JudikaturJustiz8Bs5/16s

8Bs5/16s – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
02. Februar 2016

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat durch den Richter Dr. Bergmayr als Vorsitzenden, die Richterin Dr. Engljähringer und den Richter Mag. Koller in der Strafsache gegen C***** I***** wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 StGB über die Berufung der Staatsanwaltschaft Ried im Innkreis gegen das Urteil des Einzelrichters des Landesgerichts Ried im Innkreis vom 2. Dezember 2015, 9 Hv 114/15i-44, nach der in Anwesenheit des Oberstaatsanwalts Mag. Daxecker, des Angeklagten und seines Verteidigers Dr. Steininger durchgeführten Berufungsverhandlung am 2. Februar 2016 zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Urteil wird im Strafausspruch dahin abgeändert, dass die Freiheitsstrafe auf zweieinhalb Jahre angehoben wird.

Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der 1974 geborene C***** I***** des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 StGB idF vor BGBl I 2015/112 schuldig erkannt. Er hat in der Nacht zum 30. Jänner 2015 in Schalchen im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit drei unbekannten Mittätern Gewahrsamsträgern der Schnellberger GmbH fremde bewegliche Sachen in einem EUR 3.000,00 übersteigenden Wert, nämlich 19 Fahrräder, 16 Motocross-Helme und 26 Vollvisierhelme im Gesamtwert von EUR 22.864,90 durch Einbruch in das Geschäftsgebäude, nämlich nach Aufzwängen einer Eingangstür, mit dem Vorsatz weggenommen, sich oder einen Dritten (US 4) durch die Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.

Hiefür verhängte der Erstrichter über den Angeklagten nach § 129 StGB (idF vor BGBl I 2015/112) eine zweijährige Freiheitsstrafe.

Dagegen richtet sich die Berufung der Staatsanwaltschaft mit dem Ziel einer Strafmaßanhebung, mit Erfolg.

Rechtliche Beurteilung

Bei der Strafbemessung wertete der Erstrichter das reumütige Geständnis des Angeklagten als mildernd; erschwerend wogen hingegen sechs einschlägige Vorstrafen und die zweifach strafsatzbestimmende Qualifikation.

Dieser Katalog ist wertungsmäßig nachzujustieren. Denn zur Vorstrafenbelastung des Angeklagten fällt auf, dass zwar einerseits das Urteil des französischen Tribunal correctionnel de Paris vom 21. März 2007 wegen Zuhälterei, welches Tathandlungen in der Zeit von Anfang Jänner 2003 bis 4. Mai 2004 erfasste (S 3 in ON 37), zur (bislang einzigen österreichischen) Verurteilung vom 2. August 2004 im Verfahren 6 Hv 106/04v LGStraf Graz wegen gewerbsmäßigen schweren Diebstahls durch Einbruch (ON 42) im Verhältnis der §§ 31 Abs 2, 40 StGB steht, weshalb nach der Aktenlage von fünf – freilich im engsten Sinn einschlägigen – Vorstrafen wegen Vermögensdelikten auszugehen ist. Anderseits wendet die Rechtsmittelwerberin aber zutreffend ein, dass das Gewicht des angenommenen Erschwerungsgrundes des § 33 Abs 1 Z 2 StGB mittlerweile durch das Vorliegen der Strafschärfungsvoraussetzungen nach § 39 StGB erhöht wird: Denn abgesehen vom (zumindest teilweisen) Vollzug zweier jeweils mehrjähriger, von rumänischen Gerichten in den Jahren 1995 und 2001 ausgesprochenen Freiheitsstrafen verbüßte der Angeklagte, seinen eigenen plausiblen Auskünften am Gerichtstag zufolge, aufgrund der erwähnten Bedachtnahmeverurteilungen im unmittelbaren Anschluss an die bedingte Entlassung aus der vom Landesgericht für Strafsachen Graz zu 6 Hv 106/04v festgesetzten vierjährigen Freiheitsstrafe einen etwa zweijährigen Teil jener (fünfjährigen) Haftstrafe, die im März 2007 in Frankreich über ihn verhängt worden war. In weiterer Folge kam es mit Urteil des britischen Blackfriars Crown Court vom 25. April 2012, unter anderem wegen eines am 12. Dezember 2009 begangenen Diebstahls (S 3 in ON 40), erneut zu einem effektiven dreimonatigen Freiheitsentzug.

