JudikaturJustizOm11/09

Om11/09 – OPMS Entscheidung

Entscheidung
12. Mai 2010

Kopf

Der Oberste Patent- und Markensenat hat durch die Vizepräsidentin des Obersten Patent- und Markensenates Dr. Brigitte SCHENK, die Räte des Obersten Patent- und Markensenates Mag. Wilfried KYSELKA, Dr. Manfred VOGEL und Dr. Friedrich JENSIK als rechtskundige Mitglieder und den Rat des Obersten Patent- und Markensenates Dipl.-Ing. Christian KÖGL als fachtechnisches Mitglied in der Markenrechtssache des Antragstellers  I *****, vertreten durch Eisenberger Herzog Rechtsanwalts GmbH, Hilmgasse 10, 8010 Graz, wider die Antragsgegnerin   T **********  A B   , ***** Schweden, vertreten durch Cerha Hempel Spiegelfeld Hlawati Partnerschaft von Rechtsanwälten, Parkring 2, 1010 Wien, wegen Löschung der Marke Nr 125 365 über die Berufung des Antragstellers gegen die Endentscheidung der Nichtigkeitsabteilung des Österreichischen Patentamtes vom 18. Feber 2009, Nm 4/2008-7,8 entschieden:

Spruch

Der Berufung des Antragstellers wird nicht Folge gegeben.

Der Antragsteller ist schuldig, der Antragsgegnerin die mit EUR 2.721,90 bestimmten Kosten des Verfahrens (hierin enthalten EUR 453,65 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

G r ü n d e :

Die Antragsgegnerin ist Inhaberin folgender österreichischen Marke (Nr. 125 365, Priorität vom 6. Juni 1988):

Die Marke ist für folgende Waren registriert.

Klasse 7:    Förderbänder, Transportvorrichtungen; Teile und Zubehör (nicht in anderen Klassen enthalten) für alle vorgenannten Waren;

Klasse 12:  Landfahrzeuge einschließlich Lastkraftfahrzeuge mit Ladevorrichtungen; Teile und Zubehör (nicht in anderen Klassen enthalten) für alle vorgenannten Waren.

Der Antragsteller beantragte die Löschung der oben genannten Marke gemäß § 30a MSchG. Die Antragsgegnerin habe sie innerhalb der letzten fünf Jahre nicht oder nicht in ihrer registrierten Form verwendet.

Die Antragsgegnerin beantragte die Abweisung des Löschungsantrags. Die Marke werde seit 1988 ernsthaft kennzeichenmäßig am österreichischen Markt benutzt. Eine solche Benutzung liege auch bei Verwendung einer bloß ähnlichen Form der Marke vor, wenn diese von der eingetragenen Marke nur in Bestandteilen abweiche, ohne dadurch die Unterscheidungskraft der Marke zu beeinträchtigen. Die Marke werde insbesondere für automationsunterstützte Lagersysteme wie zB das so genannte „Radio Shuttle“ - Konzept benutzt.

Die Nichtigkeitsabteilung gab dem Löschungsantrag aus dem Grunde des § 30a MSchG teilweise statt. Die angefochtene Marke Nr 125 365 wurde mit Wirkung vom 11. Jänner 2003 durch Einschränkung auf folgende Waren:

Klasse 7:    Transportvorrichtungen für Warenlagerhaltung in Regalsystemen ; Teile und Zubehör (nicht in anderen Klassen enthalten) für alle vorgenannten Waren;

Klasse 12:  Landfahrzeuge, nämlich Flurförderzeuge einschließlich Hubstapler und Hubwägen ; Teile und Zubehör (nicht in anderen Klassen enthalten) für alle vorgenannten Waren teilweise gelöscht. Im Umfang der Einschränkung wurde der Löschungsantrag abgewiesen.

Die Abweichung der tatsächlich verwendeten Zeichenausführung von der registrierten Marke sei nicht von einem solchen Ausmaß, dass die Unterscheidungskraft beeinflusst wäre. Im Wesentlichen entspreche die graphische Gestaltung - abgesehen von der Farbgebung - vollkommen der Marke in der registrierten Form. Das Zeichen sei auch ernsthaft benutzt worden. Auch wenn die Antragsgegnerin vom so genannten „Radio Shuttle“ - System im relevanten Zeitraum nur 10 Stück verkauft habe, sei dies als ernsthafte Benutzung zu qualifizieren, weil das Produkt ein Nischenprodukt auf dem Markt sei.

