JudikaturJustizBl172/98

Bl172/98 – LG Feldkirch Entscheidung

Entscheidung
27. April 1999

Kopf

Das Landesgericht Feldkirch hat als Berufungsgericht am 7.4.1999 durch den Richter des Landesgerichtes Dr. Melter als Vorsitzenden und die Richter des Landesgerichtes Dr. Mayer und Dr. Bolter als weitere Senatsmitglieder in Gegenwart des Schriftführers RiAA Mag. Rosenberger in der Strafsache gegen Horst Othmar W***** und Herbert F***** wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und 4 1. Fall StGB über die von den Angeklagten gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Dornbirn vom 22.7.1998, 15 U 389/97 a-18, erhobene Berufung wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Staatsanwaltes Dr. Fitz, der Angeklagten Horst Othmar W***** und Herbert F***** sowie des Verteidigers RA Mag. Mennel zu Recht erkannt:

Spruch

Die Berufung der Angeklagten wegen Vorliegen der Nichtigkeitsgründe und des Ausspruches über die Schuld wird als ungegründet zurückgewiesen.

Der Strafberufung des Herbert F***** wird dahingehend Folge gegeben, dass bei gleichbleibender Anzahl der Tagessätze die Höhe des einzelnen Tagessatzes auf ATS 300,-- herabgesetzt wird.

Die Strafberufung des Horst Othmar W***** wird als ungegründet zurückgewiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil des Bezirksgerichtes Dornbirn vom 22.7.1998, 15 U 389/97 a-18, wurden Horst Othmar W***** und Herbert F***** des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und 4 1. Fall StGB schuldig erkannt und zu Geldstrafen von je 60 Tagessätzen, im Uneinbringlichkeitsfalle zu je 30 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, verurteilt. Die Höhe des einzelnen Tagessatzes ist bei Horst Othmar W***** mit ATS 600,-- und bei Herbert F***** mit ATS 400,-- festgesetzt worden. Gemäß § 43 Abs 1 StGB wurde ihnen die Geldstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Nach dem Inhalt des Schuldspruches sind die beiden Angeklagten als Lehrlingsausbildner der Firma M***** GesmbH Co KG für die schwere Verletzung des jugendlichen Beschäftigten Muhammed E***** verantwortlich, welche sich dieser am 14.7.1997 in Lustenau bei Tätigkeiten an einer Abkantpresse durch Quetschungen, verbunden mit einer Amputation des rechten Klein- und Ringfingers, zugezogen hat, weil sie ihm zuvor diese Arbeit entgegen dem gesetzlichen Verbot, Jugendliche an solchen Pressen zu beschäftigen, zugewiesen haben.

Das Erstgericht traf dazu folgende Feststellungen:

Der zum Unfallszeitpunkt 15-jährige Muhammed E***** hat Anfang Juli 1997 seine Stelle als Lehrling bei der Firma M***** GesmbH Co KG angetreten. Er wurde vom Firmenchef Walter M***** den beiden Angeklagten, die im Betrieb als Schlossermeister tätig sind, zur Ausbildung zugeteilt.

Am 14.7.1997 kamen die beiden Angeklagten überein, Muhammed E***** an der Abkantpresse einzusetzen. Sie erklärten ihm den Arbeitsvorgang an dieser Maschine, fertigten einige Muster vor und schauten zu, wie er drei Bleche hintereinander in die vorgesehene Form bog. Sie wiesen ihn auf die besondere Gefährlichkeit dieser Maschine hin und machten ihn vor allem darauf aufmerksam, die Hände im Auge zu behalten und sie nicht in die Presse zu bringen. Nach diesen Hinweisen gingen beide Angeklagten an ihre Arbeitsplätze zurück und ließen Muhammed E***** eigenständig an der Abkantpresse weiterarbeiten. Zwischendurch kontrollierten sie ihn und vergewisserten sich, ob er die Tätigkeit korrekt ausführt. Trotzdem passierte es, dass die rechte Hand des Lehrlings in die Presse geriet, wodurch es zu der eingangs angeführten schweren Verletzung kam.

