JudikaturJustiz10Bs50/24i

10Bs50/24i – OLG Graz Entscheidung

Entscheidung
22. Februar 2024

Kopf

Das Oberlandesgericht Graz hat durch die Richter Dr. Sutter (Vorsitz), Mag. a Tröster und Dr. in Steindl-Neumayr in der Strafsache gegen A* wegen des Vergehens der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 und 4 StGB über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 4. Februar 2024, GZ 131 Hv 1/23z-12, in nichtöffentlicher Sitzung den

BESCHLUSS

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu.

Text

BEGRÜNDUNG:

Mit Strafantrag vom 10. Juli 2023, AZ 31 St 158/23x, legt die Staatsanwaltschaft Graz dem am ** geborenen österreichischen Staatsangehörigen A* das Vergehen der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 und 4 StGB zur Last. Demnach habe er am 29. August 2020 in ** als Zeuge in einem Ermittlungsverfahren nach der Strafprozessordnung, und zwar im gegen B* wegen der Vergehen der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs 1 StGB und der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB geführten Verfahren, vor der PI ** als Kriminalpolizei bei seiner förmlichen Vernehmung zur Sache falsch ausgesagt, indem er angab, er habe gesehen, dass B* C* mit der Faust ins Gesicht geschlagen habe und dass B* mit der rechten Faust geschlagen habe und C* im Bereich des linken Kiefers erwischt worden sei (ON 8).

Nachdem sich der Angeklagte in der Hauptverhandlung vom 31. Juli 2023 im Sinne des Strafantrags schuldig bekannt und das Zustandekommen der Falschaussage damit erklärt hatte, dass C* ihm das so erzählt habe, erörterte der Einzelrichter ein diversionelles Vorgehen durch Bezahlung einer Geldbuße von EUR 870,-- (entsprechend 180 Tagessätzen zu je EUR 4,-- zuzüglich Pauschalkosten von EUR 150,--) bis längstens 31. Jänner 2024, wozu die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft keine Erklärung abgab und der Angeklagte seine Zustimmung erteilte, worauf die Verhandlung vertagt wurde (ON 10, AS 2f).

Nach Zahlung des Geldbetrags von EUR 870,-- per 1. Februar 2024 (Zahlungsbeleg) stellte das Erstgericht das gegen A* wegen des Vergehens der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 und 4 StGB anhängige Strafverfahren mit dem angefochtenen Beschluss gemäß § 200 Abs 5 iVm § 199 StPO ein (ON 12).

Dagegen richtet sich die Beschwerde der Staatsanwaltschaft mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens aufzutragen (ON 13). Die Beschwerdeführerin argumentiert, die Voraussetzungen für eine diversionelle Erledigung seien aufgrund entgegenstehender generalpräventiver Erfordernisse nicht gegeben, zumal mit Blick auf die Wichtigkeit richtiger und vollständiger Zeugenaussagen für die Rechtspflege gegenüber der Allgemeinheit klar signalisiert werden müsse, dass es sich dabei um keine „Kavaliersdelikte“ handle und mit Verurteilungen zu rechnen sei. Außerdem bestünden angesichts einer diversionellen Erledigung nach § 203 StPO im Jahr 2018 (wegen des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 2 WaffG), wobei das Verfahren nach Ablauf der Probezeit am 11. November 2019 gemäß § 203 Abs 4 StPO endgültig eingestellt worden sei, spezialpräventive Hindernisse.

Die Zustellung der Beschwerde der Staatsanwaltschaft an den Angeklagten zur Äußerung konnte unterbleiben, weil das Beschwerdeverfahren hier (ausnahmsweise) einseitig ausgestaltet ist (vgl § 209 Abs 2 StPO; Schroll/Kert in WK StPO § 209 Rz 12).

Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerde ist nicht berechtigt.

