JudikaturJustizOBp2/13

OBp2/13 – OPMS Entscheidung

Entscheidung
08. Mai 2013

Kopf

Der Oberste Patent- und Markensenat hat durch die Präsidentin des Obersten Patent- und Markensenates Dr. Irmgard GRISS und die Räte des Obersten Patent- und Markensenates Hofrätin des OGH Dr. Elisabeth LOVREK und Hofrat Mag. Gerald PILZ als rechtskundige Mitglieder und die Räte des Obersten Patent- und Markensenates Dipl.-Ing. Johannes MESA PASCASIO und Dipl.-Ing. Ferdinand KOSKARTI als fachtechnische Mitglieder in der Patentrechtssache der Antragstellerin   B *****   G M B H ,   ***** vertreten durch Patentanwälte Puchberger, Berger Partner, Reichsratsstraße 13, 1010 Wien, gegen die Antragsgegnerin   N *****  A B ,  ***** Schweden, vertreten durch Sonn Partner Patentanwälte, Riemergasse 14, 1010 Wien, wegen Erteilung des Patents „Sicherungselement zur Sicherstellung von Schraubenelementen“ im Umfang der Ansprüche 1-16, über die Beschwerde der Einsprecherin gegen die Entscheidung der Rechtsmittelabteilung des Österreichischen Patentamtes vom 16. August 2012, Zl B 1/2007-8, entschieden:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Der Antrag auf Zuspruch von Kosten der Beschwerdebeantwortung wird abgewiesen.

Text

G r ü n d e :

Der Rechtsvorgänger der Antragsgegnerin meldete am 5. September 2003 zu A 1400/2003 das Patent „Sicherungselement zur Sicherung von Schraubenelementen“ an. Die am 2. März 2004 bekannt gemachten Ansprüche sind – nach einer Einschränkung durch die Antragsgegnerin - in folgendem Umfang Gegenstand des Verfahrens vor dem Obersten Patent- und Markensenat:

1. Sicherungselement zur Sicherung von Schraubenelementen wie Schrauben und Muttern gegen ungewolltes Losdrehen, bestehend aus mindestens zwei aufeinanderliegenden ringförmigen Sicherungsscheiben mit Ringloch, wobei die aufeinanderliegenden Flächen Keilflächen aufweisen und an den Außenflächen jeweils eine Verzahnung vorgesehen ist, dadurch gekennzeichnet, dass mindestens ein Ringloch (14) an der mit einer Verzahnung (5) versehenen Innenkante eine Abrundung (6) aufweist.

2. Sicherungselement nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Kämme (8) der Keilflächen (7) in einer von der radialen Richtung abweichenden Orientierung verlaufen.

3. Sicherungselement nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass die Kämme (8) der Keilflächen (7) eine V - Form aufweisen.

4. Sicherungselement nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass die Kämme (8) der Keilflächen (7) eine U - Form aufweisen.

5. Sicherungselement nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass die Kämme (8) der Keilflächen (7) eine S - Form aufweisen.

6. Sicherungselement nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, dass die Zähne der Verzahnung (5) in nicht-radialer Richtung verlaufen.

7. Sicherungselement nach einem der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, dass die Zähne der Verzahnung (5) eine Krümmung aufweisen.

8. Sicherungselement nach einem der Ansprüche 1 bis 7, dadurch gekennzeichnet, dass die Sicherungsscheiben (1, 2) mittels einer Hülse (16) miteinander verbunden sind, die an der Außenseite der Sicherungsscheiben (1, 2) angeordnet ist.

9. Sicherungselement nach Anspruch 8, dadurch gekennzeichnet, dass die Hülse (16) Falze aufweist, die seitlich über oder in den Rand der Sicherungsscheiben (1, 2) hineinragen.

