JudikaturJustiz8Ra129/07k

8Ra129/07k – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
24. Januar 2008

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes Dr. Manica als Vorsitzenden, den Richter des Oberlandesgerichtes Mag. Atria und die Richterin des Oberlandesgerichtes Mag. Smutny sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Walter Freundsberger (AG) und Erich Weisz (AN) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei M*****, *****, 1040 Wien, vertreten durch Dr. Daniela Altendorfer-Eberl, Rechtsanwältin in Wien, wider die Beklagte B*****, 1210 Wien, vertreten durch Dr. Gabriele Baumann-Otto, Rechtsanwältin in Wien, wegen EUR 7.267,28 s. A., über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 11.07.2007, 7 Cga 39/07s-10, gemäß §§ 2 ASGG, 492 ZPO in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der Beklagten die mit EUR 728,11 (darin enthalten EUR 121,35 an USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte war in der Zeit von 02.10.2006 bis 12.01.2007 bei der klagenden Partei im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses als (erotische) Masseurin beschäftigt. Dabei verdiente die Beklagte in den Monaten Oktober und November 2006 zwischen EUR 200,-- und EUR 300,-- netto und im Dezember 2006 EUR 680,-- brutto. Nach Beendigung ihrer Tätigkeit bei der klagenden Partei wurde die Beklagte im „Massageinstitut *****" als Masseurin tätig.

Die klagende Partei begehrte von der Beklagten die Bezahlung einer Konventionalstrafe in der Höhe des Klagsbetrages. Die Beklagte habe sich verpflichtet, nach Beendigung des Dienstverhältnisses für die Dauer eines Jahres im Geschäft der klagenden Partei keine geschäftliche Tätigkeit, sei es als unselbständig Erwerbstätige oder als selbständig Erwerbstätige, in der Stadt Wien auszuüben. Nach Beendigung des Dienstverhältnisses sei hervorgekommen, dass die Beklagte mit zwei weiteren ehemaligen freien Dienstnehmerinnen der klagenden Partei im „Massageinstitut *****" im selben Geschäftszweig wie die klagende Partei tätig sei. Damit habe die Beklagte schuldhaft gegen die Konkurrenzklausel verstoßen und schulde der klagenden Partei die vereinbarte Konventionalstrafe. Das Klagebegehren werde auch auf einen wettbewerbsrechtlichen Schadenersatzanspruch gestützt. Die Beklagte wende im „Massageinstitut *****" die selbe spezielle Massagetechnik an, deren Know-how die klagende Partei über einen Franchisegeber gegen Bezahlung einer Einmalgebühr von EUR 10.000,-- und einer laufenden monatlichen Gebühr von EUR 900,-- netto erworben habe. Dazu komme, dass die Beklagte in wettbewerbswidriger Weise Kunden der klagenden Partei abgeworben habe und die Geschäftskontakte der klagenden Partei für eigene wirtschaftliche Zwecke nutze. Die klagende Partei erhalte für jede Massage ein Entgelt von zumindest EUR 105,-- brutto, wovon die freien Dienstnehmerinnen EUR 30,-- erhalten, sodass der klagenden Partei ein Betrag von zumindest EUR 75,-- brutto pro Massage verbleiben würde. Während der zumindest vier Monate andauernden Konkurrenztätigkeit habe die beklagte Partei der Klägerin daher alleine einen Gewinnentgang in der eingeklagten Höhe zugefügt.

Die Beklagte bestritt das Klagebegehren, beantragte Klageabweisung und brachte dazu vor, dass sie wohl die Vertragsurkunde mit der darin enthaltenen Konkurrenzklausel und Konventionalstrafe unterschrieben habe, ihr diese Urkunde jedoch von der klagenden Partei nur mit dem Bemerken vorgelegt worden sei, dass ihre Unterschrift für die Anmeldung bei der Sozialversicherung erforderlich sei. Über den Inhalt sei nicht gesprochen worden und habe die Beklagte auch keine Gelegenheit gehabt, sämtliche Punkte der Urkunde, insbesondere auch nicht die Vereinbarung betreffend die Konventionalstrafe, gründlich zu lesen. Wäre die Beklagte über den Inhalt dieser Urkunde informiert worden oder hätte sie ausreichend Zeit gehabt, diese Urkunde durchzulesen, hätte sie den Vertragstext nicht unterfertigt. Die arbeitsrechtlichen Bestimmungen über die Konventionalstrafe und das Konkurrenzverbot seien auch auf den gegenständlichen freien Dienstvertrag anzuwenden. Die vereinbarte Konkurrenzklausel sei in sachlicher und zeitlicher Hinsicht unangemessen weit gefasst und damit unwirksam. Die Klausel sei auch sittenwidrig, da eine grobe Verletzung rechtlich geschützter Interessen und ein grobes Mißverhältnis zwischen den gegenseitigen Interessen zu Lasten der Beklagten vorliege und das Fortkommen der Beklagten unbillig erschwere. Die Klausel sei auch gemäß § 2 c Abs 2 AVRAG unwirksam. Ein Wettbewerbsverstoß würde nicht vorliegen.

