JudikaturVwGhRa 2024/01/0030

Ra 2024/01/0030 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
08. April 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer und die Hofräte Dr. Fasching und Dr. Horvath als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Karger, LL.M., über die Revision der E S Z, in G, vertreten durch Mag. a Nadja Lorenz, Rechtsanwältin in 1070 Wien, Burggasse 116, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Jänner 2024, Zl. W240 2271451 1/17E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Die Revisionswerberin, eine Staatsangehörige Kameruns, stellte am 15. November 2022 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2 Mit Bescheid vom 20. April 2023 wies die belangte Behörde diesen Antrag, ohne in die Sache einzutreten, gemäß § 5 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) als unzulässig zurück, sprach aus, dass gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin III Verordnung) für die Prüfung des Antrages Kroatien zuständig sei, ordnete die Außerlandesbringung der Revisionswerberin gemäß § 61 Abs. 1 FPG an und stellte fest, dass ihre Abschiebung nach Kroatien zulässig sei.

3 Begründend führte die belangte Behörde aus, durch eine Überstellung der Revisionswerberin nach Kroatien würde es zu keiner Verletzung ihrer durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte kommen. Die Revisionswerberin habe während der Einvernahme vor der belangten Behörde angegeben, sie sei von einer ihr namentlich nicht bekannten Frau von Kamerun nach Kroatien gebracht worden, wo diese Frau sie in eine Wohnung eingesperrt und zur Prostitution gezwungen habe. Nach etwa einem Monat sei sie davongelaufen und habe sich etwa eineinhalb Wochen in einem Lager in Kroatien aufgehalten, woraufhin sie nach Österreich gereist sei. Eine Anzeige bei der kroatischen Polizei habe sie aus Angst vor dieser Frau nicht erstattet. Diesen Angaben der Revisionswerberin sei keinesfalls mangelnder Schutzwille oder mangelnde Schutzfähigkeit Kroatiens, das als sicherer Staat im Sinne des AsylG 2005 anzusehen sei, zu entnehmen. Die Revisionswerberin habe jedenfalls die Möglichkeit, sich an die dortigen Polizeibehörden zu wenden. Dass dies unter objektiven Gesichtspunkten nicht möglich oder zumutbar wäre, habe sich im Verfahren auf der Grundlage der wiedergegebenen Länderberichte nicht ergeben. Zum „physischen und psychischen Zustand“ der Revisionswerberin stellte die belangte Behörde fest, es bestehe der hochgradige Verdacht auf eine Posttraumatische Belastungsstörung. Es ergebe sich jedoch aus den Angaben der Revisionswerberin und auf der Grundlage der Länderberichte kein Hinweis darauf, dass ihr in Kroatien in einer der EMRK widersprechenden Weise eine erforderliche medizinische Versorgung vorenthalten worden wäre oder in der Zukunft vorenthalten werden könnte.

4 Der dagegen von der Revisionswerberin erhobenen Beschwerde gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Beschluss vom 16. Mai 2023 statt und behob den Bescheid gemäß § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA VG. Die Revision erklärte das BVwG gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig.

5 Dagegen erhob die belangte Behörde eine außerordentliche Revision, in der sie zur Zulässigkeit vorbrachte, das BVwG werfe dem BFA im angefochtenen Erkenntnis zu Unrecht grobe Ermittlungsmängel vor.

6 Der Verwaltungsgerichtshof hob mit Erkenntnis vom 26. September 2023, Ra 2023/18/0222, den Beschluss des BVwG vom 16. Mai 2023 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf. Begründend führte der Verwaltungsgerichtshof zusammengefasst aus, die vom BVwG angenommenen Ermittlungsmängel würden insgesamt eine Aufhebung des Bescheides der belangten Behörde vom 20. April 2023 und die Zurückverweisung der Angelegenheit an die belangte Behörde gemäß § 21 Abs. 3 BFA VG nicht tragen.

7 Im fortgesetzten Verfahren wies das BVwG mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 18. Jänner 2024 die Beschwerde der Revisionswerberin gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 20. April 2023 gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig.

8 Der Verwaltungsgerichtshof wies mit Beschluss vom 31. Jänner 2024, Ra 2024/01/0030 4, den Antrag der Revisionswerberin auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wegen Aussichtslosigkeit einer außerordentlichen Revision ab.

9 Sodann erhob die Revisionswerberin die vorliegende außerordentliche Revision.

10 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

11 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

12 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

13 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner (mittlerweile ständigen) Rechtsprechung wiederholt darauf verwiesen, dass die Sicherheitsvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 nur durch eine schwerwiegende, etwa die hohe Schwelle des Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GRC übersteigende allgemeine Änderung der Rechts- und Sachlage im zuständigen Mitgliedstaat widerlegt werden kann (vgl. etwa VwGH 15.4.2019, Ra 2019/01/0109, mwN).

14 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat im Allgemeinen kein Fremder ein Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, allerdings muss der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Solche liegen jedenfalls vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, aber bereits auch dann, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat der Abschiebung oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt (vgl. etwa VwGH 21.2.2022, Ra 2022/01/0023, mit weiteren Hinweisen, u.a. auf das Urteil des EGMR vom 13. Dezember 2016, Nr. 41738/10, Paposhvili gegen Belgien ).

15 Vor diesem Hintergrund vermag die Revision weder im Hinblick auf die vorgebrachte Vulnerabilität der Revisionswerberin als „Opfer von Menschenhandel“ noch in Bezug auf deren psychische Erkrankung eine vom Verwaltungsgerichtshof (erstmals) zu lösende grundsätzliche Rechtsfrage aufzuzeigen (vgl. zur nicht bestehenden Verpflichtung Österreichs zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts in einem Kroatien betreffenden Fall nach der Dublin III Verordnung jüngst auch VwGH 12.12.2023, Ra 2023/01/0305, mwN).

16 Soweit die Revision zur Zulässigkeit der Revision die Verletzung der Verhandlungspflicht nach § 21 Abs. 7 BFA VG geltend macht, ist ihr entgegenzuhalten, dass vorliegend § 21 Abs. 6a BFA VG zur Anwendung kommt, wonach das BVwG u.a. über Beschwerden gegen zurückweisende Entscheidungen im Zulassungsverfahren wozu auch das vorliegende Dublin Verfahren zählt ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung entscheiden kann (vgl. etwa VwGH 25.4.2018, Ra 2018/18/0168; 14.12.2018, Ra 2017/01/0169, jeweils mwN). Dass das BVwG von den diesbezüglich einschlägigen Leitlinien (vgl. insbesondere VwGH 30.6.2016, Ra 2016/19/0072) abgewichen wäre, zeigt die Revision nicht auf, zumal im vorliegenden Fall dem erstinstanzlichen Bescheid vom 20. April 2023 keine maßgeblichen Ermittlungsmängel zu Grunde lagen (vgl. bereits das erwähnte Vorerkenntnis Ra 2023/18/0222, oben Rn. 6) und überdies das in der Revision in diesem Zusammenhang ins Treffen geführte Erkenntnis VwGH 24.2.2015, Ra 2014/19/0050 ebenfalls (lediglich) die Verhandlungspflicht nach § 21 Abs. 7 BFA VG behandelt.

17 Soweit die Revision weitere Ermittlungs- bzw. Begründungsmängel geltend macht, vermag sie deren Relevanz nicht aufzuzeigen.

18 Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 8. April 2024

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