JudikaturJustizOp3/09

Op3/09 – OPMS Entscheidung

Entscheidung
26. Mai 2010

Kopf

Der Oberste Patent- und Markensenat hat durch die Präsidentin des Obers-ten Patent- und Markensenates Dr. Irmgard GRISS, die Räte des Obersten Patent- und Markensenates Dr. Manfred VOGEL und Dr. Günter SCHWA-YER als rechtskundige Mitglieder und die Räte des Obersten Patent- und Markensenates Dipl.-Ing. Johannes MESA PASCASIO und Dr. Kurt EHREN-DORFER als fachtechnische Mitglieder in der Patentrechtssache der Antrag-stellerinnen   1 . F ***** G m b H C o   K G ,   ***** und   2 . F *****  G m b H ,   ***** vertreten durch die Herren Patentanwälte Dr. Paul N. TORGGLER, Dr. Stephan HOFINGER, Dr. Markus GANGL, Wilhelm-Greil-Straße 16, 6020 Innsbruck, gegen die Antragsgegnerin   H ***** G e s e l l s ch a f t   m . b . H . ,   *****vertreten durch den Herrn Patent-anwalt Dipl.-Ing. Helmut HÜBSCHER, Spittelwiese 7, 4020 Linz, wegen Nichtigerklärung des Patentes Nr 398 098 über die Berufung der Antragstellerinnen gegen die Endentscheidung der Nichtigkeitsabteilung des Österrei-chischen Patentamtes am 26. Mai 2009, N 13/2007-4, entschieden:

Spruch

Der Berufung wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert , dass das Patent Nr 398 098 für nichtig erklärt wird.

Die Antragsgegnerin ist schuldig, den Antragstellerinnen die mit 7.437,99 EUR (darin enthalten 1.033,06 EUR Umsatzsteuer und 1.239,60 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

G r ü n d e :

Die Antragsgegnerin ist Inhaberin des österreichischen Patentes Nr 398 098 „Hangverbau für Böschungen“ mit Priorität des Anmeldetags vom 29. No-vember 1991. Die Patentansprüche haben folgenden Wortlaut:

1.   Hangverbau für Böschungen, mit einer aus einzelnen Balken, insbeson-dere Holzbalken bestehenden Stützwand, welche parallel, auf Lücke versetzt und einander überlappend verlegt sind, dadurch gekennzeichnet, dass die mit Abstand neben- bzw. hintereinander gereihten Balken (2,2a,2b) zusam-men mit querverlaufenden Trägern (3,3a,3b) zu einem Balkenrost (4,4a,4b) zusammengesetzt sind, wobei der Balkenrost (4,4a,4b) über an den Trägern (3,3a,3b) angreifende Anker (5,5a,5b) im Unterbau zu verankern ist.

2.   Hangverbau für Böschungen nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass als Rostbalken (2a), wie an sich bekannt, und auch als Träger (3,3a,3b) Holzbalken zu verwenden sind.

Die Antragstellerinnen begehrten mit Antrag vom 31. Mai 2006, das Patent für nichtig zu erklären. Der Patentgegenstand sei durch vorveröffentlichte Druckschriften bereits bekannt oder ergebe sich in nahe liegender Weise aus dem Stand der Technik. Zur Stützung der Anträge brachten sie folgende Bei-lagen ein:

./A   DE 156 381 C

./B   US 1 896 989 A

./C   US 4 834 585 A

./D   CH 655 339 A5

./E   CH 606 641 A5

./F   EP 406 653 A2

Die Nichtigkeitsabteilung des Österreichischen Patentamtes wies den Antrag auf Nichtigerklärung des angefochtenen Patents ab. Das als nächstkommender Stand der Technik anzusehende Dokument Beilage ./F (in der Folge: Vorhalt) offenbare eine stützende Wand, die ebenso wie der Gegenstand gemäß Streitpatent als Hangverbau für Böschungen einsetzbar sei. Diese Wand bestehe aus einzelnen zu einem Balkenrost zusammengesetzten Balken, der über Anker im Unterbau zu verankern sei. Die als Balken anzusehenden Läufer 7 (Fig 9 des Vorhalts) seien mittels eines Spanngliedes 33 miteinander verbunden, an dem ein Zugspannglied 30 angreife, das dem Anker laut Streitpatent entspreche. Die entscheidende Frage sei, ob das Spannglied 33 laut Vorhalt dem Träger gemäß Streitpatent gleichzuhalten sei.

