JudikaturJustiz12Rs57/11f

12Rs57/11f – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
11. Mai 2011

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Richter Dr. Elisabeth Nagele als Vorsitzende, Dr. Klaus Henhofer und Dr. Bernhard Prommegger in der Sozialrechtssache der Klägerin C***** C*****, *****, vertreten durch Gerda Klingenbrunner ua, Kammer für Arbeiter und Angestellte für Salzburg, gegen die Beklagte Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, vertreten durch ihren Angestellten Dr. Friedrich Stolz, Landesstelle Salzburg, wegen Berufsunfähigkeitspension über den Rekurs der Beklagten gegen den Beschluss des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 22. März 2011, 18 Cgs 164/09i-16, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Dem Rekurs wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass die Gebühren des Sachverständigen Univ.-Doz. Dr. C***** G***** für das Gutachten vom 18. November 2010 (ON 10) mit EUR 644,40 (anstatt EUR 784,00) bestimmt werden.

Die Änderung der Auszahlungsanordnung wird gemäß § 527 Abs 1 ZPO dem Erstgericht übertragen.

Der Revisionsrekurs ist gemäß § 528 Abs 2 Z 5 ZPO jedenfalls unzulässig.

Text

Begründung:

Der mit der Erstattung eines Gutachtens über den Krankheitszustand und die Arbeitsfähigkeit der Klägerin beauftragte Sachverständige Univ.-Doz. Dr. C***** G***** hat die Klägerin persönlich untersucht. Außerdem hat er diverse von der Klägerin vorgelegte bzw. von ihm selbst beigeschaffte fachärztliche Befunde eingesehen, kopiert und auf den Seiten 9 bis 12 des Gutachtens auszugsweise wiedergegeben, darunter den radiologischen CT-Befund des Instituts Dr. D***** vom 2. Mai 2005 wie folgt: „Altersentsprechend unauffällig, fragliche kleine Zyste rechts occipital“. Der Sachverständige hat die diesem Befund zugrunde liegenden CT-Aufnahmen auch persönlich eingesehen, in seinem schriftlichen Gutachten aber nicht selbst befundet; dafür machte er unter der Position „Beurteilung Schädel-CT; OLG Wien Rs 183/92“ - zusätzlich zur Mühewaltungsgebühr nach § 43 Abs 1 lit d GebAG für die körperliche Untersuchung samt Befund und Gutachten - eine gesonderte Gebühr von weiteren EUR 93,60 geltend. Außerdem verzeichnete der Sachverständige neben der gemäß § 31 GebAG für Porti, Telefon, Kopien, Barauslagen etc. ohne nähere Aufschlüsselung begehrten Pauschale von EUR 25,00 eine Gebühr von EUR 22,70 für die eigene Beschaffung von zwei fachärztlichen Befunden und für seinen Schriftverkehr - gestützt auf § 31 Abs 1 Z 3 GebAG - weitere EUR 2,00 (alle genannten Beträge jeweils zuzüglich 20 % USt).

Die Beklagte sprach sich in ihrer Äußerung zum Gebührenantrag dem Grunde und der Höhe nach gegen die Honorierung der Position „Beurteilung Schädel-CT“ aus, weil die Aufnahmen bereits mehr als 5 Jahre alt und daher zur Feststellung des aktuellen neuropsychiatrischen Befundes nicht mehr geeignet gewesen seien; im Übrigen sei dem Sachverständigen ohnedies das fachärztliche Befundergebnis der CT-Bildserie vorgelegen. Weiters machte die Beklagte geltend, für die Beischaffung der vom Sachverständigen benötigten fachärztlichen Befunde gebühre - zusätzlich zur Mühewaltungsgebühr - keine gesonderte Honorierung bzw. seien die mit der Befundbeschaffung verursachten Kosten mit der nach § 31 Abs 1 Z 5 GebAG in Ansatz gebrachten Pauschalgebühr von EUR 25,00 abgegolten. Schließlich stehe dem Sachverständigen für den gesondert geltend gemachten Schriftverkehr mangels sachlicher Begründung keine Gebühr zu.

Der Sachverständige erstattete eine Gegenäußerung, wonach die CT-Aufnahmen vom Juni 2005 im Hinblick auf die seit 1990 auftretenden depressiven Episoden sehr wohl von Relevanz seien, um organpathologische Veränderungen des Gehirns als Ursache für die psychische Erkrankung ausschließen zu können. Die Gebühr für die Befundbeschaffung sei durch das GebAG begründet und im Übrigen auch von einer mit der Beklagten getroffenen Vereinbarung laut Protokoll vom 26. April 2010 gedeckt. Beim geltend gemachten Schriftverkehr handle es sich um die Einladung der Klägerin zur Untersuchung, wobei ohnedies nur die Urschrift, nicht aber die Kopie verrechnet worden sei.

