JudikaturJustizDs9/13

Ds9/13 – OLG Graz Entscheidung

Entscheidung
20. März 2014

Kopf

Das Oberlandesgericht Graz hat als Disziplinargericht für Notare durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes Graz Dr.René Bornet (Vorsitz), den Richter des Oberlandesgerichtes Graz Mag.Josef Haißl, sowie den öffentlichen Notar Dr.Alfred Fitzek (BE), in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Britta Kollmann als Schriftführerin und des Disziplinaranwaltes Oberstaatsanwalt Dr.Gunther Kirschenhofer sowie des Disziplinarbeschuldigten Dr.*****, öffentlicher Notar in ***** und seines Verteidigers Herrn Mag.Josef Gallauer, Rechtsanwalt in St.Pölten, in öffentlicher, mündlicher Verhandlung zu Recht erkannt:

Spruch

Dr. ***** ist schuldig,

er hat zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt nach dem 6.Juni 2009 in ***** mehrere von ihm als Treuhänder gemäß § 5 NO in Verwahrung genommene Urkunden, nämlich Nebenvereinbarungen, die zwischen der ***** und Aktionären anlässlich des Verkaufes von Vorzugsaktien abgeschlossen wurden, mit denen den Erwerbern der Aktien sogenannte Put-Optionen (Rücknahmegarantien bzw. –zusicherungen) eingeräumt wurden, ohne Einholung von Zustimmungen der jeweiligen Vorzugsaktionäre und der ***** vernichtet.

Er hat hiedurch eine Berufspflicht mit dem Schweregrad eines Disziplinarvergehens iSd §§ 155 Abs 1 Z 1 und 156 Abs 1 Z 2 NO verletzt, wobei die Verletzung geeignet war, bei einem anderen, nämlich der ***** einen sehr hohen Schaden herbeizuführen.

Über ihn wir gemäß § 158 Abs 1 Z 2 iVm § 159 Abs 1 NO eine Geldbuße von € 7.000,-- verhängt.

Gemäß §§ 184 Abs 2 NO, 260 Abs 1 Z 5 und 389 Abs 1 StPO hat Dr. ***** die Verfahrenskosten zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Beschluss des Disziplinargerichtes vom 4.2.2014 (ON 20) wurde die Disziplinarrechtssache im Umfang der nunmehrigen Verurteilung zur mündlichen Verhandlung verwiesen.

Nach dem Ergebnis dieser Disziplinarverhandlung wird festgestellt:

Dr.***** (Disziplinarbeschuldigter = DB) ist am ***** geboren, verheiratet, und seit 20.6.2002 öffentlicher Notar in *****, wobei er mit 1.3.1984 in den Notarenstand eingetreten ist. Er hat Sorgepflicht für einen Sohn (21 Jahre, Student). Sein Jahreseinkommen beträgt ca. € 95.000,-- netto. An Vermögen besitzt der DB gemeinsam mit seiner Gattin die Liegenschaft EZ ***** je zu Hälfte und handelt es sich hiebei um ein Einfamilienhaus welches von der Familie bewohnt wird. Weiters ist er noch mit seiner Gattin je zur ideellen Hälfte Miteigentümer einer Eigentumswohnung in ***** und in *****. Der DB hat an Barvermögen ca. € 100.000,--, welchen Verbindlichkeiten von ca. € 88.500,-- gegenüberstehen (DB; Aufstellung lt. Beilage 24).

Dr.***** war u.a. im Unternehmens- und Gesellschaftsrecht tätig, dabei u.a. für das Land ***** und weiters seit 1992 für die sogenannte *****, also Gesellschaften im Konzern der nachmaligen *****. 2004 und 2006 kam es zu Vozugsaktien – Emissionen der ***** im Ausmaß von je € 100 Mio.

