JudikaturJustiz8Bs57/24d

8Bs57/24d – OLG Graz Entscheidung

Entscheidung
14. März 2024

Kopf

Das Oberlandesgericht Graz hat durch den Senatspräsidenten Mag. Ohrnhofer (Vorsitz) und die Richter Mag. Koller und Mag. Petzner, Bakk. in der Strafsache gegen A* wegen der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 SMG über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 31. Jänner 2024, AZ 21 HR 36/24v (ON 3 der Akten 63 BAZ 74/24f der Staatsanwaltschaft Graz) und den damit verbundenen Einspruch wegen Rechtsverletzung in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Der Einspruch wegen Rechtsverletzung wird zurückgewiesen.

Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu.

Text

begründung:

In dem von der Staatsanwaltschaft Graz zum Aktenzeichen 63 BAZ 74/24f gegen den Jugendlichen A* geführten Ermittlungsverfahren bewilligte der Einzelrichter des Landesgerichts für Strafsachen Graz mit Beschluss vom 31. Jänner 2024 (ON 3, 3) den auf §§ 117 Z 2 lit a und b, 119 Abs 1, 120 Abs 1 erster Satz StPO gegründeten Antrag der Anklagebehörde auf Durchsuchung der von A* benutzten Wohnräumlichkeiten „samt den darin befindlichen Gegenständen und allfälliger Neben- und Kellerräumlichkeiten und Fahrzeugen“ an der Adresse **.

Die Durchsuchung fand am 12. Februar 2024 statt (ON 4). Aus deren Anlass wurde dem Beschuldigten auch die Anordnung der Durchsuchung samt gerichtlicher Bewilligung ausgefolgt (ON 7).

Gegen den Beschluss richtet sich die mit einem Einspruch wegen Rechtsverletzung verbundene (rechtzeitige) Beschwerde des A*, in der er mangelnde Begründung des Beschlusses und Unverhältnismäßigkeit der Zwangsmaßnahme behauptet (ON 6.2).

Rechtliche Beurteilung

Der Beschwerde und dem Einspruch wegen Rechtsverletzung kommt keine Berechtigung zu.

I. Zur Beschwerde:

Voranzustellen ist, dass aufgrund des bereits erfolgten Vollzugs der Durchsuchung das Beschwerdegericht die richtige Anwendung des Gesetzes zu prüfen hat ( Tipold , WK-StPO § 89 Rz 15). Die Prüfung der Rechtmäßigkeit hat sich auf den Zeitpunkt der Entscheidung durch das Erstgericht zu beziehen („ex-ante“-Perspektive: RIS-Justiz RS0131252; Kirchbacher , StPO 15 § 89 Rz 3).

Die Durchsuchung von Orten ist – soweit hier relevant – zulässig, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sich dort Gegenstände oder Spuren befinden, die sicherzustellen oder auszuwerten sind (§ 119 Abs 1 StPO).

Gerichtliche Bewilligung der Durchsuchung von durch das Hausrecht geschützten Orten (§ 120 Abs 1 erster Satz StPO) erfordert einen begründenden Verdacht. Dieser muss vor dem Eingriff bestimmt und hinreichend sein. Die Verdachtsannahmen dürfen sich nicht in Mutmaßungen und Spekulationen erschöpfen, sondern müssen sich aus einer Bewertung zugänglichen Beweisergebnissen ableiten lassen. Dagegen ist nicht Bedingung, dass der Verdacht eine besondere Dichte aufweist, die im Verdacht stehende Tat besonders schwer wiegt oder sich der Verdacht gegen denjenigen richtet, bei dem die Durchsuchung durchgeführt wird (vgl 14 Os 46/09k; 13 Os 158/00; 12 Os 12/07t; Markel , WK-StPO § 1 Rz 25 f; Tipold/Zerbes , WK-StPO § 119 Rz 9, 17 bis 19).

