JudikaturJustizOm9/12

Om9/12 – OPMS Entscheidung

Entscheidung
14. November 2012

Kopf

Der oberste Patent und Markensenat und Markensenat hat durch die Präsidentin des Obersten Patent- und Markensenates Dr. Irmgard GRISS, die Räte des Obersten Patent- und Markensenates Dr. Gabriele JAGETSBERGER, Dr. Manfred VOGEL und Dr. Gottfried MUSGER als rechtskundige Mitglieder und Rätin des Obersten Patent- und Markensenates Dr. Ursula HUNGER als fachtechnisches Mitglied in der Markenrechtssache der Antragstellerin   S *****  G e n o s s e n s c h a f t   m i t   b e s c h r ä n k t e r   H a f t -u n g ,  ***** vertreten durch die Herren Patentanwälte Dipl.-Ing. Manfred Beer, Dipl.-Ing. Reinhard Hehenberger, Lindengasse 8, 1070 Wien, wider die Antragsgegnerin   B ***** A k t i e n g e s e l l s c h a f t ,   ***** vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte GmbH, Tuchlauben 17, 1014 Wien, wegen Löschung der Marken Nr 245 208 und 245 079 über die Berufung der Antragstellerin gegen die Endentscheidung der Nichtigkeitsabteilung des Österreichischen Patentamtes vom 29. September 2011, Nm 27/2010-6 und Nm 28/2010-6, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung entschieden:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die Antragstellerin ist schuldig, der Antragsgegnerin die mit 2.855,64 EUR bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin enthalten 475,94 EUR Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

G r ü n d e :

Die Antragstellerin ist Inhaberin der Wortmarke Nr 76 291 SPARDA , die mit Priorität vom 17. September 1973 (Anmeldetag) für Dienstleistungen in der Klasse 36 (Versicherungs- und Finanzierungswesen) registriert ist. Sie ist weiters Inhaberin der Wortbildmarke Nr 146 340

die mit Priorität vom 23. November 1992 (Anmeldetag) für Dienstleistungen in der Klasse 36 (Versicherungswesen, Finanzwesen, Finanzierungen, Geldgeschäfte, Immobilienwesen, Sparkassengeschäfte, Dienstleistungen einer Spar- und Darlehenskasse, Vermögensverwaltung, Verwahren von Wertsachen in Safes, Depotverwaltung von Wertpapieren, Vermitteln von Wertpapieren, Lombardgeschäfte, Geldwechselgeschäfte, Kreditberatung, Kreditvermittlung, Leasing, Beleihen von Gebrauchsgütern) registriert ist.

Die Antragsgegnerin ist Inhaberin der Wortbildmarke Nr 245 208

die mit Priorität vom 26. März 2008 (Anmeldetag) für Dienstleistungen in der Klasse 36 (Versicherungswesen; Finanzwesen; Geldgeschäfte; Bankgeschäfte; Immobilienwesen) registriert ist. Sie ist weiters Inhaberin der Wortmarke Nr 245 079 SPARDA , die mit Priorität vom 25. März 2008 (Anmeldetag) für Dienstleistungen in der Klasse 36 (Versicherungswesen; Finanzwesen; Geldgeschäfte; Bankgeschäfte; Immobilienwesen) registriert ist.

Die Antragstellerin und die Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin nutzten das Zeichen SPARDA seit ihrer Gründung im Jahr 1938 als Firmenschlagwort, wobei die Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin einige Tage früher in das Handelsregister eingetragen worden war als die Antragstellerin. Auch nach Anmeldung der Marken durch die Antragstellerin und (später) durch die Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin gab es zwischen ihnen keine kennzeichenrechtlichen Streitigkeiten. Die Antragsgegnerin ist Gesamtrechtsnachfolgerin der ursprünglichen Markeninhaberin; sie führt das strittige Kennzeichen SPARDA nicht mehr in ihrer Firma.