Diese Kapitalerhöhungen wurden zunächst gänzlich von der ***** gezeichnet, diese verkaufte die Vorzugsaktien (im Nominale à € 1.000,--) wie vorgesehen an Dritte, damit die Kapitalerhöhung auch auf Gruppenebene eigenmittelwirksam wird. Die Vorzugsaktien wiesen als wesentliche Merkmale auf: Kein Stimmrecht, mit 6,25 % (1. Emission) bzw. 6 % (2. Emission) limitierter Dividendenanspruch, keine Teilnahme an Wertsteigerungen der AG, fixer Fälligkeitstag für Dividendenzahlung/Zinszahlung.

Beim Verkauf an die Drittinvestoren behielt sich die ***** das Recht auf Rückkauf der Vorzugsaktien ab 2009 vor (sog. Call-Optionen). Unter anderem mit folgenden Drittinvestoren schloss die ***** geheime bzw. geheim zu haltende schriftliche Zusatzvereinbarungen 2006 bis 2008 zu den Aktienverkaufsverträgen ab:

Diese Zusatzvereinbarungen enthielten u.a. sog. Put-Optionen zugunsten der Investoren, d.h. es wurde diesen das Recht eingeräumt, die Vorzugsaktien an den Verkäufer rückzuverkaufen, aber auch andere Zusagen insbes. der ***** den Investoren gegenüber. Die Put-Optionen waren eigenmittelschädlich, was dem DB nicht bekannt war, aber dazu führte, dass die Verzinsung der Vorzugsaktien marktunüblich hoch war. Dies war geeignet, der ***** bzw. dem Konzern dem diese angehörte – allein bezogen auf die vom DB verwahrten Put-Optionen – einen Schaden von über € 1 Mio zuzufügen.

Der DB nahm die oben angeführten Nebenvereinbarungen bei sich in Verwahrung.

2009 kaufte die ***** alle Vorzugsaktien unter Inanspruchnahme der Call-Optionen zurück (Aussage des DB in Disziplinarverfahren; Aussage des DB im Verfahren *****; Gutachten des SV Mag. Karl Hengstberger [ON 3340 zu ***** = ./E]).

Nach dem 6.6.2009 erklärte ***** dem DB sinngemäß, dass „es besser wäre, wenn es diese Urkunden (gemeint: Vereinbarungen, die die Put-Optionen enthalten) nicht mehr gibt“. Der DB vernichtete daraufhin diese bei ihm verwahrten Urkunden, ohne bei anderen Personen diesbezüglich nachzufragen. Er war der Meinung, zur Vernichtung berechtigt zu sein, weil die Aktienkaufverträge rückabgewickelt waren und die Nebenvereinbarungen teilweise den Passus enthielten, dass im Falle der Erfüllung aller Verpflichtungen gemäß dieser Vereinbarung das Original an die ***** od. einem von dieser namhaft zu machenden Dritten auszufolgen ist. Andere Nebenvereinbarungen enthielten den Passus, dass in diesem Fall das Original der ***** oder einer von dieser namhaft zu machenden Dritten gehört. Eine – noch dazu vom DB vorzunehmende – Vernichtung der Urkunden war in keiner der Nebenvereinbarungen vorgesehen (Aussage des DB; Nebenvereinbarungen [Anlagen 43, 44, 51, 64, 84, 95, 101, 111, 123 zu ./E]).

***** hatte per 31.5.2008 seine Funktion als Vorstand der ***** „zurückgelegt“, die Löschung der Funktion wurde im Sept. 2008 im FB durchgeführt, was dem DB bekannt war. ***** war in der Folge, jedenfalls bis zur Vernichtung der Nebenvereinbarungen durch den DB noch für die HB Int. aufgrund eines „hochdotierten“ Konsulentenvertrages (freier Dienstvertrag) tätig, in welchen der DB Einsicht nahm.

Dieser Vertrag lautet u.a. wörtlich:

„III. Art der Tätigkeit:

Vereinbart wird, dass die wesentliche Tätigkeit von ***** in der Beratung und fachlichen Unterstützung des Vorstandes der ***** bei der Veräußerung und Restrukturierung von Konzernbeteiligungen besteht. Es gilt als wohlverstandener Zweck des Vertrages, dass ***** seine gesamten bisher erworbenen Kenntnisse zur Verfügung stellt, damit eine möglichst effiziente Restrukturierung und Veräußerung von Konzernbeteiligungen durchgeführt werden kann. Darüber hinaus wird ***** den Vorstand der ***** nach Kräften unterstützen, damit es bei noch näher zu definierenden Kreditengagements zu einer effizienten Abwicklung kommen kann. ***** können auch zukünftig weitere Sanierungsfälle übertragen werden, wobei ihm eine Annahme des jeweiligen Mandates vorbehalten bleibt.

