JudikaturJustizOBm4/13

OBm4/13 – OPMS Entscheidung

Entscheidung
13. November 2013

Kopf

Der Oberste Patent- und Markensenat hat durch die Präsidentin des Obersten Patent- und Markensenates Dr. Irmgard GRISS, die Räte des Obersten Patent- und Markensenates Mag. Wilfried KYSELKA, Dr. Elisabeth LOVREK und Dr. Gottfried MUSGER als rechtskundige Mitglieder und den Rat des Obersten Patent- und Markensenates Dr. Johannes WERNER als fachtechnisches Mitglied in der Markenrechtssache der Antragstellerin Firma  F*****  G m b H ,   ***** Deutschland, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. Rainer KORNFELD, Mariahilfer Straße 1d, 1060 Wien, wegen Widerspruchs gegen die österreichische Marke Nr 259 935 über die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Entscheidung der Rechtsmittelabteilung des Österreichischen Patentamtes vom 19. Oktober 2012, GZ Bm 41/2011-3, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass die Registrierung der Marke AT 259 935 infolge Widerspruchs der Beschwerdeführerin für folgende Dienstleistungen der Klasse 42 aufgehoben wird: Wissenschaftliche und technologische Dienstleistungen und Forschungsarbeiten; technische Projektplanungen; Energieeffizienz-Analysen.

Die Parteien haben die Kosten des Widerspruchsverfahrens aller drei Instanzen selbst zu tragen.

Text

G r ü n d e :

Der Beschwerdegegner ist Inhaber der nachstehend abgebildeten österreichischen Wort-Bild-Marke AT 259 935:

Die Marke wurde mit Priorität vom 2. August 2010 unter anderem für folgende Dienstleistungen der Klasse 42 registriert: Wissenschaftliche und technologische Dienstleistungen und Forschungsarbeiten; technische Projektplanungen; Energieeffizienz-Analysen.

Die Beschwerdeführerin ist Inhaberin der Gemeinschaftsmarke CTM 005 635 586 „FERCHAU“, die mit Priorität vom 23. Jänner 2007 unter anderem für folgende Dienstleistungen der Klasse 42 registriert wurde: Wissenschaftliche und technologische Dienstleistungen und Forschungsarbeiten und diesbezügliche Designerdienstleistungen; Dienstleistungen von Ingenieuren; Konstruktionsplanungen; industrielle Analyse- und Forschungsdienstleistungen; Entwurf und Entwicklung von Computerhardware und -software; Hard- und Softwareberatung.

Die Beschwerdeführerin erhob rechtzeitig Widerspruch gegen die Eintragung der Marke des Beschwerdegegners für die Dienstleistungen in Klasse 42. Zwischen der angegriffenen Marke und der älteren Widerspruchsmarke bestehe in Bezug auf diese Dienstleistungen Verwechslungsgefahr im Sinne von § 30 Abs 1 Z 2 MSchG.

Der Beschwerdegegner bestreitet die Verwechslungsgefahr, weil trotz Dienstleistungsidentität ein ausreichender Zeichenabstand vorliege.

Die Rechtsabteilung des Patentamts folgte diesem Standpunkt und wies den Widerspruch ab.

Die Rechtsmittelabteilung bestätigte die Entscheidung. Zwar bestehe teilweise Dienstleistungsidentität. Da es sich aber nicht um Dienstleistungen des täglichen Lebens handle, sei von einer hohen Aufmerksamkeit der angesprochenen Kreise auszugehen. Der Wortklang sei verschieden, weil „FERCHAU“ ohne jeden Zweifel auf der zweiten, „FERCHER“ hingegen auf der ersten Silbe betont werde. Die grafischen Elemente der Marke des Beschwerdegegners seien zumindest genauso dominant wie der Wortbestandteil. Damit sei auch Verwechslungsgefahr in bildlicher Hinsicht ausgeschlossen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich eine Beschwerde der Beschwerdeführerin . Sie beantragt, ihrem Widerspruch stattzugeben und die Registrierung der Marke AT 259 935 für die Dienstleistungen der Klasse 42 aufzuheben.

Der Beschwerdegegner hält in der Beschwerdebeantwortung daran fest, dass keine Verwechslungsgefahr bestehe.

Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerde ist berechtigt.

1. Die Marke der Beschwerdeführerin ist älter als jene des Beschwerdegegners. Der auf § 29a iVm § 30 Abs 1 Z 2 MSchG gestützte Widerspruch ist daher berechtigt, wenn Verwechslungsgefahr besteht.

2. Für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr sind im vorliegenden Fall folgende Kriterien maßgebend:

2.1. Der Begriff der Verwechslungsgefahr unterliegt unionsweit einem einheitlichen Maßstab, den der EuGH in mehreren Entscheidungen konkretisiert hat. Danach ist, ebenso wie nach ständiger österreichischer Rechtsprechung, die Verwechslungsgefahr unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen, wobei die fraglichen Marken jeweils in ihrem Gesamteindruck miteinander zu vergleichen sind und die Wirkung auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Abnehmer der betreffenden Waren oder Dienstleistungen entscheidend ist (RIS-Justiz RS0117324; Nachweise bei Schumacher in Kucsko , marken.schutz [2006] 210, FN 77).

