JudikaturVwGhRa 2023/04/0056

Ra 2023/04/0056 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
09. April 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kleiser sowie die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Vonier, über die Revisionen der T Ziviltechniker GmbH in K, vertreten durch Dr. Christopher Toms, LL.M., Rechtsanwalt in 1010 Wien, Löwelstraße 20, gegen die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtes Wien 1. vom 20. Februar 2023, Zl. VGW 123/029/15386/2022 22 (protokolliert zu Ra 2023/04/0056), und 2. vom 27. Februar 2023, Zl. VGW 123/061/15387/2022 19 (protokolliert zu Ra 2023/04/0057), betreffend vergaberechtliche Nachprüfungsverfahren (mitbeteiligte Partei jeweils: Stadt Wien Wiener Wohnen, vertreten durch Dr. Christian Fink, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Salztorgasse 2/15), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

1 1. Die mitbeteiligte Partei führte als Auftraggeberin zwei offene Verfahren zur Vergabe jeweils eines Dienstleistungsauftrags mit dem Auftragsgegenstand „Begleitende Kontrolle“ betreffend ein Vorhaben in Wien, 22. Bezirk (erstes Vergabeverfahren), und ein Vorhaben in Wien, 23. Bezirk (zweites Vergabeverfahren), durch. Die Revisionswerberin legte in beiden Vergabeverfahren ein Angebot.

2 Mit Schreiben jeweils vom 6. Dezember 2022 teilte die Auftraggeberin der Revisionswerberin mit, dass ihr Angebot in beiden Verfahren ausgeschieden werde. Dies wurde damit begründet, dass mit den von der Revisionswerberin kalkulierten Zeitansätzen eine vollständige Leistungserbringung in näher bezeichneten Positionen nicht möglich sei. Es liege daher eine nicht plausible Zusammensetzung des Gesamtpreises vor, weshalb die Angebote gemäß § 141 Abs. 1 Z 3 BVergG 2018 auszuscheiden seien.

3 Die Revisionswerberin brachte gegen beide Ausscheidensentscheidungen Nachprüfungsanträge ein, in denen sie die Nichtigerklärung dieser Entscheidungen beantragte, auf ihre jahrzehntelangen Erfahrungen verwies und vorbrachte, sie habe widerlegt, dass die von ihr kalkulierte Stundenzahl nicht nachvollziehbar sei.

4 2.1. Mit dem erstangefochtenen Erkenntnis vom 20. Februar 2023 wies das Verwaltungsgericht Wien den zum ersten Vergabeverfahren eingebrachten Nichtigerklärungsantrag der Revisionswerberin nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ab. Weiters wurde ausgesprochen, dass die Revisionswerberin die von ihr entrichteten Pauschalgebühren selbst zu tragen habe und dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.

5 Das Verwaltungsgericht hielt zunächst fest, dass neben der Revisionswerberin elf weitere Bieter Angebote gelegt hätten und dass zwei Bieter darunter die Revisionswerberin um weniger als die Hälfte des geschätzten Auftragswertes angeboten hätten. Die Stundensätze für die Teilleistungspositionen, anhand derer eine qualitätsvolle Leistungserbringung möglich sei, seien von einem fünfköpfigen Team aus Bautechnikern der Auftraggeberin auf Basis von Begehungen und unter Einbeziehung von dokumentierten Erfahrungswerten ermittelt worden. Nach Einlangen der Angebote sei eine absolute Mindeststundenanzahl ermittelt worden. Die dazu in der mündlichen Verhandlung erstatteten Ausführungen des Ing. K (Leiter des Technikerteams der Auftraggeberin) erachtete das Verwaltungsgericht als technisch fundiert, inhaltlich nachvollziehbar und überzeugend. Ing. K habe auch plausibel dargelegt, dass die zunächst eruierten Zeitansätze nach Vorliegen der Angebote hinsichtlich möglicher Zeiteinsparungen geprüft und nach unten revidiert worden seien. Die Revisionswerberin habe nicht vorgebracht, inwiefern die derart ermittelten Zeitansätze der Auftraggeberin fehlerhaft oder überhöht gewesen wären.

