JudikaturJustizOm1/13

Om1/13 – OPMS Entscheidung

Entscheidung
26. Juni 2013

Kopf

Der Oberste Patent- und Markensenat hat durch die Präsidentin des Obersten Patent- und Markensenates Dr. Irmgard GRISS, die Räte des Obersten Patent- und Markensenates Dr. Gabriele JAGETSBERGER, Dr. Elisabeth LOVREK, Dr. Gerhard PRÜCKNER als rechtskundige Mitglieder und der Rätin des Obersten Patent- und Markensenates Oberrätin Dr. Maria KRENN als fachtechnisches Mitglied in der Markenrechtssache der Antragstellerin   S *****  L i m i t e d ,   ***** Großbritannien, vertreten durch Sonn Partner Patentanwälte, Riemergasse 14, 1010 Wien, wider die Antragsgegnerin   S *****  G m b H C o   K G ,   ***** vertreten durch Herrn Rechtsanwalt, Dr. Thomas MONDL, Canovagasse 7/10A, 1010 Wien, wegen teilweiser Löschung der Marken Nr 247 074 und 247 075 über die Berufung der Antragsgegnerin gegen den Beschluss der Nichtigkeitsabteilung des Österreichischen Patentamtes vom 7. Mai 2012, Zl Nm 106/2010-2 und Nm 107/2010-2 in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss gefasst:

Spruch

Der Berufung wird Folge gegeben. Die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung wird einschließlich der Kostenentscheidung aufgehoben. Der Nichtigkeitsabteilung wird eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

G r ü n d e :

Die Antragsgegnerin ist Inhaberin der österreichischen Wortbildmarken Nr 247 074 und Nr 274 075, die mit Priorität vom 17. Juni 2008 für die Waren der Klassen 30, 32 und 33 und für die Dienstleistungen in den Klassen 41 und 43 registriert sind.

Die Antragstellerin beantragte am 30. September 2010 unter Berufung auf näher bezeichnete Gemeinschaftsmarken die teilweise Löschung beider Marken im Umfang der Registrierung für die Dienstleistungen in der Klasse 41.

Die Nichtigkeitsabteilung verfügte die Zustellung des Antrags an die Antragsgegnerin. Sie setzte – unter Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 42 Abs 3 MSchG – eine zweimonatige Äußerungsfrist.

Nach Scheitern eines Zustellversuchs an eine nunmehr in Liquidation befindliche GmbH (frühere Rechtsvertreterin der Antragsgegnerin) erfolgte die Zustellung an den Sitz der Antragsgegnerin in *****. G***** N*****übernahm die Sendung am 13. Dezember 2011. Sie unterschrieb den Rückschein, auf dem der Vermerk „Arbeitgeber/Arbeitnehmer“ angekreuzt wurde.

Die Antragsgegnerin erstattete in der Äußerungsfrist keine Gegenschrift.

Die Nichtigkeitsabteilung verfügte am 7. Mai 2012 gemäß § 42 Abs 3 MSchG die teilweise Löschung der Marken im beantragten Umfang und sprach der Antragstellerin Kosten zu.

Die Antragsgegnerin beantragte am 17. Juli 2012 die Nichtigerklärung des bisherigen Verfahrens. Diesen Antrag verband sie mit einer Berufung wegen Nichtigkeit. Hilfsweise stellte sie den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Äußerungsfrist, wobei sie die versäumte Gegenschrift nachholte. Sie brachte zusammengefasst unter Vorlage von eidesstättigen Erklärungen ihres Geschäftsführers M***** K***** und einer Angestellten ihres nunmehrigen Rechtsvertreters und eines Dienstzettels der G***** N*****vor, dass die Zustellung des Antrags nichtig gewesen sei. G***** N***** sei nicht bei der Antragsgegnerin beschäftigt. Sie habe auch keine Postvollmacht. Die von G***** N*****übernommene Sendung sei der Antragsgegnerin nie zugekommen. Sie habe erst durch Zustellung des Löschungsbeschlusses von dem Antrag erfahren.

Nachdem die Nichtigkeitsabteilung den Antrag auf Nichtigerklärung ihres Verfahrens mit der Begründung abwies, dass sie an ihren Löschungsbeschluss gebunden sei, eine Aufhebung oder Abänderung ihrer Entscheidungen sei nur im Weg einer Berufung zu erreichen, hat der Senat über die auf den Verfahrensverstoß des fehlenden rechtlichen Gehörs gestützte Berufung der Antragsgegnerin zu entscheiden: Der ebenfalls gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde erkennbar nur für den Fall der Bestätigung des Löschungsbeschlusses gestellt.

Die Antragstellerin beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist berechtigt.

Zur Klärung des Zustellvorgangs führte der OPM ein Bescheinigungsverfahren durch Einsicht in die vorgelegten Urkunden durch. Ferner vernahm ein zum ersuchten Richter bestelltes Mitglied des OPM den Geschäftsführer der Antragsgegnerin als Auskunftsperson.

Folgender Sachverhalt ist als bescheinigt zugrunde zu legen:

Tatsächlich war (und ist) G***** N***** nicht Arbeitnehmerin der Antragsgegnerin. Sie war vielmehr von 14. September 2009 bis 31. Dezember 2012, also auch zum Zustellzeitpunkt, Angestellte der B***** GmbH, einer Schwestergesellschaft der Antragsgegnerin, mit Sitz ebenfalls in *****. G***** N***** verfügte über keine Postvollmacht der Antragsgegnerin.

Die Zentrale der B***** GmbH befindet sich im fünften Stock des Hauses; das Büro der Antragsgegnerin liegt im sechsten Stock. Normalerweise gibt es im Haus keine Probleme mit der Postzustellung.

G***** N***** leitete das übernommene Schriftstück nicht an die Antragsgegnerin weiter. Die Antragsgegnerin erfuhr erst durch Zustellung des Löschungsbeschlusses von dem Verfahren. Der Geschäftsführer der Antragsgegnerin erkundigte sich bei G***** N***** nach dem Zustellvorgang; diese konnte sich jedoch nicht mehr an die konkrete Zustellung erinnern.

Dieser Sachverhalt ergibt sich aus den nicht widerlegten Angaben M***** K*****. Dass G***** N***** nicht Angestellte der Antragsgegnerin war, ist durch den vorgelegten Dienstzettel bescheinigt.

Daraus folgt rechtlich, dass die Berufung berechtigt ist. Der Antragsgegnerin wurde das rechtliche Gehör dadurch entzogen, dass ihr der verfahrenseinleitende Antrag und die Aufforderung, binnen zwei Monaten eine Gegenschrift zu erstatten, widrigenfalls dem Löschungsantrag ohne weiteres stattzugeben ist (§ 42 Abs 3 MSchG), nicht ordnungsgemäß zugestellt wurde. Der Berufung war daher in nichtöffentlicher Sitzung (§ 142 Abs 1 Z 7 PatG iVm § 42 Abs 1 MSchG) Folge zu geben, der Beschluss der Nichtigkeitsabteilung zu beheben und die Rechtssache an die Nichtigkeitsabteilung zurückzuverweisen, die aufgrund der bereits eingelangten Gegenschrift ein kontradiktorisches Verfahren durchzuführen haben wird.

Der Kostenvorbehalt in Ansehung der Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf § 42 Abs 1 MSchG iVm §§ 122 Abs 1, 140 PatG und § 52 ZPO.

Rechtssätze
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