JudikaturJustiz11Os27/24s

11Os27/24s – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. April 2024

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. April 2024 durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger und Mag. Fürnkranz und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und Mag. Riffel in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Novak als Schriftführer in der Strafsache gegen * P* und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch im Rahmen einer kriminellen Vereinigung nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 1, 130 Abs 1 und Abs 2 StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 42 Hv 68/23b des Landesgerichts Wiener Neustadt, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil dieses Gerichts vom 27. November 2023 (ON 265.3) erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Oberstaatsanwalt Dr. Sprajc, und des Verteidigers Dr. Arbacher zu Recht erkannt:

Spruch

Das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 27. November 2023, GZ 42 Hv 68/23b 265.3, verletzt

- im Schuldspruch des Angeklagten * S* zu I/A/ bis I/C/ § 129 Abs 1 Z 2 sowie § 130 Abs 2 (iVm Abs 1 erster und zweiter Fall) StGB,

- im Schuldspruch des Angeklagten * St* zu I/A/ § 130 Abs 2 (iVm Abs 1 erster Fall) StGB,

- in den Schuldsprüchen der Angeklagten * P*, * D* und * B* zu I/C/ § 130 Abs 2 (iVm Abs 1 zweiter Fall) StGB.

Dieses Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird hinsichtlich des Angeklagten S* in der rechtlichen Unterstellung der vom Schuldspruch zu I/A/ bis I/C/ erfassten Taten (auch) unter § 130 Abs 2 (iVm Abs 1 erster und zweiter Fall) StGB, hinsichtlich des Angeklagten St* in der rechtlichen Unterstellung der vom Schuldspruch zu I/A/ erfassten Taten (auch) unter § 130 Abs 2 (iVm Abs 1 erster Fall) StGB und hinsichtlich der Angeklagten P*, D* und B* in der rechtlichen Unterstellung der vom Schuldspruch zu I/C/ (jeweils) erfassten Tat (auch) unter § 130 Abs 2 (iVm Abs 1 zweiter Fall) StGB, demzufolge auch in den jeweils gebildeten Subsumtionseinheiten sowie in sämtlichen Strafaussprüchen (einschließlich der Vorhaftanrechnungen) aufgehoben und es wird die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Wiener Neustadt verwiesen.

Text

Gründe:

[1] Mit Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 27. November 2023, GZ 42 Hv 68/23b 265.3, wurden – soweit hier von Bedeutung – * S* des Verbrechens des „schweren gewerbsmäßigen Diebstahls teils durch Einbruch, teils im Rahmen einer kriminellen Vereinigung“ nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 1, „130 Abs 1 erster und zweiter Fall und Abs 2“ (richtig: 130 Abs 2 [ iVm Abs 1 erster und zweiter Fall]) StGB (I/A/, I/B/ und I/C/[1/]), * St* des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 1, „130 Abs 1 erster Fall und Abs 2“ (richtig: 130 Abs 2 [ iVm Abs 1 erster Fall]) StGB (I/A/) sowie * P*, * D* und * B* (P* als Beitragstäter nach § 12 dritter Fall StGB) jeweils des Verbrechens des schweren Diebstahls im Rahmen einer kriminellen Vereinigung nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, „130 Abs 1 zweiter Fall und Abs 2 “ (richtig: 130 Abs 2 [ iVm Abs 1 zweiter Fall]) StGB (I/C/) schuldig erkannt.

[2] Danach haben – soweit hier von Bedeutung –

I/ Nachgenannten fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar

A/ * S* und * St* im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB)

1/ im Zeitraum zwischen 26. und 28. November 2022 in M* dem Inhaber des Juweliergeschäfts M* Schmuckstücke im Wert von ca 3.000 Euro durch Einschlagen der Auslagenscheibe mit einem Vorschlaghammer;

2/ am 18. Dezember 2022 in S* dem Inhaber des Juweliergeschäfts D* Schmuckstücke im Wert von 24.538 Euro durch Einschlagen der Auslagenscheibe mit einer Axt;

B/ * S* allein in der Nacht zum 18. Dezember 2022 in M* Gewahrsamsträgern „des Blumenmarktes B * G mb H“ Bargeld in Höhe von 585 Euro, indem er die doppelflügelige Glasschiebetür zunächst aushebelte, um ins Innere des Geschäftslokals zu gelangen, und sodann den darin befindlichen Tresor aufstemmte, um das darin befindliche Bargeld zu entnehmen;

