JudikaturJustizOp3/13

Op3/13 – OPMS Entscheidung

Entscheidung
27. November 2013

Kopf

Der Oberste Patent- und Markensenat hat durch die Präsidentin des Obersten Patent- und Markensenates Dr. Irmgard GRISS und die Räte des Obersten Patent- und Markensenates Dr. Gottfried MUSGER und Dr. Gabriele JAGETSBERGER als rechtskundige Mitglieder und die Räte des Obersten Patent- und Markensenates Dr. Stefan HARASEK und Dipl.-Ing. Johannes MESA PASCASIO als fachtechnische Mitglieder in der Patentrechtssache der Antragstellerin   K *****C o m   A G ,  ***** vertreten durch Patentanwalt Dr. Andreas WEISER, Kopfgasse 7, 1130 Wien, gegen die Antragsgegnerin   S *****  A k t i e n g e s e l l s c h a f t ,   ***** Deutschland, vertreten durch Patentanwalt Dipl.-Ing. Alois PEHAM, c/o S*****s AG Österreich, ********** wegen Nichtigerklärung des Patentes Nr E 196 026, über die Berufung der Antragstellerin gegen die Endentscheidung der Nichtigkeitsabteilung des Österreichischen Patentamtes vom 8. März 2013, Zl N 15/2010-6 entschieden:

Spruch

Der Berufung wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das Patent EP 625 767 (E 196 026) zur Gänze für nichtig erklärt wird.

Die Antragsgegnerin ist schuldig, der Antragstellerin die mit 7.822,42 EUR bestimmten Kosten des Verfahrens der Nichtigkeitsabteilung und des Obersten Patent- und Markensenats (darin 1.360 EUR Barauslagen, 1.077,07 EUR Umsatzsteuer) zu ersetzen.

Text

G r ü n d e :

Die Antragsgegnerin ist Inhaberin des in Österreich unter E 196 026 eingetragenen europäischen Patents EP 625 767 mit Priorität vom 31. März 1993. Die Ansprüche lauten wie folgt:

1. Kontrollsystem zur Überprüfung der Gebührenentrichtung von Straßenbenutzern in einem automatischen Gebührenerfassungssystem mit Zahlstationen an Straßen und entsprechend ausgerüsteten Fahrzeugen, welche ein Bordgerät und eine Kommunikationseinrichtung für einen drahtlosen Datenaustausch mit einem Fahrzeugtransceiver und eine elektronische Benutzungs-Fahrkarte in Form einer Prozessor-Karte aufweisen, dadurch gekennzeichnet, dass die Zahlstationen lediglich als Entwerterstationen (EWS)      ausgebildet sind, die jeweils ein bestimmtes Benutzungsentgelt abbuchen und die erfolgten Abbuchungen der letzten Entwerterstationen (EWS) mit den erforderlichen Daten für eine Beweissicherung auf der Prozessor-Karte protokollieren, und dass von den Entwerterstationen (EWS) unabhängig separate, stationäre oder/und mobile Kontrolleinrichtungen (KON) vorgesehen sind, die die protokollierten Abbuchungen und Daten der Prozessor-Karten der einzelnen Fahrzeuge (FZ) im fließenden Verkehr über den Fahrzeugtransceiver drahtlos abfragen und dabei Fahrzeuge (FZ) mit nicht ordnungsgemäßer Gebührenentrichtung als Nichtzahler ermitteln und diese Fahrzeuge (FZ) registrieren.

2. Kontrollsystem nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass bei Verwendung von an sich bekannten Infrarot-Lichtübertragungseinrichtungen die Entwerterstation (EWS) von einer oder mehreren Infrarotbaken (IRB) mit einer zugehörigen Steuervorrichtung (STV) gebildet ist, und dass die Kontroll- bzw Abfrageeinrichtung (KON) von einer auf das zu kontrollierende Fahrzeug (FZ) ausgerichteten Infrarot-Sende- und Empfangseinrichtung (Infrarot-Kopf) mit zugehöriger Steuer- und Anzeigevorrichtung (ANZ) gebildet ist.

3. Kontrollsystem nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, dass für die Kontrolle zusätzlich eine infrarot-lichtempfindliche Videokamera (IRV) vorgesehen ist.

4. Kontrollsystem nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, dass die Kontroll- bzw Abfrageeinrichtung (KON) als Handgerät (HG) ausgebildet ist.