10. Sicherungselement nach Anspruch 9, dadurch gekennzeichnet, dass die Falze ringförmig ausgeführt sind.

11. Sicherungselement nach Anspruch 9, dadurch gekennzeichnet, dass die Falze als Laschen (18) ausgeführt sind.

12. Sicherungselement nach Anspruch 9, dadurch gekennzeichnet, dass die Falze Ringsegmente (17) sind.

13. Sicherungselement nach Anspruch 8 oder 9, dadurch gekennzeichnet, dass die Hülse (16) ein geschlitzter Ring (19) ist.

14. Sicherungselement nach einem der Ansprüche 9 bis 13, dadurch gekennzeichnet, dass der Übergang zwischen der Hülse (16) und den Falzen eine Rundung und/oder eine Fase aufweist.

15. Sicherungselement nach einem der Ansprüche 9 bis 12, dadurch gekennzeichnet, dass der Übergang zwischen der Hülse (16) und den Falzen rechtwinkelig ausgebildet ist.

16. Sicherungselement nach einem der Ansprüche 9 bis 15, dadurch gekennzeichnet, dass die Sicherungsscheiben eine Nut (23) zur Aufnahme der Falze aufweisen.

Die Antragstellerin erhob Einspruch und beantragte die gänzliche Versagung des Patents. Die angemeldeten Ansprüche seien weder neu noch erfinderisch. Aus den Urkunden Beilagen ./A1 und A3 bis A17 sei die offenkundige Vorbenutzung der Sicherungsscheiben abzuleiten.

Die Antragsgegnerin erwiderte, dass lediglich eine Abrundung oder Freistellung – im Gegensatz zu einer Fase (Abfasung) – bekannt gewesen sei und überdies eine Sicherungsscheibe mit in radialer Richtung abweichend verlaufenden Kämmen und Keilflächen sowie eine Hülse als Verbindungselement der Scheiben geschützt werden soll.

Die Technische Abteilung gab dem Einspruch statt und versagte das Patent.

Sie traf zusammengefasst folgende Feststellungen:

Die Antragstellerin produziert jährlich etwa 80 Millionen Sicherungsscheiben. Der Vertrieb erfolgt einerseits über unabhängige Unternehmen, wie zB die N*****GmbH *****die seit 2003 auch für den Vertrieb in Österreich zuständig ist. Andererseits werden die Produkte der Antragstellerin über Tochtergesellschaften vertrieben. Zu den Kunden der N*****GmbH ***** gehören die Unternehmen MAN AG, Siemens und Alstom.

An einer Besprechung im Jahr 1990 nahmen zwei Mitarbeiter der N*****GmbH *****, drei Mitarbeiter der internen Normenabteilung der MAN AG und ein freier Handelsvertreter der N*****GmbH ***** teil. Dabei diskutierten die Teilnehmer, dass das Fehlen einer Fase am Lochrand zum Bruch der Scheibe oder zum Schraubenbruch führen kann und dass eine Fasung oder Rundung an der Lochkante den Freigang sicherstellen könne. Die Besprechung unterlag keiner Geheimhaltung.

Der Aktenvermerk Beilage ./A11 gibt den Inhalt der Besprechung wieder. Er wurde an die Antragstellerin und auch innerhalb der MAN AG verteilt.

Rechtlich vertrat die technische Abteilung die Auffassung, dass zumindest vier Unternehmen bzw die bei ihnen beschäftigten Mitarbeiter vor dem Anmeldetag Kenntnis davon gehabt hätten, dass eine Fase oder Rundung an der Lochkante der Sicherungsscheibe den Freigang sichere.

Die Rechtsmittelabteilung gab der von der Antragsgegnerin erhobenen Beschwerde Folge. Sie hielt das Patent im Umfang der eingangs bezeichneten Ansprüche aufrecht:

Die Besprechung im Jahr 1990, deren Inhalt durch den Aktenvermerk Beilage ./A11 dokumentiert sei, habe der Geschäftsanbahnung gedient. Sie unterliege daher einer Geheimhaltungsverpflichtung der Teilnehmer.