Die Benutzung erfolge jedoch nicht in vollem Umfang für alle eingetragenen Waren. Für den Umfang der Aufrechterhaltung einer Marke sei von den konkret benutzen Waren und Dienstleistungen auszugehen, doch müsse die Benutzung im Interesse einer nicht übermäßigen Einschränkung der Bewegungsfreiheit des Markeninhabers auch für solche Waren und Dienstleistungen anerkannt werden, die in ihren Eigenschaften und Zweckbestimmungen mit den benutzten Waren und Dienstleistungen übereinstimmen würden. Auch unter diesen Voraussetzungen habe die Antragsgegnerin eine Benutzung nicht für alle beanspruchten Waren nachgewiesen, sodass das Warenverzeichnis im oben angeführten Sinn einzuschränken gewesen sei.

Zur Einordnung des so genannten „Radio Shuttle“ - Systems führte die Nichtigkeitsabteilung aus, derartige Systeme seien von der Warenart Hebegeräten und Kränen gleichzusetzen, sie fielen daher in die Klasse 7. Der Umstand, dass sich das „Radio Shuttle“ - System selbständig im Regal bewege, führe noch nicht zu dessen Einordnung in die Klasse 12. Durch die lokale Begrenzung des Schienesystems, welches nicht als Verkehrsnetz betrachtet werden könne, ergebe sich eine stationäre Komponente des „Radio Shuttle“ - Systems. Es diene dem Transport in einem geschlossenen Regalsystem für die Warenlagerung und könne sich bei zweckentsprechender Verwendung über das Regal nicht selbständig hinausbewegen. Es könne daher als Transportvorrichtung für Warenlagerhaltung in Regalsystemen im Sinne eines stationären Hubgerätes angesehen werden.

Gegen den abweisenden Teil der Entscheidung richtet sich die Berufung des Antragstellers mit dem Antrag, die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung dahin abzuändern, dass die Marke Nr 125 365 der Antragsgegnerin in der Klasse 7 zur Gänze gelöscht werde.

Die Antragsgegnerin beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist nicht berechtigt.

In der Berufung strebt der Antragsteller lediglich die Löschung der Waren der Klasse 7 der Marke Nr 125 365 an. Im Hinblick auf die Ausführungen in der Berufung, die ausschließlich auf die Warengattung „Radio Shuttles“ Bezug nimmt, ist daher (nur) die Frage zu klären, ob so genannte „Radio Shuttles“ in die Klasse 7 und/oder in die Klasse 12 im Sinne der Nizzaer Klassifikation von Waren und Dienstleistungen einzuordnen sind, andererseits ob der nachgewiesene Vertrieb der „Radio Shuttles“ einen ernsthaften Gebrauch der gegenständlichen Marke bildet. Nicht Gegenstand der Berufung sind die Waren der Klasse 12 der angefochtenen Marke und auch nicht die von der Vorinstanz erörterte Problematik, ob die Marke in ihrer registrierten Form im geschäftlichen Verkehr verwendet wurde oder in einer hievon abweichenden Form. Auch auf die von der Nichtigkeitsabteilung vorgenommene Einschränkung des Warenverzeichnisses wird in der Berufung nicht Bezug genommen.

Der Antragsteller stützt seinen Antrag auf Löschung der Marke Nr 125 365 auf § 33a MSchG.

Gemäß § 33a Abs 1 MSchG kann jedermann die Löschung einer seit mindestens fünf Jahren im Inland registrierten oder gemäß § 2 Abs 2 MSchG in Österreich Schutz genießenden Marke begehren, soweit diese für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, innerhalb der letzten fünf Jahre vor dem Tag der Antragstellung im Inland weder vom Markeninhaber noch mit dessen Zustimmung von einem Dritten ernsthaft kennzeichenmäßig benutzt wurde, es sei denn, dass der Markeninhaber die Nichtbenutzung rechtfertigen kann. Der Benutzung der Marke steht die Benutzung der Marke in einer Form, die von der Eintragung nur in Bestandteilen abweicht, ohne dass dadurch die Unterscheidungskraft der Marke beeinflusst wird, gleich (§ 33a Abs 4 MSchG). Gemäß § 33a Abs 5 MSchG ist die Benutzung vom Markeninhaber nachzuweisen.

Die mindestens fünfjährige Registrierung der angefochtenen Marke ergibt sich aus dem Registerstand. Der für die Beurteilung des angemessenen kennzeichenmäßigen Gebrauchs maßgebliche Zeitraum liegt im vorliegenden Fall zwischen dem 11. Jänner 2003 und dem 10. Jänner 2008.