Der Fachmann (im gegenständlichen Fall ein Bauingenieur) verstehe unter einem Träger ein Bauteil, insbesondere einen im Verhältnis zu seiner Länge schmalen und schlanken Balken oder dergleichen, zur Aufnahme von Einzel- oder Streckenlasten und deren Ableitung an Lagerpunkte. Ein Träger werde vorwiegend auf Biegung belastet. In der Beschreibung des Patents finde sich keine spezielle Definition für den Begriff Träger. Die Gesamtbeschreibung und die Funktion des „Trägers“ gemäß Streitpatent entspreche der angeführten allgemeinen Definition des Begriffs, wobei die Angriffspunkte der Erdanker die Auflager/Stützpunkte darstellten. Gemäß Vorhalt würden die Balken durch mittels Schrauben verspannte Glieder (auf Zug belastete Stange) zu einem Rost verbunden. Dieses Spannglied wäre für sich gesehen (ohne die stabilisierenden Balken) nicht geeignet, eine nennenswerte Biegebelastung zu tragen. Das Spannglied 33 gemäß Vorhalt nehme daher den Träger gemäß Streitpatent nicht vorweg und gebe dem Fachmann auch keinen Hinweis, einen solchen zu verwenden. Da auch keine der Beilagen ./A bis ./E einen Träger im anmeldungsgemäßen Sinn, an dem ein Anker zur Verankerung im Unterbau angreift, offenbare, sei die patentge-mäße Lösung auch durch die Zusammenschau des Vorhalts mit den weiteren angeführten Veröffentlichungen für den Fachmann nicht nahe gelegt.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Antragsteller mit dem Antrag, die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung aufzuheben und dem Nichtigkeitsantrag stattzugeben.

Die Antragsgegnerin beantragt, die Berufung abzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist berechtigt.

Die Antragsteller machen geltend, das österreichische Patent AT 398 098 B sei vom Österreichischen Patentamt ohne Kenntnis des bereits am 19. Jänner 1991 veröffentlichten Vorhalts erteilt worden. Der Vorhalt sei in einer später beim Österreichischen Patentamt in Auftrag gegebenen Recherche als relevanter Stand der Technik ermittelt worden, weshalb diese Druckschrift ausreiche, das angegriffene Patent als nicht neu bzw auf keiner erfinderischen Tätigkeit beruhend beurteilen zu können. Die angefochtene Entscheidung stütze ihre abweichende Auffassung allein darauf, dass das Spannglied 33 gemäß Vorhalt dem Träger gemäß Streitpatent nicht gleichzuhalten sei. Dies sei unrichtig, weil es für einen Fachmann weder neu noch nicht nahe liegend gewesen sei, Teil 33 des Vorhalts durch Teil 3 in Fig 2 der Patentschrift zu ersetzen.

Zum Aufbau der Träger 3 lehre die Patentschrift, dass sie aus Holzbalken hergestellt seien, aber aus Festigkeitsgründen auch aus Metallprofilen oder dergleichen bestehen könnten. Der Querschnitt der Träger 3 des Patentes sei der Beschreibung insoweit zu entnehmen, als erkennbar sei, dass die Erstreckung des Trägers 3 in Richtung seiner Belastung (Erdanker 5) nur halb so groß sei wie in Richtung der Balken 2. Der angefochtene Beschluss identifiziere richtig die Angriffspunkte der Erdanker 5 als die Aufleger/Stützpunkte der Träger 3. Über die Einbringung der Last in die Träger 3 schweige der Beschluss, doch sei offensichtlich, dass ein allfälliger Erddruck auf die Balken 2 wirke, welche sich an den Trägern 3 abstützten, die ihrerseits von zwei Erdankern 5 gehalten seien. Das Ausführungsbeispiel nach Fig 9 des Vorhalts beschreibe eine identische Situation.

