JudikaturJustiz113Ds5/17v

113Ds5/17v – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
06. Juli 2018

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz als Disziplinargericht für Richter und Staatsanwälte hat durch den Senatspräsidenten Dr. Bergmayr als Vorsitzenden sowie die Senatspräsidentinnen Dr. Neundlinger und Dr. Gföllner in der Disziplinarsache des Richters i.R. des Bezirksgerichtes ***** Dr. ***** in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

1. Dr. ***** hat als Richter des Bezirksgerichtes ***** die ihm gemäß § 57 Abs 3 RStDG treffende Pflicht, wonach Richter sich in und außer Dienst so zu verhalten haben, dass das Vertrauen in die Rechtspflege und somit das Ansehen ihres Berufsstandes nicht gefährdet wird, dadurch verletzt, dass er am 3. Februar 2015 im Zuge des Verfahrens 10 U 201/14z eine Privatbeteiligte in deren Abwesenheit, jedoch in Anwesenheit des Bezirksanwaltes und eines Rechtspraktikanten als „Kampflesbe“ bezeichnet hat.

Er hat hiedurch ein Dienstvergehen nach § 101 Abs 1 RStDG begangen.

Gemäß § 101 Abs 3 RStDG wird vom Ausspruch über die Verhängung einer Disziplinarstrafe abgesehen.

Das Disziplinarverfahren wird in diesem Umfang gemäß § 130 Abs 1 zweiter Fall RStDG eingestellt.

2. Im Umfang des Verdachts weiterer Pflichtverletzungen im Sinne des § 57 Abs 1 und 3 RStDG, nämlich in den nachgenannten Verfahren des Bezirksgerichtes *****

a) zu 2 U 83/15i (vormals 10 U 201/14z) es unterlassen zu haben, vom Bezirksanwalt erhobene Widersprüche und Beweisanträge zu protokollieren,

b) zu 10 U 111/14i das Verhandlungsprotokoll unzureichend bzw unvollständig erstellt, Rechtsmittelentscheidungen ignoriert sowie eine überlange Verfahrensdauer vertreten zu haben,

c) zu 10 U 86/14p nach einem Freispruch den Urteilsvermerk bereits vor Rechtskraft des Urteils in das Register hineingestellt und nach Anmeldung eines Rechtsmittels durch die Staatsanwaltschaft sodann wieder entfernt zu haben,

d) zu 10 U 105/15h ein unrichtiges Protokoll erstellt, einen Protokollberichtigungsantrag der Staatsanwaltschaft keine Folge gegeben, Tatzeugen zur Verhandlung nicht geladen und vor bzw in der Hauptverhandlung mit Zeugen telefoniert zu haben,

e) zu 10 U 186/15w den Anordnungs- und Bewilligungsbogen, eine einjournalisierte ZMR-Anfrage und Zustellvorgänge betreffend Schriftstücke und Registerausdrucke sowie zu 10 U 193/15z und zu 10 U 197/15p Registerausdrucke aus Gerichtsakten jeweils nach Beendigung der Hauptverhandlung durch den Schriftführer in einen Papierkorb entsorgen haben zu lassen,

wird das Disziplinarverfahren gegen Dr. ***** gemäß § 130 Abs 1 erster Fall RStDG eingestellt.

Text

Begründung:

Dr. ***** war bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand am ***** als Richter des Bezirksgerichtes ***** tätig.

Dem Verfahren 2 U 83/15i (vormals 10 U 201/14z) lag ein Strafantrag zugrunde, in welchem dem Beschuldigten der Vorwurf gemacht wurde, die Privatbeteiligte am Körper misshandelt und dadurch fahrlässig verletzt zu haben. Am 3. Februar 2015 fand die Hauptverhandlung statt. In der Verhandlungspause vor dieser sprach der Disziplinarbeschuldigte in Anwesenheit des ihm zur Ausbildung zugeteilten Rechtspraktikanten mit dem ihm damals noch kollegial und amikal verbundenen Bezirksanwalt über die in der Verhandlung zu erwartenden Probleme. Dies war damals zwischen dem Bezirksanwalt und dem Disziplinarbeschuldigten üblich. Dabei wurde kein Blatt vor den Mund genommen, da das Gespräch unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand. In der irrigen Annahme, das Scheitern des Tatausgleiches sei der Privatbeteiligten zuzuordnen, bezeichnete der Disziplinarbeschuldigte diese dabei als „Kampflesbe“. Damit brachte er, wie es auch seinem Willen entsprach, zum Ausdruck, diese verhalte sich wie eine militante Frauenrechtlerin.

Wegen dieser Äußerung beschloss das Bezirksgericht ***** durch seine Vorsteherin die Ausgeschlossenheit des Disziplinarbeschuldigten in der erwähnten Strafsache, sodass sie in der Folge durch die der Geschäftsverteilung entsprechende erste Stellvertreterin weiter bearbeitet wurde.