Während die Fase sowie die Freistellung dem Stand der Technik entsprächen, träfe dies für die Abrundung nicht zu, weil keine vergleichbare Wirkung bzw Äquivalenz von Fase und Abrundung vorliege. Vielmehr gehe es beim Vorsehen einer Abrundung eben nicht nur um eine Veränderung des Hohlraums im Querschnitt zwischen Sicherungsscheibe und Übergangsradius des Schraubenschaftes, verglichen mit der Fase oder der Freistellung, sondern auch um eine Verbesserung der möglichen Kerbwirkung im Bereich des Übergangsradiusses.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin. Sie beantragt erkennbar die Wiederherstellung der Entscheidung der Technischen Abteilung.

Die Antragsgegnerin beantragt, der Beschwerde nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerde ist nicht berechtigt.

1. Die Antragstellerin bekämpft die Auffassung der Rechtsmittelabteilung, der Inhalt des Aktenvermerks Beilage ./A11 stelle keinen allgemein zugänglichen Stand der Technik dar. Sie argumentiert, dass die Besprechung am 5. November nicht der Geschäftsanbahnung gedient habe und aus dem Aktenvermerk über das Gespräch (Beilage ./A11) hervorgehe, dass der Aktenvermerk acht verschiedenen Unternehmen zugeleitet worden sei.

1.1 Vorauszuschicken ist, dass die Rechtsmittelabteilung die auf unmittelbarer Beweisaufnahme der Technischen Abteilung beruhenden Feststellungen nicht in Frage gestellt hat.

1.2 Es steht fest, dass bei der Besprechung im Jahr 1990 drei Mitarbeiter von MAN-Firmen, zwei Mitarbeiter der N*****GmbH ***** sowie ein freier Handelsvertreter der N*****GmbH *****anwesend waren. Diese Besprechung hatte geschäftlichen Charakter.

1.3 Ob es sich dabei um ein Treffen zur Geschäftsanbahnung oder – wie die Antragstellerin meint – zur Ausweitung vorhandener Geschäftsbeziehungen handelt, ist unerheblich:

1.3.1 Die tatsächliche Existenz einer bestimmten technischen Kenntnis lässt diese noch nicht zum Stand der Technik werden. Sie muss der Öffentlichkeit auch objektiv zugänglich gemacht werden, wobei die Beweislast für die offenkundige Vorbenutzung denjenigen trifft, der sie behauptet ( Schulte/Mou-fang , PatG8 Art 54 EPÜ/§ 3 PatG Rz 34 f).

1.3.2 Eine offenkundige Vorbenutzung scheidet aus, soweit zwischen den Beteiligten, die Kenntnis hatten, eine Geheimhaltungsverpflichtung bestand. Dazu reicht es aus, wenn nach den tatsächlichen Umständen des konkreten Falls ernsthaft in Betracht zu ziehen ist, dass eine Pflicht zur Verschwiegenheit auch ohne ausdrückliche Vereinbarung ernsthaft gewollt war (BPatG 11 W 317/04; BPatG 4 Ni 40/06).

1.3.3 Die Feststellung der Technischen Abteilung, dass die Besprechung keiner Geheimhaltung unterlag, ist (nur) dahin zu verstehen, dass eine ausdrückliche Vereinbarung über die Geheimhaltung nicht getroffen wurde. Ob aber nach den Umständen des Einzelfalls eine Pflicht zur Verschwiegenheit auch ohne ausdrückliche Vereinbarung stillschweigend gewollt war, ist eine Rechtsfrage.

