JudikaturJustiz8Bs43/16d

8Bs43/16d – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
18. März 2016

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat durch den Richter Dr. Bergmayr als Vorsitzenden, die Richterin Dr. Engljähringer und den Richter Mag. Koller in der Strafsache gegen L***** A***** wegen der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 5. Fall SMG und weiterer strafbarer Handlungen über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichtes Linz vom 11. Februar 2016, 37 Hv 124/15h-38, in nichtöffentlicher Sitzung entschieden:

Spruch

Der Beschwerde wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und die Sache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Text

BEGRÜNDUNG:

Mit Urteil des Landesgerichtes Linz vom 2. Dezember 2015, 37 Hv 124/15h-25, wurde L***** A***** der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 5. Fall SMG und der Vergehen des unterlaubten Umgangs mit Suchtmitteln schuldig erkannt und unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt, wobei gemäß § 43a Abs 3 StGB ein Teil der verhängten Freiheitsstrafe im Ausmaß von 12 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde, sodass der unbedingte Strafteil sechs Monate beträgt.

Unter einem wurde gemäß § 20 StGB ein Betrag in Höhe von EUR 2.650,00 als erzielter Suchtgifterlös für verfallen erklärt.

Mit Schreiben vom 29. Jänner 2016 beantragte der Verurteilte die Aufhebung des Zahlungsauftrages vom 11. Dezember 2015, mit dem ihm dieser Betrag (zuzüglich einer Einhebungsgebühr von EUR 8,00) vorgeschrieben wurde, im Wesentlichen mit der Begründung, dass er über kein Einkommen verfüge und nicht in der Lage sei, den vorgeschriebenen Betrag zu bezahlen. Dies sei auch in Zukunft nicht zu erwarten (ON 37).

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht den Antrag auf Aufhebung des Zahlungsauftrages mangels anwendbarer Rechtsgrundlage zurück (ON 38).

Mit seiner Beschwerde begehrt der Verurteilte, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und von der weiteren Eintreibung Abstand zu nehmen (ON 39).

Die Oberstaatsanwaltschaft Linz gab keine Stellungnahme ab.

Die Beschwerde ist im Sinne des enthaltenen Aufhebungsbegehrens berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Grundsätzlich ist dem Erstgericht zunächst darin zuzustimmen, dass mit Ausstellung des Zahlungsauftrages am 11. Dezember 2015 das GEG anzuwenden ist. Gemäß § 9 Abs 5 erster Satz GEG in der seit 1. Juli 2015 geltenden Fassung ist § 9 Abs 1 bis 4 GEG nicht für die in § 1 Z 3, 4 und 6 GEG angeführten Beträge (somit auch nicht für verfallen erklärte Geldbeträge; Z 3) anzuwenden. Damit lässt sich jedoch – entgegen der auf Fuchs/Tipold gestützten Ansicht des Erstgerichtes – nicht eine generelle Unzulässigkeit eines Antrages auf Zahlungsaufschub im Einbringungsverfahren begründen.

Vielmehr wird in den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage zum Bundesgesetz, mit dem das Gerichtsgebührengesetz und das Gerichtliche Einbringungsgesetz geändert wurden (BGBl. I Nr. 19/2015), klargestellt, dass Zweck des § 9 Abs 5 GEG die konsequente Trennung von Rechtsprechung und Justizverwaltung ist (ErlRV 366 BlgNR XXV. GP, Zu Z 20 (§ 9 Abs 5 GEG)). Auch für verfallen erklärte Beträge (Geldbeträge nach § 20 Abs 3 StGB) gibt es Sondervorschriften über Stundung und Nachlass (etwa § 409a StPO über die Zahlung eines Geldbetrages nach § 20 StGB). Auch in diesen Fällen soll die Entscheidung über Stundung und Nachlass nicht im Justizverwaltungsweg, sondern durch das zuständige Gericht erfolgen, sodass die Beträge nach § 1 Z 3 GEG jedenfalls von der Anwendung des § 9 GEG ausgenommen werden können. Damit soll gerade eine gerichtliche Zuständigkeit zur Entscheidung über einen Zahlungsaufschub des Verurteilten (auch) im Einbringungsverfahren begründet werden.

Dass nach § 9 Abs 5 zweiter Satz GEG normiert ist, dass über Stundung, Nachlass oder Uneinbringlichkeit der in § 1 Z 2 GEG angeführten Beträge von jenem Gericht oder jener Behörde zu entscheiden ist, das bzw. die das Grundverfahren geführt hat, hat nach dem Zweck der Bestimmung – konsequente Trennung von Rechtsprechung und Justizverwaltung – offenbar ebenfalls lediglich klarstellende Funktion. Dass im Umkehrschluss über Anträge hinsichtlich aller nicht in § 1 Z 2 GEG angeführten Beträge nicht durch die Gerichte zu entscheiden sein soll, kann daraus nicht abgeleitet werden.

Wenn nun aber das Gericht zur Entscheidung zuständig ist, stellt sich die Frage, nach welchen Kriterien diese zu treffen ist. Aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage der oben angesprochenen Gesetzesnovelle ergibt sich unmissverständlich, dass kein ersatzloser Entfall der Stundungs- und Nachlassregelungen des § 9 GEG angestrebt wird, sondern vielmehr das Weiterbestehen solcher Möglichkeiten geradezu vorausgesetzt wird. Dies erhellt zum einen aus der ausdrücklichen Bezugnahme auf § 391 StPO und § 409a StPO und zum anderen auch daraus, dass ausdrücklich eine analoge Anwendung des § 409a StPO „auch“ im Zwangsstrafverfahren für möglich gehalten wird.

Unausgesprochen wird somit vom Vorliegen einer echten Gesetzeslücke und ihrer Schließung durch die Rechtsprechung ausgegangen. Eine solche Lücke liegt tatsächlich vor. Denn bei jenen Kosten, bei deren Einbringung nun durch die Rechtsprechung und nicht mehr im Justizverwaltungsverfahren Entscheidungen zu treffen sind, besteht (weiterhin) genauso ein Bedürfnis für Stundungs- und Nachlassmöglichkeiten wie für jene Kosten, Strafen, Bußen und Gebühren, bei denen weiterhin eine Zuständigkeit der Justizverwaltung gegeben ist und in § 9 GEG ausdrückliche Stundungs- und Nachlassbestimmungen bestehen.

Das Erstgericht hat daher den Antrag des Verurteilten, welcher nicht nur als auf Nachlass, sondern (als Minus) auch als auf Stundung gerichtet zu betrachten ist, inhaltlich zu prüfen und nach allenfalls erforderlicher Verfahrensergänzung darüber zu entscheiden, weshalb der angefochtene Beschluss im gesamten Umfang zu kassieren war.

RECHTSMITTELBELEHRUNG:

Gegen diese Entscheidung steht ein weiteres Rechtsmittel nicht zu.

Rechtssätze
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