JudikaturJustizOp2/13

Op2/13 – OPMS Entscheidung

Entscheidung
13. November 2013

Kopf

Der Oberste Patent- und Markensenat hat durch die Präsidentin des Obersten Patent- und Markensenates Dr. Irmgard GRISS, die Räte des Obersten Patent- und Markensenates Dr. Gottfried MUSGER und Dr. Ljiljana PANTOVIC als rechtskundige Mitglieder und die Räte des Obersten Patent- und Markensenates Dipl.-Ing. Ferdinand KOSKARTI und Dipl.-Ing. Johannes MESA PASCASIO als fachtechnische Mitglieder in der Patentrechtssache der Antragstellerin   B *****  G e s e l l s c h a f t   m . b . H . ,  ***** vertreten durch Beer Partner Patentanwälte KG, Lindengasse 8, 1070 Wien, gegen die Antragsgegnerin   J *****  G m b H ,  *****vertreten durch Advokaten Pfeifer Keckeis Fiel Scheidbach OG, Drevesstraße 2, 6800 Feldkirch, wegen Feststellung des Patentes Nr AT 411 075, über die Berufung der Antragstellerin gegen die Endentscheidung der Nichtigkeitsabteilung des Österreichischen Patentamtes vom 6. Februar 2013, N 11/2009-18, entschieden:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird mit der Maßgabe bestätigt, dass sie lautet: „Der Antrag der Antragstellerin, es werde festgestellt, dass das Schnellwechselsystem mit einer visuellen Verschlusskontrolle, wie es in der Beilage zu dieser Entscheidung dargestellt ist, unter Anspruch 13 des Patents AT 411 075 falle, wird abgewiesen.“

Die Antragstellerin ist schuldig, der Antragsgegnerin binnen 14 Tagen die mit 2.177,40 EUR bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin 362,90 EUR Umsatzsteuer) zu ersetzen.

Text

G r ü n d e :

Die Antragstellerin ist Inhaberin des Patents AT 411 075 mit Priorität vom 14. April 1997. Anspruch 13 dieses Patents lautet wie folgt:

13. Vorrichtung (1) zum Festlegen von Anbaugeräten (2) an Baggerauslegern, mit einem in der Schnellwechselvorrichtung (1) verschiebbaren Riegel (4), der zum Kuppeln des Anbaugerätes (2) mit der Schnellwechselvorrichtung (1) in eine Aufnahme (3) des Anbaugerätes (2) einschiebbar ist, und mit einer Anzeigevorrichtung (30), dadurch gekennzeichnet, dass die Anzeigevorrichtung (30) an dem im Inneren der Schnellwechselvorrichtung (1) aufgenommenen Ende (14) des Riegels (4) befestigt ist, und dass die Anzeigevorrichtung (30) bei in seine Wirkstellung vorgeschobenem Riegel (4) innerhalb der Schnellwechselvorrichtung (1) aufgenommen ist und bei in seine Nicht-Wirk-stellung zurückgezogenem Riegel (4) aus der Schnellwechselvorrichtung (1) heraus vorsteht.

Die Antragsgegnerin vertreibt eine Schnellwechselkupplung, die alle Merkmale dieses Anspruchs aufweist.

Die Antragstellerin beantragt die Feststellung, dass diese Schnellwechselkupplung unter Anspruch 13 ihres Patents falle.

Die Antragsgegnerin wendet ein, dass dieser Anspruch nicht rechtsbeständig sei, weil ein schwedisches Unternehmen eine solche Schnellwechselkupplung schon vor dem Prioritätszeitpunkt des Patents der Antragstellerin vertrieben habe. Diese Kupplung sei bereits am 27. November 1992 von einer schwedischen Behörde zugelassen worden und jedenfalls ab dem 1. Jänner 1993 auf dem Markt gewesen. Dies ergebe sich insbesondere aus einer Preisliste aus dem Jahr 1993 und einer konkreten – urkundlich nachgewiesenen – Bestellung vom 21. Mai 1993.

Die Antragstellerin hält dem entgegen, dass keine Auslieferung der schwedischen Kupplung nachgewiesen sei.

Die Nichtigkeitsabteilung wies den Antrag ab und sprach aus, dass die Kupplung der Antragsgegnerin nicht unter Anspruch 13 des Patents der Antragstellerin falle. Sie nahm aufgrund der vorgelegten Urkunden und der Aussage eines im Rechtshilfeweg vernommenen Zeugen als erwiesen an, dass die schwedische Kupplung schon vier Jahre vor dem Prioritätszeitpunkt auf dem Markt gewesen sei und damit zum Stand der Technik gehört habe. Diese Kupplung habe alle Merkmale von Anspruch 13 aufgewiesen. Damit verbleibe für diesen Anspruch kein Schutzbereich.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Antragstellerin . Sie macht geltend, dass eine Auslieferung der schwedischen Kupplung entgegen der Annahme der Nichtigkeitsabteilung nicht erwiesen sei. Dies falle der Antragsgegnerin zur Last, weswegen dem Feststellungsantrag stattzugeben sei.

Die Antragsgegnerin beantragt in der Berufungsbeantwortung , der Berufung nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist nicht berechtigt .