Dass der Angeklagte just zur Begehung eines Einbruchsdiebstahls nach Österreich einreiste, berücksichtigte das Erstgericht ohnedies gleichermaßen wie die Tatsache, dass der Beutewert die (untere) Qualifikationsgrenze deutlich überstieg. Mag zudem auch erst eine DNA-Treffermeldung auf die Spur des Angeklagten geführt haben; seiner geständigen Verantwortung ist jedenfalls im Sinn des § 34 Abs 1 Z 17 erster Fall StGB entsprechende Bedeutung zuzubilligen. Im Übrigen zeichnen erst jene Schilderungen des Angeklagten vom Umfeld und von der gemeinschaftlichen Ausführung ein einigermaßen klares Bild vom (insgesamt nicht überdurchschnittlichen) Planungs- und Organisationsgrad der Tat.

Alles in allem ist deshalb – ausgehend von einer zufolge § 39 StGB erweiterten Strafbefugnis von sechs Monaten bis zu siebeneinhalb Jahren – eine (mit Rücksicht auf die aus dem zwischenzeitig reduzierten Strafsatz des § 129 Abs 1 Z 1 StGB idgF hervorleuchtende rechtspolitische Wertung jedoch nur) maßvolle Anhebung der erstinstanzlich festgesetzten Sanktion geboten. Eine an der Schwelle zum mittleren Drittel anzusiedelnde Freiheitsstrafe in der Dauer von zweieinhalb Jahren ist tat- und schuldadäquat.

Klarzustellen ist schließlich noch Folgendes:

Per 1.1.2016 trat das Strafrechtsänderungsgesetz 2015, BGBl I 2015/112, ohne Übergangsbestimmung in Kraft. Soweit der bezughabende Einführungserlass des Bundesministeriums für Justiz vom 15. Dezember 2015, eJABl 2/2016, gestützt auf das Erkenntnis des Obersten Gerichtshofs 16 Os 7/92 nun davon ausgeht, dass in Konstellationen wie der hier aktuellen, in denen über eine Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe gegen ein Urteil des Einzelrichters des Landesgerichts zu entscheiden ist, das Instanzgericht das zum Zeitpunkt seiner Entscheidung günstigere Recht anzuwenden hätte, vermag der Berufungssenat diese Auffassung nicht zu teilen.

Gemäß § 61 zweiter Satz StGB sind Strafgesetze auf vor ihrem Inkrafttreten begangene Taten dann anzuwenden, wenn die Gesetze, die zur Zeit der Tat gegolten haben, für den Täter in ihrer Gesamtauswirkung nicht günstiger waren. Auf welchen Zeitpunkt (des Verfahrens) der solcherart angeordnete Günstigkeitsvergleich abstellt, regelt das Gesetz aber nicht (13 Os 19/12m). Eine erste Orientierung hierzu kann nach wie vor § 323 Abs 2 StGB bieten.

Bislang allein für das Verfahren über Nichtigkeitsbeschwerden oder Berufungen wegen vorliegender Nichtigkeitsgründe ausjudiziert ist der Grundsatz, dass bei Änderung der Rechtslage zwischen Urteil erster Instanz und Entscheidung des Rechtsmittelgerichts dieses von der Rechtslage im Zeitpunkt der Urteilsfällung in erster Instanz auszugehen hat. Einen Günstigkeitsvergleich nach § 61 StGB hat das Rechtsmittelgericht demgegenüber nur bei einer Strafneubemessung anzustellen (RIS-Justiz RS0087462, RS0088808; 13 Os 19/12m samt expliziter Auseinandersetzung mit der einschlägigen EGMR-Rspr; Fabrizy StGB11 § 61 Rz 4 mwN; aA Höpfel in WK-StGB2 § 61 Rz 18 mvH). Mit anderen Worten greift eine Rückwirkung der neuen günstigeren Rechtslage nur im Fall eines iudicium novum, also dann Platz, wenn das Urteil erster Instanz (zwingend gemeint: in seinem Schuldspruch) aufgehoben wird und das Rechtsmittelgericht oder das Erstgericht nach Verfahrenserneuerung in der Sache selbst entscheidet (12 Os 145/85 mwN; 12 Os 98/80).