Mit dem nun angefochtenen Urteil hat das Erstgericht das Klagebegehren zur Gänze abgewiesen.

Auf Grundlage des eingangs angeführten außer Streit gestellten Sachverhaltes führte das Erstgericht in seiner rechtlichen Beurteilung aus, dass die Bestimmungen der §§ 36 ff AngG und § 2 c AVRAG auf das hier vorliegende freie Dienstverhältnis analog anzuwenden seien. Diese Bestimmungen würden für die Wirksamkeit von Konkurrenzklauselvereinbarungen ein Mindestentgelt für das Jahr 2006 in der Höhe von EUR 2.125,-- (das 17-fache der Höchstbeitragsgrundlage nach § 45 ASVG) fordern. Da die Beklagte nur zwischen EUR 200,-- und EUR 600,-- monatlich bei der klagenden Partei verdient habe, habe eine Konkurrenzklausel nicht wirksam vereinbart werden können. Darüber hinaus sei die gegenständliche Konkurrenzklausel auch nach § 879 ABGB sittenwidrig, da eine einjährige „Sperrfrist" für Tätigkeiten im Geschäftszweig der klagenden Partei für die Beklagte, auch aufgrund ihrer geringen Verdienstverhältnisse bei der klagenden Partei, im Vergleich zu den möglichen Nachteilen der klagenden Partei unverhältnismäßig lange sei.

Ein bloßes Zuwiderhandeln gegen eine vereinbarte Konkurrenzklausel begründe noch keinen Anspruch nach dem UWG. Zur Vertragsverletzung müssten vielmehr besondere die Sittenwidrigkeit begründende Umstände hinzutreten (etwa das unberechtigte Ablichten und Mitnehmen von Kundenlisten, um Kunden abzuwerben), was weder behauptet, noch im Verfahren hervorgekommen sei. Mangels einer wirksamen Vereinbarung einer Konkurrenzklausel seien auch Beweise über den von der klagenden Partei behaupteten Erwerb spezieller Kenntnisse und Fähigkeiten zu (erotischen) Massagen und Einsatz derselben durch die Beklagte bei ihrem nächsten Arbeitgeber nicht aufzunehmen gewesen.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der klagenden Partei aus den Berufungsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, der Aktenwidrigkeit sowie der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im klagestattgebenden Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Beklagtee beantragt in ihrer Berufungsbeantwortung, der Berufung nicht Folge zu geben.

Die Berufung ist nicht berechtigt.

Unter den Berufungsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der Aktenwidrigkeit vermeint die Berufungswerberin, dass das Erstgericht in seiner rechtlichen Beurteilung das Vorbringen der beklagten Partei zum behaupteten Wettbewerbsverstoß unzutreffend wiedergegeben und unzureichend berücksichtigt habe. Damit macht die Berufungswerberin in der Sache eine unrichtige rechtliche Beurteilung in Form einer sekundären Mangelhaftigkeit des Verfahrens geltend und wird auf dieses Berufungsvorbringen, das dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung zuzuordnen ist, weiter unten näher eingegangen.

Das Berufungsgericht legt somit seiner Entscheidung gemäß § 498 Abs 1 ZPO den eingangs wiedergegebenen außer Streit gestellten Sachverhalt zugrunde.

Im Zuge der vorzunehmenden umfassenden Überprüfung der rechtlichen Beurteilung (Kodek in Rechberger3 § 471 ZPO Rz 9) wird aus systematischen Gründen zunächst auf die vereinbarte Konkurrenzklausel (und Konventionalstrafe) und sodann auf den behaupteten Wettbewerbsverstoß als Anspruchsgrundlagen eingegangen.