2.2. Umfassende Beurteilung bedeutet, dass auf die Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren Bedacht zu nehmen ist. Zu berücksichtigen sind insbesondere die Ähnlichkeit der Marken, deren Kennzeichnungskraft und die Ähnlichkeit der von ihnen erfassten Waren oder Dienstleistungen. Ein geringer Grad der Gleichartigkeit der erfassten Waren oder Dienstleistungen kann durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt. Bei Waren- und Dienstleistungsidentität ist daher ein wesentlich deutlicherer Abstand der Zeichen erforderlich, um Verwechslungsgefahr auszuschließen, als dies bei einem größeren Waren- oder Dienstleistungsabstand der Fall wäre (4 Ob 18/02d = ecolex 2002, 444 - opus one mwN; RIS-Justiz RS0116294; zuletzt etwa 17 Ob 36/08f = ecolex 2009, 697 [ Horak ] - COBRA). Verwechslungsgefahr ist bei Wortzeichen im Allgemeinen schon dann anzunehmen, wenn Übereinstimmung in einem der Kriterien Bild, Klang oder Bedeutung besteht (RIS-Justiz RS0079571, RS0079190 [T22]; OPM Om 4/02 = PBl 2003, 8 - Kathreiner). Bei einem aus Wort und Bild zusammengesetzten Zeichen ist in der Regel der Wortbestandteil maßgebend, weil sich der Geschäftsverkehr meist an diesem - sofern er unterscheidungskräftig ist - zu orientieren pflegt und vor allem den Wortbestandteil im Gedächtnis behält (RIS-Justiz RS0066779).

3. Nach diesen Grundsätzen ist im vorliegenden Fall Verwechslungsgefahr anzunehmen.

3.1. Im Umfang des Widerspruchs besteht Dienstleistungsidentität. Die Registrierung für „ wissenschaftliche und technologische Dienstleistungen und Forschungsarbeiten “ stimmt überein. „ Energieeffizienz-Analysen “ (Beschwerdegegner) fallen unter die Oberbegriffe „ wissenschaftliche und technologische Dienstleistungen“ und „ Dienstleistungen von Ingenieuren “ (Beschwerdeführerin). Gleiches gilt für „ Technische Projektplanungen “ (Beschwerdegegner); zudem ist diese Dienstleistung den „ Konstruktionsplanungen“ (Beschwerdeführerin) sehr nahe. Auf dieser Grundlage müssten sich die Zeichen deutlich unterscheiden, um Verwechslungsgefahr auszuschließen.

3.2. In der Wort-Bild-Marke des Beschwerdegegners dominiert schon aufgrund der Schriftgröße der Wortbestandteil „FERCHER“; zudem wird dieser Wortbestandteil durch die Nennung der Domain www.fercher.at wiederholt. Die grafische Gestaltung tritt demgegenüber in den Hintergrund. Insbesondere werden die grafischen Elemente rechts des Wortes „FERCHER“ entgegen der Auffassung des Beschwerdegegners eher als Verzierung denn als prägende Wiedergabe des Buchstaben „f“ aufgefasst. Die angesprochenen Kreise werden sich daher vorrangig am Wortbestandteil orientieren und ihn im Gedächtnis behalten. Daher ist beim Ähnlichkeitsvergleich in erster Linie auf den Wortbestandteil abzustellen.

3.3. Sowohl im Wortbild als auch im Wortklang besteht hohe Ähnlichkeit. Beide Wörter haben sieben Buchstaben, wobei die ersten fünf übereinstimmen. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz ist auch nicht anzunehmen, dass „FERCHAU“ – anders als „FERCHER“ – vorrangig auf der zweiten Silbe betont würde. Denn es handelt sich dabei erkennbar um einen phantasiehaften Begriff, sodass die angesprochenen Kreise darin – insbesondere im Zusammenhang mit den so bezeichneten Dienstleistungen – keinen Hinweis auf eine Au im Sinne einer Aulandschaft erblicken werden. Nur bei einer solchen (erkennbaren) Bezugnahme läge aber die Betonung auf der zweiten Silbe nahe; bei einer reinen Fantasiebezeichnung sind beide Aussprachen (zumindest) gleich wahrscheinlich. Daher wird ein nicht unerheblicher Teil der angesprochenen Kreise auch „FERCHAU“ auf der ersten Silbe betonen. Die klanglichen Unterschiede reduzieren sich dann auf die unbetonte Endung. Dabei wird die Endsilbe „-er“ im allgemeinen Sprachgebrauch oft undeutlich als dumpfes „a“ ausgesprochen. Bei gleichem Wortanfang stehen einander daher auch im Klang ähnliche Endungen gegenüber, nämlich einerseits ein dumpfes unbetontes „a“, andererseits der unbetonte und ebenfalls dunkel ausgesprochene Diphthong “au“. Damit besteht aber auch akustisch kaum mehr ein Unterschied. Das in Österreich übliche Verschleifen unbetonter Endsilben verstärkt diese Ähnlichkeit.

3.4. Angesichts der Dienstleistungsidentität und der hohen Ähnlichkeit im Wortbestandteil können die grafischen Elemente der angegriffenen Marke und eine durch die betroffenen Dienstleistungen bedingte höhere Aufmerksamkeit der angesprochenen Kreise die Verwechslungsgefahr nicht beseitigen.

4. Aus diesen Gründen hat der Widerspruch der Beschwerdeführerin Erfolg. Die angefochtene Entscheidung ist dahin abzuändern, dass die Registrierung der Marke AT 259 935 für die Dienstleistungen der Klasse 42 aufgehoben wird. Die Durchführung im Register obliegt dem Patentamt.

5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 29b Abs 7 MSchG.

Rechtssätze
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