5. Kontrollsystem nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, dass die Kontrolleinrichtung (KON) in einem Kontrollfahrzeug (KFZ) derart angeordnet ist, dass ein hinter dem Kontrollfahrzeug (KFZ) fahrendes Fahrzeug (FZ) bei hoher Fahrgeschwindigkeit und großem Fahrzeugabstand kontrollierbar ist.

6. Kontrolleinrichtung nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass fest errichtete Kontrolleinrichtungen (KON) lediglich Einrichtungen zur Fahrzeugdetektion (IS) von Nichtzahlern aufweisen.

7. Kontrolleinrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, dass fest errichtete Kontrolleinrichtungen (KON) zusätzlich automatische Fahrzeugidentifizierungseinrichtungen (IRV, RD, NV) aufweisen.

8. Kontrolleinrichtungen nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass für den Datenaustausch zwischen den Fahrzeugen und den Entwerterstationen bzw der Kontrolleinrichtung Mikrowellenübertragungseinrichtungen vorgesehen sind.

9. Kontrolleinrichtungen nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Entwerterstationen und die Kontrolleinrichtungen in einem offenen Gebührenerfassungssystem verwendet werden.

Die Antragstellerin beantragt die Nichtigerklärung des Patents. Die Ansprüche seien im Prioritätszeitpunkt durch den näher dargestellten Stand der Technik vorweggenommen oder zumindest nahegelegt gewesen.

Die Antragsgegnerin beantragt die „Zurückweisung“ des Antrags. Die Lehren des Patents seien neu und beruhten auf einem erfinderischen Schritt.

Die Nichtigkeitsabteilung gab dem Antrag teilweise Folge. Bei Anspruch 1 sei das Merkmal „… dass von den Entwerterstationen (EWS) unabhängig separate, stationäre und/oder mobile Kontrolleinrichtungen (KON) vorgesehen sind …“ von ./D13 vorweggenommen und daher nicht neu. Die übrigen Merkmale lägen durch eine Zusammenschau von ./D13 und ./D11 für den Fachmann nahe, zumal in ./D11 Handgeräte als Kontrolleinrichtungen erwähnt seien. Damit sei Anspruch 1 nicht rechtsbeständig. Die in den Ansprüchen 2 bis 4 hinzutretenden technischen Merkmale seien jeweils aus dem Stand der Technik bekannt. Eine neue und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhende Merkmalskombination liege daher erst in Anspruch 5. Die darin dargestellte Weiterbildung der Kontrolleinrichtung als in einem Kontrollfahrzeug derart angeordnet, dass ein hinter dem Kontrollfahrzeug fahrendes Fahrzeug bei hoher Geschwindigkeit und großem Fahrzeugabstand kontrollierbar sei, sei neu. Die Durchschnittsfachperson habe zudem zum Prioritätszeitpunkt des Streitpatentes keine Veranlassung gehabt, ein zur Kontrolle an sich bekanntes Handgerät als Kontrolleinrichtung in einem Fahrzeug vorzusehen, sodass auch die erforderliche erfinderische Tätigkeit vorliege. Ansprüche 6, 7 und 8 genügten lediglich in Verbindung mit den Ausführungsvarianten des Anspruches 1 mit mobilen Kontrolleinrichtungen und dem in Anspruch 5 hinzutretenden Merkmal den Erfordernissen der Neuheit und erfinderischen Tätigkeit. Aufgrund dieser Erwägungen sei das Patent dahin neu zu formulieren, dass die Merkmale von Anspruch 5 in Anspruch 1 einbezogen würden. Die Ansprüche 6 bis 8 erhielten dadurch die Nummern 5 bis 7. Anspruch 9 weise keine konstruktiven Merkmale auf, weiters sei der Begriff „offenes Gebührenerfassungssystem“ kein gebräuchlicher Fachausdruck, sodass keine eindeutige Kennzeichnung vorliege. Er sei daher jedenfalls nichtig.

Die Antragsgegnerin ließ diese Entscheidung unbekämpft .