Die Tätigkeit von ***** umfasst zudem die Weiterentwicklung von bereits bestehenden Immobilienprojekten (zB *****) sowie bestehenden und zukünftigen Projekten im Bereich der erneuerbaren Energie, insbesondere Windparks, weiters die Vermittlung von Aktiv- und Passivgeschäft, die Evaluierung von neuen Märkten und Möglichkeiten zum Kauf von Finanzinstituten, weiters die Vermittlung und der Kontaktaufbau zu potentiellen Investoren.“ (Aussage des DB, Urteil zu ***** = ./IV).

Die getroffenen Feststellungen stützen sich auf die dazu angegebenen Verfahrensergebnisse; im wesentlichen auf die durch das Beweisverfahren gedeckte bzw. untermauerte Beschuldigtenverantwortung.

Insbesonders gesteht er unumwunden die Vernichtung der von ihm verwahrten Urkunden, nämlich der Nebenvereinbarungen zu. ***** hat zwar bestritten, dem DB den Auftrag zur Vernichtung erteilt zu haben. Dies ist allerdings nicht glaubwürdig, da es nicht logisch nachvollziehbar ist, dass der DB dies ohne entsprechende Aufforderung selbständig machte. Die Interessenslage spricht deutlich dafür, dass dieser Auftrag von ***** erteilt wurde, der damit Nachweise, die ihm gefährlich werden könnten, beseitigt haben wollte. Dafür, dass jemand anderer einen solchen Auftrag erteilt haben könnte, gibt es keinen wesentlichen Anhaltspunkt.

Wie die Zusatzvereinbarungen wörtlich lauteten, lässt sich den diesbezüglichen Urkunden entnehmen; deren jeweiligen Wortlaut festzuhalten erscheint entbehrlich. Dass sie etwa einen Vernichtungsauftrag enthalten, ist nicht einmal Standpunkt des DB.

Ob der Standpunkt des DB, unter den festgestellten Umständen berechtigt gewesen zu sein, diese Urkunden zu vernichten, richtig ist, ist eine Rechtsfrage.

Rechtliche Beurteilung

Der DB war als Verwahrer der Nebenvereinbarungen gem. § 5 NO als Treuhänder zumindest einerseits für die ***** u. andererseits für die jeweiligen Investoren tätig (daneben trat die ***** den Nebenvereinbarungen bei). Berechtigt an diesen Nebenvereinbarungen waren vor allen die Investoren; die ***** hatte das Recht auf deren Ausfolgung nach erfolgter Abwicklung. Nicht mit der Rechtslage im Einklang ist daher der Rechtsstandpunkt des DB, er habe die Urkunden berechtigt vernichtet, obwohl er weder diesbezüglich bei den Investoren nachfragte, noch hinterfragte, ob ***** zur Erteilung des Vernichtungsauftrages befugt war.

Bei einer gem. § 5 NO übernommenen Treuhandschaft sind die Richtlinien der Österr. Notariatskammer vom 8. Juni 1999 über die Vorgangsweise bei notariellen Treuhandschaften (THR 1999) einzuhalten, demnach übernommene notarielle Treuhandschaften mit Redlichkeit, Genauigkeit und Fleiß in angemessener Frist durchzuführen und jede Mitwirkung zu verbotenen, verdächtigen oder zum Scheine vorgegebenen Geschäften zu unterlassen sind.

