JudikaturVwGhRa 2023/04/0277

Ra 2023/04/0277 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
09. April 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kleiser sowie die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Vonier, über die Revision des A S in S, vertreten durch Dr. Peter Eigenthaler, Rechtsanwalt in 3180 Lilienfeld, Babenbergerstraße 33, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 2. Oktober 2023, Zl. LVwG AV 2445/001 2023, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde in einem Verfahren nach der GewO 1994 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Stadt St. Pölten; mitbeteiligte Partei: I GesmbH, S), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 1. Die mitbeteiligte Partei hat als Betreiberin einer näher bezeichneten gastgewerblichen Betriebsanlage am 18. Jänner 2023 die Änderung dieser Betriebsanlage (insbesondere durch Aufstellung eines WC Containers) gemäß § 81 GewO 1994 beim Bürgermeister der Stadt St. Pölten (belangte Behörde) angezeigt. Die belangte Behörde hat gemäß § 356 Abs. 1 GewO 1994 die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung für den 10. März 2023 zur Frage der Anwendbarkeit des Anzeigeverfahrens nach § 81 GewO 1994 kundgemacht. Darin wurde ausdrücklich festgehalten, dass den Nachbarn nur Parteistellung bezüglich der Wahl des Anzeigeverfahrens zukomme.

2 Mit Eingabe vom 9. März 2023 erstatteten mehrere Nachbarn, darunter der Revisionswerber, eine Stellungnahme zu diesem Änderungsvorhaben.

3 Mit Bescheid vom 4. Juli 2023 nahm die belangte Behörde die angezeigte Änderung der Betriebsanlage (insb.) gemäß § 81 Abs. 2 Z 7 und § 345 Abs. 6 GewO 1994 unter Vorschreibung mehrerer Auflagen zur Kenntnis. Unter einem wurden die (in der Stellungnahme vom 9. März 2023 erhobenen) Einwendungen der Nachbarn (und damit auch des Revisionswerbers) aufgrund der nicht vorliegenden Parteistellung als unzulässig zurückgewiesen.

4 2. Mit dem angefochtenen Beschluss vom 2. Oktober 2023 wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers als unzulässig zurück. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für nicht zulässig erklärt.

5 Das Verwaltungsgericht hielt fest, dass sich der Revisionswerber in der Stellungnahme vom 9. März 2023 gegen die Aufstellung des WC Containers ausgesprochen habe. Es seien Einwendungen dahingehend geltend gemacht worden, dass die Wohnqualität durch den aufgestellten WC Container beeinträchtigt werde. Der WC Container sei (nur) ca. 25 m von den Reihenhäusern der angrenzenden Anrainer entfernt, befinde sich in einem naturnahen Grünland Erholungsgebiet und passe weder optisch noch faktisch dorthin. Weiters seien Einwendungen erhoben worden, dass massive Geruchsbelästigungen, Lärmbelästigungen, Verstopfungen sowie Ungeziefer zu befürchten seien. Die Nachbarn wären zukünftig in unzumutbarer Weise einer Lärm und Geruchsbelästigung ausgesetzt. Einwendungen betreffend die Art des Anzeigeverfahrens so das Verwaltungsgericht weiter habe der Revisionswerber nicht erhoben.