Der Querschnitt von Teil 33 des Vorhalts gehe aus Fig 9 des Vorhalts nicht deutlich hervor. Im Zusammenhang mit Fig 10 werde jedoch ausgeführt, dass die Spannglieder 34, 35 zum Beispiel aus verzinktem Rippentorstahl bestehen könnten, deren Enden mit Gewinden versehen sind, um Überschubmuffen 36 aufschrauben zu können. Die Kombination der Teile 34 bis 36 in Fig 10 entspreche dem Spannglied 33 in Fig 9. Im Ausführungsbei-spiel nach Fig 9 trage das Ende der Stange 33 eine nicht bezeichnete bzw beschriebene Mutter. Im Zusammenhang mit Fig 10 und Fig 12 fehle der Hinweis auf eine solche Mutter auch in der Zeichnung. Offensichtlich seien die dargestellten Metallstangen insoweit Träger, als ihr Durchmesser im Vergleich zur Länge kleiner sei. Wie beim angegriffenen Patent definierten die Angriffspunkte der Erdanker 30 (von denen nur einer dargestellt sei) die Aufleger/Stützpunkte des Trägers 33. Die Einleitung der insbesondere über den Stützpfosten 31 eingebrachten Last in den Teil 33 erfolge über die horizontal verlaufenden Balken zwischen den Erdankern. Der angefochtene Beschluss sei daher vor allem deshalb unrichtig, weil er an das Vorliegen des Merkmals „Träger“ Bedingungen stelle, die aus dem angefochtenen Patent in keiner Weise hervorgingen. In Fig 9 des Vorhalts sei eine nicht bezeichnete Mutter dargestellt, die zum Verspannen des Balkenbündels diene. Das Spannglied 33 sei somit ein Beispiel für jene Anker, die anspruchsgemäß die beschriebenen Tafeln zusammenhielten. Dabei gehe es vor allem um den Transport der Einrichtung, wie aus Fig 7 und 8 hervorgehe. Eine nennenswerte Vorspannung sei nicht anzunehmen, da sonst das Verschwenken der Binder 23 gemäß Fig 7 und 8 schwierig wäre. Die dauernde Aufrechterhaltung einer Vorspannung wäre auch unmöglich, da der Querschnitt der horizontal verlaufenden Balken vom jeweiligen Feuchtigkeitsgehalt abhängt und die vorzugsweise vorgesehenen Zwischenstücke aus Kunststoff die dauernde Vorspannung eines Rippentorstahles nicht aufrecht erhalten könnten. Die Frage, ob Teil 33 bei Einleitung von Kräften über die Stütz-anker 30 auf Zug belastet und dieser Zug mittels der nicht bezeichneten Endmuttern als Druck in die Querbalken eingeleitet werde, sei insofern müßig, als der beidseitig eingespannte Träger, welchen Fig 9 in klassischer Weise zeige, ein Standardfall der Mechanik der festen Körper sei. Ein beidseitig eingespannter Träger sei selbstverständlich ein Träger im Sinne des Patents. Ein Umgehen des Patents durch Einspannen der Träger, wie in Fig 9 des Vorhalts dargestellt, führe nicht aus dem Schutzumfang. Nichts im Vorhalt lege dem Durchschnittsfachmann nahe, dass ein Wegfallen der in Fig 9 gezeichneten, aber nicht bezeichneten, in Fig 10 und insbesondere Fig 12 nicht einmal gezeichneten Spannmuttern, zu einem Versagen der dargestellten Konstruktion führe. Abgesehen vom Transport der Einrichtung seien die Muttern ohne Funktion. Offenbar habe die Nichtigkeitsabteilung erkannt, dass der herausgestellte Gegensatz zwischen einem vorwiegend auf Biegung belasteten Träger und einer auf Zug belasteten Stange nicht dazu führen könne, Teil 33 in Fig 9 des Vorhalts die Eigenschaft eines Trägers im Sinne des Patentes zu nehmen. Die Auffassung der Nichtigkeitsabteilung, Teil 33 in Fig 9 des Vorhalts wäre für sich gesehen (ohne die stabilisierenden Balken) nicht geeignet, eine nennenswerte Biegebelastung zu tragen, übersehe, dass die stabilisierenden Balken , die hier weggedacht werden sollten, der wesentliche Teil des beanspruchten und dargestellten Hangverbaus seien. Natürlich ließen sich Situationen denken, in denen Stangen aus Rippentorstahl für sich allein die Querkräfte nicht aufnehmen könnten, weshalb sie im Hochbau häufig in Stahlbeton eingebettet würden. Es komme einzig und allein darauf an, ob Teil 33 in Fig 9 durch den im Patentanspruch des angefochtenen Patentes definierten Zusammenhang als Träger fungiere oder nicht. Auch ein beidseitig eingespannter Träger sei ein Träger; die beidseitige Einspannung werde vom Patent nicht ausgeschlossen.