Vergleichbares muss aber im Ergebnis auch bei (Schuld- und) Strafberufungen (und solchen gegen das Adhäsionserkenntnis) gelten.

Zwar ist der maßgebliche Bezugspunkt verschoben: Während im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde oder -berufung strikt das bestrittene Urteil, konkret ein bei dessen Fällung dem Erstgericht unterlaufener Fehler, den Anfechtungsgegenstand bildet – und es schon deshalb, zumal sich die Kompetenz des Rechtsmittelgerichts auf diese Richtigkeitskontrolle des erstinstanzlichen Urteils beschränkt, nur darauf ankommen kann, welches Recht im Entscheidungszeitpunkt erster Instanz anzuwenden war, rückt bei der Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld, die Strafe oder die privatrechtlichen Ansprüche der stets (zumindest auch) in einer Ermessensentscheidung bestehende Inhalt des jeweiligen Ausspruchs ins Zentrum der Überprüfung; letztere Rechtsmittel zielen demnach grundsätzlich auf einen eigenständigen Ausspruch des Berufungsgerichts an Stelle des von einem Berufungspunkt betroffenen Ausspruchs ohne Einschränkung durch das Neuerungsverbot ab (Ratz in WK-StPO Vor §§ 280-296a Rz 11ff, § 288 Rz 35 und § 295 Rz 2 mwN). Mit zulässigen Neuerungen sind im gegebenen Zusammenhang freilich nicht solche zur Rechtslage zu verstehen, denn eine erst im Rechtsmittelverfahren eingetretene Gesetzesänderung bildet an sich keinen Grund zur Anfechtung des vorher ergangenen Urteils (12 Os 98/80). Gemeint sind hier vielmehr – zwecks Bekämpfung der Feststellungsgrundlage für die Frage der Schuld, der Strafe oder der privatrechtlichen Ansprüche – neue Tatsachenbehauptungen oder neue Beweismittelvorbringen in Hinsicht auf einen bereits gegebenen, nur eben nicht geklärten Sachverhalt verbunden mit dem Begehren, das Berufungsgericht wolle den erstgerichtlichen Ausspruch über diese – dort als entscheidend erkannten (richtet sich doch insbesondere die Schuldberufungskritik definitionsgemäß nicht gegen eine bestimmte Normanwendung durch das Erstgericht, sondern gegen dessen Beweiswürdigung; vgl Praxishinweis zu EvBl-LS 2010/103; 11 Os 132/06f) – Tatsachen abändern und solcherart eine andere rechtliche Beurteilung des Anklagevorwurfs, der Sanktionsfrage oder der geltend gemachten Privatbeteiligtenansprüche ermöglichen (Ratz aaO Vor §§ 280-296a Rz 12ff und § 473 Rz 10 aE). Dass dem Berufungsverfahren insoweit kassatorische Entscheidungen fremd sind, als das Rechtsmittelgericht – in Stattgebung der Berufung – den betroffenen Ausspruch durch den eigenen zu ersetzen hat (vgl Ratz aaO § 288 Rz 34 und § 295 Rz 4), ändert freilich nichts daran, dass es dort, wo das Berufungsgericht solche Bedenken iSd § 473 Abs 2 StPO am (seinerzeit als rechtlich maßgeblich festgestellten) Urteilssubstrat nicht hegt und deshalb der erstinstanzliche Ausspruch unangetastet bleibt, zu einem iudicium novum nach dem oben beschriebenen Verständnis gar nicht kommen kann.

