JudikaturJustiz13dBl605/97

13dBl605/97 – LG für Strafsachen Wien Entscheidung

Entscheidung
03. September 1997

Kopf

Das Landesgericht für Strafsachen Wien als Beschwerdegericht hat durch Hofrat Dr.Otto Bemmer als Vorsitzenden, LG.VP.HR.Dr.Otto Deibner (Berichterstatter) und Hofrat Dr.Klaus Bohe als beisitzende Richter in der Strafsache gegen K***** wegen Vergehens nach den §§ 15, 127 StGB über die seitens der Bewährungshelferin Waltraud FOX-WALLNER gegen den auf § 494 a Absatz 1 Ziffer 4 StPO gegründeten Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 8.7.1997, 16 U 591/97m-4, erhobene Beschwerde in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

1. Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.

2. Aus Anlaß der Beschwerde wird der angefochtene Beschluß aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Text

Begründung:

Der 1970 geborene K***** scheint bisher wie folgt vorbestraft auf:

1. BG Mödling vom 25.4.1991, 6 U 244/91, § 127 StGB, 30 Tagessätze a

S 150,--;

2. BG Villach vom 26.8.1993, 5 U 331/93, §§ 127, 134 Absatz 1 StGB, 70 Tagessätze a S 100,--;

3. BG Schwechat vom 15.10.1993, U 213/93, § 125 StGB, 30 Tagessätze a

S 50,--;

4. BG Floridsdorf vom 11.2.1997, 14 U 733/96, §§ 15, 127 StGB, 60 Tagessätze a S 30,--, bedingte Strafnachsicht, Probezeit 3 Jahre, Bestellung eines Bewährungshelfers.

K***** hat nun am 9.5.1997 versucht, drei Würste im Gesamtwert von S 47,70 Verfügungsberechtigten der Firma Zielpunkt in Bereicherungsvorsatz wegzunehmen; er hat dies damit begründet, daß er kein Geld (Seite 17) bzw. die Tat "aus Dummheit" begangen habe (Seite 21), doch wurden bei ihm anläßlich seiner Anhaltung S 150,-- an Bargeld vorgefunden (Seite 23). Für diese Tat wurde K***** daher mit Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 8.7.1997, 16 U 591/97m-4, wegen des Vergehens nach den §§ 15, 127 StGB schuldig erkannt, zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen a S 50,--, für den Fall der Uneinbringlichkeit zu 35 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt, gleichzeitig jedoch der auf § 494 a StPO gegründete Beschluß gefaßt, daß die Vorstrafe Punkt 4. oben widerrufen werde.

Da der bei Urteilsverkündung anwesende, wenn auch anwaltlich nicht vertretene Angeklagte auf Berufung und Beschwerde verzichtet hat, wurden beide Entscheidungen durch den Protokolls- und Urteilsvermerk ON 4 des Aktes beurkundet, von einer Ausfertigung der Entscheidungen jedoch Abstand genommen.

Obwohl sohin dem Erstgericht das Bestehen einer Bewährungshilfe bekannt war und ihm der Vorakt 14 U 733/96 seit 23.6.1997 bis zur Urteilsverkündung vorgelegen ist, wurde die Bewährungshelferin zur Hauptverhandlung nicht geladen und daher auch entgegen § 494 a Absatz 3 StPO zur Widerrufsfrage nicht gehört.

Am 11.7.1997 hat die Bewährungshelferin die Beschwerde ON 5 dem Erstgericht zugehen lassen, worin

1. auf den Verstoß gegen § 494 a (nicht Absatz 4 Ziffer 3, sondern) Absatz 3 StPO verwiesen wird;

2. wird ausgeführt, es erscheine der Bewährungshelferin sinnvoller, den Verurteilten bei seinem Bemühen um den Aufbau eines geordneten Lebens zu unterstützen, ihm bei seiner Schuldenregulierung zu helfen und deshalb die bedingte Strafnachsicht wie auch die Bewährungshilfe zu belassen.