Hinsichtlich dem festgestellten Geschehensablauf liegen zueinander zur Gänze in Einklang stehende Verfahrensergebnisse vor. Insbesondere machte der Disziplinarbeschuldigte entsprechende Angaben. Der Bedeutungsinhalt der Äußerung ergibt sich aus dem Wortlaut in Verbindung mit dem Gegenstand des Strafverfahrens und dem Kreis der Anwesenden.

Rechtliche Beurteilung

Mit Blick auf den stark abwertenden Charakter, welcher der Bezeichnung der Privatbeteiligten durch den Disziplinarbeschuldigten innewohnt, wird durch diese Äußerung das Vertrauen in die Rechtspflege und das Ansehen der Richter gefährdet. Daran vermag der Umstand nichts zu ändern, dass die Äußerung nicht in der Öffentlichkeit fiel, sondern in einem von Vertrautheit geprägten Gespräch zwischen dem Disziplinarbeschuldigten und dem Bezirksanwalt, wie es in Verhandlungspausen üblich war, fand es doch nicht unter vier Augen statt, sondern es war bei diesem Gespräch auch der dem Disziplinarbeschuldigten zur Ausbildung zugewiesene Rechtspraktikant anwesend. Diese Pflichtverletzung stellt ein Dienstvergehen im Sinne des § 101 Abs 1 RStDG dar. Die Äußerung ist in Anbetracht ihres schon angesprochenen Charakters nicht nur isoliert betrachtet völlig inakzeptabel, sondern auch unter Berücksichtigung des erwähnten ihr zugrunde liegenden Irrtums des Disziplinarbeschuldigten. Dazu kommt, dass der Disziplinarbeschuldigte schon zweimal disziplinarrechtlich verurteilt wurde. Mit Blick darauf, dass zum einen diese Verurteilungen schon viele Jahre zurückliegen  - am 22. Mai 2007 war über ihn die Ordnungsstrafe der Ermahnung wegen eines am 16. Mai 2006 begangenen Verstoßes gegen § 57 Abs 1 Satz 2 RStDG verhängt worden, am 11. Dezember 2012 die Disziplinarstrafe des Verweises wegen zwischen Anfang September 2009 und 1. Februar 2011 begangenen vier Verstößen gegen § 57 Abs 1 bzw Abs 3 RStDG - und zum anderen auch der gegenständliche Vorfall nähern eineinhalb Jahre, wozu kommt, dass neuerlich ähnlich gelagterte Vorfälle schon alleine angesichts der mitttlerweile erfolgten Versetzung in den Ruhestand ausgeschlossen sind, bedarf es keines Ausspruches über die Verhängung einer Disziplinarstrafe. Erachtet der Disziplinarsenat, dass nur die Disziplinarstrafe des Verweises zu verhängen ist, so kann dies gemäß § 110 Abs 2 RStDG ohne Verhandlung durch Beschluss erfolgen. Eine solche beschlussmäßige Erledigung kommt im Wege eines Größenschlusses bzw weil es sich dabei nicht um die Verhängung einer Disziplinarstrafe handelt, auch – wie hier – bei einem „Schuldspruch ohne Strafe“ gemäß § 101 Abs 3 RStDG in Betracht. War zu diesem Zeitpunkt das Disziplinarverfahren bereits eingeleitet, setzt der Ausspruch nach § 110 Abs 2 RStDG die zugleich erfolgende beschlussmäßige Einstellung des eingeleiteten Disziplinarverfahrens voraus (§ 131 Abs 1 RStDG; vgl Fellner/Nogratnig , RstDG-GOG 4 , § 110a Anm 1).

Da gemäß § 137 Abs 2 RStDG ein Kostenersatz durch den Disziplinarbeschuldigten nur im Falle der Verhängung einer Disziplinarstrafe oder des Schuldspruches unter Absehen der Verhängung einer Disziplinarstrafe durch nach mündlicher Verhandlung gefälltes Erkenntnis in Betracht kommt, entfällt eine Kostenersatzpflicht des Disziplinarbeschuldigten (vgl zur alten Rechtslage RIS-Justiz RS0072791, OGH Ds 1/79 [T 1]).