Die Antragstellerin beantragt in der Berufung , das Patent zur Gänze für nichtig zu erklären. Die von der Nichtigkeitsabteilung erstellte Neufassung der Ansprüche sei logisch unrichtig und überschreite die Offenbarung, da bei der Neufassung Merkmalskombinationen entstanden seien, die in der ursprünglichen Fassung nicht bestanden hätten und durch die Offenbarung nicht gedeckt seien. Auch seien die Kontrolleinrichtungen zunächst im Plural, in der Weiterbildung jedoch im Singular genannt, wodurch der neue Anspruch 1 unschlüssig und nicht in allen Varianten offenbart sei. Überdies sei das dem ursprünglichen Anspruch 5 entnommene Merkmal der Kontrollierbarkeit eines Fahrzeugs durch ein Kontrollfahrzeug bei „hoher Fahrgeschwindigkeit“ und „großem Fahrzeugabstand“ eine aufgabenhafte Formulierung ohne entsprechende Offenbarung. „Hohe Fahrgeschwindigkeit“ und „großer Fahrzeugabstand“ seien nicht zur unterscheidenden Kennzeichnung geeignet. Weiters fehle dem neuen Anspruch 1 auch die Erfindungshöhe, weil der Unterschied zwischen einem mobilen, von der Nichtigkeitsabteilung als nicht erfinderisch angesehenen Kontrollgerät und einem in einem Kontrollfahrzeug angebrachten mobilen Kontrollgerät marginal sei. Die beiden Fälle seien nur schwer voneinander abgrenzbar. Schließlich habe die Nichtigkeitsabteilung den Stand der Technik nur unzureichend berücksichtigt. Der ursprüngliche Anspruch 1 sei in mehrfacher Hinsicht neuheitsschädlich getroffen oder nahegelegt. Die Nichtigkeitsabteilung habe sich bei der Beurteilung der Erfindungshöhe durch nicht-technische Merkmale leiten lassen.

Die Antragsgegnerin beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben. Aus den Anforderungen der Anordnung in einem Kontrollfahrzeug und der Kontrollierbarkeit bei „hoher Fahrgeschwindigkeit“ und „großem Fahrzeugabstand“ ergäben sich technische Notwendigkeiten, die einerseits eine unterscheidende Kennzeichnung bildeten und andererseits für eine Fachperson auf dem Gebiet der Infrarottechnik die Umsetzung ohne weiters ermöglichten. Was unter „hoher Fahrgeschwindigkeit“ und „großem Fahrzeugabstand“ zu verstehen sei, ergebe sich aus den tatsächlichen Bedingungen im Straßenverkehr. Anspruch 1 in der Fassung der Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung sei daher neu und beruhe auf einer erfinderischen Tätigkeit. Die durch die Merkmalskombination erwachsenen zusätzlichen Kontrollmöglichkeiten seien ein technischer Effekt.

In der Berufungsverhandlung führte der Vertreter der Antragsgegnerin aus, dass die Lösung nach Anspruch 5 des ursprünglichen Patents eine fixe Montage des Geräts im Kontrollfahrzeug erfordere. Das ergebe sich aus Absatz 12 der Beschreibung, wo als Vorteil der Anordnung im Kontrollfahrzeug genannt werde, dass „keine eigene Lokalisierungsvorrichtung“ erforderlich sei. Stationär und mobil könnten dieselben Geräte verwendet werden; es sei nur eine andere Justierung erforderlich. In welcher Form das zu erfolgen habe, stehe aber nicht im Patent.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist berechtigt.

1.           Durch die von der Nichtigkeitsabteilung neu formulierten Ansprüche sind Merkmalskombinationen entstanden, die von den ursprünglich erteilten Ansprüchen nicht umfasst waren. Insbesondere war der ursprüngliche Anspruch 5 nur auf die Ansprüche 1 bis 3, nicht aber auf Anspruch 4 rückbezogen. Durch die Aufnahme der Merkmale von Anspruch 5 in Anspruch 1 und den Umstand, dass Anspruch 4 auf Anspruch 1 rückbezogen ist, ist aber eine Merkmalskombination entstanden, die einer Rückbeziehung des (ursprünglichen) Anspruches 5 auf Anspruch 4 entspricht. Da die neue Merkmalskombination den Schutzbereich des Patents unzulässig erweitert und die Neufassung der Ansprüche nicht unvermeidlich ist, legt der Oberste Patent- und Markensenat seiner Entscheidung die ursprünglich erteilten Ansprüche zugrunde. Bezugnahmen auf Ansprüche betreffen im Folgenden daher immer die ursprünglich erteilten Ansprüche.

