JudikaturJustiz15Os75/19x

15Os75/19x – OGH Entscheidung

Entscheidung
11. September 2019

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. September 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Setz Hummel in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Leitner als Schriftführerin im Verfahren zur Auslieferung des Srdan P***** zur Strafverfolgung an die Republik Montenegro, AZ 21 HR 25/18t des Landesgerichts für Strafsachen Graz, über den Antrag des Betroffenen auf Erneuerung des Verfahrens nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Die Staatsanwaltschaft Graz führt zu AZ 20 Hst 22/18d ein Verfahren zur Auslieferung des Srdan P***** zur Strafverfolgung an die Republik Montenegro.

Nach dem Inhalt des Auslieferungsersuchens steht Srdan P***** im Verdacht, am 27. Oktober 2015 in B***** auf einer Promenade Goran D***** vorsätzlich getötet zu haben, indem er aus dem Raum einer ehemaligen Schießscharte drei Schüsse aus einem halbautomatischen Gewehr abgab, wobei das Opfer von einer Kugel in den Brustbereich getroffen wurde, von der Promenade ins Meer stürzte und die Verletzungen zum Tod führten. Ferner soll er sich am bzw vor dem Tattag eine Waffe, nämlich ein halbautomatisches Gewehr der Marke „Heckler Koch“, illegal beschafft und getragen haben.

Mit Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 5. Oktober 2018, GZ 21 HR 25/18t 30, wurde die Auslieferung des Srdan P***** zur Strafverfolgung an die Republik Montenegro für (nicht un-)zulässig erklärt.

Der dagegen erhobenen Beschwerde gab das Oberlandesgericht Graz mit Beschluss vom 16. Jänner 2019, AZ 9 Bs 452/18s (ON 40 des HR Aktes), nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Beschluss richtet sich, gestützt auf die Behauptung einer Verletzung im „Grundrecht auf Leben bzw Freiheit und Sicherheit gemäß Art 2 Abs 1 und Art 5 Abs 1 MRK“, der Antrag des Betroffenen auf Erneuerung des Verfahrens nach § 363a StPO (per analogiam; RIS Justiz RS0122228).

Dazu bringt er vor, es bestehe die konkrete Gefahr, dass er im Fall seiner Auslieferung von Dritten ermordet werde, „zumal Polizei und Justiz in Montenegro nicht in der Lage sind, Verdächtige zu identifizieren und Morde [in Haftanstalten] zu verhindern“.

Eine Auslieferung kann für den Aufenthaltsstaat eine Konventionsverletzung bedeuten, wenn ein konkretes Risiko besteht, dass die betroffene Person im Empfangsstaat einer Strafe oder Behandlung ausgesetzt wird, welche die Schwelle zur menschlichen und erniedrigenden Behandlung erreicht (Art 3 MRK) oder er getötet werde (Art 2 MRK; RIS Justiz RS0123229, RS0123201; vgl auch Göth Flemmich in WK 2 ARHG § 19 Rz 7 f).

Der Beschwerdeführer hat dabei die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen, ernsthaften Gefahr schlüssig nachzuweisen, wobei der Nachweis hinreichend konkret sein muss. Die bloße Möglichkeit des Risikos einer Grundrechtsverletzung reicht nicht aus (RIS Justiz RS0123229).

Geht die Gefahr für Leib und Leben nicht von staatlicher Seite aus, muss der Beschwerdeführer nicht nur nachweisen, dass die Gefahr eine unmittelbar drohende ist, sondern auch, dass die staatlichen Autoritäten nicht in der Lage sind, ihn ausreichend vor dieser Gefahr zu schützen (13 Os 150/07v).

Diesen Kriterien wird der Antrag nicht gerecht. Denn allein mit dem Verweis auf die (allgemeinen) Ausführungen im Sachverständigengutachten (ON 23), wonach Polizei und Justiz in Montenegro bei Abrechnungen zwischen kriminellen Gruppen nur sehr beschränkt in der Lage gewesen seien, Verdächtige zu identifizieren und Morde zu verhindern, ohne sich jedoch mit den diesbezüglichen Erwägungen des Beschwerdegerichts auseinandergesetzt zu haben (vgl aber RIS-Justiz RS0124359), gelingt es dem Beschwerdeführer nicht, eine konkrete Gefahr für sein Leben bei Übergabe an die montenegrinischen Behörden plausibel zu machen.

Weshalb eine Verletzung von Art 5 MRK vorliegen sollte, führt der Antrag nicht aus. Im Übrigen kommen hinsichtlich dieses Grundrechts ausschließlich die Bestimmungen des GRBG zur Anwendung (RIS Justiz RS0122737 [T26]).

Der Antrag des Srdan P***** auf Erneuerung des Strafverfahrens war daher – bei nichtöffentlicher Beratung (§ 363b Abs 2 Z 3 StPO) – zurückzuweisen.

Rechtssätze
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