JudikaturJustiz8Bs34/11y

8Bs34/11y – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
16. Februar 2011

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat durch den Richter Dr. Bergmayr als Vorsitzenden und die Richterinnen Dr. A. Henhofer und Dr. Engljähringer in der Rechtshilfestrafsache gegen Dr. G***** G***** wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Beschwerden des F***** der R*****, des Ö***** S*****, des F***** der B***** und B*****, des Ö***** G***** ***** und des F***** der L***** gegen den Beschluss der Einzelrichterin des Landesgerichts Salzburg (im Ermittlungsverfahren) vom 11. Jänner 2011, 25 Hr 6/11t-25, in nichtöffentlicher Sitzung entschieden:

Spruch

Den Beschwerden wird nicht Folge gegeben.

Text

BEGRÜNDUNG:

Gegen den deutschen Beschuldigten Dr. G***** G***** behängt beim Landesgericht Salzburg über Rechtshilfeersuchen des Leitenden Oberstaatsanwalts München I ein Straf verfahren wegen Verdachts diverser, in die Zuständigkeit des Landesgerichts ressortierender Vermögensdelikte, die nach inländischem Recht (allem voran) als Verbrechen der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB zu qualifizieren sind (ON 2).

Mit dem angefochtenen, an die insgesamt fünf zentralen Fachverbände des Österreichischen Banken- und Sparkassensektors gerichteten Beschluss bewilligte die Erstrichterin – antrags konform – die staatsanwaltschaftliche Anordnung der Erteilung von Auskünften über Bank konten und Bankgeschäfte (entgegen der nominellen Anführung im Spruch auch der §§ 109 Z 3 lit b und 116 Abs 2 StPO der Sache nach indes) gemäß §§ 109 Z 3 lit a, 116 Abs 1 StPO „gegenüber sämtlichen Kreditinstituten, die Mitglieder der nachstehend angeführten Fachverbände sind“, und zwar auf „Bekanntgabe, ob sie mit den Firmen G***** C***** GmbH, G***** GmbH, G***** GmbH, A***** GmbH, Geschäftsführer jeweils Dr. G***** T*****, geboren 17. November 1969, der S***** Privatstiftung und Dr. G***** G*****, geboren 16. April 1958, eine Geschäftsverbindung (Inhaber, Bevollmächtigter, Zeichnungsberechtigter oder wirtschaftlich Berechtigter) unterhalten bzw seit 1. Jänner 2006 unterhielten“ (ON 25).

Einerseits mit dem Argument, es wäre ihnen formaliter die Anweisung aufzuerlegen gewesen, ihren jeweiligen Mitgliedern die begehrten Kontoauskunftserteilungen aufzutragen, und ander seits inhaltlich gegen die Verpflichtung zur Bekanntgabe der äußeren Kontodaten der G***** GmbH, der G***** GmbH und der S***** Privatstiftung beschweren sich nun die ange sprochenen Fachverbände (ON 32, 33, 35, 36 und 37). Sie sind damit im Ergebnis ohne Erfolg.

Rechtliche Beurteilung

§ 116 Abs 4 Z 2 StPO normiert, dass der Beschluss, der die Anordnung der Auskunftserteilung nach Abs 3 leg cit bewilligt, das betroffene Kredit- oder Finanzinstitut zu enthalten hat. Davon ausgenommen sind jedoch Begehren um Auskünfte über äußere Kontodaten, die sich an alle oder mehrere österreichische Kreditinstitute richten, indem sie – wie im vorliegenden Fall – an die Fachverbände der Bankensektoren im Sinn jenes (auch für inländische Strafverfahren geltenden - vgl Erlass des BMJ vom 1. Mai 2005 JMZ L884.036/0001-II 2/2005) Konsul tationsmechanismus adressiert sind, der zwischen dem Bundesministerium für Justiz und der Wirtschaftskammer Österreich im Rahmen der innerstaatlichen Umsetzung des EU-Rechts hilfeübereinkommens vom 29. Mai 2000 und des Protokolls vom 16. Oktober 2001 zu diesem Übereinkommen (BGBl III 2005/65, 66) vereinbart wurde (Flora in WK-StPO § 116 Rz 101 mwN; Sautner/Huber JSt 2006, 77 ff; Fabrizy StPO10 § 116 Rz 1). Demzufolge leiten die zentralen Verbände des Banken- und Sparkassensektors die Anfrage des ersuchten inländischen Gerichts um Erteilung der in § 109 Z 3 lit a StPO normierten Auskünfte an ihre jeweiligen Mitgliedsinstitute weiter. Positive Rückmeldungen – und nur diese – werden unmittelbar von den einzelnen Finanzinstituten dem zuständigen Gericht übermittelt (Flora ÖBA 2006, 738 ff). Der aus Zweckmäßigkeitserwägungen in der beschriebenen Vorgangs weise rechtlich unbedenkliche (Flora aaO; Sautner/Huber aaO) Verzicht auf die namentliche Nennung der einzelnen betroffenen Institute im Bewilligungsbeschluss ändert aber nichts daran, dass die Auskunftspflicht gemäß § 109 Z 3 (lit a) StPO bei strenger Prüfung immer nur den jeweiligen Banken, nicht aber deren gesetzlichen Interessensvertretungen obliegt. Letztere sind demgegenüber freilich gehalten, jenes Prozedere durch die ihnen zukom menden Maßnahmen in Gang zu setzen. Dieser speziellen Konstruktion trägt aber nach dem Dafürhalten dieses Beschwerdegerichts (vgl zB OLG Linz 9 Bs 450/08b, 8 Bs 388/08b) die Formulierung des hier kritisierten Spruchs ausreichend deutlich Rechnung.

