JudikaturVwGhRa 2023/01/0330

Ra 2023/01/0330 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
08. April 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer und die Hofräte Dr. Fasching und Dr. Horvath als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Karger, LL.M., über die Revision des M T U in W, vertreten durch Dr. Christian Schmaus, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Chwallagasse 4/11, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 20. Juli 2023, Zl. VGW 152/104/13583/2022 91, betreffend Staatsbürgerschaft (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Wiener Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Mit dem angefochtenen, im Säumnisbeschwerdeweg ergangenen Erkenntnis wurde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung der Antrag des Revisionswerbers, eines Staatsangehörigen Kirgisistans, vom 14. März 2022 auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 Z 6 Staatsbürgerschaftsgesetz (StbG) abgewiesen und eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B VG für unzulässig erklärt.

2 Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, die vom Revisionswerber behauptete Identität treffe nicht zu und es habe diese nach dem durchgeführten Beweisverfahren auch nicht festgestellt werden können. Der Revisionswerber habe zur Klärung seiner Identität nichts Maßgebliches beigetragen, sondern vielmehr selbst zur Verschleierung seiner Identität in nicht unbeträchtlichem Ausmaß beigetragen.

3 So habe sich die vom Revisionswerber in seinem rechtskräftig negativ abgeschlossenen Asyl- bzw. im folgenden Niederlassungsverfahren vorgelegte Geburtsurkunde als Fälschung erwiesen, eine zweite von ihm vorgelegte Geburtsurkunde sei aus näher dargelegten Gründen „inhaltlich unrichtig“; daran vermöge auch der vorgelegte kirgisische Reisepass des Revisionswerbers nichts zu ändern, zumal dieser noch vor der Ausstellung des Duplikats dieser Urkunde datiere. Der Revisionswerber habe weiters eine andere Person als die in der (zweiten) Geburtsurkunde angeführte als seinen Vater bezeichnet bzw. seinen tatsächlichen leiblichen Vater bewusst verschwiegen. Ein vom Revisionswerber behaupteter DNA Test (im Asylverfahren) sei niemals erfolgt bzw. der Revisionswerber habe trotz erfolgter umfassender Information über dessen Ablauf auf die Durchführung eines solchen im Staatsbürgerschaftsverfahren letztlich verzichtet. Zudem seien die Angaben des Revisionswerbers sowie der geladenen Identitätszeugen in der mündlichen Verhandlung aus näher dargelegten Gründen widersprüchlich gewesen.

4 Die Bekanntgabe der wahren Identität sei so das Verwaltungsgericht weiter staatsbürgerschaftsrechtlich von wesentlicher Bedeutung. Die vorsätzliche Verwendung einer falschen Identität sowohl im Asylverfahren als auch im staatsbürgerschaftsrechtlichen Verleihungsverfahren stelle ohne Zweifel ein Verhalten dar, welches das Einbürgerungshindernis nach § 10 Abs. 1 Z 6 StbG verwirkliche, wenn fallbezogen noch erschwerend hinzukomme, dass der Verleihungswerber unter dieser falschen Identität jahrelang in Österreich gelebt habe (Hinweis auf VwGH 30.4.2018, Ra 2017/01/0417; 20.7.2022, Ra 2022/01/0170).

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt die Verwendung einer falschen Identität im staatsbürgerschaftsrechtlichen Verleihungsverfahren ohne Zweifel ein Verhalten dar, welches das Einbürgerungshindernis nach § 10 Abs. 1 Z 6 StbG verwirklicht (vgl. VwGH 30.4.2018, Ra 2017/01/0417, sowie 20.7.2022, Ra 2022/01/0170).

9 Im vorliegenden Fall hat das Verwaltungsgericht in einer einzelfallbezogenen Beurteilung ein derartiges Verhalten des Revisionswerbers angenommen. Gegen diese Beurteilung wendet sich das Zulässigkeitsvorbringen der vorliegenden Revision.

10 Mit dem Vorbringen, das angefochtene Erkenntnis weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Begründungspflicht gemäß § 17 VwGVG iVm §§ 58 und 60 AVG „unvertretbar“ ab, wonach in der Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die für die Beweiswürdigung maßgeblichen Erwägungen sowie die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen seien, zeigt die Revision keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf, weil nicht ersichtlich ist, dass das angefochtene Erkenntnis eine Trennung in Tatsachenfeststellungen, Beweiswürdigung und rechtliche Beurteilung in einer solchen Art und Weise vermissen lässt, dass die Rechtsverfolgung durch die Partei über die nachprüfende Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts dadurch maßgeblich beeinträchtigt wäre (vgl. etwa VwGH 14.8.2023, Ra 2023/01/0213, mwN).

11 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes soll sich das Revisionsmodell nach dem Willen des Verfassungsgesetzgebers an der Revision nach den §§ 500 ff ZPO orientieren (vgl. ErläutRV 1618 BlgNR 24. GP 16). Ausgehend davon ist der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz tätig, zur Überprüfung der Beweiswürdigung ist er im Allgemeinen nicht berufen. Auch kann einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. für viele VwGH 19.7.2023, Ra 2023/01/0177, mwN).

12 Dem Verwaltungsgerichtshof kommt im Revisionsmodell eine Leitfunktion zu. Aufgabe des Verwaltungsgerichtshofes ist es, im Rahmen der Lösung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (erstmals) die Grundsätze bzw. Leitlinien für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts festzulegen, welche von diesem zu beachten sind. Die Anwendung dieser Grundsätze im Einzelfall kommt hingegen grundsätzlich dem Verwaltungsgericht zu, dem dabei in der Regel ein gewisser Anwendungsspielraum überlassen ist. Ein Aufgreifen des vom Verwaltungsgericht entschiedenen Einzelfalls durch den Verwaltungsgerichtshof erfolgt, wenn das Verwaltungsgericht die vom Verwaltungsgerichtshof aufgestellten Leitlinien bzw. Grundsätze nicht beachtet hat und somit seinen Anwendungsspielraum überschritten oder eine krasse bzw. unvertretbare Fehlbeurteilung des Einzelfalles vorgenommen hat. Der Verwaltungsgerichtshof ist daher nach dem Revisionsmodell nicht dazu berufen, die Einzelfallgerechtigkeit in jedem Fall zu sichern diese Aufgabe obliegt den Verwaltungsgerichten (vgl. etwa VwGH 24.3.2021, Ra 2020/01/0471, mwN).

13 Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung zeigt die Revision weder eine Unvertretbarkeit der Beweiswürdigung noch eine krasse bzw. unvertretbare Beurteilung des Einzelfalles durch das Verwaltungsgericht im Rahmen der Grundsätze bzw. Leitlinien des Verwaltungsgerichtshofes zum Vorliegen des Verleihungshindernisses nach § 10 Abs. 1 Z 6 StbG (bei Verwendung einer falschen Identität durch den Verleihungswerber) auf.

14 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 8. April 2024

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