1.) Zur vereinbarten Konkurrenzklausel und Konventionalstrafe als Anspruchsgrundlage:

Das Berufungsgericht teilt nicht die Rechtsansicht des Erstgerichtes, wonach allein schon auf Grundlage der bisher erfolgten Außerstreitstellungen die analoge Anwendbarkeit der Bestimmungen der §§ 36 ff AngG und § 2 c AVRAG auf die gegenständlich vereinbarte Konkurrenzklausel bejaht werden kann. Das Berufungsgericht bejaht jedoch im Ergebnis mit dem Erstgericht die von diesem befundene Sittenwidrigkeit der gegenständlichen Konkurrenzklausel nach § 879

ABGB.

Dazu im Einzelnen:

Außer Streit gestellt wurden bisher lediglich die Umstände, die ein freies Dienstverhältnis der Beklagten im Rahmen ihrer Tätigkeit bei der klagenden Partei begründeten (freie Zeiteinteilung, Vertretungsbefugnis, Weisungsfreiheit hinsichtlich des Tätigkeitsablaufes). Weiters steht fest, dass die Beklagte im Betrieb der klagenden Partei etwas mehr als drei Monate als erotische Masseurin beschäftigt war und dabei in den ersten beiden Monaten zwischen EUR 200,-- und EUR 300,-- netto und im letzten Monat EUR 680,-- brutto ins Verdienen brachte.

Zu dem für die Beurteilung von sogenannter Arbeitnehmerähnlichkeit entscheidenden Kriterium der wirtschaftlichen Unselbständigkeit wurden noch keine ausreichenden Feststellungen getroffen. Die Tätigkeit eines sogenannten freien Dienstnehmers, der vertragsrechtlich jedenfalls kein Arbeitnehmer ist, kann arbeitnehmerähnlich sein. In diesem Fall gelangen manche arbeitsrechtliche Vorschriften kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung zur Anwendung (§ 51 Abs 3 Z 2 ASGG, § 1 Abs 1 DHG, § 3 Abs 4 AÜG, § 1 Abs 3 Z 2 GleichbehandlungsG, § 2 Abs 2 lit b AusländerbeschäftigungsG), und sind nach der Rechtsprechung auch manche arbeitsrechtliche Regelungen, die den Schutz des wirtschaftlich abhängigen Arbeitnehmers bezwecken, analog auf die arbeitnehmerähnliche Person anzuwenden.

Der tragende Grund für diese Rechtsfolgen und damit auch das entscheidende Kriterium für die Bejahung von Arbeitnehmerähnlichkeit ist die wirtschaftliche Unselbständigkeit der die Arbeit leistenden Person, wobei in der Literatur vor allem die wirtschaftliche Abhängigkeit hervorgehoben wird (Rebhahn in Zeller Komm § 1151 ABGB Rz 123, 124; Schwarz/Löschnigg, Arbeitsrecht, 9.Auflage, Seite 187 f). Als maßgebliche Faktoren der Arbeitnehmerähnlichkeit wurden in der Rechtsprechung die Zahl der Auftraggeber, für die regelmäßig gearbeitet wird, die Höhe des Einkommens aus der Tätigkeit, insbesondere im Verhältnis zu den erforderlichen Mitteln für die Bestreitung des Lebensunterhalts, das Fehlen eines eigenen Unternehmens, die Intensität der Einbindung in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers sowie die Aufteilung des wirtschaftlichen Erlöses aus dem Arbeitsergebnis zwischen den Vertragspartnern herausgearbeitet (Rebhahn aaO).

Aus dem bisher außer Streit gestellten Sachverhalt ergeben sich wohl einzelne Anhaltspunkte, die für eine Arbeitnehmerähnlichkeit der Beklagten sprechen; so insbesondere die Tätigkeit der Beklagten ausschließlich nach Einteilung und in den Räumlichkeiten der klagenden Partei sowie die Aufteilung des wirtschaftlichen Erfolges unter den Vertragspartnern (nach dem insoweit konkret unwidersprochenen Vorbringen der klagenden Partei pro Massage EUR 75,-- an die klagende Partei und EUR 30,-- an die Beklagte). Es fehlt jedoch vor allem noch an Feststellungen zu allfälligen anderen Erwerbstätigkeiten der Beklagten und einem daraus erzielten Einkommen.