Gem. Art. XLIII EGZPO kann die Vorlage einer gemeinschaftlichen Urkunde (§ 304 ZPO) auch außerhalb eines anhängigen Rechtsstreites im Wege der Klage gefordert werden. Als gemeinschaftlich gilt eine Urkunden insbesonders für Personen, in deren Interesse sie errichtet ist oder deren gegenseitige Rechtsverhältnisse darin beurkundet sind (RIS-Justiz RS0035028). Ein Anspruch auf Urkundenvorlage setzt nur voraus, dass es sich bei der streitverfangenen Urkunde um eine gemeinschaftliche nach § 304 ZPO handelt. Die Abweisung des Vorlagebegehrens kommt daher nur in Betracht, wenn die Pflicht zur Vorlage einer gemeinschaftlichen Urkunde bereits erfüllt wurde oder das Recht auf Vorlage schikanös ausgeübt wird (RS 0120878).

Demnach ist nicht zu bezweifeln, dass die Investoren ein Recht auf Vorlage der sie betreffenden Nebenabreden hatten und der DB auch von ihnen vor Vernichtung einen diesbezüglichen Auftrag hätte erhalten müssen. Da er diesen nicht hatte, handelte er treuhandwidrig.

Es ist auch nicht nachvollziehbar, warum der Auftrag des ***** für die ***** wirksam gewesen sein sollte. Denn dem DB war bekannt, dass dieser nicht mehr Vorstandsmitglied der ***** war, sondern bloßer Konsulent mit dem festgesetzten Tätigkeitsbereich. Dass dieser einen solchen Vernichtungsauftrag umfasste, war sicherlich zu hinterfragen. Dazu kommt, dass ein Auftrag zur Vernichtung derartiger Urkunden für den DB als Notar „anrüchig“ und hinterfragenswert sein musste, zumal ihm die wirtschaftlichen Zusammenhänge unklar blieben und dazu die nötigen Kenntnisse fehlten. Mangels ausreichende Klärung (etwa durch Nachfrage beim aktuellen Vorstand, allenfalls auch Aufsichtsrat der *****) der Vertretungsbefugnis des ***** betreffend den Vernichtungsauftrag handelte der DB auch der ***** gegenüber treuhandwidrig.

Im Sinne des § 9 StGB ist dem DB der Rechtsirrtum durchaus vorzuwerfen. Als notarieller Treuhänder müsste er die oben dargestellte Rechtslage zum Urkundenvorlagerecht der Investoren ebenso kennen, wie die Befugnis des *****, den Vernichtungsauftrag zu erteilen, klären. Die Rechtsunkenntnis und mangelnde Aufklärung der Situation vermag ihn daher nicht zu entschuldigen.

Folglich hat er eine Berufspflicht im Sinne der §§ 155 Abs 1 Z 1 und 156 Abs 1 Z 2 NO verletzt, zumal die Verletzung geeignet war, insbesonders bei der ***** einen sehr hohen Schaden (durch den möglichen Verlust eines Schadenersatzanspruches gegen ihre Organe, die für die hier relevanten Vorgänge verantwortlich waren) herbeizuführen.

Bei der Strafbemessung war als mildernd zu werten:

Erschwerend war, dass mehrere Urkunden vernichtet wurden und einfache Nachfragen nicht vorgenommen sowie naheliegende Überlegungen nicht angestellt wurden, letztendlich die potentielle Eignung der Tat, einen sehr hohen Schaden herbeizuführen.

Bei Beachtung der im § 159 Abs 1 NO genannten Strafzumessungsgründe ist gem. § 158 Abs 1 Z 2 NO mit einer Geldbuße vorzugehen, zumal ein Verweis insbesonders nach der Größe der Pflichtverletzung und der Eignung der Tat, das Vertrauen in den Notarenstand zu beeinträchtigen, nicht ausreicht, eine Suspension oder Entsetzung vom Amt aber eine ungerechtfertigte Härte darstellen würde.

Bei der Bemessung der Geldbuße ist ausgehend von den festgestellten persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des DB in Verbindung mit den dargelegten Strafzumessungsgründen ein Betrag von € 7.000,-- angemessen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 184 Abs 2 NO, 260 Abs 1 Z 5 und 389 Abs 1 StPO.

Oberlandesgericht Graz als Disziplinargericht für Notare

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