In den rechtlichen Ausführungen warf das Erstgericht den Angeklagten vor, als verantwortliche Lehrlingsausbildner gegen die Vorschrift des § 2 Abs 2 (iVm § 8 Abs 1 Z 1 lit f) der Verordnung über die Beschäftigungsverbote und -beschränkungen für Jugendliche auf Grund des Kinder- und Jugendlichenbeschäftigungsgesetzes 1987 (KJBG-VO) verstoßen zu haben, welche Bestimmung unter anderem besagt, dass jugendliche Arbeitnehmer an Pressen nicht beschäftigt werden dürfen. Die Missachtung dieser Schutzvorschrift begründe den objektiven Sorgfaltsverstoß und bedinge den Schuldvorwurf der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und 4 1. Fall StGB.

Gegen dieses Urteil haben beide Angeklagten volle Berufung angemeldet und ihre Rechtsmittel auch fristgerecht ausgeführt.

Rechtliche Beurteilung

Beide wenden zunächst ein, dass die angefochtene Entscheidung rechtsfehlerhaft zu einer Verurteilung geführt habe, weil das Erstgericht bei der Würdigung des Sachverhaltes den Strafausschließungsgrund des § 42 StGB außer Betracht gelassen habe. Sämtliche Voraussetzungen für einen Freispruch mangels Strafwürdigkeit der Tat lägen vor. Auch die festgestellte schwere Verletzung stehe einer Anwendung des § 42 StGB nicht entgegen, zumal der Schaden dieses Arbeitsunfalles durch die AUVA bereits gutgemacht worden sei.

Die behauptete Urteilsnichtigkeit liegt nicht vor.

Losgelöst von der Frage, ob die Schuld der Angeklagten iSd § 42 Z 1 StGB angesichts des erkennbaren Risikos beim Einsatz eines 15-jährigen Lehrlings an der Abkantpresse noch als gering einzustufen ist, liegt die gegenständliche Tat schon wegen des schweren Grades der Körperverletzung des Muhammed E***** außerhalb des Anwendungsbereiches der Bestimmung über die mangelnde Strafwürdigkeit nach § 42 StGB. Bei Verlust zweier Finger der rechten Hand kann auch im Wege der Schmerzengeldleistung kein Bagatellcharakter der Tat mehr bewirkt werden (JBl 1990, 124). Die von den Rechtsmittelwerbern weiters angesprochene Möglichkeit einer Diversion aber scheitert an der fehlenden gesetzlichen Grundlage eines echten Tatausgleiches nach Art des § 7 JGG im Erwachsenenstrafrecht.

In der Schuldberufung wiesen die Angeklagten darauf hin, dass Muhammed E***** als Glaserlehrling eingestellt worden sei und Walter M***** die Ausbilderverpflichtung übernommen habe, was der schriftliche Lehrvertrag belege. Sie seien - entgegen den Feststellungen des Erstgerichtes - zu keinem Zeitpunkt verantwortliche Lehrlingsausbildner des Muhammed E***** gewesen. Dies folgere auch daraus, dass ihnen als Schlosser auf Grund der unterschiedlichen Fachgebiete keine Kompetenz zur Glaserausbildung zukomme. Daher habe sie die Verpflichtung zur Einhaltung der einschlägigen Lehrlingschutzbestimmungen nicht getroffen. Das Kinder- und Jugendlichenbeschäftigungsgesetz (KJBG 1987) und die auf Grund dieses Bundesgesetzes ergangene Verordnung über die Beschäftigungsverbote und -beschränkungen für Jugendliche (KJBG-VO) wenden sich nämlich nicht an irgendwelche Mitarbeiter, sondern ausschließlich an den Dienstgeber. Aus diesen Gründen könne ihnen aus der Übertretung solcher Vorschriften kein Vorwurf gemacht werden.

Dieser Berufungspunkt verfehlt ebenfalls sein Ziel.

Den Rechtsmittelwerbern ist zwar zuzugestehen, dass die Aufgaben nach dem KJBG 1987, nämlich Jugendliche vor gesundheitlichen Schädigungen im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses zu schützen, primär den Arbeitgeber (im konkreten Fall Walter M***** als Geschäftsführer der lehrberechtigten Firma Walter M***** GesmbH Co KG) treffen. Dieser ist aber selbstverständlich auch dann, wenn er die Ausbildung des Lehrlings persönlich übernommen hat, berechtigt, einzelne Lehragenden an fachkundige und insoweit eigenverantwortliche Angestellte zu delegieren (was ihn jedoch nicht von der Verpflichtung befreit, durch angemessene Kontrollen die Einhaltung der Schutzvorschriften des KJBG 1987 zu überwachen).