1.3.4 Diese Rechtsfrage hat die Rechtsmittelabteilung richtig gelöst: Zwischen den Unternehmen, für die die Besprechungsteilnehmer auftraten, bestanden bereits Geschäftsverbindungen. Die Besprechung diente der Fortführung der geschäftlichen Beziehungen. Selbst unter Zugrundelegung der in der Beschwerde hervorgehobenen Annahme, dass die N*****GmbH ***** von der Antragstellerin „rechtlich und wirtschaftlich unabhängig“ ist, lag es in ihrem Interesse als potentielles Vertriebsunternehmen, dass die besprochene Vorgangsweise, die mit der Erwartung verbunden war, einen Scheiben- oder Schraubenbruch zu verhindern, geheim blieb. Der MAN AG als potentieller Abnehmerin des Produkts und dem freien Handelsvertreter – der in einem Vertragsverhältnis zur N*****GmbH ***** stand – mussten dieses Geheimhaltungsinteresse bewusst sein. Der Zweck der Besprechung lag darin, im Interesse aller Beteiligten eine Strategie zu entwickeln, die es der Antragstellerin (im Aktenvermerk Beilage ./11 als „schwedische Mutterfirma“ bezeichnet) ermöglichte, ein erfolgversprechendes Produkt ohne die in der Besprechung angeführten Nachteile herzustellen. Unter diesen Umständen konnten aber die Antragstellerin und ihr Vertriebsunternehmen berechtigt die Verschwiegenheit sowohl des freien Handelsvertreters als auch der MAN-AG erwarten (vergleiche Schulte/Mou-fang , PatG8 Art 54 EPÜ/§ 3 PatG Rz 30-32 mN aus der Rechtsprechung). Damit in Einklang steht die zu entsprechender Sorgfalt auffordernde Fußzeile auf dem Aktenvermerk Beilage ./A11, wonach unter anderem „für diese Unterlagen in Form und Inhalt“ der „in den Gesetzen vorgesehene Schutz geltend gemacht wird“.

1.3.5 Die Verteilung des Aktenvermerks an weitere Mitarbeiter der Vertriebsgesellschaft und der MAN-Gruppe ändert an dieser Beurteilung nichts, weil dadurch nur ein eng begrenzter Personenkreis Kenntnis erlangte. Die Annahme, dass einschlägige Unternehmen dabei die sachkundige Öffentlichkeit, also die betreffende „Branche" darstellen, ist unzutreffend, weil ansonsten das gesamte Know-how jedes Unternehmens ein für jedermann allgemein zugängliches Gut wäre (BA B 3/89 PBl 1992, 130).

1.3.6 Dass die Idee auch anderen Unternehmen mitgeteilt wurde, steht nicht fest.

1.4 Aus den genannten Gründen ist der Aktenvermerk Beilage ./A11 nicht vorveröffentlicht und daher nicht als Stand der Technik zu werten.

2. Die Antragstellerin bekämpft zu Unrecht die Auffassung der Rechtsmittelabteilung, dass die Sichtweise der Fachwelt die bekämpften Merkmale nicht enthält:

2.1 Die Streitparteien anerkennen, dass im Stand der Technik Sicherungselemente in Form von Keilsicherungsscheibenpaaren bekannt sind, die die Oberbegriffsmerkmale des Anspruchs 1 umfassen und am Innenrand eine Fase aufweisen.

2.2 Als kennzeichnendes Merkmal wird in Anspruch 1 eine Abrundung vorgeschlagen. Grundsätzlich ist es möglich, dass auch bei einer Abrundung Kanten durch die Schnittlinie zwischen der horizontalen Scheibenfläche bzw der vertikalen Flanke am Scheiben-Innendurchmesser einerseits und der Abrundung andererseits entstehen. Eine gedachte Tangente an der Abrundung in unmittelbarer Nähe zur oberen Scheibenfläche schließt allerdings im Querschnitt gesehen mit der Begrenzungslinie der oberen Scheibenfläche immer einen stumpferen Winkel ein als eine entsprechende Fase. Somit ist bei einer konvexen Abrundung der Innenkante mit einer geringeren Kerbwirkung als bei einer vergleichbaren Fase zu rechnen.

