JudikaturJustiz8Bs72/08g

8Bs72/08g – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
23. April 2008

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richter Dr. Aistleitner als Vorsitzenden und Dr. Bergmayr und die Richterin Dr. Engljähringer in der Strafsache gegen D***** N***** wegen des Verbrechens des versuchten Mordes nach den §§ 15, 75 StGB über die Beschwerde der Revisorin beim Landesgericht Linz gegen den Beschluss des Landesgerichtes Linz vom 30.1.2008, 19 HR 23/08t-20, in nichtöffentlicher Sitzung entschieden:

Spruch

Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben; der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass

a.) die Zwischensumme mit EUR 551,56,

b.) die MwSt mit EUR 110,31 sowie

c.) die Endsumme mit EUR 661,87

bestimmt werden.

Text

Begründung:

Mit Beschluss des Landesgerichtes Linz vom 12.12.2007 wurde Prim. Dr. A***** K***** zur Sachverständigen aus dem Fachgebiet Neurologie/Psychiatrie bestellt und mit der Erstellung von Befund und Gutachten zu den Voraussetzungen der §§ 11, 21 Abs 1 und 2 StGB bei D***** N***** beauftragt (AS 3). Für das auftragsgemäß erstattete Gutachten (ON 19) verrechnete die Sachverständige mit Honorarnote vom 13.1.2008 (ON 20) insgesamt EUR 813,55 (darin enthalten EUR 135,59 MwSt).

Ohne der Revisorin zuvor Gelegenheit zu geben, sich zur Gebührennote der Sachverständigen zu äußern, bestimmte das Erstgericht mit dem angefochtenen Beschluss die Gebühren für das erstattete Gutachten uneingeschränkt antragsgemäß. Gegen diesen Beschluss - und zwar ausdrücklich nur gegen die im Folgenden angeführten Positionen - richtet sich die Beschwerde der Revisorin des Landesgerichtes Linz, der teilweise Berechtigung zukommt.

Zunächst ist anzumerken, dass - entgegen der Argumentation der Beschwerdeführerin - eine Aufhebung des angefochtenen Beschlusses wegen Nichtigkeit entbehrlich ist; auch wenn der Revisorin entgegen § 39 Abs 1 GebAG keine Gelegenheit zur Äußerung gegeben wurde, lässt doch die Beschwerde klar erkennen, welche Mängel nach Ansicht der Beschwerdeführerin dem Gebührenbestimmungsantrag und dem bekämpften Beschluss anhaften (Krammer/Schmidt, SDG-GebAG3 (2001) § 39 GebAG E 52 ff; RIS-Justiz RS0059263). Dass die Revision weitere Argumente über die Beschwerde hinaus in einer Anhörung vorgebracht hätte, wird nicht behauptet.

Rechtliche Beurteilung

1. Zur gesonderten Honorierung des Rorschachtests:

Antragsgemäß sprach das Erstgericht der Sachverständigen für diese psychologische Testung nach § 49 Abs 1 GebAG eine Gebühr in Höhe von EUR 116,20 (zuzüglich 20% USt) zu. Die Gebühr für Mühewaltung nach § 43 Abs 1 Z 1 GebAG ist jedoch eine Gesamtgebühr für Befund und Gutachten, weshalb mit der Entlohnung für die psychiatrische Untersuchung und Begutachtung auch jene psychodiagnostischen Tests, die integraler Teil der Exploration und geradezu selbstverständliche Voraussetzung für die Erstattung eines fundierten psychiatrischen Gutachtens sind, abgegolten werden; derartige Tests sind daher in der Regel nicht gesondert zu vergüten (RIS-Justiz RS0059366). Der Gesetzgeber verlangt zur Erreichung der dem Fachgebiet der Psychiatrie zugeordneten Aufgabenstellung der Begutachtung psychischer Krankheiten oder Störungen sowie psychischer und sozialer Verhaltensauffälligkeiten ausdrücklich auch Kenntnisse und Fertigkeiten sowohl spezieller psychiatrisch-psychologischer Testverfahren als auch der Beurteilung psychologischer Befunde (vgl 12 Os 46/99). Im Hinblick auf dieses fachliche Anforderungsprofil bleibt insbesondere bei Bedachtnahme auf die hier anerkannte Anspruchsgrundlage des § 43 Abs 1 Z 1 lit e GebAG für eine gesonderte Vergütung des hier in Rede stehenden Rorschachtests kein Raum; dies gilt selbst dann, wenn die stetige wissenschaftliche Weiterentwicklung auf dem Gebiet der Psychologie und Psychotherapie Berücksichtigung findet (OLG Linz 9 Bs 275/07s, 7 Bs 108/08v mwN). Die Gebühren für den Rorschachtest im Ausmaß von EUR 116,20 (zuzüglich 20% USt) wurden daher zu Unrecht zugesprochen.

2. Zur gesonderten Honorierung eines neurologischen und eines psychiatrischen Gutachtens:

Im angefochtenen Beschluss wurde der Sachverständigen Mühewaltungsgebühr kumulativ für die psychiatrische Untersuchung und Begutachtung nach § 43 Abs 1 Z 1 lit e GebAG in Höhe von EUR 195,40 sowie für die neurologische Untersuchung und Begutachtung nach § 43 Abs 1 Z 1 lit d GebAG in Höhe von EUR 116,20 (jeweils zuzüglich 20% USt) zugesprochen.