Inhaltlich liegen der angefochtenen Entscheidung kurz zusammengefasst folgende im Rechtshilfeersuchen dargestellten, von den Beschwerdeführern insoweit nicht bekämpften und daher keine eigenständige Prüfungspflicht im ersuchten Staat auslösenden (RIS-Justiz RS0125233) Verdachtsmomente zugrunde:

Der Beschuldigte Dr. G***** G***** fungierte in den Jahren 2002 bis April 2008 als Mitglied des Vorstands der B***** L*****. Im Rahmen seiner Tätigkeit als Risk-Officer hatte er sich ab etwa Mitte 2005 darum zu kümmern, die der B***** L***** aus dem Konkurs der K***** zur Verwertung zugefallenen Gesellschaftsanteile an der S***** Ltd. (Speed), die ihrerseits 75 % der Anteile an der Dachgesellschaft der Formel 1-Unternehmensgruppe, der S***** Ltd. (die für S***** E***** steht) hielt, zu verkaufen. Im Zusammenhang mit dieser Abwicklung ist der Beschuldigte verdächtig, entgegen seiner Verpflichtung, bei seiner Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden und die Geschäfte ausschließlich am Unternehmenswohl der B***** L***** und nicht (nur) an seinem Privatinteresse zu orientieren, gegen Empfang einer – mit B***** E*****, dem CEO und wirtschaftlichen Miteigentümer der S***** ausgehandelten und ihm (Dr. G*****) persönlich in Form von Beratungs honoraren zufließenden – Schmiergeldzahlung in Höhe von USD 50 Millionen im Alleingang dafür gesorgt zu haben, dass die B***** L***** die Anteile an der S***** (bzw an der S*****) ohne eigene Due Dilligence-Prüfung, sondern mit Einschaltung lediglich eines Vermittlers aus dem Dunstkreis der Käuferseite (B***** E*****) unter ihrem wahren Wert veräußert zu haben. Der Beschuldigte habe bei Vereinbarung des Kaufpreises damit gerechnet, dass die Käuferseite die bezahlten Schmiergelder einkalkuliert hatte, und habe dies billigend in Kauf genommen. Der B***** L***** sei dadurch ein Schaden mindestens in Höhe der an den Beschuldigten gezahlten Schmiergeldsumme entstanden.

Konkret habe der Beschuldigte in der Folgezeit in zwei Tranchen (2006 und 2007) aufgrund zweier „Beraterverträge“ im Zusammenhang mit der Formel 1 ein Gesamthonorar von USD 50 Millionen erhalten.

Nahezu zeitgleich mit der Schmiergeldzusage habe der Beschuldigte über einen Strohmann die G***** GmbH mit Sitz in Österreich errichtet, wobei der Beschuldigte als Allein gesellschafter als einziger Zugriff auf das Gesellschaftsvermögen gehabt habe. Am 3. Mai 2007 sei es über Veranlassung des Beschuldigten zur Gründung der S***** Privat stiftung, deren alleiniger Zweck im fraglichen Zeitraum gewesen sei, den Stifter (den Beschuldigten) und dessen Familie zu begünstigen, sowie – ebenfalls noch im Jahr 2007 – zur Gründung deren 100%iger Tochtergesellschaft G***** GmbH mit Sitz in S***** (vgl ON 3; S 13 in ON 11) gekommen. Auch bezüglich des Vermögens der G***** GmbH habe der Beschuldigte eine ständige Zugriffsmöglichkeit gehabt.

Als 2006 zur Abwicklung der Schmiergeldzahlung die F***** Ltd. mit Sitz auf Mauritius die erste Tranche des Honorars in Höhe von USD 21,2 Millionen auf das Geschäfts konto der G***** GmbH beim R***** S***** überwiesen habe, erstattete das Kreditinstitut am 15. September 2006 Anzeige wegen Verdachts der Geld wäsche. Jenes Verfahren (8 St 223/06i der Staatsanwaltschaft Salzburg) wurde im Jahr 2007 eingestellt. Der dort Beschuldigte Dr. G***** wurde vom österreichischen Rechtsanwalt Dr. T***** vertreten; dieser fungierte in der Folge (unter anderem) wiederum als Geschäftsführer der bereits genannten G***** GmbH.