2.           Die Nichtigkeitsabteilung hat ausführlich dargelegt, warum Anspruch 1 angesichts einer Zusammenschau der technischen Lehren von ./D11 und ./D13 nicht den Bedingungen der Art 54 und 56 EPÜ (Neuheit und erfinderische Tätigkeit) genügt. Die Antragsgegnerin hat diese Auffassung nicht bekämpft, sodass dazu nicht weiter Stellung zu nehmen ist. Da die Rechtsbeständigkeit von Anspruch 1 ohnehin verneint wurde, kann offen bleiben, ob dieser Anspruch – wie die Berufung darlegt – auch aus anderen Gründen nichtig ist.

3.           Die in den Ansprüchen 2 bis 4 hinzutretenden Merkmale sind wiederum jeweils entweder durch ./D11 oder ./D13 bekannt oder nahegelegt, sodass die Zusammenschau dieser beiden Dokumente das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit auch in Bezug auf diese Ansprüche ausschließt. So beschreibt ./D13 die Verwendung von Infrarotbaken (Seiten 13 und 14 von ./D13) und erwähnt die zusätzliche Verwendung einer Videokamera (Seite 13 von ./D13). ./D11 zeigt die Verwendung von Handgeräten als Kontrolleinrichtungen (Figur 1 und zugehörige Beschreibung von ./D11). Auch die Ansprüche 2 bis 4 entsprechen daher nicht den Anforderungen der Art 54 und 56 EPÜ.

4.           Zu Anspruch 5 stellt die Nichtigkeitsabteilung fest, dass der Stand der Technik zwar mobile Kontrolleinrichtungen umfasst, nicht aber solche, die in einem Kontrollfahrzeug angeordnet und zum Betrieb während der Fahrt bestimmt sind. Vor diesem Hintergrund beurteilt die Nichtigkeitsabteilung Anspruch 5 als neu und auf erfinderischer Tätigkeit beruhend. Die Berufung zeigt aber zutreffend auf, dass Anspruch 5 in Wahrheit eine Aufgabe, nicht aber hinreichend genau und in unterscheidender Weise deren technische Lösung beschreibt. Die Aufgabenstellung ist als solche noch keine Erfindung (BGH X ZR 27/82, GRUR 1985, 194 – Kreiselegge; schwBG GRUR Int 1989, 328 – Schneehalter; Melullis in Benkard , EPÜ2 [2012] Art 52 Rz 79). Wenn die Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts dennoch „Aufgabenerfindungen“ anerkennen (vergleiche Reich , Materielles europäisches Patentrecht [2009] Rz 896 ff; Kroher in Singer / Stauder , EPÜ6 [2013] Art 56 Rz 65 ff), liegt darin nur ein scheinbarer Widerspruch. Denn auch in solchen Fällen ist erforderlich, dass eine bestimmte technische Lösung der Aufgabe beansprucht wird ( Kroher aaO 68; Melullis aaO Rz 80). Die Besonderheit von „Aufgabenerfindungen“ liegt ausschließlich darin, dass diese Lösung rückblickend trivial ist und daher als solche nicht patentierbar wäre, die Aufgabe selbst aber neu und durch den Stand der Technik nicht nahegelegt war. In diesem Fall kann die geistige Leistung beim Finden der Aufgabe die Erteilung des Patents für die Lösung rechtfertigen. Eine solche Lösung wird in Anspruch 5 aber nicht dargestellt; vielmehr wird dort ausschließlich die Aufgabe genannt, dass die Kontrolleinrichtung „derart“ in einem Kontrollfahrzeug „angeordnet“ ist, dass ein hinter dem Kontrollfahrzeug fahrendes Fahrzeug bei hoher Fahrgeschwindigkeit und großem Fahrzeugabstand kontrollierbar ist. Eine ausreichend klare technische Lösung wird damit für den Fachmann nicht geoffenbart (vergleiche Schäfers in Benkard , EPÜ2 Art 84 Rz 92). Es ist nicht einmal erkennbar, dass überhaupt eine besondere technische Lösung erforderlich ist, um die Kontrolle aus dem Kontrollfahrzeug heraus vorzunehmen. Das wäre aber jedenfalls notwendig, um von einer Erfindung im Sinn des EPÜ sprechen zu können ( Melullis aaO Art 52 Rz 46 mwN). Auch nach der Praxis des EPA ist das im EPÜ verankerte Erfordernis des technischen Charakters nicht erfüllt, wenn eine Erfindung neben etwaigen technischen Ausführungsarten auch Ausführungsformen umfasst, die nicht als technisch zu bezeichnen sind (T 619/02, ABl 2007, 63). Das wäre hier etwa der Fall, wenn das Kontrollgerät vom Bedienenden – was weder nach Anspruch 5 noch aus der allenfalls zur Auslegung heranzuziehenden Beschreibung ausgeschlossen ist – nicht befestigt, sondern schlicht in der Hand gehalten wird. Auch Anspruch 5 ist daher – anders als von der Nichtigkeitsabteilung angenommen – nicht rechtsbeständig. Auf die weiteren in der Berufung angeführten Gründe für eine Nichtigerklärung kommt es daher nicht an.