Zur Frage, wann eine kennzeichenmäßige Benutzung vorliegt, verweist § 33a Abs 1 MSchG auf die Definition des § 10a MSchG. Der Nachweis der Benutzung ist sowohl in qualitativer als auch in quantitativer Hinsicht zu erbringen. In qualitativer Hinsicht fordert § 33a MSchG die „ernsthafte“ kennzeichenmäßige Benutzung. Ob die Benutzung als ernsthaft zu werten ist, muss nach den vom Obersten Patent- und Markensenat im Einklang mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs und des Europäischen Gerichtshofs vertretenen Grundsätzen jeweils im Einzelfall entschieden werden. Bei dieser Beurteilung sind alle Tatsachen und Umstände zu prüfen, welche die tatsächliche geschäftliche Verwertung der Marke belegen. Die Marke wird ernsthaft benutzt, wenn sie entsprechend ihrer Hauptfunktion, die Ursprungsidentität der Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen wurde, zu garantieren, benutzt wird, um für diese Waren und Dienstleistungen einen Absatzmarkt zu erschließen oder zu sichern, unter Ausschluss symbolischer Verwendungen, die allein der Wahrung der durch die Marke verliehenen Rechte dienen (Om 14/06 = PBl 2007/140 – Dreher mwN zur Rechtsprechung des EuGH).

Die Frage, ob die Benutzung mengenmäßig ausreicht, um Marktanteile für die durch die Marke geschützten Waren und Dienstleistungen zu behalten oder hinzuzugewinnen, hängt von mehreren Faktoren und einer Einzelfallbeurteilung ab. Dabei sind die Merkmale der Waren oder Dienstleistungen, die Häufigkeit und die Regelmäßigkeit der Benutzung der Marke, die Frage, ob die Marke benutzt wird, um alle identischen Waren oder Dienstleistungen des Markeninhabers oder nur manche von ihnen zu vermarkten, oder auch die Beweise über die Benutzung der Marke, die der Inhaber vorlegen kann, zu berücksichtigen. Es gibt kein Mindestmaß einer Benutzung; selbst eine geringfügige, aber wirtschaftlich tatsächlich gerechtfertigte Benutzung kann ausreichen, um die Ernsthaftigkeit zu belegen (Om 4/09 = PBl 2010, 67 – Sallaki mwN).

Die Ernsthaftigkeit des Gebrauchs eines Produktes kann daher nicht anhand der absoluten Verkaufszahlen festgestellt werden, ohne auf die Art des Produktes bzw dessen Eigenart einzugehen. Keinesfalls kann die Ernsthaftigkeit des Gebrauchs auch in einem bloßen undifferenzierten Vergleich zu einem anderen völlig verschiedenen Produkt geprüft werden. Entscheidendes Prüfkriterium im Hinblick auf die Art des einzelnen Produktes ist, ob es sich um einen Massenartikel oder aber um einen Artikel handelt, der im geschäftlichen Verkehr selten und regelmäßig nur in geringen Stückzahlen vertrieben wird. Hier hat die Vorinstanz zu Recht auf so genannte „Nischenprodukte“ hingewiesen. Darunter versteht man solche Produkte, die mengenmäßig nur eine untergeordnete Rolle am Gesamtmarkt spielen und nur eine beschränkte Anzahl von Konsumenten ansprechen. In solchen Fällen ist die Ernsthaftigkeit des Gebrauchs nach anderen Kriterien zu beurteilen als beispielsweise bei Artikeln des täglichen Bedarfs. Wenn ein derartiges Nischenprodukt im Interesse eines umfassenden Angebots auf den Markt gebracht wird, ist dies wirtschaftlich gerechtfertigt, und es kann schon der Vertrieb einer relativ geringen Anzahl hievon ausreichend sein, um von einer Ernsthaftigkeit des Gebrauchs sprechen zu können.

„Radio Shuttles“ sind zweifelsohne solche Nischenprodukte. Sie sind für eine sehr spezialisierte Anwendung vorgesehen und dementsprechend nur für einen sehr eingeschränkten Konsumentenkreis von unmittelbarem Interesse und Bedarf. Die Nichtigkeitsabteilung hat daher zu Recht den im relevanten Zeitraum von der belangten Partei unter der angefochtenen Marke durchgeführten Verkauf von zehn „Radio Shuttles“ als ausreichend für einen ernsthaften Gebrauch angesehen. Der vom Berufungswerber angezogene Vergleich mit dem Verkauf von einer größeren Anzahl von Gabelstaplern geht ins Leere, weil bei dieser Produktgruppe ist ein erheblich größerer wirtschaftlicher Bedarf vorhanden und damit auch eine größere Nachfrage am Markt. Man kann in diesem Fall nicht mehr von einem Nischenprodukt sprechen.