Bei einer – wie hier – gegenstandsbezogenen Durchsuchung müssen die Gegenstände, die gesucht werden, (nur, aber immerhin) ihrer Art nach beschrieben werden ( Tipold/Zerbes , WK-StPO § 119 Rz 5, § 120 Rz 4). Ferner muss die Beziehung der gesuchten Gegenstände zu den Durchsuchungszwecken gemäß § 119 Abs 1 StPO – hier: Sicherstellung von Beweismitteln oder potenziell vermögensrechtlichen Anordnungen unterliegender Gegenstände – in nachvollziehbarer Weise bezeichnet werden ( Tipold/Zerbes , WK-StPO § 119 Rz 19). Dabei genügt es unter Aspekten der Rechtmäßigkeit der Bewilligung der Durchsuchung, dass dies zumindest in Betreff eines (einzigen) Durchsuchungszweckes möglich ist, ist doch jeder Zweck für sich allein bereits für eine solche Maßnahme hinreichend, wenn er vorliegt. Welche Gegenstände bei der Durchführung tatsächlich sichergestellt und welche Gründe dafür vor Ort angenommen wurden, spielt dagegen für die Beurteilung der vorgelagerten Bewilligung einer Durchsuchung naturgemäß keine Rolle. Schließlich muss die Maßnahme verhältnismäßig sein.

Im Gegenstand bestand zum Zeitpunkt der Bewilligung der angefochtenen Entscheidung der konkrete Verdacht, A* habe vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich Delta-9-THC/THCA-hältiges Cannabiskraut in der Zeit bis zum 20. November 2023 besessen und anderen überlassen, und zwar insbesondere am 9. November 2023 einer – entgegen der Begründung des Beschlusses – bekannten, jedoch namentlich nicht genannten Person 10 Gramm Delta-9-THC-hältiges Cannabiskraut durch gewinnbringende Veräußerung.

Dieser konkret in Verdacht stehende (Lebens-)Sachverhalt wurde zutreffend als die Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 zweiter und achter Fall SMG subsumiert.

Dieser Verdacht gründete in objektiver Hinsicht auf dem Anlassbericht der Polizeiinspektion ** vom 27. Jänner 2024 (ON 2), aus dem sich zusammengefasst ergab, dass eine der Kriminalpolizei bekannte (männliche) Person bei ihrer Vernehmung als Beschuldigter (und nicht etwa als bloßer „Informant“) konkret angab, vom hier Beschuldigten 10 Gramm Cannabiskraut zum Preis von EUR 100,00 gekauft zu haben. Das bezughabende Vernehmungsprotokoll vom 12. November 2023 wurde in der Zwischenzeit nachgereicht (vgl ON 10.3). Dies begründete in Zusammenschau mit dem Umstand, dass beim Beschuldigten am 20. November 2023 31,5 Gramm Cannabiskraut, also eine Menge an Suchtgift, die deutlich über den zuvor bei ihm vorgefundenen Mengen (1,44 Gramm am 11. Juni 2023 und 0,63 Gramm am 26. September 2023) lag und ebenso wie das Mitführen einer Feingrammwaage (am 26. September 2023) mit einem bloßen Eigenkonsum nicht (mehr) in Einklang zu bringen war, den konkreten Verdacht, der Beschuldigte würde darüber hinaus Suchtgift auch Dritten (gewinnbringend) überlassen. Die dargestellte begründete Verdachtslage zum objektiven Tatgeschehen indizierte fallbezogen auch die Annahme der subjektiven Tatseite (vgl RIS-Justiz RS0098671, RS0116882; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 452). Insbesondere aufgrund der zuletzt sichergestellten Menge an Suchtgift war auch konkret zu erwarten, dass sich in den zu durchsuchenden Räumlichkeiten Gegenstände, vor allem (weiteres) Suchtgift und sonstige Gegenstände, die mit dem Besitz und dem Verkauf von Suchtgift im Zusammenhang stehen (Suchtgiftutensilien, Verpackungsmaterial udgl) oder aus denen sich zumindest Rückschlüsse auf (weitere) Abnehmer und/oder Lieferanten ziehen lassen (Bargeld, Mobiltelefon[e] und andere Datenträger), befinden, die aus Beweisgründen zur Aufklärung der dargestellten strafbaren Handlungen (Besitz und Verkauf von Suchtgift) sowie zum Zwecke der Sicherung der Konfiskation [§ 19a StGB], des Verfalls [§ 20 StGB] und der Einziehung [§ 26 StGB] sicherzustellen bzw. auszuwerten sein würden. Damit lag zum beurteilungsgegenständlichen Zeitpunkt ein für eine Durchsuchung ausreichender Verdacht vor (vgl in diesem Zusammenhang etwa die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu AZ 14 Os 46/09k, nach der selbst der Inhalt einer anonymen Anzeige zu einem Suchtgiftbesitz als eine die Durchsuchung von Orten rechtfertigende bestimmte Tatseite in Betracht kommt). Dass lediglich der Verdacht einer in die bezirksgerichtliche Zuständigkeit fallenden Straftat bestand, hinderte ein Hausdurchsuchung nicht, sieht doch das Gesetz eine derartige Einschränkung wohlweislich nicht vor. Das Gewicht einer strafbaren Handlung und deren sozialen Störwert messen sich nicht ausschließlich an der Strafdrohung. Die vorliegend gewählte Zwangsmaßnahme war im Hinblick auf den ausgeprägten Verdacht auf den vorschriftswidrigen Besitz und (gewinnbringenden) Verkauf von (weiterem) Suchtgift und der daraus resultierenden nachteiligen gesundheitlichen Auswirkungen für die potentiellen Abnehmer angesichts des dadurch zu erwartenden unmittelbaren Beitrags zur Sachverhaltsaufklärung verhältnismäßig. Andere (gelindere, jedoch gleichermaßen effiziente) Ermittlungsmaßnahmen standen nicht zur Disposition. Denn eine erfolgversprechende Bekämpfung der Suchtgiftkriminalität setzt gerade die rasche und unangekündigte Sicherstellung von Suchtgift voraus, weil nur dadurch die Verbringung bzw Vernichtung von Beweisgegenständen verhindert werden kann (so ausdrücklich OGH 14 Os 46/09k [14 Os 47/09g]). Soweit der Beschwerdeführer in seiner Gegenäußerung die geplante Teillegalisierung von Cannabis in Deutschland ins Treffen führt, ist er darauf zu verweisen, dass die Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer Zwangsmaßnahme nur auf Basis der in Österreich geltenden Rechtslage erfolgen kann.