Der Beschwerdesenat hat erwogen:

Eine Befugnis der Bewährungshilfe, zugunsten eines erwachsenen Angeklagten Rechtsmittel gegen Urteile oder Beschlüsse auszuführen, kann weder direkt aus dem Gesetz (§§ 282, 465, 481, 498 Absatz 2 StPO) noch im Wege der Analogie etwa aus den §§ 455 Abs. 2 StPO, 32 (5), 40, 48 Z 5 JGG abgeleitet werden (13 Os 134/96, EvBl 1972/140 u. a.). Zwischen einem Probanden und der Bewährungshilfe besteht auch kein Vollmachtsverhältnis im Sinn des § 39 StPO, abgesehen davon, daß die gegenständliche Beschwerde nicht im Namen des Verurteilten ausgeführt worden ist, mag auch der Rechtsmittelverzicht des K***** gemäß § 466 Absatz 1 3. Satz StPO rechtsunwirksam gewesen sein.

Die sohin unzulässige Beschwerde der Bewährungshelferin war daher zurückzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Der Umstand, daß die Bewährungshilfe zur Hauptverhandlung erster Instanz nicht geladen war, betrifft einen dem formellen Recht angehörigen Mangel, kann daher auch nicht zum Anlaß einer amtswegigen Aufhebung des Beschlusses gemacht werden (§ 477 Absatz 1 StPO).

Die Frage, ob es gemäß § 53 Absatz 1 StGB zusätzlich zu der gegenständlichen Verurteilung auch des Widerrufs der bedingt nachgesehenen Vorstrafe bedurfte, ist im angefochtenen Beschluß nicht festgestellt worden (Seite 31), gehört aber dem materiellen Rechtsbereich an. Für den Widerruf spricht nach derzeitiger Aktenlage die vierfach einschlägige Vorstrafenbelastung und der rasche Rückfall des Verurteilten innerhalb offener Probezeit, dagegen der sehr geringe Warenwert. Die sohin dem Ersturteil mangelnde Feststellung, aus welchen Gründen der Widerruf zusätzlich zur nunmehr ausgesprochenen Strafe erforderlich ist und nicht mit einer bloßen Verlängerung der Probezeit oder mit einem Absehen vom Widerruf vorgegangen werden konnte, darf vom Rechtsmittelgericht nicht zum Nachteil eines Verurteilten in eine Entscheidung hineininterpretiert werden, abgesehen davon, daß mangels Übertragung des Hauptverhandlungsprotokolles die möglichen Erwägungen des erkennenden Richters erster Instanz auch nicht aus der Aktenlage erschlossen werden können.

Es war daher aus Anlaß der unzulässigen Beschwerde der Bewährungshilfe gemäß § 477 Absatz 1 StPO mit amtswegiger Aufhebung des Beschlusses vorzugehen.

Im nunmehr auf die Voraussetzungen des § 494 a Absatz 1 Ziffern 2 und 4 sowie Absatz 6 StPO eingeschränkten Entscheidungsumfang wird die Bewährungshelferin zu hören sein; der neuerlichen Entscheidung zugrunde zu legen werden aber nur jene Tatsachen sein, welche einer Überprüfung zugänglich sind und nicht bloße Werturteile oder Allgemeinfloskeln darstellen, welche letztlich darauf hinauslaufen, daß die Belassung bedingter Strafnachsicht jedenfalls zielführender als jeglicher Vollzug sei, weil durch diese Argumentation das Institut unbedingter Strafen wie auch des Widerrufs bedingt nachgesehener Vorverurteilungen generell in Frage gestellt wird, eine solche Interpretation jedoch in der gegenwärtigen Rechtslage keine Deckung findet.

Landesgericht für Strafsachen Wien

Landesgerichtsstraße 11, 1082 Wien

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