Zur Klassifizierungsfrage:

Die Klassen 7 und 12 umfassen folgende Waren:

Klasse 7: Maschinen und Werkzeugmaschinen; Motoren (ausgenommen Motoren für Landfahrzeuge); Kupplungen und Vorrichtungen zur Kraftübertragung (ausgenommen solche für Landfahrzeuge); nicht handbetätigte landwirtschaftliche Geräte; Brutapparate für Eier;

Klasse 12: Apparate zur Beförderung auf dem Lande, in der Luft oder auf dem Wasser.

Zu beurteilen ist somit, ob die „Radio Shuttles“ als Maschinen bzw. Werkzeugmaschinen im weiteren Sinn oder aber als Beförderungsapparate (Beförderungsmittel) zu qualifizieren sind. Die Vorinstanz hat sich mit dieser Frage umfassend auseinandergesetzt und ist zur Auffassung gelangt, „Radio Shuttles“ seien als ein Transportsystem für den Transport von Waren innerhalb eines Warenlagers anzusehen.

Es lassen sich zwei unterschiedliche Arten von Transportsystemen unterscheiden. Einerseits gibt es rein maschinelle Transportsysteme, die nicht auf eine Fortbewegung auf größere Distanzen angelegt sind, sondern innerhalb eines von vornherein eingeschränkten räumlichen (stationären) Bereichs (wie zB in einer Halle) Verwendung finden. Diese würden unter die Klasse 7 fallen. Andererseits sind solche Transportsysteme zu erwähnen, die auf Basis mechanischer Beförderungsmittel (wie Fahrzeuge) funktionieren, für Transporte auf größere Entfernungen gedacht sind und für den Transport ein umfangreiches öffentliches Wegenetz (Straße, Schiene) benötigen. Diese fallen in die Klasse 12. Transportsysteme der ersteren Art wären beispielsweise Kräne, maschinelle Hebevorrichtungen, Hubgeräte oder Förder- und Transportbänder. Dass der Transport auf Schienen erfolgt, ist kein unterscheidendes Kriterium, denn ein Schienentransport ist zB auch innerhalb einer Lagerhalle oder auf einem räumlich beschränkten Platz möglich. So können unter anderem auch Kräne und andere Hebevorrichtungen auf Schienen fortbewegt werden. Entscheidendes Kriterium für die Unterscheidung und damit auch für die Einordnung in die entsprechende Warenklasse ist vielmehr die räumliche Entfernung des Transportes, ob also ein umfangreiches Verkehrsnetz nötig ist oder ob vielmehr die stationäre Komponente überwiegt. Deshalb ist auch der Umstand, dass die Fortbewegung des Transportmittels auf Rädern erfolgt, für die jeweilige Einordnung nicht relevant. Es fallen nicht generell alle Geräte, bei denen der Transport auf Schienen erfolgt, automatisch in die Klasse 12.

Bei den „Radio Shuttles“ handelt es sich um Transportvorrichtungen, die insbesondere in einem Warenlager zum Einsatz kommen und dort Waren in Regale einlagern. Das Transportsystem wird mit Fernbedienung gesteuert. Wegen der eingeschränkten räumlichen Fortbewegungsmöglichkeiten innerhalb eines Warenlagers bzw eines dortigen Regalsystems überwiegt hiebei eindeutig, wie schon die Vorinstanz zutreffend festgestellt hat, die stationäre Komponente des Systems. In seiner Funktionsweise ist es einer maschinellen Hebevorrichtung vergleichbar. Somit sind „Radio Shuttles“ nicht als Fahrzeuge zu qualifizieren, sondern als maschinelle Hebevorrichtungen, als maschinelle Transportsysteme mit eindeutig stationärer Komponente, und in die Klasse 7 der Nizzaer Klassifikation von Waren und Dienstleistungen einzuordnen. Aufgrund der oben geschilderten Anwendung und Funktionsweise von „Radio Shuttles“ lassen sie sich unter die von der Nichtigkeitsabteilung zu Recht vorgenommenen Einschränkung des Warenverzeichnisses in der Klasse 7 „Transportvorrichtungen für Warenlagerhaltung in Regalsystemen“ unmittelbar einordnen.

Der insgesamt unberechtigten Berufung musste somit ein Erfolg versagt werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 42 Abs 1 MSchG iVm § 122 Abs 1 und § 140 Abs 1 PatG sowie auf §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO. Der Einheitssatz im Berufungsverfahren beträgt, wenn keine Beweisaufnahme stattfindet und kein „auswärtiger“ Rechtsanwalt einschreitet, 150 %.

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