaben und im Original vorzulegende Beilagen im Grundbuchs- oder Firmenbuchverfahren, welche elektronisch eingebracht werden dürfen, sind von Rechtsanwälten oder Notaren nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten im elektronischen Rechtsverkehr einzubringen. Durch Art IV Z 2 des Berufsrechts-Änderungsgesetzes für Notare, Rechtsanwälte und Ziviltechniker 2006 BGBl I Nr.164/2005 wurde erstmals im § 89c Abs 5 GOG die Verpflichtung für Rechtsanwälte und Notare eingeführt, Eingaben, welche elektronisch eingebracht werden dürfen, nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten im elektronischen Rechtsverkehr einzubringen. Gemäß Art XIII § 3 BRÄG 2006 trat diese Bestimmung mit 1. Juli 2007 in Kraft. Dazu wurde in den EB zu RV (1169 BlgNR 22.GP, 36) festgehalten, für diese Verpflichtung solle noch eine längere Legisvakanz bis 1.7.2007 vorgesehen werden, um den Berufsträgern die Umstellung zu erleichtern.

Gemäß § 11 Abs 1a ERV 2006 idgF liegen ab 1.7.2007 die generellen technischen Möglichkeiten für Rechtsanwälte und Notare vor, die nach dieser Verordnung zugelassenen Eingaben und im Original vorzulegende Beilagen im Grundbuch- oder Firmenbuchverfahren im elektronischen Rechtsverkehr einzubringen (§ 89c Abs 5 GOG). Liegen die technischen Möglichkeiten dafür im Einzelfall nicht vor, so ist dies vom einbringenden Rechtsanwalt oder Notar zu der nicht im elektronischen Verkehr übermittelten Eingabe glaubhaft zu machen.

Gemäß § 84 Abs 1 ZPO hat das Gericht die Beseitigung von Formgebrechen, welche die ordnungsmäßige geschäftliche Behandlung eines überreichten Schriftsatzes zu hindern geeignet sind, von Amts wegen anzuordnen.

Gemäß § 84 Abs 2 ZPO ist es als derartiges Formgebrechen insbesondere anzusehen, wenn die Vorschriften der §§ 75 und 77 nicht beachtet werden, oder wenn es an der erforderlichen Anzahl von Schriftsatzexemplaren oder von Rubriken fehlt.

Bei Formgebrechen im Sinne des § 84 ZPO handelt es sich um Parteifehler, durch welche die Formvorschriften über Schriftsätze verletzt werden. § 84 Abs 2 ZPO verweist ausdrücklich auf die Bestimmungen über Schriftsätze und die Zahl der erforderlichen Schriftsatzexemplare. Dazu gehören insbesondere die Vorschriften über die notwendigen Angaben im Schriftsatzkopf, die Anwaltsunterschrift in Prozessen mit Anwaltspflicht, sonst die Unterschrift der Partei selbst oder ihres nicht anwaltlichen Vertreters, über die Bezugnahme auf Urkunden und die Beilegung notwendiger Urkunden (vgl Kodek in Fasching/Konecny² II2 §§ 84, 85 ZPO Rz 66 mwN).

Nach dieser Definition liegt ein Formmangel im vorliegenden Fall nicht vor, weil es nicht um die Frage der Form der Eingabe geht, sondern um die Art ihrer Übermittlung an das Gericht. Der ERV stellt nämlich bloß eine Sonderform der Kommunikation zwischen Parteien und Gericht dar (vgl Konecny in Fasching/Konecny² II 2 § 74 ZPO Rz 45 mwN).

Selbst wenn man in der Nichtbeifügung der Glaubhaftmachung gemäß § 11 Abs 1a letzter Satz ERV 2006 bzw in der postalischen Übermittlung des Schriftsatzes trotz Vorliegens der technischen Voraussetzungen einen Formmangel sehen wollte, würde dies zu keinem anderen Ergebnis führen: Die Verbesserung von Formmängeln ist nur erforderlich, wenn diese die geschäftsordnungsmäßige Behandlung eines Schriftsatzes zu hindern geeignet sind. Durch die Formulierung im § 84 Abs 1 ZPO soll die Verbesserungsbedürftigkeit von Formmängeln auf erhebliche Fälle eingeschränkt werden. Mängel, die die Weiterbehandlung des Schriftsatzes nicht verhindern, können gar nicht zum Gegenstand eines - das Hauptverfahren verzögernden - Verbesserungsverfahrens gemacht werden. Nicht entscheidend ist, ob die tatsächliche Bearbeitung erschwert ist; entscheidend ist vielmehr, ob vom Gesetz als unerlässlich angesehene Formvorschriften verletzt wurden (vgl Kodek aaO, Rz 69f mwN).

Die Nichtbeifügung der erwähnten Glaubhaftmachung bzw die Einbringung des Schriftsatzes im postalischen Weg (hier voraus per Fax) ist nicht geeignet, die geschäftsordnungsgemäße Behandlung des Schriftsatzes zu hindern: Der Klagevertreter hat auf der Eingabe vermerkt, dass eine Gleichschrift gemäß § 112 ZPO an den Beklagtenvertreter übermittelt werde und im Schriftsatz selbst angeführt, eine Gleichschrift möge durch das Gericht an den Sachverständigen übermittelt werden. Im vorliegenden Fall kann daher auch nicht davon gesprochen werden, dass bei elektronischer Einbringung des Schriftsatzes beim Gericht sofort verarbeitbare Daten - wie etwa bei einer Klageeinbringung - zur Verfügung stünden (vgl dazu allgemein Konecny aaO Rz 40). Der angefochtene Beschluss war daher ersatzlos zu beheben. Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht der klagenden Partei lediglich einen befristeten Verbesserungsauftrag dahin zu erteilen haben, den gegenständlichen Schriftsatz auch im Original einzubringen, weil er bislang nur im Faxweg eingebracht wurde (vgl dazu Kodek aaO, Rz 85).

Der an das Rekursgericht gerichtete Antrag des Klägers, dem Rekurs aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, ist angesichts der ersatzlosen Behebung des angefochtenen Beschlusses hinfällig und der Antrag mangels Beschwer zurückzuweisen. Im Übrigen wäre dieser Antrag an das Erstgericht zu richten gewesen (§ 524 Abs 2 ZPO).

Der Ausspruch über den Wert des Streitgegenstandes beruht auf § 500 Abs 2 Z 1 lit b ZPO: Die Bewertung des Feststellungsbegehrens durch den Kläger erscheint angemessen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

Der Ausspruch über die Zulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses beruht auf § 528 Abs 1 ZPO, weil - soweit überblickbar - eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu § 89c Abs 5 GOG nicht vorliegt.

Oberlandesgericht Wien

1016 Wien, Schmerlingplatz 11

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