5.           Die Ansprüche 6 bis 8 betreffen jeweils nicht das Kontrollsystem als Ganzes, sondern Kontrolleinrichtungen, die - der Terminologie des Streitpatents folgend - lediglich Bestandteile des Kontrollsystems sind. Dieser Umstand wird in Entscheidung und Begründung der Nichtigkeitsabteilung nicht gewürdigt.

6.           Die Ansprüche 6 und 7 beziehen sich auf fest errichtete – das heißt stationäre – Kontrolleinrichtungen, die lediglich Einrichtungen zur Fahrzeugdetektion von Nichtzahlern oder zusätzliche automatische Fahrzeugidentifizierungseinrichtungen aufweisen sollen. Die Nichtigkeitsabteilung hat in ihrer Entscheidung zutreffend ausgeführt, dass derartige Kontrolleinrichtungen aus ./D13 (letzter Absatz von Seite 13) bekannt sind. Zumal aus ./D13 aber nicht nur das jeweils in Anspruch 6 oder 7 hinzutretende Merkmal bekannt ist, sondern dort auch alle durch die Rückbeziehungen dieser Ansprüche inkorporierten Merkmale stationärer Kontrolleinrichtungen offenbart sind, sind die Ansprüche 6 und 7 nicht neu im Sinne des Art 54 EPÜ.

7.           Die Verwendung von Mikrowellenübertragungseinrichtungen zum Datenaustausch zwischen Fahrzeugen und Kontrolleinrichtungen ist, ebenso wie auch die übrigen Merkmale stationärer Kontrolleinrichtungen im Sinne vom Anspruch 1, auf den Anspruch 8 rückbezogen. Sie ist aus ./D13 bekannt. Die Verwendung von Mikrowellenübertragungseinrichtungen auch in mobilen Kontrolleinrichtungen lag aufgrund der notorischen Bekanntheit dieser Übertragungsmöglichkeit an sich und der überdies bereits bekannten Anwendung in stationären Kontrolleinrichtungen für die Durchschnittsfachperson nahe. Anspruch 8 beruht damit ebenfalls auf keinem erfinderischen Schritt.

8.           Dass Anspruch 9 nicht rechtsbeständig ist, hat bereits die Nichtigkeitsabteilung ausgesprochen. Das wurde nicht bekämpft, sodass sich Ausführungen dazu erübrigen.

9.           Im Ergebnis ist daher kein einziger Anspruch des Patents rechtsbeständig. Der Berufung ist daher Folge zu geben, und das Patent der Antragsgegnerin ist nach § 10 PatV-EG iVm Art 138 Abs 1 lit a EPÜ zur Gänze für nichtig zu erklären.

10.        Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 140 Abs 1, 122 Abs 1 PatG iVm §§ 41, 50 ZPO. Wegen des vollständigen Obsiegens der Antragstellerin ist die Antragsgegnerin zum Kostenersatz verpflichtet. Beim Schriftsatz vom 18. Jänner 2013 gebührt allerdings nur einfacher Einheitssatz. Im Berufungsverfahren waren wegen der unbekämpften Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung, dass die Ansprüche 1 bis 4 und 9 als solche nicht rechtsbeständig seien, in Wahrheit nur mehr vier der ursprünglichen neun Ansprüche strittig, sodass die Bemessungsgrundlage hier nur 16.151 EUR beträgt. Der Ansatz für die Berufung ist entsprechend zu berichtigen. Die Verrichtung der Berufungsverhandlung ist analog § 23 Abs 9 RATG durch dreifachen Einheitssatz für die Berufung abzugelten.

Rechtssätze
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