6 Der Ausscheidensentscheidung sei so das Verwaltungsgericht weiter eine vertiefte Angebotsprüfung in einem kontradiktorischen Verfahren vorausgegangen. Die Auftraggeberin habe der Revisionswerberin in drei Schreiben (ua.) vorgehalten, dass die angebotenen Einheitspreise in näher bezeichneten Positionen nicht nachvollziehbar seien bzw. dass die angebotenen Zeitansätze in einer Position sehr niedrig kalkuliert zu sein schienen. Die Revisionswerberin sei aufgefordert worden, plausibel zu begründen, weshalb sie die kalkulierten Zeitansätze als ausreichend für die vollständige Leistungserbringung ansehe. Dabei sei darauf hingewiesen worden, dass in der fraglichen Position mehrere näher bezeichnete Kernleistungen zu erbringen seien. Die Revisionswerberin habe in ihrer dazu erstatteten Äußerung die Angaben über die kalkulierten Stunden bestätigt und festgehalten, es handle sich nicht um eine „lineare Aufwandsposition“ (sondern es sei am Beginn und am Ende der Ausführungsphase ein erhöhter Aufwand gegeben) und die Werte seien als Durchschnittswerte anzusehen, die aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung der Realität entsprechen würden.

7 In seiner rechtlichen Beurteilung hielt das Verwaltungsgericht unter Verweis auf näher zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fest, dass es sich bei der vertieften Angebotsprüfung um eine Plausibilitätsprüfung handle, bei der grob geprüft werde, ob ein seriöser Unternehmer die ausgeschriebenen Leistungen zu den angebotenen Preisen erbringen könne. Bei der Prüfung der Preisangemessenheit dürften glaubwürdig dargelegte Erfahrungen Berücksichtigung finden. Vorliegend habe die Auftraggeberin die Preisangemessenheit des Angebotes der Revisionswerberin durch sachkundige Personen anhand ausreichend detaillierter Unterlagen geprüft. Die Revisionswerberin habe die betriebswirtschaftliche Erklär und Nachvollziehbarkeit des Angebotspreises in einer Position trotz wiederholter Vorhalte durch die Auftraggeberin nicht plausibel und schlüssig darlegen können. So habe die Revisionswerberin nicht nachvollziehbar dargelegt, wie sie mit dem von ihr angenommenen (unter dem von der Auftraggeberin ermittelten Mindestaufwand liegenden) Zeitaufwand sämtliche Teilleistungen erbringen könne. Der bloße Hinweis darauf, es handle sich um Durchschnittswerte, stelle keine derartige Begründung dar. In der mündlichen Verhandlung sei zwar angegeben worden, dass Aufschlüsselungen verfügbar seien, diese seien jedoch nicht vorgelegt worden.

8 Es sei so das Verwaltungsgericht weiter nicht in Abrede zu stellen, dass die Revisionswerberin über Erfahrungswerte aus vergleichbaren Projekten verfüge, allerdings ergebe sich einer Gegenüberstellung der angebotenen Stundenzahl und der (ohnehin nach unten revidierten) Schätzung der Auftraggeberin über die absolut erforderliche Mindeststundenanzahl, dass mit den von der Revisionswerberin angebotenen Stunden nur ein Teil der in der fraglichen Position zu erbringenden Leistungen erbracht werden könne. Die Auftraggeberin habe daher davon ausgehen können, dass der Angebotspreis der Revisionswerberin unplausibel, nämlich aufgrund der von ihr zu gering bemessenen Zeitansätze, für die keine sachliche Erklärung erfolgt sei, zu niedrig sei. Die Ausscheidensentscheidung sei auch hinreichend begründet.

9 2.2. Mit dem zweitangefochtenen Erkenntnis vom 27. Februar 2023 wies das Verwaltungsgericht Wien den zum zweiten Vergabeverfahren eingebrachten Nichtigerklärungsantrag der Revisionswerberin nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ebenfalls ab. Auch hier wurde ausgesprochen, dass die Revisionswerberin die von ihr entrichteten Pauschalgebühren selbst zu tragen habe und dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.

10 Die Begründung dieses Erkenntnisses entspricht im Wesentlichen derjenigen des Erkenntnisses vom 20. Februar 2023, mit der Maßgabe, dass der hier gegenständlichen Ausscheidensentscheidung zu niedrig kalkulierte Zeitansätze in drei Positionen zugrunde gelegen seien.