6 In seinen rechtlichen Erwägungen wies das Verwaltungsgericht darauf hin, dass Nachbarn in einem Verfahren gemäß § 81 Abs. 2 Z 7 GewO 1994 nur eine beschränkte Parteistellung hinsichtlich der Frage hätten, ob die Voraussetzungen für das Anzeigeverfahren vorlägen. Hingegen kämen den Nachbarn keine weiteren subjektiv öffentlichen Nachbarrechte und insbesondere kein Recht auf Nichtgenehmigung der Betriebsanlage wegen Nichtvorliegens der in § 74 Abs. 2 GewO 1994 normierten Voraussetzungen zu. Der Verlust der Parteistellung könne nur im Fall der Durchführung einer ordnungsgemäß kundgemachten Verhandlung in Verbindung mit dem Unterlassen der Erhebung von (zulässigen) Einwendungen eintreten. Der Revisionswerber habe der Sache nach eine von der geänderten Betriebsanlage ausgehende Lärm und Geruchsbelästigung geltend gemacht, nicht aber das Vorliegen der Voraussetzungen für die Durchführung eines Anzeigeverfahrens bestritten. Da der Revisionswerber lediglich Einwendungen erhoben habe, zu deren Erhebung er aufgrund seiner beschränkten Parteistellung nicht berechtigt gewesen sei, aber keine Einwendungen hinsichtlich der Wahl des Anzeigeverfahrens, habe er seine Parteistellung verloren. Mit dem Verlust der Parteistellung des Revisionswerbers gehe auch das Recht auf Einbringung einer Beschwerde unter (Verweis auf VwGH 18.3.2015, 2013/04/0135).

7 3. Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

8 4. Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B VG).

9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG vom Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

11 5.1. Der Revisionswerber bringt vor, die Beachtung des rechtlichen Gehörs sei eine Grundsatzfrage von erheblicher Bedeutung. Infolge der unzweifelhaft bestehenden (und von der belangten Behörde durch die ihm eingeräumte Möglichkeit zur Erhebung von Einwendungen anerkannten) „Anrainerposition“ würden seine inhaltlichen Interessen durch die Bewilligung der geänderten Anlage jedenfalls berührt. Er habe eine Reihe von (näher dargestellten) „inhaltlichen Einwendungen“ erhoben, die seine Parteistellung festigen würden. Das Anzeigeverfahren könne nicht dazu führen, dass die Parteistellung und die Einwendungen nicht beachtet würden. Die Parteistellung könne auch nicht dadurch verloren gehen, dass gegen die Verfahrensart kein Einwand erhoben worden sei.

12 5.2. Gemäß § 81 Abs. 2 Z 7 GewO 1994 besteht (abweichend von der in § 81 Abs. 1 GewO 1994 grundsätzlich normierten Genehmigungspflicht) für Änderungen, die das Emissionsverhalten der Anlage zu den Nachbarn nicht nachteilig beeinflussen und die auf Grund der besonderen Situation des Einzelfalles erwarten lassen, dass überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden Auflagen Gefährdungen des Lebens oder der Gesundheit von Personen vermieden und Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinn des § 74 Abs. 2 Z 3 bis 5 GewO 1994 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden, keine Genehmigungspflicht. Nach § 81 Abs. 3 GewO 1994 sind derartige Änderungen der zuständigen Behörde vorher anzuzeigen. Nach § 345 Abs. 6 GewO 1994 hat die Behörde Anzeigen gemäß § 81 Abs. 3 GewO 1994 mit Bescheid zur Kenntnis zu nehmen, wenn die geforderten Voraussetzungen gegeben sind. Sind die gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfüllt, hat die Behörde dies gemäß § 345 Abs. 5 GewO 1994 mit Bescheid festzustellen und die Tätigkeit zu untersagen.

13 Der Verwaltungsgerichtshof hat unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 1. März 2012, B 606/11, und unter Abkehr von seiner früher vertretenen Auffassung, wonach den Nachbarn eine Parteistellung in Verfahren betreffend eine nur anzeigepflichtige Änderung einer Betriebsanlage nicht zukomme festgehalten, dass Nachbarn im Änderungsanzeigeverfahren nach § 81 Abs. 3 GewO 1994 eine beschränkte Parteistellung hinsichtlich der Frage zukommt, ob die Voraussetzungen für dieses Verfahren überhaupt vorliegen (siehe VwGH 12.9.2016, Ro 2015/04/0018, Rn. 15 bis 17; vgl. in ähnlicher Weise iZm einem Anzeigeverfahren nach § 76a GewO 1994 betreffend Gastgärten VwGH 23.11.2016, Ra 2014/04/0005, Rn. 21 bis 23).