Nun kommt allerdings diesen Überlegungen, selbst wenn feststünde, dass der Lehrling Muhammed E***** den Angeklagten nicht zur Ausbildung zugewiesen worden wäre, im gegenständlichen Verfahren keine Relevanz zu.

Beide Angeklagten wussten, dass Muhammed E***** als Lehrling angestellt war und seinen Arbeitsantritt in der Firma erst eine Woche vor dem Unfallstag hatte (AS 87, 93). Er ist ihnen zur Beschäftigung zugeteilt worden (AS 161, 167). Die Abkantpresse steht in der Schlossereiabteilung der Firma Walter M***** Gesellschaft mbH Co KG und gehört dem Arbeitsbereich der Angeklagten, die auch für die Bedienung dieser Maschine zuständig sind, an (AS 79, 161, 167).

Mit der Zuweisung einer Tätigkeit an der Abkantpresse haben die Angeklagten dem Jugendlichen Muhammed E***** zweifellos eine vorhersehbar gefährliche Arbeit übertragen. Ob sie dabei im erlaubten Bereich gehandelt oder damit ein rechtlich missbilligtes Risiko für den Verletzungseintritt geschaffen haben, bestimmt sich nach den dafür maßgeblichen Schutzvorschriften. In diesem Zusammenhang hat das Erstgericht bereits richtig darauf hingewiesen, dass Jugendliche, die in einem Lehrverhältnis stehen, bis zur Vollendung der ersten Hälfte der vorgeschriebenen Lehrzeit, jedenfalls aber in den ersten 18 Monaten, bei Arbeiten an ungesicherten (§ 8 Abs 2 KJBG-VO) Pressen nicht beschäftigt werden dürfen (§ 2 Abs 2 iVm § 8 Abs 1 Z 1 lit f und Abs 3 lit c KJBG-VO). Für sie besteht an solchen Maschinen wie der gegenständlichen Abkantpresse ein absolutes Beschäftigungsverbot.

Jeder verantwortliche Maschinenführer darf sein ihm zugewiesenes Arbeitsgerät nur solchen Personen zur Bedienung überlassen, die dafür die notwendige Fertigkeit und Qualifikation besitzen. Mangelt es daran, liegt in der Missachtung dieser Anforderung ein objektiv sorgfaltswidriges Verhalten.

Dies bedeutet für den vorliegenden Fall, dass die Angeklagten - unabhängig davon, unter welcher Aufsichtspflicht Muhammed E***** stand - nicht berechtigt waren, diesen Lehrling an der Abkantpresse einzusetzen, weil ihm die Qualifikation für Arbeiten an diesem Gerät von Gesetzes wegen fehlte. Insoweit ist den Angeklagten, die immerhin ausgebildete Schlossermeister sind und die entsprechenden Schutzbestimmungen kennen müssen, ein Sorgfaltsverstoß unterlaufen.

Da es auch an den übrigen Tatbestandsvoraussetzungen nicht fehlte, war der Schuldspruch zu bestätigen.

Der Strafberufung ist abschließend zu entgegnen, dass der Erstrichter mit 60 Tagessätzen angesichts der Verletzungsfolgen ohnehin maßvoll auf die festgestellte Fahrlässigkeit der Angeklagten reagiert und die Höhe des einzelnen Tagessatzes zumindest bei Horst Othmar W***** entsprechend seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (Nettoeinkommen monatlich ATS 25.000,--, keine Sorgepflichten) korrekt ausgemessen hat. Lediglich bei Herbert F***** war es angesichts seines Einkommens von monatlich ATS 24.000,-- und seiner Sorgepflichten für die Gattin und drei Kinder geboten, die Höhe des einzelnen Tagessatzes von ATS 400,-- auf ATS 300,--zu reduzieren.

Die Kostenersatzpflicht der Angeklagten gründet auf § 390 a StPO.

Rechtssätze
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