Gemäß §§ 198, 199, 200 StPO hat das Gericht das Verfahren einzustellen, wenn aufgrund eines hinreichend geklärten Sachverhalts feststeht, dass die Tat nicht mit mehr als fünf Jahren Freiheitsstrafe bedroht ist, eine Einstellung des Verfahrens nach den §§ 190 bis 192 StPO nicht in Betracht kommt, eine Bestrafung jedoch im Hinblick auf (hier relevant) die Zahlung eines Geldbetrags nicht geboten erscheint, um den Angeklagten von der Begehung strafbarer Handlungen abzuhalten oder der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken, die Schuld des Angeklagten nicht als schwer (§ 32 StGB) anzusehen wäre und – von Ausnahmen abgesehen - die Tat nicht den Tod eines Menschen zur Folge hatte.

Der angeklagte Sachverhalt ist aufgrund der seine fehlenden Wahrnehmungen zum Zustandekommen der Körperverletzung der C* klarstellenden Aussage des Angeklagten in der Hauptverhandlung vom 3. April 2023, AZ 9 Hv 130/20v des Landesgerichts für Strafsachen Graz (ON 4, AS 4), sowie seiner geständigen Verantwortung zum Vorwurf der falschen Beweisaussage im gegenständlichen Verfahren (ON 7.2.5 und ON 10, AS 2) hinreichend geklärt. Davon ausgehend liegt dem Angeklagten das mit drei Jahren Freiheitsstrafe bedrohte Vergehen der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 und 4 StGB zur Last.

Mit Blick darauf, dass die unrichtige Aussage des Angeklagten als Zeuge bei der polizeilichen Einvernahme in Bezug auf den Vorwurf der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB zum Nachteil der C* erfolgte und er die abgelegten falschen Angaben bei seiner Einvernahme als Zeuge im Rahmen der Hauptverhandlung selbst richtig stellte (ON 4, AS 4) und mit ihnen auch keine (aggravierenden) Falschbeschuldigung einhergingen, liegt keine schwere Schuld (§ 32 StGB) vor.

Entgegen der Ansicht der Staatsanwaltschaft schließen fallbezogen weder Aspekte der Spezialprävention noch generalpräventive Erfordernisse eine Diversion aus. Unter Berücksichtigung der gerichtlichen Unbescholtenheit des reumütig geständigen Angeklagten, der seine falschen zeugenschaftlichen Angaben vor der Kriminalpolizei von sich aus bei seiner gerichtlichen Zeugenvernehmung im Ausgangsverfahren richtigstellte, bestehen keine spezialpräventiven Erfordernisse einer urteilsmäßigen Straffestsetzung und erscheint eine diversionelle Erledigung nach Zahlung eines Geldbetrags (§ 200 StPO) ausreichend, um dem Angeklagten das Unrecht seiner Tat vor Augen zu führen und ihn künftig vor strafbaren Handlungen abzuhalten. Die in der Beschwerde angesprochene (im Entscheidungszeitpunkt mehrere Jahre zurückliegende) diversionelle Erledigung ändert daran nichts (vgl 12 Os 44/15k; Schroll/Kert in WK StPO § 198 Rz 39).

Auch wenn generalpräventive Erfordernisse im Bereich strafbarer Handlungen gegen die Rechtspflege verstärkt zu berücksichtigen sind und gerade in Verfahren, in denen Aussage gegen Aussage steht, der Richtigkeit von Kontrollbeweisen besondere Bedeutung zukommt und solcherart eine Präventionsbelangen zuwiderlaufende Bagatellisierung hintanzuhalten ist, ist im konkreten Fall vor allem im Hinblick darauf, dass der Angeklagte von sich aus bei seiner gerichtlichen Zeugenvernehmung im Ausgangsverfahren seine falschen Angaben richtigstellte (ON 4, AS 4), davon auszugehen, dass eine für den Angeklagten spürbare Reaktion (wie die Zahlung eines Geldbetrags nach § 200 StPO) im Rahmen eines Gerichtsverfahrens der Öffentlichkeit ein ausreichendes Signal der Rechtsbewährung vermittelt und generalpräventiven Zwecken genügt (vgl Schroll/Kert in WK StPO § 198 Rz 41, RIS-Justiz RS0123346).

Der Beschwerde muss daher der Erfolg versagt bleiben.

Der Ausschluss eines weiteren Rechtszugs stützt sich auf § 89 Abs 6 StPO.

Rechtssätze
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