14 Zu der in der Grundstruktur vergleichbaren beschränkten Parteistellung im vereinfachten Betriebsanlagengenehmigungsverfahren nach § 359b GewO 1994 hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass den Nachbarn kein Recht auf Nichtgenehmigung der Betriebsanlage wegen Nichtvorliegen der in § 74 Abs. 2 GewO 1994 normierten Voraussetzungen zukommt. Zwar hat die Behörde auch im vereinfachten Genehmigungsverfahren zusätzlich zur Prüfung der sonstigen Voraussetzungen (Nichtüberschreiten der Messgrößen, Aufzählung in einer Verordnung) eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, allerdings kommen den Nachbarn bei dieser Einzelfallprüfung keine durchsetzbaren subjektiv öffentlichen Rechte zu (vgl. zu allem VwGH 18.3.2015, Ro 2014/04/0034, mwN). Nichts Anderes kann aber für die hier maßgebliche beschränkte Parteistellung im Verfahren nach § 81 Abs. 3 GewO 1994 gelten. Dem Revisionswerber kommt daher kein subjektiv öffentliches Recht darauf zu, dass die belangte Behörde die von der angezeigten Änderung erfassten Tätigkeiten gemäß § 345 Abs. 5 GewO 1994 bescheidmäßig untersagt.

15 Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof festgehalten, dass eine beschränkte Parteistellung durch Einwendungen, mit denen nicht das Vorliegen der Voraussetzungen für die Durchführung eines bestimmten Verfahrens bestritten, sondern (in der Sache) eine von der geänderten Betriebsanlage ausgehende Belästigung geltend gemacht wird, nicht aufrechterhalten werden kann (vgl. wiederum iZm einem Verfahren nach § 359b GewO 1994 VwGH 18.3.2015, Ro 2014/04/0034, mwN).

16 Schließlich hat der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt klargestellt, dass die in vertretbarer Weise vorgenommene einzelfallbezogene Auslegung von Parteierklärungen (wozu auch die Beurteilung einer Parteierklärung in Bezug auf ihre Tauglichkeit als Einwendung gehört) nicht revisibel ist (vgl. etwa VwGH 24.1.2022, Ra 2021/07/0100 bis 0102, Rn. 11; VwGH 22.3.2019, Ra 2017/04/0137, Rn. 13; VwGH 24.10.2018, Ra 2018/04/0165, Rn. 20; jeweils mwN).

17 5.3. Ausgehend davon ist dem dargestellten Vorbringen des Revisionswerbers Folgendes zu entgegnen: Das Verwaltungsgericht ist in seiner Entscheidung zutreffend vom Vorliegen einer bloß (auf die Frage des Vorliegens der Voraussetzungen für ein Anzeigeverfahren nach § 81 Abs. 2 Z 7 GewO 1994) beschränkten Parteistellung des Revisionswerbers ausgegangen. Demnach kann der Revisionswerber anders als er offenbar meint eine inhaltliche Beeinträchtigung seiner Interessen nicht zum Gegenstand eines Anzeigeverfahrens machen. Seine beschränkte Parteistellung wurde im vorliegenden Verfahren auch nicht missachtet; vielmehr wurde ihm die Möglichkeit eingeräumt, das ihm zustehende Recht (auf Überprüfung der Voraussetzungen für das Anzeigeverfahren) geltend zu machen.

18 Es ist auch nicht als unvertretbar anzusehen, dass das Verwaltungsgericht die (in der Eingabe vom 9. März 2023 erhobenen, in Rn. 5 dargestellten) Einwendungen des Revisionswerbers (die auch von ihm selbst als „inhaltliche Einwendungen“ bezeichnet werden), mit denen der Sache nach eine Belästigung durch die geänderte Betriebsanlage geltend gemacht wurde, fallbezogen als nicht tauglich angesehen hat, um seine beschränkte Parteistellung aufrechtzuerhalten. Ausgehend davon ist es aber auch nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht die Parteistellung des Revisionswerbers als verloren gegangen erachtet und seine Beschwerde infolge dessen zurückgewiesen hat (vgl. dazu etwa VwGH 8.7.2020, Ra 2020/07/0032, Rn. 14, mwN).

19 6. In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

20 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 9. April 2024

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