Für sogenannte freie Dienstverträge wie den hier vorliegenden gelten grundsätzlich nur die allgemeinen vertragsrechtlichen Bestimmungen des ABGB; mangels Vorliegens eines Arbeitsverhältnisses sind arbeitsrechtliche Vorschriften unmittelbar nicht anwendbar. Eine analoge Anwendung arbeitsrechtlicher Vorschriften kommt nur in Bezug auf jene Vorschriften in Frage, die nicht von persönlicher Abhängigkeit ausgehen und daher nicht den Schutz des sozial Schwächeren bezwecken (Rebhahn aaO § 1151 ABGB Rz 129, 130). Nach Auffassung des Berufungsgerichtes handelt es sich bei den Regelungen der §§ 36 ff AngG und § 2 c AVRAG über die Beschränkungen einer Konkurrenzklauselvereinbarung um Bestimmungen, die von der persönlichen Abhängigkeit des Arbeitnehmers ausgehen und den Schutz des sozial Schwächeren bezwecken. Dies erhellt sich daraus, dass Konkurrenzklauseln im Rahmen der Vertragsfreiheit grundsätzlich zulässig sind und rechtswirksam vereinbart werden können. Die gesetzlichen Beschränkungen in Bezug auf den Abschluss und den Inhalt einer Konkurrenzklausel in den §§ 36 f AngG (und später § 2 c AVRAG) stellen sich somit eindeutig als Schutzvorschriften zugunsten des auf die Verwertung seiner Arbeitskraft angewiesenen Arbeitnehmers dar (Reissner in Marhold/Burgstaller/Preyer, AngG, § 36 Rz 2 ff). Aus diesem Befund folgt wiederum, dass die für Arbeitnehmer geltenden gesetzlichen Beschränkungen in Bezug auf Konkurrenzklauseln auf freie Dienstverträge grundsätzlich nicht analog anwendbar sind. Soweit in der Literatur die analoge Anwendbarkeit dieser Bestimmungen auch für freie Dienstverträge angeführt wird (etwa bei Rebhahn, in Zeller Komm, § 1151 ABGB Rz 130), ist dies insofern irreführend, als der Oberste Gerichtshof in der dort zitierten Entscheidung (4 Ob 518/81 = Arb 10.025) vor dem Hintergrund des gänzlichen Verbotes von Konkurrenzklauseln bei selbständigen Handelsvertretern nach § 25 HVertrG 1993 dem selbständigen Handelsvertreter in Form eines sogenannten freien Dienstnehmers („freier Handelsvertreter") den absoluten Schutz des Konkurrenzklauselverbotes des § 25 HVertrG 1993 versagt hat und den „freien Handelsvertreter" auf den Schutz einer möglichen analogen Anwendung des § 36 AngG verwiesen hat. In weiterer Folge ist der Oberste Gerichtshof jedoch von dieser Rechtsprechung abgegangen und bejaht seit der Entscheidung 8 ObA 56/02x die Anwendung des Verbotes von Konkurrenzklauseln nach § 25 HVertrG 1993 auf selbständige Handelsvertreter, auch wenn deren Vertragsverhältnis der Qualifikation eines „freien Dienstvertrages" entspricht (was bei einem selbständigen Handelsvertreter ohnehin typischerweise der Fall ist), und auch wenn eine Arbeitnehmerähnlichkeit des Vertreters vorliegt (RIS-Justiz RS0116868; Reissner in Zeller Komm § 36 AngG Rz 17; Reissner in Marhold/Burgstaller/Preyer, § 36 AngG Rz 24; Körber, Konkurrenzklauseln für Handelsvertreter, ecolex 205, 781 ff). Eine analoge Anwendung der gesetzlichen Beschränkungen für eine Konkurrenzklauselvereinbarung im Arbeitsverhältnis auf sogenannte freie Dienstverträge lässt sich nach Auffassung des Berufungsgerichtes somit auch aus dieser Rechtsprechung nicht ableiten.

Wie bereits oben erwähnt wurden in der Rechtsprechung bestimmte arbeitsrechtliche Bestimmungen, die dem Schutz des sozial Schwächeren dienen, analog auf arbeitnehmerähnliche Personen und damit auch arbeitnehmerähnliche freie Dienstnehmer angewendet; so insbesondere der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz, die Begrenzung der Rückforderung zu viel bezahlten Entgelts und das Kautionsschutzgesetz (Rebhahn in Zeller Komm § 1151 ABGB Rz 123, 131).