C/ am 1. Februar 2023 in L* Gewahrsamsträgern des Blumenmarktes B * G mbH“ Bargeld in Höhe von 127.705 Euro dadurch, dass sie bereits am Vortag mit einem von * P* angemieteten Fahrzeug und dem im Besitz von * S* befindlichen Pkw im Konvoi von Tschechien nach Österreich einreisten, in der Nacht zum 1. Februar 2023 die widerrechtlich erlangten Kennzeichen * auf das Täterfahrzeug montierten, die Nacht im E* in V* verbrachten, sodann am nächsten Tag am Parkplatz der „Blumen B * GmbH “ den Geldboten * R*, der das Geschäft mit einer schwarzen Tasche, in der sich die Tageslosungen der letzten Tage befanden, verlassen hatte und zum Fahrzeug mit dem Tresor ging, beobachteten und als dieser die Tasche auf den Boden stellte, um den Autoschlüssel aus seiner Jackentasche herauszunehmen, * B* und * D* sich mit Sturmhauben maskiert heranschlichen, die Tasche schnappten, davonliefen und mit dem von * S* gelenkten Täterfahrzeug fluchtartig zu dem sich im E* noch befindlichen P* fuhren, wo * S* diesem das Täterfahrzeug mit der Anweisung übergab, die tschechische Grenze zu passieren und das Fahrzeug von Spuren zu säubern, und zwar

1/ S*, D* und B* im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter;

2/ P* durch Leisten eines Beitrags zur genannten Straftat, indem er das Täterfahrzeug besorgte, gemeinsam mit seinen Komplizen und deren Tatplan unterstützend nach Österreich einreiste „und schließlich das Täterfahrzeug übernahm, um es über die tschechische Grenze zu verbringen und darin befindliche Spuren der Täter zu beseitigen“,

„wobei sie – mit Ausnahme von St* – den Diebstahl als Mitglied einer kriminellen Vereinigung unter Mitwirkung zumindest eines anderen Mitglieds dieser Vereinigung, jeweils in einem 5.000 Euro – sogar jeweils 50.000 Euro übersteigenden – P*, D* und B* in einem 127.705 Euro, * S* in einem 180.366 Euro und * St* in einem 52.076 Euro betragenden Wert, und überdies S* und St* (teilweise) durch Einbruch in ein Gebäude und zudem mit der Absicht begingen, sich durch die wiederkehrende Begehung von Diebstählen eine längere Zeit hindurch ein nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen zu verschaffen (§ 70 Abs 1 Z 3 StGB)“.

[3] Sämtliche Schuldsprüche erwuchsen in Rechtskraft. Über die Berufung des Angeklagten S* gegen den Strafausspruch (ON 295.2) hat das Oberlandesgericht Wien (AZ 18 Bs 38/24f) noch nicht entschieden.

Rechtliche Beurteilung

[4] Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend au sführt , steht das erwähnte Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt (ON 265.3) mit dem Gesetz nicht im Einklang:

[5] 1/ Die Annahme der Qualifikation des § 130 Abs 2 iVm Abs 1 erster Fall StGB setzt (unter anderem) voraus, dass es dem Täter darauf ankommt, sich durch die wiederkehrende Begehung von schweren Diebstählen (§ 128 Abs 1 StGB) oder Diebstählen durch Einbruch (§ 129 Abs 1 StGB) längere Zeit hindurch ein nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen zu verschaffen.

[6] Ein diese Subsumtion tragendes Sachverhaltssubstrat ist den Entscheidungsgründen, denen zufolge die Absicht der Angeklagten S* (im Urteil in diesem Zusammenhang offenbar versehentlich als „Erstangeklagter“ [US 9] bezeichnet, [vgl aber US 6 f]) und St* auf die wiederkehrende Begehung (nur) von „Diebstählen“ (US 7, 9) gerichtet war, nicht zu entnehmen.

[7] Neben der in § 70 Abs 1 StGB umschriebenen Absicht erfordert die rechtliche Annahme gewerbsmäßiger Begehung (hier: nach § 130 Abs 2 iVm Abs 1 erster Fall StGB), dass der Täter – von der hier auf Basis de s Urteilssachverhalts nicht indizierten Variante des § 70 Abs 1 Z 2 StGB abgesehen – entweder unter Einsatz besonderer Fähigkeiten oder Mittel handelt, die eine wiederkehrende Begehung nahelegen (Z 1 leg cit), oder (innerhalb der in § 70 Abs 3 StGB genannten Zeitspanne) bereits zwei solche Taten begangen hat oder einmal wegen einer solchen Tat verurteilt worden ist (Z 3 leg cit).

[8] (Auch) In Ansehung des Angeklagten St* hat das Erstgericht zwar ausgesprochen, dass dieser „ab der dritten Tathandlung bereits zwei solche im Urteilsspruch angeführten gleichartigen Taten begangen“ hätte (US 9). Den Entscheidungsgründen sind allerdings nur (insgesamt) zwei Taten dieses Angeklagten, nämlich die im Zeitraum zwischen 26. November 2022 bis 28. November 2022 in M* (I/A/1/) und die am 18. Dezember 2022 in S* (I/A/2/) begangene, zu entnehmen (US 7).