Davon abgesehen darf nur die Behandlung einer Schuldberufung überhaupt zu einer Beweisaufnahme in der Schuldfrage Anlass geben. Dem Berufungsgericht ist es verwehrt, angesichts einer bloß gegen den Sanktionsausspruch oder das Adhäsionserkenntnis ergriffenen Berufung die über schuld- und subsumtionserhebliche (entscheidende) Tatsachen getroffenen Urteilsfeststellungen zu überprüfen (Ratz aaO § 473 Rz 9). Denn die Festlegung, ob eine Tat (§ 1 StGB) eine (gerichtlich) strafbare Handlung (§ 17 StGB) darstellt, also die Subsumtion eines Sachverhalts unter ein im StGB oder einem strafrechtlichen Nebengesetz bezeichnetes Vergehen oder Verbrechen, findet bei der urteilsmäßigen Entscheidung über die Schuldfrage (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO), nicht aber (erneut) bei allen den Strafausspruch und dessen Effektuierung betreffenden Entscheidungen, wozu auch jene des Rechtsmittelgerichts über eine Strafberufung zählen, statt. Aus § 295 Abs 1 erster Satz StPO ist vielmehr ableitbar, dass der rechtskräftige Schuldspruch Grundlage für alle Ermessensentscheidungen ist, die den Strafausspruch betreffen, hat doch das Rechtsmittelgericht insoweit den Ausspruch des Gerichts über die Schuld des Angeklagten und über das anzuwendende Strafgesetz, welcher mitnichten durch die Bedingung eingeschränkt ist, dass es in der Folge zu keiner Gesetzesänderung kommt, zugrunde zu legen (pointiert zu den Konsequenzen einer gegenteiligen Sichtweise Ratz aaO § 288 Rz 38). Ob die vom (hier: nach § 129 Z 1 StGB aF) durch Urteil schuldig Gesprochenen begangene Tat zu einem späteren Zeitpunkt (einer Entscheidung über die Effektuierung der Strafe) unter eine andere gesetzliche Strafdrohung (hier: des § 129 Abs 1 Z 1 StGB idF StrÄG 2015) fällt, wäre hingegen ausschließlich nach einer – in der Prozessordnung jedoch nur in bestimmten taxativ aufgezählten Fällen, nämlich nach Aufhebung des Schuldspruchs aufgrund einer Nichtigkeitsbeschwerde, Berufung, Wiederaufnahme oder Erneuerung des Strafverfahrens, nicht indes einer nachträglichen Gesetzesänderung vorgesehenen – Neudurchführung des zum Schuldspruch führenden Verfahrens beantwortbar. Daraus folgt: § 1 Abs 1 StGB stellt (ebenso wie § 61 StGB) nur auf den Zeitpunkt des Schuldspruchs und nicht der daran anknüpfenden Sanktionsentscheidung ab (11 Os 95/02 [verst Senat]). Die Anwendung des gemäß § 61 StGB richtigen Strafgesetzes ist Gegenstand der Subsumtion, also des Ausspruchs nach § 260 Abs 1 Z 2 StPO, nicht des diesem logisch nachgeordneten Sanktionsausspruchs iSd § 260 Abs 1 Z 3 StPO (Ratz aaO Rz 36). Eine Mischung von Schuldspruch nach altem und Strafausspruch nach neuem Recht ist im Übrigen – wie zur Frage des § 61 StGB seit jeher unbestritten – unzulässig (11 Os 95/02 [verst Senat] mwN). Allerdings kann bei der Lösung der Sanktionsfrage etwa eine zwischenzeitig reduzierte Strafdrohung – angesichts des darin vom Gesetzgeber zum Ausdruck gebrachten geminderten Strafbedürfnisses – im Rahmen der Ermessensentscheidung des Rechtsmittelgerichts mit zu bedenken sein (vgl 11 Os 95/02 [verst Senat]; RIS-Justiz RS0117812).

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