Der Vorhalt beschreibe verschiedene Konstruktionen, bei denen jeweils aus Stämmen und Distanzstücken aufgebaute Tafeln durch Anker zusammengehalten seien. Die bevorzugte Ausführung dieser Anker sei gemäß An-spruch 11 der Spannanker, aus dessen Beschreibung (Spalte 3, Zeilen 47 bis 52) der Durchschnittsfachmann erkenne, dass der Teil 33 – gemäß Fig 10 ein Rippentorstahl – die Sichtwand beim Transport zusammenhalte und auch im verlegten Zustand der ganzen Konstruktion ihre statische Festigkeit verleihe. Nichts bringe den Fachmann auf die Idee, dass die Stange 33 nicht funktionieren könne, wenn sie nicht im Belastungsfall, also dauernd, durch Endmuttern unter eine nirgends erwähnte Zugspannung gesetzt werde. Eine Vorveröffentlichung sei so zu lesen, wie sie der unbefan-gene Durchschnittsfachmann verstehe. Es dürfe ihr nicht von vornherein die für die Patentinhaberin günstigste Auslegung gegeben werden. Ein Durchschnittsfachmann sehe die nicht beschriebenen Endmuttern und deren nicht beschriebene Funktion als nicht entscheidend für die dargestellten Konstruktionen an und käme leicht auf die Idee, das Spannglied 33 so dick zu machen, dass durch das Spannglied 33 selbst die notwendige statische Festigkeit gegeben sei. Abgesehen davon könne es das Spannglied 33 aus Rippentorstahl in Bezug auf seine Festigkeit leicht mit den sogenannten Trägern des Streitpatents aufnehmen, die gemäß Anspruch 2 des Streitpatents aus Holz sein könnten und deren Flächenträgheitsmoment in der entscheidenden Richtung – zum Erdanker hin – wesentlich geringer sei, als in der unbelasteten Querrichtung.

Der Senat hat dazu erwogen:

Nach § 22a PatG wird der Schutzbereich des Patents und der bekanntgemachten Anmeldung durch den Inhalt der Patentansprüche bestimmt. Die Beschreibung und die Zeichnungen sind jedoch zur Auslegung der Patentansprüche heranzuziehen. Dabei ist das Protokoll über die Auslegung des Art 69 des Europäischen Patentübereinkommens, BGBl 1979/350, in der jeweils geltenden Fassung sinngemäß anzuwenden. Nach dem Auslegungsprotokoll zu Art 69 EPÜ ist diese Bestimmung nicht in der Weise auszulegen, dass unter dem Schutzbereich des europäischen Patents der Schutzbereich zu verstehen ist, der sich aus dem genauen Wortlaut der Patentansprüche ergibt, und dass die Beschreibung sowie die Zeichnungen nur zur Behebung etwaiger Unklarheiten in den Patentansprüchen anzuwenden sind. Ebenso wenig ist Art 69 dahin auszulegen, dass die Patentansprüche lediglich als Richtlinie dienen und der Schutzbereich sich auch auf das erstreckt, was sich dem Fachmann nach Prüfung der Beschreibung und der Zeichnungen als Schutzbegehren des Patentinhabers darstellt. Die Auslegung soll viel-mehr zwischen diesen extremen Auffassungen liegen und einen angemessenen Schutz für den Patentinhaber mit ausreichender Rechtssicherheit für Dritte verbinden (OPM Op 1/00 = PBl 2001, 127; Op 4, 5/00 = PBl 2002, 32; OGH 4 Ob 178/03k).