[9] Die im Urteil referierte (US 6 f) Verurteilung des Angeklagten St* vom 11. April 2023 durch das Landesgericht Wiener Neustadt zu AZ 41 Hv 15/23a wegen „Einbruchsdiebstahls“ erfolgte hingegen nach den hier inkriminierten Taten, sodass (auch) die Anwendung des Kriteriums nach § 70 Abs 1 Z 3 zweiter Fall StGB ausscheidet (vgl RIS Justiz RS0133025).

[10] Hinsichtlich der dieser Verurteilung zugrundeliegenden Tat(en) (§ 70 Abs 1 Z 3 erster Fall StGB) bleibt zudem der Zeitpunkt ihrer Begehung offen (vgl § 70 Abs 3 StGB).

[11] Fallbezogen fehlt es daher in Ansehung des Angeklagten St* (auch) an Konstatierungen zu einer tauglichen Vortat iSd § 70 Abs 1 Z 3 StGB für die Annahme gewerbsmäßiger Begehung iSd § 130 Abs 2 iVm Abs 1 erster Fall StGB.

[12] Zur Variante des § 70 Abs 1 Z 1 StGB (Einsatz eines Vorschlaghammers und einer „mitgeführten Axt“ [US 7; vgl RIS Justiz RS0132006 [T1], RS0130766 [insb T4]) wiederum mangelt es an hinreichenden Feststellungen, dass der (als Mittäter agierende) Angeklagte St* dieses Gewerbsmäßigkeitskriterium in objektiver und subjektiver Hinsicht erfüllt hat (vgl 12 Os 139/19m; vgl auch Jerabek/Ropper in WK 2 StGB § 70 Rz 13/3, 19).

[13] 2/ Die Qualifikation des § 130 Abs 2 iVm Abs 1 zweiter Fall StGB ist erfüllt, wenn der Täter einen schweren Diebstahl nach § 128 Abs 1 StGB (oder einen Diebstahl durch Einbruch) als Mitglied einer kriminellen Vereinigung unter Mitwirkung eines anderen Mitglieds dieser Vereinigung begeht.

[14] Die rechtliche Annahme einer kriminellen Vereinigung setzt nach der Legaldefinition des § 278 Abs 2 StGB (unter anderem) voraus, dass der Zusammenschluss auf längere Zeit angelegt ist. Längerfristigkeit ist zu bejahen, wenn die kriminelle Vereinigung jedenfalls auf eine Zeitspanne von mehreren Wochen oder auf unbestimmte Dauer konzipiert ist (vgl Plöchl in WK 2 StGB § 278 Rz 8 [mit Judikaturnachweisen]). Ein Personenzusammenschluss zur Ausführung einer einzigen (in § 278 Abs 2 StGB angeführten) Katalogtat kann ausreichen, sofern Planung und Vorbereitung der Tat „längere Zeit“ in Anspruch nehmen (vgl RIS Justiz RS0088067 [T9], RS0125232 [T5]).

[15] Den Entscheidungsgründen zu I/C/ ist diesbezüglich nur zu entnehmen, dass die Angeklagten P*, S*, D* und B* „spätestens am 31. Jänner 2023“ gemeinsam den Tatentschluss zur Begehung „eines“ Diebstahls in Österreich fassten, wobei S*, der zuvor einen „Tipp bezüglich eines Geldtransports“ erhalten hatte, das Vorhaben organisierte und die genannten Mitangeklagten „für die Sache gewann“ (US 7 f).

[16] Fallbezogen enthält das Urteil demnach zur zeitlichen Komponente des Zusammenschlusses keine tragfähigen Feststellungen. Die Konstatierung, dass sämtliche Angeklagten (mit Ausnahme des * St*) den – in der Nacht zum 1. Februar 2023 verübten – (schweren) Diebstahl in L* (I/C/) als Mitglied einer kriminellen Vereinigung unter Mitwirkung zumindest eines anderen Mitglieds dieser Vereinigung begingen (US 9, 11), bleibt damit ohne Sachverhaltsbezug.

[17] 3/ Der Angeklagte S* hat zu I/B/ zusätzlich auch die Qualifikation des § 129 Abs 1 Z 2 StGB (Aufstemmen des Tresors) verwirklicht (US 7; vgl Stricker in WK 2 StGB § 129 Rz 151; Leukauf/Steininger/ Messner , StGB 4 § 129 Rz 44). Das Unterbleiben der Subsumtion dieses Sachverhalts (auch) unter diese Bestimmung verletzt daher gleichfalls das Gesetz.

[18] Die zu 1/ und 2/ aufgezeigten Rechtsfehler mangels Feststellungen gereichen den Angeklagten zum Nachteil, sodass deren Feststellung mit – aus dem Spruch ersichtlicher – konkreter Wirkung zu verknüpfen w ar .

[19] Die den Angeklagten S* betreffende Berufung ist zufolge der Aufhebung des Strafausspruchs gegenstandslos (RIS Justiz RS0133326).