2.3 Würde die gedachte Tangente am Beginn der Rundung (also am Übergang von oberer Scheibenfläche zur Abrundung) horizontal an der Rundung anliegen, so wäre damit sogar jegliche Kerbwirkung unterhalb des Schraubenkopfes aufgehoben. Selbst bei unterschiedlichen Radien lässt sich eine Abrundung immer so gestalten, dass die besagte Tangente horizontal anliegt und somit keine Kerbwirkung entsteht. Analoges gilt für den Übergang der Abrundung hin zur vertikalen Seitenflanke des Scheiben-Innendurchmessers. Die Annahme der Technischen Abteilung, dass die Kerbwirkung nur bei „genauer Einpassung“ bzw „Überwölbung“ der Rundung gegenüber dem Übergangsradius ausgeschaltet werden könne, greift zu kurz.

2.4 Die Herabsetzung der Kerbwirkung wird zwar auch durch ein Angleichen der Rundungen zwischen Übergangsradius und Scheibenkantenabrundung gefördert. Wesentlich jedoch ist, dass durch die konvexe Abrundung der Scheibe gemäß Figur 5a der bekannt gemachten Patentanmeldung stets mit einer verringerten Kerbwirkung in den Übergangsradius am Schraubenschaft gegenüber einer Fase bei vergleichbarer Kantenlage zu rechnen ist. Dass sich durch die Anwendung einer konvexen Abrundung an einem bekannten Sicherungselement eine verringerte Kerbwirkung am Übergangsradius einstellt, ist nachvollziehbar.

Daher geht es beim Vorsehen einer Abrundung eben nicht nur um eine Veränderung des Hohlraums im Querschnitt gesehen zum Übergangsradius des Schraubenschafts, verglichen mit der Fase oder der Freistellung, sondern auch um eine Verringerung der möglichen Kerbwirkung im Bereich des Übergangsradiusses.

2.5 Entsprechend der anmeldungsgemäßen Aufgabenstellung wird eine Zentrierung der Scheiben durch einen engen Innendurchmesser angestrebt; die Größe des Außendurchmessers der Scheibe ist aus wirtschaftlichen Gründen (Materialeinsatz) sowie aus technischen Gründen (zB Einsatz in einem Senkloch) begrenzt. Folglich ist auch der maximale Innenlochdurchmesser der Scheibe begrenzt, damit genügend Scheibenmaterial zur Aufnahme der Flächenpressung verbleiben kann. Unter diesen Gesichtspunkten wird anmeldungsgemäß ein Herangehen des Scheiben-Innendurchmessers an den Übergangsbereich am Schraubenschaft ausdrücklich in Kauf genommen. Dabei wird eine Rundung in ihrer Kerbwirkung stets unproblematischer als eine Fase wirken. Allenfalls wäre in diesem Falle mit einer Anquetschung der Abrundung am Übergangsbereich zu rechnen, niemals jedoch mit einer Kerbwirkung wie bei den Fasenkanten, wobei hochfeste Schrauben besonders kerbempfindlich sind.

2.6 Wegen dieser Kerbwirkung der Fasenkanten ist ein zu nahes Heranführen der Fasen an den Übergangsbereich der Schraube zu vermeiden. Bei begrenztem Innendurchmesser des Scheibenlochs wäre eine vergleichsweise größere Ausbildung der Fase (Fasenbreite) zu erwarten. Dass dies ein Fachmann bei einer Fase machen würde, zeigt auch der Aktenvermerk Beilage ./A11, der die Fase zur Sicherstellung des Freigangs, also als Freistellung, vorschlägt.

2.7 Der Innendurchmesser mit konvexer Abrundung kann in unproblematischer Weise auch an den Übergangsbereich herangeführt werden, wodurch eine Abrundung klein ausgebildet werden kann, da hier kein Freigang angestrebt werden muss. Dies ist deswegen vorteilhaft, weil einerseits die verbleibende senkrechte Stützflanke am Innendurchmesser der Scheibe nicht in den Gewindegang einschneiden darf (Seite 4 der Anmeldungsbeschreibung) und daher entsprechend groß dimensioniert werden muss, und andererseits die Gesamtdicke der Scheiben gering gehalten werden soll, um beispielsweise entsprechende Materialeinsparungen zu ermöglichen.