Die Antragstellerin beantragt die Löschung der Marken der Antragsgegnerin nach § 30 Abs 1 MSchG. Die Zeichen und der Schutzumfang seien ident oder zumindest verwechselbar ähnlich; die Marken der Antragstellerin hätten den besseren Zeitrang. Auf ein früher begründetes Namensrecht könne sich die Antragsgegnerin nicht berufen, weil zwischen zwei Trägern desselben Namens kein Vorrangverhältnis bestehe, auch nicht im Falle eines zeitlichen Vorsprungs bei dessen Erwerb. § 30 Abs 3 MSchG sei nicht anwendbar, weil die Verwirkung danach nur bei fünfjähriger Duldung einer eingetragenen Marke eintrete. Die Voraussetzungen für eine Koexistenz der Marken im Sinn der Entscheidung C-482/09 lägen nicht vor, weil die Antragsgegnerin nicht mehr als SPARDA-Bank firmiere und daher eine Zuordnungsverwirrung drohe.

Die Antragsgegnerin beantragt die Abweisung der Löschungsanträge. Die Parteien und eine dritte Bank hätten das Zeichen SPARDA seit 1938 – insbesondere als Bestandteil der Firma - kennzeichenmäßig genutzt; bisher habe es deswegen keine Konflikte gegeben. Die Antragstellerin habe kein besseres Recht, weil sie erst einige Tage nach der Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin gegründet und in das Handelsregister eingetragen worden sei. Das Recht der Antragstellerin, gegen die Kennzeichen der Antragsgegnerin vorzugehen, sei nach § 30 Abs 3, § 32 Abs 2 und § 58 MSchG und § 9 Abs 5 UWG verwirkt. Die Antragstellerin wisse seit über 70 Jahren, dass die Antragsgegnerin das Zeichen SPARDA für Dienstleistungen in der Klasse 36 nutze. Sie könne daher dessen Benutzung oder Registrierung nicht mehr untersagen. Für die angesprochenen Kreise sei es trotz der parallelen Zeichenverwendung immer klar gewesen, mit welchem Unternehmen sie es zu tun hatten. Daher sei die Funktion der Marken der Klägerin als Herkunftshinweis nicht beeinträchtigt. Dies schließe nach der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache C-482/09 eine Löschung aus. Zudem dienten die Löschungsanträge ausschließlich dazu, den effektiven Rechtsschutz der Antragsgegnerin gegen Dritte zu behindern; sie seien daher schikanös.

Die Nichtigkeitsabteilung wies die Löschungsanträge ab. Zwar lägen Doppelidentität bzw Verwechslungsgefahr im Sinne von § 30 Abs 1 Z 1 und Z 2 MSchG vor. § 30 Abs 3 MSchG sei nicht anwendbar, weil die Marken der Antragsgegnerin weniger als fünf Jahre vor der Antragstellung registriert worden seien; eine fünfjährige Duldung sei daher ausgeschlossen. Allerdings sei wegen der Gleichwertigkeit der Kennzeichenrechte für die Priorität die erstmalige Nutzung des Zeichens SPARDA maßgebend. Beide Parteien hätten dieses Zeichen schon seit 1938 verwendet. Da die Antragsgegnerin vor der Antragstellerin in das Handelsregister eingetragen worden sei und damit früher die Benutzung des strittigen Zeichens aufgenommen habe, verfüge sie über die älteren Rechte. Daher müssten die Löschungsanträge scheitern.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Antragstellerin . Sie strebt die Löschung der Marken an und bringt dazu insbesondere vor, dass die Priorität ausschließlich nach dem Register zu beurteilen sei. Privatrechtliche Vereinbarungen über die Duldung der Unternehmenskennzeichen habe es nicht gegeben; die Vorbenutzung durch die Antragsgegnerin sei mangels eines darauf gestützten Löschungsantrags unerheblich.