1. Die Antragstellerin beantragt eine Feststellung nach § 163 Abs 2 PatG. Dabei ist unstrittig, dass die Kupplung der Antragsgegnerin alle Merkmale jenes Patentanspruchs aufweist, der dem Antrag zugrunde liegt. Bei der Beurteilung von dessen Schutzbereich ist jedoch nach § 165 Abs 5 PatG auch der „von den Parteien nachgewiesene Stand der Technik zu berücksichtigen“. Aus dieser Bestimmung folgt, dass der Schutzbereich durch den Stand der Technik im Anmeldungszeitpunkt begrenzt ist (Op 3/02, PBl 2004, 74 mwN). War der Anspruch im Prioritätszeitpunkt nicht neu, muss der Feststellungsantrag daher scheitern.

2. Nach den Feststellungen der Nichtigkeitsabteilung wurde eine Kupplung, die alle Merkmale von Anspruch 13 aufwies, bereits mehrere Jahre vor dem Prioritätszeitpunkt verkauft. Trifft das zu, lag eine offenkundige Vorbenutzung vor, die die Neuheit von Anspruch 13 ausschließt.

3. Wer sich auf eine offenkundige Vorbenutzung stützt, hat diese nach Art, Zeit und Ort konkret anzugeben und nachzuweisen (Op 3/08, PBl 2009, 177 mwN). Erforderlich ist daher zunächst ein konkretes Vorbringen. Ein solches Vorbringen hat die Antragsgegnerin erstattet, indem sie den Verkauf der schwedischen Kupplung ab dem Jahr 1993 behauptet und insbesondere auf einen bestimmten Verkaufsvorgang hingewiesen hat.

4. Nach Auffassung der Nichtigkeitsabteilung ist der Antragsgegnerin der Beweis dieses Vorbringens gelungen. Die dagegen gerichtete Beweisrüge der Beklagten dringt nicht durch:

4.1. Eine Nachprüfung der Beweiswürdigung ist im vorliegenden Fall möglich, weil die Nichtigkeitsabteilung ihre Feststellungen ausschließlich auf Urkunden und die Aussage eines im Rechtshilfeweg vernommenen Zeugen gestützt hat. Eine unmittelbare Beweisaufnahme, die eine Überprüfung von darauf beruhenden Feststellungen ausgeschlossen hätte (Op 2/12, PBl 2013, 25 mwN), lag daher nicht vor.

4.2. Für das Beweisverfahren vor der Nichtigkeitsabteilung gelten nach § 120 Abs 1 PatG die Vorschriften der §§ 266 bis 383 ZPO sinngemäß, also auch der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 272 ZPO) ohne Bindung an gesetzliche Beweisregeln (Op 3/08, PBl 2009, 177). Das Regelbeweismaß der ZPO ist die hohe Wahrscheinlichkeit; dass diese Wahrscheinlichkeit an Sicherheit grenzte, ist nicht erforderlich (RIS-Justiz RS0110701). Die hohe Wahrscheinlichkeit kann sich dabei auch aus einem Indizienbeweis ergeben. Dieser ist darauf gerichtet, durch den Beweis bestimmter Hilfstatsachen dem Gerichte die volle Überzeugung des Vorhandenseins der direkt nicht oder nur schwer zu beweisenden Haupttatsache zu vermitteln (RIS-Justiz RS0040290).

4.3. Ein solcher Indizienbeweis ist hier erbracht. Die Antragsgegnerin hat urkundlich belegt, dass die schwedische Kupplung bereits 1992 von einer staatlichen Prüfstelle geprüft worden war und sich seit 1993 in der Preisliste des schwedischen Unternehmens befand. Weiters hat sie eine Bestellung aus dem Jahr 1993 vorgelegt. Diese Indizien lassen mit der erforderlichen Sicherheit darauf schließen, dass die Kupplung tatsächlich ab 1993 verkauft und damit der Öffentlichkeit zugänglich wurde. Denn durch die staatliche Prüfung steht fest, dass die Kupplung tatsächlich existierte. Wenn das schwedische Unternehmen sie in weiterer Folge in die Preisliste aufnahm und zumindest eine Bestellung nachgewiesen ist, wäre die Annahme, die Kupplung sei dennoch nie ausgeliefert worden, völlig lebensfremd. Ein weiteres Indiz ist die Aussage des im Rechtshilfeweg vernommenen Zeugen, wonach bei seinem früheren Arbeitgeber vor dem 1. Juni 1993 über die schwedische Kupplung und deren hohe Qualität gesprochen worden sei. Auch das setzt voraus, dass die Kupplung schon damals auf dem Markt bekannt war. Dass der Zeuge die konkrete Auslieferung nicht aufgrund eigener Wahrnehmung bestätigen konnte, schadet unter diesen Umständen nicht. Ebenso ist unerheblich, ob der „eidesstättigen Erklärung“ eines Vertreters des schwedischen Unternehmens ein Beweiswert zukommt.

5. Aus diesen Gründen muss die Berufung der Antragstellerin scheitern. Die angefochtene Entscheidung ist mit der Maßgabe zu bestätigen, dass der Feststellungsantrag abgewiesen wird. Eine positive Feststellung der Nichtverletzung ist im Gesetz nicht vorgesehen.

6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 122 Abs 1 und § 140 Abs 1 PatG iVm §§ 41, 50 ZPO.

Rechtssätze
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