Am 20. März 2008 kam es schließlich zur Errichtung der G***** GmbH, ebenfalls mit Sitz in S*****, die wiederum im Alleineigentum der S***** Privatstiftung stand und bei der ebenfalls RA Dr. Toifl zum Geschäftsführer bestellt war (vgl ON 4).

Die G***** GmbH wurde von RA Dr. T***** liquidiert und am 13. November 2008 aus dem Firmenbuch gelöscht. Der Beschuldigte habe über all diese Firmen und die Privatstiftung das von ihm mutmaßlich veruntreute und in der Bundesrepublik Deutschland nicht versteuerte Geld verwaltet.

Unter Hinweis auf die Materialien zu Art 1 des Protokolls zum Rechtshilfeübereinkommen BGBl III Nr 66/2005 (RV 697 Blg NR XXII.GP) argumentieren die Beschwerdeführer nun, ihre Mitwirkungsverpflichtung im Rahmen des eingangs erwähnten Konsultationsmechanismus beziehe sich nur auf Auskünfte, ob ein Beschuldigter Inhaber, Treugeber oder Zeichnungs berechtigter einer Geschäftsverbindung sei. Die begehrte Kontenauskunft sei deshalb hin sichtlich der G***** GmbH, der G***** GmbH und der S***** Privatstiftung unzulässig, weil es an konkreten Anhaltspunkten dafür fehlte, dass der Beschuldigte jene – ihrerseits ja nicht verdächtigten – juristischen Personen in der geschilderten Form kontrolliert hätte.

Dem ist mit den zutreffenden Einwänden der Oberstaatsanwaltschaft zunächst zu erwidern, dass § 109 Z 3 lit a zweiter Halbsatz StPO, zu dessen Umsetzung – wie oben erörtert – der hier in Anspruch genommene Konsultationsmechanismus verpflichtet, auch die Ausforschung von Geschäftsverbindungen, aus denen eine beschuldigte Person wirtschaftlich berechtigt ist, umfasst (Flora in WK-StPO § 116 Rz 42ff mwN). Freilich können Kreditinstitute im Rahmen einer derartigen Anordnung nur dann Auskunft über eine verdächtige wirtschaftlich berechtigte Person geben, wenn diese beim Kreditinstitut als solche identifiziert wurde. In Umsetzung der 3. Geldwäscherichtlinie (Art 3z 6 RL 2005/60/EG, ABl 2005 L 309/15) durch die BWG-Novelle BGBl I 2007/108 sind Kreditinstitute deshalb verpflichtet, neben dem Treugeber (§ 40 Abs 2 BWG) den wirtschaftlichen Eigentümer (vgl § 2 Z 75 BWG und § 40 Abs 2a BWG) zu erfassen, sodass sie ihrer Auskunftspflicht gemäß § 109 Z 3 lit a zweiter Halbsatz StPO im angesprochenen Sinn nachkommen können (Flora aaO Rz 43).

Dass aber der Beschuldigte als wahrer wirtschaftlicher Eigentümer hinter den Vermögens werten der G***** GmbH (deren Firmenwortlaut für G***** stehe, S 9 in ON 5) und deren zu 100 % gesellschaftsrechtlicher Mutter, der S***** Privatstiftung steht, indiziert – neben den bereits referierten bisherigen Ermittlungs ergebnissen, wonach Stiftungszweck im fraglichen Zeitraum allein die Begünstigung des Beschuldigten und dessen Familie gewesen sei – insbesondere auch der Umstand, dass Dr. G***** G***** auf Unternehmenskonten der G***** GmbH und der S***** Privatstiftung bei der D***** AG jeweils als wirtschaftlicher Eigentümer aufscheint; in beiden Fällen sei die Vermögensherkunft – zusammengefasst – dergestalt beschrieben worden, dass es sich bei den Zahlungseingängen um Honorare des Beschuldig ten aus dessen Beratungsleistungen gegenüber B***** E***** im Zusammenhang mit der Veräußerung der S***** gehandelt habe (S 4 f in ON 23). Die G***** GmbH hinwieder gelte als Rechtsnachfolgerin der letztlich im November 2008, also im auffälligen zeitlichen Kontext mit dem früheren Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Salzburg wegen Geldwäsche verdachts, vom (selben) Geschäftsführer Dr. G***** T***** liquidierten G***** GmbH (S 11 in ON 5; ON 20). Die referierten bisherigen Ermittlungsergebnisse stützen deshalb mit ausreichender Wahrscheinlichkeit die Annahme, dass es sich auch bei den drei umstrittenen juristischen Personen ausnahmslos um solche handelt, hinter deren Vermögenswerten als wirtschaftlicher Eigentümer vielmehr der Beschuldigte selbst steht.

Die – nach Lage des Falls anzunehmende – Verhältnismäßigkeit der angestrebten Ermittlungsmaßnahme wird von den Beschwerdeführern ohnedies nicht in Frage gestellt. Die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der begehrten Kontenauskunft liegen daher alles in allem vor.

RECHTSMITTELBELEHRUNG:

Gegen diese Entscheidung steht kein weiteres Rechtsmittel zu.

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