Das Erstgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss die Gebühren des Sachverständigen für das schriftliche Gutachten ON 10 mit EUR 653,30 zuzüglich USt, insgesamt daher mit (gerundet) EUR 784,00 bestimmt; darin enthalten sind antragsgemäß EUR 93,60 netto für die Beurteilung der Schädel-Computertomographie, EUR 22,70 netto für die Befundbeschaffung und EUR 2,00 netto für den Schriftverkehr.

Zur Begründung führte das Erstgericht aus, bei der Frage, ob die Beurteilung der Schädel-Computertomographie notwendig gewesen sei, handle es sich um eine rein medizinische Frage, die nur der Sachverständige lösen könne. Dieser habe nachvollziehbar dargelegt, dass die Betrachtung der (älteren) Bilder notwendig gewesen sei, um organpathologische Ursachen der psychischen Störung ausschließen zu können. Weiters habe der Sachverständige zwei Facharztbefunde selbst beigeschafft, sodass er nachweislich einen Aufwand gehabt habe, der in Anlehnung an § 32 Abs 1 GebAG mit EUR 22,70 zu entlohnen sei, und zwar unabhängig von den diesbezüglichen Ergebnissen einer Besprechung am 26. April 2010. Schließlich sei der Sachverständige gemäß § 31 Abs 1 Z 3 GebAG berechtigt, zusätzlich zu den Kosten für die Reinschrift von Befund und Gutachten auch die Schreibgebühr für den im Zuge seiner Tätigkeit anfallenden Schriftverkehr zu verrechnen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Beklagten mit dem Abänderungsantrag, den Gebührenanspruch des Sachverständigen um die Positionen „Beurteilung Schädel-CT, Befundbeschaffung und Schriftverkehr“ im Ausmaß von EUR 118,30 netto zuzüglich 20 % USt, insgesamt daher um EUR 141,96 zu kürzen.

Die Rekurswerberin wiederholt im Wesentlichen ihre bereits in der Äußerung zum Gebührenantrag vorgetragenen Argumente gegen die Zweckmäßigkeit und Notwendigkeit, veraltete CT-Aufnahmen zu beurteilen. Bezüglich Befundbeschaffung und Schriftverkehr verweist die Rekurswerberin auf die nach der Besprechung mit dem Sachverständigen ergangene Entscheidung des Rekursgerichtes vom 19. Mai 2010, 12 Rs 61/10t.

Der Rekurs ist überwiegend berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Das Rekursgericht hat seit der grundlegenden Neugestaltung des § 34 GebAG mit dem Berufsrechtsänderungsgesetz 2008, BGBl I 2007/111, bereits wiederholt ausgesprochen, dass für die Befundung fremder CT-Aufnahmen - zusätzlich zur Mühewaltungsgebühr nach § 43 Abs 1 Z 1 GebAG - eine eigene Mühewaltungsgebühr nach § 34 Abs 3 Z 3 GebAG zusteht, die nach dem dafür tatsächlich erforderlichen Zeitaufwand zu bemessen ist und unter Berücksichtigung des im sozialgerichtlichen Verfahren gemäß § 34 Abs 2 GebAG vorzunehmenden 20 %igen Abschlags EUR 120,00 netto für jede, wenn auch nur begonnene Stunde beträgt (OLG Linz 2. Februar 2011, 12 Rs 13/11k uva). Diese Mühewaltungsgebühr steht dem Sachverständigen aber nicht schon dafür zu, dass er bestimmte Serienbilder - sei es im Zuge des Aktenstudiums oder auch zu einem späteren Zeitpunkt - persönlich einsieht, sondern gebührt ihm nur dann, wenn er die betreffenden Aufnahmen, soweit es im Einzelfall zweckmäßig und notwendig ist, unabhängig von den Ergebnissen der zumeist vorliegenden fachärztlichen (radiologischen) Beurteilung auch selbst - im Rahmen seines eigenen Faches - befundet und diesen eigenen Befund in das Gutachten einfließen lässt.