Die Antragsgegnerin beantragt in der Berufungsbeantwortung , der Berufung nicht Folge zu geben, hilfsweise stellt sie wegen der unterbliebenen Einvernahme eines Zeugen einen Aufhebungsantrag. Sie stützt sich weiterhin auf die Priorität ihrer (früheren) Firma, die aufgrund der Gleichwertigkeit der Kennzeichenrechte maßgebend sei. Jedenfalls zeige aber die langjährige parallele Nutzung, dass die Marken der Antragsgegnerin die Herkunftsfunktion der Marken der Antragstellerin nicht beeinträchtigten. Außerdem sei der Löschungsantrag schikanös.

In der Berufungsverhandlung stellte der Vertreter der Antragstellerin außer Streit, dass es seit 1938 zu keinen Verwechslungen zwischen den Kennzeichen der Parteien gekommen sei, und zwar weder bei Personen, die bereits eine Geschäftsbeziehung mit einer der SPARDA-Banken hatten, noch bei Neukunden.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist nicht berechtigt .

1. Nach § 30 Abs 1 MSchG kann der Inhaber einer früher angemeldeten, noch zu Recht bestehenden Marke die Löschung einer Marke begehren, sofern entweder

(1)     die beiden Marken und die Waren oder Dienstleistungen, für die die Marken eingetragen sind, gleich sind, oder

(2)     die beiden Marken und die Waren oder Dienstleistungen, für die die Marken eingetragen sind, gleich oder ähnlich sind und dadurch für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, die die Gefahr einschließt, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht würde.

2. Es ist unstrittig, dass bei den strittigen Marken teilweise Doppelidentität im Sinne von § 30 Abs 1 Z 1 MSchG, jedenfalls aber – bei abstrakter Betrachtung - Verwechslungsgefahr im Sinne von § 30 Abs 1 Z 1 MSchG vorliegt. § 30 Abs 3 MSchG ist nicht anwendbar, weil diese Bestimmung auf die mindestens fünfjährige Duldung von registrierten Marken abstellt. Das ist hier schon deswegen nicht der Fall, weil die Marken der Antragsgegnerin weniger als fünf Jahre vor den Löschungsanträgen angemeldet worden waren.

3. Im Löschungsverfahren nach § 30 MSchG sind Einwendungen gegen die Rechtsbeständigkeit der Marke des Antragstellers so lange unbeachtlich, als der Antragsgegner nicht seinerseits die entsprechenden Löschungsanträge gestellt hat. Unterlässt er das, dann ist vom Rechtsbestand der Marke des Antragstellers auszugehen und nur zu prüfen, ob der Löschungstatbestand des § 30 MSchG erfüllt ist (OM 2/90 = ÖBl 1991, 157 – Innviertler Landbier; Om 8/10 = PBl 2011, 41 – Cristal Cuvée; Om 4/11 = PBl 2011, 157 - Leo). Das gilt auch für die Priorität von Kennzeichenrechten des Antragsgegners, die ihrerseits einen Löschungsantrag nach § 31 Abs 1 oder § 32 Abs 1 MSchG ermöglichten. Im konkreten Fall wäre dafür die ältere Firma der Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin in Frage gekommen (§ 32 Abs 1 MSchG). Einen solchen Antrag hat die Antragsgegnerin aber (zutreffend) nicht gestellt, weil insofern bereits Verwirkung nach § 32 Abs 2 MSchG eingetreten war. An der Rechtsbeständigkeit der Marken der Antragstellerin bestehen daher keine Zweifel. Aus diesem Grund kann die Abweisung des Löschungsantrags nicht auf „ältere Rechte“ der Antragsgegnerin gestützt werden. Umgekehrt könnte aber auch die Antragstellerin in einem Verletzungsverfahren nicht gegen die Nutzung des Zeichens SPARDA durch die Antragsgegnerin vorgehen. Denn diese verfügt insofern tatsächlich über (geringfügig) ältere Rechte im Sinne von § 10 Abs 1 MSchG. Marken- und firmenmäßige Nutzung bilden eine Einheit (4 Ob 221/02g = ecolex 2003, 350 – Invesco).