Das von ihm geführte Verfahren 10 U 111/14i stellte der Disziplinarbeschuldigte mit Beschluss vom 9. Dezember 2014 nach Entrichtung eines Geldbetrages von EUR 200,00 durch den Angeklagten gemäß § 200 Abs 5 StPO ein. Das Landesgericht Innsbruck gab der dagegen erhobenen Beschwerde der Staatsanwaltschaft Innsbruck mit Beschluss vom 9. Jänner 2015 statt; es hob den angefochtenen Beschluss auf und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens auf. Zur Begründung führte das Rechtsmittelgericht insbesondere an, dass wegen gegen dasselbe Rechtsgut gerichteter Taten bereits ein Verfahren im Jahre 2010 gemäß § 191 Abs 1 StPO und ein weiteres im Jahr 2013 nach Erbringung gemeinnütziger Leistungen gemäß § 201 StPO eingestellt wurden, sodass spezialpräventive Erwägungen ein neuerliches diversionelles Vorgehen verbieten würden; weiters würde einem solchen entgegenstehen, dass von einer erforderlichen zumindest bedingten Unrechtseinsicht oder partiellen Verantwortungsübernahme nicht die Rede sein könne. Mit Beschluss vom 6. November 2015 stellte der Disziplinarbeschuldigte das Verfahren neuerlich gemäß § 200 Abs 5 StPO ein, nunmehr nach Entrichtung eines Geldbetrages von EUR 600,00 durch den Angeklagten. In der Hauptverhandlung vom 23. Juli 2015 wies der Angeklagte zunächst darauf hin, sich wie bisher zu verantworten und erklärte darüber hinaus, dass es ihm leid tue, was passiert sei; es sei auch auf seine Alkoholisierung zurückzuführen gewesen. Inzwischen habe er den Alkoholkonsum drastisch reduziert, er sei nunmehr junger Vater. Er habe auch keine Zeit und kein Geld mehr, mit seinen Kollegen – so wie früher – viel auszugehen. Bei seiner ersten Einvernahme vor der Polizei hatte der Angeklagte eingeräumt, seinen Kontrahenten mit der Faust geschlagen zu haben, er habe ihn aber nicht im Gesicht treffen wollen, sondern gegen seine Brust, da sich dieser gerade geduckt habe, habe er ihn aber im Gesicht getroffen. In der Hauptverhandlung am 29. Juli 2014 hatte er angegeben, leicht angetrunken gewesen zu sein und seinem Kontrahenten ins Gesicht geschlagen zu haben.

Dieser Geschehensablauf ergibt sich zweifelsfrei aus dem Inhalt des Aktes 2 U 83/15i des Bezirksgerichtes ***** (vormals 10 U 201/14z des nämlichen Gerichtes).

Dem Disziplinaranwalt ist einzuräumen, dass der Disziplinarbeschuldigte bei seiner Entscheidung im zweiten Rechtsgang an die in der Rechtsmittelentscheidung des Landesgerichtes ***** vom 9. Jänner 2015 zum Ausdruck gekommene Rechtsauffassung gebunden war. Übersehen kann jedoch nicht, dass zum Zeitpunkt der zweiten Diversionsentscheidung gegenüber jenem der Entscheidung des Rechtsmittelgerichtes Neuerungen eingetreten waren. Zum einen ist in der oben wiedergegebenen Äußerung des Angeklagten in der Hauptverhandlung am 23. Juli 2015 eine Vergrößerung der Unrechtseinsicht zu erblicken, sodass die Annahme einer Verantwortungsübernahme in keinem, jedenfalls in keinem disziplinär fassbaren Spannungsverhältnis zur vorgelagerten Entscheidung des Rechtsmittelgerichtes stand. Die Veränderung der Lebenssituation des Angeklagten und die Anhebung des Zeitraumes des Wohlverhaltens nach dem Vorfall (von achteinhalb Monaten um nahezu zehn Monate) auf mehr als eineinhalb Jahre und zwei Wochen führt aber auch dazu, dass die Bejahung der Diversionsvoraussetzungen im Zusammenhang mit der Spezialprävention durch den Disziplinarbeschuldigten nicht in Widerspruch zur Ansicht des Rechtsmittelgerichtes, spezialpräventive Erwägungen würden ein neuerliches diversionelles Vorgehen verbieten, stand. Dementsprechend ist die am 6. November 2015 neuerlich erfolgte Einstellung des Strafverfahrens gemäß § 200 Abs 5 StPO in disziplinärer Hinsicht unbedenklich und das Disziplinarverfahren hinsichtlich dieses Vorwurfes gemäß § 130 Abs 1 erster Fall RStDG einzustellen.

Letzteres gilt auch für die weiteren im Zusammenhang mit den Verfahren 2 U 83/15i (vormals 10 U 201/14z) und 10 U 111/14i in Disziplinaruntersuchung gezogenen Vorgehensweisen des Disziplinarbeschuldigten und jenen in den Verfahren 10 U 86/14p, 10 U 105/15h, 10 U 186/15w, 10 U 193/15z und 10 U 197/15p.

Nach den Verfahrensergebnissen ist, wie der Disziplinaranwalt zu seinen Anträgen vom 25. April 2018 zutreffend ausführt, weder eine mangelhafte Protokollierung noch eine unzureichende bzw unvollständige Erstellung des Hauptverhandlungsprotokolls, die Veranlassung einer unrichtigen Registereintragung und ihrer nachfolgenden Entfernung, die unrichtige Protokollserstellung, eine unrichtige Entscheidung über einen Protokollberichtigungsantrag, die unterlassene Ladung von Tatzeugen zur Hauptverhandlung, die (unkorrekte) Führung von Telefonaten mit Zeugen vor bzw in der Hauptverhandlung und die Entsorgung von Bestandteilen aus Gerichtsakten nachweisbar.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen Punkt 1. dieses Beschlusses können der Disziplinaranwalt und der Disziplinarbeschuldigte Beschwerde erheben (§ 110 Abs 3 RStDG), die binnen zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung beim Oberlandesgericht einzubringen ist (§ 164 Abs 1 RStDG).

Rechtssätze
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