2.8 Es ergibt sich somit im Vergleich zur Abrundung bei vorgegebenem Innenlochdurchmesser der Scheibe, dass eine Fase mit kleiner Fasenbreite mit entsprechender Kerbwirkung wahrscheinlicher mitten in den Übergangsbereich reichen würde oder dass eine Fase mit größerer Fasenbreite zu einer größeren Gesamtscheibendicke führen würde. In jedem Fall würden sich dabei klare Nachteile gegenüber einer Abrundung ergeben.

2.9 Zusammengefasst bedeutet das, dass durch die Scheibe mit Abrundung ein näheres Heranführen des Innenlochs der Scheibe an den Schraubenschaft möglich ist, wobei die Gesamtdicke der Scheibe vergleichsweise gering ausgeführt und insgesamt die Kerbwirkung verringert oder gänzlich vermieden werden kann.

3. Eine vergleichbare Wirkung bzw Äquivalenz von Fase und Abrundung kann allein aus den mit einer Abrundung verbundenen vorteilhaften Effekten nicht erzielt werden.

3.1 Beilage ./E ist die Kopie eines Auszuges aus DIN-Mitteilungen 71, 1992, Nr 5. Darin ist zunächst von der Einführung einer Scheibe am Durchgangsloch die Rede, wodurch verhindert werden soll, dass „die harte Scheibe in den Unterkopfradius der Schraube eindrückt….“. Diese Beilage weist allenfalls auf eine Scheibe mit Fase hin.

3.2 Beilage ./F ist eine Kopie aus Lueger , Lexikon der Technik, Band 44 194. Darin wird eine Fase als eine Abrundung einer scharfen Kante vor allem bei Bohrwerkzeug definiert: Der Fachmann verstehe unter Fase regelmäßig eine „Abrundung“ einer scharfen Kante und nicht nur eine exakt ebene Abschrägung.

Der Bezug zu einem Sicherungselement für eine Schraube fehlt dabei jedoch völlig. So wird in der Anmeldung immer klar zwischen Fase und Abrundung unterschieden.

3.3 Beilage ./G zeigt die Abfasung einer Scheibe, nicht jedoch eine Abrundung der Kante. Stattdessen ist eine gerade Abschrägung als „Abschrägung rechteckiger Kanten“ offenbart. Bei der Herstellung einer Fase entsteht eine Übergangskante mit vernachlässigbarem Radius, wobei klar ist, dass eine derartige Kante stets wesentlich schärfer wirkt als eine bewusst angefertigte Abrundung. Sie lässt sich somit auch nicht mit einer solchen vergleichen. Analoges gilt für das Entgraten von Scheiben nach dem Stanzen beim anschließenden Härten, wodurch die Grate wegbrechen und die Kanten abstumpfen.

3.4 Das Sicherungselement in der nunmehr ausschließlich aufrecht erhaltenen Variante mit Abrundung ist somit neu und erfinderisch.

4. Die an den patentfähigen Anspruch 1 anschließenden Ansprüche 2 bis 16 enthalten vorteilhafte Ausgestaltungen des Anspruchs 1 und sind daher ebenfalls patentierbar.

5. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens vor dem Obersten Patent- und Markensenat gründet sich auf § 145b Abs 6 PatG. Diese Bestimmung ist nach § 180 Abs 9 PatG mit 1. Juli 2005 ohne Übergangsbestimmung in Kraft getreten. Sie ist daher auch dann anzuwenden, wenn im Einspruchsverfahren selbst noch Kostenersatzpflicht besteht (§ 174 Abs 1 PatG iVm § 105 PatG in der Fassung vor der Patentrechtsnovelle 2004).

Rechtssätze
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