Maßgeblich für den Schutzumfang eines Patents ist demnach das ausgewogene Verhältnis zwischen dem, was sich aus dem genauen Wortlaut der Patentansprüche ergibt, und dem, was aus der Beschreibung und den Zeichnungen als Lösung des technischen Problems hervorgeht.

Der Vorhalt Beilage ./F beschreibt eine Sichtwand aus vorgefertigten Tafeln. Die Sichtwand kann als selbsttragende bzw stützende Wand oder als eine Sichtwand, welche einer Stützwand vorgesetzt ist, ausgebildet sein. Diese Sichtwand oder stützende Wand ist aus einer oder mehreren vorgefertigten Tafeln, welche aus übereinander geschichteten Läufern 7, zwischen denen Distanzstücke 8, 9 und scheiben- oder plattenförmige Lagerelemente 29 aus Kunststoff oder Metall angeordnet sind, gebildet. Die Läufer 7 und Distanz-stücke 8, in der Form von Stämmen, Blöcken oder Halbrundlingen, bestehen vorzugsweise aus Holz oder Beton. Die vorgefertigten Tafeln werden durch Spannglieder 33 (Fig 9) miteinander verbunden und die Lagerelemente 29 sind zur Aufnahme von Befestigungselementen, wie Zugspannglieder 30 oder Stütz- und Verbundanker ausgebildet.

Das dem angefochtenen Patent als nächstkommender Stand der Technik anzusehende Dokument Beil./F offenbart somit eine stützende Wand (Spalte 1, Zeile 9), die ebenso wie der Gegenstand gemäß Streitpatent als Hangverbau für Böschungen einsetzbar ist. Diese Wand besteht - ebenso wie der Gegen-stand des Anspruchs 1 gemäß Streitpatent - aus einzelnen Balken, ua Holzbalken, welche parallel, auf Lücke versetzt und einander überlappend verlegt sind (zB Fig 1; ad Holz siehe Beschreibungseinleitung). Die mit Abstand neben- bzw. hintereinander gereihten Balken sind zu einem Balkenrost zusammengesetzt (zB Fig 1), wobei der Balkenrost über Anker (Bezugszei-chen 30 in Fig 9) im Unterbau zu verankern ist.

Anspruch 1 des Streitpatents enthält neben diesen aus dem Vorhalt eindeutig hervorgehenden Merkmalen weiters die Merkmale, dass die Balken zu-sammen mit quer verlaufenden Trägern zu dem Balkenrost zusammengesetzt sind, und dass die Anker an den Trägern angreifen. Ersetzt man die Bezugszeichen aus Fig 9 des Vorhalts durch die entsprechenden Bezugszeichen des Streitpatents, so erkennt der Fachmann, dass Anspruch 1 des Streitpatents und Fig 9 samt zugehöriger Beschreibung des Vorhalts zusammenpassen.

Es bleibt zu prüfen, ob die Angriffspunkte der Anker in Vorhalt und Streitpa-tent übereinstimmen.

Gemäß Vorhalt sind die als Balken im Sinne des angefochtenen Patentes anzusehenden Läufer 7 gemäß der als für den gegenständlichen Streitfall als am relevantesten anzusehenden Fig 9 mittels eines Spanngliedes 33, das eine durch die Balken gehende Bohrung 32 durchragt, miteinander zu einem Balkenrost verbunden. An diesem Spannglied greift ein Zugspannglied 30, das dem Anker gemäß Streitpatent entspricht, über Lagerelemente 29 an.