11 3. Gegen diese Erkenntnisse richten sich die vorliegenden außerordentlichen Revisionen (betreffend das Erkenntnis vom 20. Februar 2023 protokolliert zu Ra 2023/04/0056 und betreffend das Erkenntnis vom 27. Februar 2023 protokolliert zu Ra 2023/04/0057), die der Verwaltungsgerichtshof wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhangs zur gemeinsamen Beratung und Beschlussfassung verbunden hat.

12 4. Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

13 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

14 Nach § 34 Abs. 1a VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

15 5.1. In beiden vorliegenden Revisionen wird deren Zulässigkeit gleichlautend wie folgt begründet:

„Wenn der Angebotspreis im Verhältnis zur Leistung ungewöhnlich niedrig ist, dann führt dies zu einer Prüfung, um die Plausibilität der Preisgestaltung zu festzustellen. Dabei hat der Auftraggeber zu prüfen, ob die Preise betriebswirtschaftlich erklärbar und nachvollziehbar sind [Literaturzitat].

Es kommt somit zu einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung , weil über dieser Rechtsfrage über den konkreten Einzelfall hinaus eine wesentliche Bedeutung zukommt.

Der Ausspruch des Verwaltungsgerichtes, wonach die Revision gegen seinen Beschluss unzulässig sei, entspricht daher nicht dem Art 133 Abs 4 B VG. Die gegenständliche Revision hängt daher gemäß Art 133 Abs 4 B VG von der Lösung einer Rechtsfrage ab, welcher grundsätzliche Bedeutung zukommt.“

16 5.2. Mit dem bloß allgemein gehaltenen Verweis auf bei der Prüfung der Preisangemessenheit von der Auftraggeberin einzuhaltende Vorgaben wird aber keine konkrete Rechtsfrage dargelegt, deren Grundsätzlichkeit die Zulässigkeit der Revisionen begründen soll (vgl. zu den diesbezüglichen Vorgaben an das Zulässigkeitsvorbringen etwa VwGH 6.2.2024, Ra 2021/04/0199, Rn. 9 f). Die Revisionswerberin zeigt weder auf, welche in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes noch nicht beantwortete Rechtsfrage im vorliegenden Fall zu lösen wäre, noch legt sie dar, von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Verwaltungsgericht mit den angefochtenen Erkenntnissen abgewichen wäre. Auch eine fallbezogene Verknüpfung mit den angefochtenen Erkenntnissen lässt sich dem Zulässigkeitsvorbringen nicht entnehmen (vgl. insoweit etwa VwGH 27.1.2020, Ro 2020/04/0001 bis 0006, Rn. 11, mwN).

17 5.3. Darüber hinaus sei ergänzend noch auf Folgendes hingewiesen:

18 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass das Verwaltungsgericht in einem vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren unter Berücksichtigung der dem Auftraggeber zur Verfügung gestandenen Unterlagen auch selbst die Preisgestaltung auf ihre betriebswirtschaftliche Erklär und Nachvollziehbarkeit in der Regel aus sachverständiger Sicht zu prüfen hat. Da es sich dabei um eine Plausibilitätsprüfung handelt, muss nicht die gesamte Kalkulation des Bieters minutiös nachvollzogen, sondern nur grob geprüft werden, ob ein seriöser Unternehmer die angebotenen Leistungen zu den angebotenen Preisen erbringen kann (siehe zu allem VwGH 13.12.2021, Ra 2018/04/0111, Rn. 14, mwN).

19 Zudem hat der Verwaltungsgerichtshof zwar festgehalten, dass glaubwürdig dargelegte Erfahrungen bei der Prüfung der Preisangemessenheit berücksichtigt werden dürfen, dies umgekehrt aber nicht bedeutet, dass ein nicht weiter substantiierter Verweis auf Erfahrungswerte per se schon hinreichend ist, um bestehende Unklarheiten betreffend die Kalkulation einzelner Positionen zu beseitigen (vgl. VwGH 8.9.2021, Ro 2020/04/0007, Rn. 24, mwN).

20 Dass das Verwaltungsgericht vorliegend mit seiner fallbezogenen Beurteilung von diesen Vorgaben abgewichen wäre, lässt sich dem wie dargestellt - nicht weiter substantiierten Zulässigkeitsvorbringen der Revisionswerberin nicht entnehmen.

21 6. In den Revisionen werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

22 Die Revisionen waren daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 9. April 2024

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