Wie die Beschwerdeführerin zugesteht, entspricht die gesonderte Honorierung eines neurologischen und eines psychiatrischen Gutachtens, deren Erstattung durch einen gerichtlichen Auftrag gedeckt ist, ständiger Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0059362). Auch der Gesetzgeber hat durch die Verwendung des Wortes "oder" in den lit d und e des § 43 Abs 1 Z 1 GebAG anerkannt, dass sich diese Fachgebiete so weit in Methode und Gegenstand unterscheiden, dass jeweils eine gesonderte Gebühr für Mühewaltung zusteht (Krammer/Schmidt aaO § 43 GebAG E 91 f).

Allerdings geht die Beschwerdeführerin davon aus, dass analog § 49 Abs 3 Z 2 GebAG der Sachverständigen die Mühewaltung zwar für eine Mehrzahl von Gutachten, aber nur für eine Untersuchung zu entlohnen sei. Die Beschwerde stützt sich dabei auf Entscheidungen des Oberlandesgerichtes Wien, wonach in der Regel nur eine Untersuchung erfolge und häufig auch eine weitgehend gleiche Befundaufnahme den Gutachten zugrundeliege.

Dieser Argumentation ist schon insofern nicht zu folgen, als die zitierten Entscheidungen lediglich von einer generellen Betrachtung ausgehen, gegenständlich aber keineswegs vorausgesetzt werden kann, dass tatsächlich nur eine Untersuchung und Befundaufnahme erfolgte, die dem Gutachten sowohl in psychiatrischer als auch in neurologischer Hinsicht zugrundegelegt wurde. Im Übrigen ist auch das Oberlandesgericht Wien in späteren Entscheidungen von dieser Judikatur abgegangen und hat ausgesprochen, dass die Gebührenansätze des § 43 Abs 1 GebAG dem Sachverständigen ungekürzt mehrfach zuzusprechen seien, wenn die Voraussetzungen für eine Kumulierung vorlägen; für eine analoge Anwendung des § 49 Abs 3 GebAG bleibe kein Raum (Krammer/Schmidt aaO E 68 mwN). Ergänzend ist festzuhalten, dass auch die jeweiligen Gebührenansätze von der Sachverständigen und vom Erstgericht zutreffend gewählt wurden. Für die Anwendbarkeit des Gebührenansatzes nach § 43 Abs 1 Z 1 lit e GebAG kommt es weder auf den Umfang allein noch darauf an, ob eine Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Lehrmeinungen oder die Darlegung eigener wissenschaftlicher Forschungstätigkeit zur Begründung des gutachtlichen Standpunktes stattfindet. Hiefür genügen vielmehr bereits überdurchschnittlich umfangreiche auf nicht gesondert honorierten (Rorschach )Tests beruhende, fachlich fundierte und daher wissenschaftlich begründete gutachtliche Ausführungen (vgl 15 Os 83/93 mwN).

Im Hinblick auf die beanstandete kumulierte und ungekürzte Honorierung des psychiatrischen und neurologischen Gutachtens war daher der Beschwerde ein Erfolg zu versagen.

3. Zur gesonderten Honorierung der Einholung und des Studiums der Krankengeschichte:

Die Beschwerdeführerin wendet sich schließlich gegen die Honorierung des Studiums der Krankengeschichte der Landesnervenklinik W***** nach § 36 Abs 1 GebAG sowie der Einholung der Krankengeschichte nach § 34 Abs 3 GebAG im Gesamtausmaß von EUR 44,-- (zuzüglich 20% USt). Das Studium der Krankengeschichte sei bereits durch die Honorierung des Aktenstudiums abgegolten, der besondere Zeitaufwand durch die Heranziehung des Gebührenansatzes nach § 43 Abs 1 Z 1 lit e GebAG. Entgegen der Argumentation der Beschwerdeführerin ist jedoch durchaus auch der Zeitaufwand für die Beschaffung und das Studium von Krankenunterlagen neben der Tarifgebühr des § 43 GebAG zu honorieren. Diese Honorierung hat allerdings nicht nach den von der Sachverständigen gewählten und vom Erstgericht zugesprochenen Gebührenansätzen zu erfolgen, sondern lediglich nach § 35 Abs 1 GebAG (vgl Feil, GebAG5 § 35 GebAG Rz 8; SV 1999/1, 39; EFSlg 115.667). Da die Sachverständige trotz nachgewiesener Zustellung der Beschwerde die ihr gebotene Gelegenheit zur Äußerung nicht ergriff, liegen keinerlei Angaben ihrerseits über den erforderlichen Zeitaufwand für die Einholung und das Studium der Krankengeschichte vor. Daher war ein Durchschnittswert von einer Stunde zugrundezulegen und die Einholung und das Studium der Krankengeschichte nach § 35 Abs 1 GebAG mit EUR 33,80 (zuzüglich 20% USt) zu honorieren.

In teilweiser Stattgebung der Beschwerde der Revisorin war somit die der Sachverständigen zugesprochene Gebühr zu reduzieren.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diese Entscheidung steht ein weiteres Rechtsmittel nicht zu. Oberlandesgericht Linz, Abt 8,

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