4. Die bisher angestellten Erwägungen sprechen an sich für einen Erfolg der Antragstellerin. Dem steht allerdings entgegen, dass die Kennzeichen der Parteien seit über 70 Jahren nebeneinander bestehen, die Antragsgegnerin und ihre Rechtsvorgängerin gutgläubig waren und die parallele Zeichennutzung bisher – was in der Berufungsverhandlung außer Streit gestellt wurde – zu keiner Zuordnungsverwirrung geführt hat.

4.1. Unter vergleichbaren Voraussetzungen hat der EuGH in der Entscheidung C 482/09, Budjovicky Budvar/Anheuser Busch , in einem Fall der Doppelidentität das Bestehen eines Löschungsanspruchs (Art 4 Abs 1 lit a MarkenRL) aufgrund eines (formal) älteren Rechtes verneint. Zur Begründung verwies er darauf, dass (auch) das ausschließliche Recht des Markeninhabers nach Art 5 Abs 1 lit a MarkenRL auf Fälle beschränkt bleiben müsse, in denen die Benutzung der Marke durch Dritte deren Funktion beeinträchtige oder beeinträchtigen könnte (C-487/07, L’Oréal ; C-236/08 – C-238/08, Google France und Google ). Auch ein Löschungsanspruch wegen Doppelidentität bestehe daher nur bei einer drohenden Funktionsbeeinträchtigung. Aufgrund eines Größenschlusses muss das umso mehr für den Löschungsgrund der (bloßen) Verwechslungsgefahr gelten (Art 4 Abs 1 lit b MarkenRL).

4.2. Eine Beeinträchtigung der Funktion der Marken der Antragstellerin ist auch im vorliegenden Fall nicht zu erkennen. Die Antragstellerin hat in der Berufungsverhandlung außer Streit gestellt, dass die parallele Zeichennutzung zu keiner Zuordnungsverwirrung führt, weswegen die Hauptfunktion ihrer Marken von vornherein nicht beeinträchtigt wird. Das gilt unabhängig davon, dass die Antragsgegnerin das strittige Zeichen nicht mehr als Firmenbestandteil führt. Ein konkretes Vorbringen zur Beeinträchtigung anderer Markenfunktionen hat die Antragstellerin nicht erstattet. Zudem muss sie, wie oben dargestellt, die Nutzung des Zeichens SPARDA durch die Antragsgegnerin ohnehin dulden, und diese kann - wegen unstrittiger Verkehrsgeltung auch zu ihren Gunsten - Dritten, soweit diese nicht über eigene Rechte verfügen oder solche von der Antragstellerin ableiten, nach § 9 Abs 3 UWG die Nutzung dieses Zeichens untersagen. Damit führt die Eintragung als Marke – als bloße Formalisierung des Kennzeichenschutzes – zu keiner weiteren Beeinträchtigung der Antragstellerin (vgl zur Relevanz eines bereits bestehenden Kennzeichenschutzes in anderem Zusammenhang C-529/07, Chocoladefabrik Lindt Sprüngli , ÖBl 2009, 271 [ Gamerith ] – Goldhase III). Die Voraussetzungen der Entscheidung Budjovicky Budvar/Anheuser Busch sind damit jedenfalls erfüllt.

5. Aus diesen Gründen muss die Berufung der Antragstellerin scheitern, ohne dass der weitere Einwand des Rechtsmissbrauchs geprüft werden müsste.

6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 42 Abs 1 MSchG iVm §§ 122 Abs 1, 140 PatG sowie §§ 41, 50 ZPO. Dabei war eine offenbare Unrichtigkeit im Kostenverzeichnis der auch im Berufungsverfahren siegreichen Antragsgegnerin wahrzunehmen: Der dreifache Einheitssatz beträgt bei einem Honorar von 951,88 EUR nicht 2.855,64 EUR, sondern nur 1.427,82 EUR.

Rechtssätze
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