Ob die analoge Anwendung des arbeitsrechtlichen Konkurrenzklauselrechts und insbesondere der mit BGBl I 2006/36 aktualisierten Beschränkung der Wirksamkeit einer Konkurrenzklauselvereinbarung auf Arbeitsverhältnisse ab einem bestimmten Mindestentgelt für arbeitnehmerähnliche Personen - außerhalb des Anwendungsbereiches des HVertrG 1993 - geboten ist, und bejahendenfalls weitere Feststellungen zur Beurteilung von Arbeitnehmerähnlichkeit der Beklagten erforderlich sind, braucht jedoch nicht näher erörtert werden, da die vereinbarte Konkurrenzklausel in der konkreten Konstellation jedenfalls als sittenwidrig nach § 879 Abs 1 ABGB nichtig ist.

Konkurrenzklauseln sind nicht nur nach den speziellen gesetzlichen Reglementierungen zu beurteilen, sondern auch nach der allgemein zivilrechtlichen Bestimmung der Sittenklausel des § 879 ABGB. Für die Sittenklausel des § 879 ABGB gibt es im Bereich von Konkurrenzklauseln zwei Hauptanwendungsfälle: Zum einen kann die Sittenwidrigkeit in der Art und Weise des Zustandekommens der Wettbewerbsabrede liegen, zum anderen sind inhaltlich sittenwidrige Konkurrenzklauseln zu erwähnen.

Eine inhaltliche Sittenwidrigkeit liegt vor, wenn die Klauselbeschränkungen im übergroßen Umfang ohne zeitliche oder örtliche Begrenzungen auferlegt werden oder ein auffallendes Missverhältnis zwischen den durch das Verbot zu schützenden Interessen des einen Vertragsteiles und der dem anderen Teil auferlegten Beschränkung besteht (RIS-Justiz RS0016609). Daneben werden in der Literatur auch Konstellationen angeführt, in denen der Inhalt einer Wettbewerbsabrede als solcher sittenwidriger Natur ist und daher totale und absolute Nichtigkeit angenommen werden muss. Ausdrücklich als Beispiele dafür werden Vereinbarungen, in denen sich jemand verpflichtet, nicht der Zuhälterei oder der Prostitution nachzugehen, angeführt (Reissner in Marhold/Burgstaller/Preyer, AngG, § 36 AngG Rz 116; Reissner in Zeller Komm § 36 AngG Rz 95).

Geschäftsgegenstand der klagenden Partei wie auch die von der Beklagten dort ausgeübte Tätigkeit ist die „erotische Massage". Die klagende Partei hat wohl behauptet, ihrerseits eine „spezielle Massagetechnik" erworben zu haben, wofür sie eine Franchisegebühr zu bezahlen habe, und diese an die Beklagte weitergegeben zu haben. Sie hat jedoch nicht einmal ansatzweise ein Sachvorbringen dazu erstattet, welche konkrete „spezielle Massagetechnik" sie selber erworben habe, sie der Beklagten weitergegeben habe und von dieser weiter verwertet worden sei. Auch aus dem von der klagenden Partei selber vorgelegten schriftlichen „Freien Dienstvertrag" geht die Anwendung bestimmter erlernter Massagetechniken in keiner Weise hervor. Aus diesem Vertrag ist vielmehr ersichtlich, dass die Tätigkeit der freien Dienstnehmerin aus „erotische Massagen" besteht, die freie Dienstnehmerin bei der Gestaltung des Tätigkeitsablaufes keinen Weisungen der Dienstgeberin unterliegt, sie „frei" darüber entscheidet, ob sie die Massagen bekleidet oder unbekleidet durchführt, sie sich bei der Vertragserfüllung durch geeignete Dritte vertreten lassen kann und sie an die Verwendung bestimmter Arbeitsmittel oder Arbeitsstoffe der Auftraggeberin nicht gebunden ist (Punkte 2.,4.,5. und 6. des „Freien Dienstvertrag" Beilage ./A). Die Geschäftstätigkeit der klagenden Partei und die diese ausführende Tätigkeit der Beklagten stellt sich daher schlicht als die Erbringung sexueller Dienstleistungen gegen Entgelt dar.

In der Rechtsprechung wurden Verträge über die Erbringung sexueller Dienstleistungen und auch über die Beteiligung am Prostitutionsprofit als sittenwidrig und damit nichtig beurteilt (3 Ob 516/89). Im Wesentlichen aufgrund des fehlenden persönlichen Kontaktes wurden hingegen Verträge über sogenannten Telefonsex nicht als sittenwidrig beurteilt (8 ObA 156/02b).