Im vorliegenden Fall hat der Sachverständige - neben zahlreichen anderen Facharztbefunden - lediglich den (fremden) radiologischen Befund des Instituts Dr. D***** zitiert, ohne einen eigenen Befund der betreffenden CT-Aufnahmen zu erstatten; diesbezüglich enthält der schriftliche Befund keinerlei Angaben, geschweige denn wird darauf in den gutachterlichen Schlussfolgerungen Bezug genommen. Schon mangels Erbringung einer für den Gebührenanspruch erforderlichen Leistung steht dem Sachverständigen daher eine zusätzliche Mühewaltungsgebühr nach § 34 Abs 3 GebAG nicht zu, sodass es hier nicht mehr entscheidend darauf ankommt, ob die neuerliche (eigene) Beurteilung fremder, fachärztlich bereits ausgewerteter CT-Aufnahmen - auch im Hinblick auf die vom Sachverständigen gerade im sozialgerichtlichen Verfahren zu beachtende Kostenökonomie (vgl Krammer/Schmidt, GebAG³ E 57 zu § 25) - zweckmäßig und notwendig war.

Ebenfalls unberechtigt ist die pauschal mit EUR 22,70 für „Befundbeschaffung, Ermittlung“ verzeichnete Gebühr, die das Erstgericht dem Sachverständigen in Anlehnung an die Gebühr für Zeitversäumnis nach § 32 Abs 1 GebAG zugesprochen hat. Das Rekursgericht vertritt dazu seit der ebenfalls ab 1. Jänner 2008 geltenden Neufassung des § 31 GebAG, womit die ersatzfähigen variablen Kosten in klarstellender Weise taxativ aufgelistet wurden, dass alle anderen Aufwendungen - wie die hier strittige Position - nunmehr aufgrund der ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung in § 31 Abs 2 GebAG mit der Gebühr für Mühewaltung abgegolten sind (stRspr; OLG Linz 28. April 2010, 12 Rs 48/10f; OLG Linz 19. Mai 2010, 12 Rs 61/10t uva). Für die mit der Erfüllung des Gutachtensauftrages notwendigerweise verbundene und in vielen Fällen auch zweckmäßige Beschaffung von medizinischen Unterlagen, die weder im Gerichtsakt erliegen noch seitens der Partei zur Begutachtungsuntersuchung mitgebracht werden, gebührt demnach ein Ersatz nur gemäß § 31 Abs 1 Z 3 GebAG, wodurch auch die Kosten für die Hilfskraft (Schreibkraft) abgegolten sind, sowie im Rahmen des § 31 Abs 1 Z 5 GebAG. Hingegen kann nach der neuen Rechtslage im Zusammenhang mit der Befundbeschaffung nicht mehr im Sinne der früheren Judikatur zu § 30 GebAG auf die Gebühr für Hilfskräfte zurückgegriffen werden, genauso wie auch eine (zusätzliche) Entschädigung nach dem Ansatz für Zeitversäumnis gemäß § 32 Abs 1 GebAG nicht in Betracht kommt.

Im konkreten Fall hat der Sachverständige gemäß § 31 Abs 1 Z 5 GebAG für Porti etc. einen Pauschalbetrag von EUR 25,00 verzeichnet und zugesprochen erhalten, der alle mit dem Gutachtensauftrag in Sozialrechtssachen üblicherweise verbundenen Barauslagen abdeckt; damit sind insbesondere auch die durch die Befundbeschaffung verursachten Portokosten abgegolten.

Weiters hat der Sachverständige EUR 2,00 für seinen Schriftverkehr geltend gemacht; es handelt sich dabei um die Gebühr für eine Seite, die als voll gilt, wenn sie mindestens 25 Zeilen mit durchschnittlich mindestens 40 Schriftzeichen enthält. Bei geringerem Umfang ist die Gebühr gemäß § 31 Abs 1 Z 3 GebAG für den entsprechenden Teil zu bestimmen. Der Sachverständige hat den Anspruch auf die (volle) Gebühr mit der Einladung der Klägerin zur Begutachtungsuntersuchung begründet, obwohl ein derartiges Schreiben in aller Regel kurz ist und nicht 25 ganze Zeilen umfasst. Bedenkt man aber, dass der Sachverständige zwei weitere - erfahrungsgemäß ebenfalls kurze - Schreiben zur Beschaffung der beiden genannten fachärztlichen Befunde verfassen musste, ist der Zuspruch der geltend gemachten Gebühr für insgesamt 25 Zeilen, die anteilsmäßig auf die drei genannten Schriftstücke entfallen, im Ergebnis berechtigt.

Hingegen ist der Gebührenanspruch des Sachverständigen in teilweiser Stattgebung des Rekurses um EUR 93,60 (Beurteilung Schädel-CT) und um weitere EUR 22,70 (Befundbeschaffung, Ermittlung), insgesamt daher um EUR 116,30 auf EUR 537,00 netto zu kürzen; zuzüglich 20 % Umsatzsteuer (EUR 107,40) beträgt der richtige Gebührenanspruch des Sachverständigen daher EUR 644,40.

Rechtssätze
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