Der angefochtene Beschluss leitete den Tatverdacht aus den im Anlassbericht der Kriminalpolizei zusammengefassten Beweisergebnissen ab, bezeichnete die aufzufindenden und sicherzustellenden Gegenstände konkret (ON 3, 1 und 2) und behandelte auch die Frage der Verhältnismäßigkeit der Durchsuchung (ON 3, 2), sodass auch der vom Beschwerdeführer monierte Begründungsmangel nicht vorliegt.

Die Bewilligung der Zwangsmaßnahme war daher rechtmäßig.

II. Zum Einspruch wegen Rechtsverletzung:

Ein auf § 106 Abs 1 Z 2 StPO gestützter Einspruch wegen Rechtsverletzung steht jeder Person zu, die behauptet, im Ermittlungsverfahren durch die Staatsanwaltschaft in einem subjektiven Recht verletzt worden zu sein, weil eine Ermittlungs-, oder Zwangsmaßnahme unter Verletzung der Bestimmungen der StPO angeordnet oder durchgeführt wurde. Soweit (wie hier) gegen die Bewilligung einer Ermittlungsmaßnahme Beschwerde erhoben wird, ist der Einspruch gegen deren Anordnung oder Durchführung mit der Beschwerde zu verbinden, wobei in einem solchen Fall das Beschwerdegericht auch über den Einspruch entscheidet (§ 106 Abs 2 StPO).

Soweit sich A* mit seinem Einspruch gegen die Anordnung der Durchsuchung wendet und dabei inhaltlich auf die Begründung zu deren Zulässigkeit (und nicht deren Anordnung oder Durchführung) verweist, ist festzuhalten, dass das Vorliegen oder Nichtvorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für die gerichtlich bewilligte Ermittlungsmaßnahme nur mit Beschwerde, nicht jedoch (auch) mit Einspruch geltend gemacht werden kann (keine Verdoppelung des Rechtsschutzes: Pilnacek/Stricker , WK-StPO § 106 Rz 11 f, 14, 29 ff; 14 Os 36/14x mwN). Da keine der Bewilligung nachfolgenden Rechtsverletzungen behauptet werden, ist der Einspruch (mangels eines einer gesonderten Erledigung zugänglichen Gegenstands) zurückzuweisen.

Der Ausschluss weiterer Rechtsmittel folgt aus § 89 Abs 6 StPO.

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