Es muss hier nicht der Frage nachgegangen werden, inwieweit die „erotische Massage" im Verhältnis zum Kunden ein sittenwidriges Rechtsgeschäft darstellt. Es muss auch nicht näher geprüft werden, inwieweit der freie Dienstvertrag zwischen der klagenden Partei und der Beklagten als Beteiligung an kommerzialisierter Sexualität sittenwidrig ist. Hier zu beurteilen und zu bejahen ist jedoch die Sittenwidrigkeit der Konkurrenzklausel, mit der die klagende Partei versucht, für ihre kommerziell betriebenen sexuellen Dienstleistungen einen Konkurrenzschutz zu erwirken.

Dazu kommt die bereits an einen Lohnwucher grenzende krasse Unterentlohnung der freien Dienstnehmerinnen durch die klagende Partei als grobe Äquivalenzstörung. Für eine Dienstleistung, für die die klagende Partei praktisch außer der Zurverfügungstellung der Unterkunft und des Anbietens der Dienstleistung nichts, die „erotische Masseurin" aber alles beiträgt, erhält Erstere EUR 75,--, Letztere bloß EUR 30,--.

Der Versuch des Erwirkens eines Konkurrenzschutzes für die Erbringung sexueller Dienstleistungen im Zusammenhang mit der krassen Unterentlohnung der dort beschäftigten freien Dienstnehmerinnen lassen die vereinbarte Konkurrenzklausel daher als sittenwidrig und somit nichtig erscheinen.

2.) Zum behaupteten Wettbewerbsverstoß als Anspruchsgrundlage:

Aufgrund der Nichtigkeit des vereinbarten Konkurrenzverbotes liegt bereits im Tätigwerden der Beklagten im selben Geschäftszweig nach der Beendigung des freien Dienstverhältnisses zur klagenden Partei kein rechtswidriges Verhalten.

Darüber hinaus hat das Erstgericht bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass das bloße Missachten einer Konkurrenzklausel für sich allein keinen Anspruch nach dem UWG begründet. Ein solcher besteht nur dann, wenn zur Vertragsverletzung besondere die Sittenwidrigkeit im Sinne des § 1 UWG herbeiführende Umstände hinzutreten. Dass ein Arbeitnehmer sein berufliches Know-how und seine Branchenkenntnis für den neuen Arbeitgeber einsetzt und sich dieser seiner fachlichen Erfahrung bedient, verstößt für sich nicht gegen die guten Sitten. Auch das Versenden eines Werbeschreibens durch den neuen Arbeitgeber eines Arbeitnehmers, der unter Verletzung seiner Konkurrenzklausel in der Absicht beschäftigt wird, neue Kunden für sich zu gewinnen und damit dem früheren Arbeitgeber „auszuspannen", ist für sich allein noch nicht wettbewerbswidrig, wenn nicht besondere Umstände, etwa in der Textierung des Rundschreibens oder in der Verwendung von Kundenlisten des früheren Arbeitgebers vorliegen (Reissner in Zeller Komm § 37 AngG Rz 53, 55, 56).

Wie bereits oben ausgeführt hat die klagende Partei wohl den Erwerb und die Weitergabe einer „speziellen Massagetechnik" behauptet, jedoch in keiner Weise ein Sachvorbringen erstattet, welche konkrete „Technik" hier von der klagenden Partei erworben und an die Beklagte weitergegeben worden sei und welche konkreten Kunden in welcher Art und Weise von der Beklagten abgeworben worden wären. Abgesehen von der Nichtigkeit der vereinbarten Konkurrenzklausel war daher die diesbezügliche Behauptung der klagenden Partei ohne ein konkretes Sachvorbringen einem Beweisverfahren nicht zugänglich. Die behauptete sekundäre Mangelhaftigkeit des Verfahrens einschließlich der behaupteten Aktenwidrigkeit des Urteiles liegt somit nicht vor. Der gänzlich unberechtigten Berufung war daher nicht Folge zu geben. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens gründet sich auf die §§ 2 ASGG, 41 und 50 ZPO.

Für die vom Berufungsgericht befundene Sittenwidrigkeit der zu beurteilenden Konkurrenzklausel waren die konkreten Umstände des Einzelfalles entscheidend. Eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO liegt demnach nicht vor und war die ordentliche Revision nicht zuzulassen.

Oberlandesgericht Wien

Schmerlingplatz 11, 1016 Wien

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