Der Ansicht der Nichtigkeitsabteilung ist insofern beizutreten, als der Begriff „Träger“ im Streitpatent durchaus seine fachliche Berechtigung hat. Auf Grund des Wortlauts des Anspruchs 1 des Streitpatents kommt es jedoch nicht auf die Belastungsverteilung des Trägers, sondern auf seine Funktion an. In der Beschreibung des Vorhalts findet sich hier lediglich der Hinweis, dass die Spannglieder 33 an den Enden mit Gewinden versehen sind, um Überschubmuffen oder an den Enden die Spannmuttern aufschrauben zu können; weder findet sich ein Hinweis auf eine zwingende Vorspannung der Spannglieder noch auf eine Vorkehrung, die verhindert, dass die Lagerelemente 29 die Spannelemente 33 berühren. Folglich kann der Angriffspunkt der Anker hier direkt an den Trägern angenommen werden.

Die Übereinstimmung aller Merkmale des Vorhalts und des Anspruchs 1 des Streitpatents führt zum Schluss, dass der Anspruchswortlaut des Streitpatents so weit gefasst ist, dass auch der in Fig 9 des Vorhalts dargestellte Gegenstand unter den Schutzbereich des Streitpatents fällt.

Für eine entsprechende Rechtssicherheit des Patentinhabers wie auch der Öffentlichkeit ist von einem Patent zu fordern, dass der Wortlaut der Ansprüche den Schutzumfang eingrenzt und nicht erst durch die Auslegung der Beschreibung und Zeichnungen der Schutzbereich ermittelt werden muss. Dies ist ganz im Sinne der Bestimmung des § 22 PatG nebst Auslegungsprotokoll zu Art 69 EPÜ, in welchem gleichermaßen gefordert wird, dass der Schutzumfang nicht das sein kann, was sich dem Fachmann erst nach Prüfung der Beschreibung und der Zeichnungen als Schutzbegehren des Patentinhabers darstellt.

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass Anspruch 1 des Streitpatents aufgrund des weit gefassten Wortlauts schon durch den Vorhalt Beilage ./F neuheitsschädlich vorweggenommen ist. Damit hat aber auch Anspruch 2 als vorteilhafte Ausgestaltung der Lehre von Anspruch 1 keinen Bestand, da die Auswahl eines geeigneten Materials im Ermessen des Fachmanns liegt und Holz im vorliegenden Fall eine dem Fachmann geläufige Alternative ist.

Nur ergänzend ist auf die Vorveröffentlichungen US 4 718 792 A (veröffent-licht 12. Jänner 1988 (12.01.1988)), JP 62-072817 A (veröffentlicht 3. April 1987 (03.04.1987)) und US 3 490 242 A (veröffentlicht 20. Jänner 1970 (20.01.1970)) zu verweisen. Alle diese Dokumente zeigen Hangverbaue bzw Rückhaltewände, die weitgehend dem Gegenstand des Streitpatents entsprechen und dieses neuheitsschädlich vorwegnehmen. So zeigen etwa Figuren 1 und 17 von US 4 718 792 A einen Hangverbau für Bösch-ungen mit einer aus einzelnen Balken (4g) bestehenden Stützwand, die mit querverlaufenden Trägern (4f) zu einem Balkenrost zusammengesetzt sind, wobei der Balkenrost (4f, 4g) über an den Trägern (4f) angreifende Anker (2) im Unterbau zu verankern ist (siehe auch Spalte 5 Zeilen 20-24 dieses Dokuments).

Der Berufung ist daher Folge zu geben und die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung dahin abzuändern, dass das Patent im vollen Umfang für nichtig erklärt wird.

Die Kostenentscheidung beruht - ausgehend vom Streitwert von 36.000 EUR gemäß § 5 Z 14 AHK - auf §§ 122 Abs 1 und 140 PatG iVm § 41 Abs 1 und § 50 Abs 1 ZPO. Die mit der Verrichtung der Berufungsverhandlung verbundenen Leistungen sind mit dem dreifachen Einheitssatz für die Berufung abgegolten (§ 23 Abs 9 RATG).

Rechtssätze
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