JudikaturJustiz8Bs197/23s

8Bs197/23s – OLG Graz Entscheidung

Entscheidung
08. April 2024

Kopf

Das Oberlandesgericht Graz hat durch den Senatspräsidenten Mag. Ohrnhofer als Vorsitzenden und die Richter Mag. Petzner, Bakk. und Mag. Koller in der Strafsache gegen DI Dr. A* und andere Beschuldigte sowie einen belangten Verband wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und Abs 2 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Beschwerden der Beschuldigten DI Dr. A* und B*, MSc sowie des belangten Verbands C* GmbH gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom 31. Juli 2023, AZ 9 HR 22/23s (ON 86 der Akten AZ 3 St 181/22w der Staatsanwaltschaft Klagenfurt, wobei sich die Beschwerde des belangten Verbands nur gegen den Beschlusspunkt I. richtet), in nichtöffentlicher Sitzung den

BESCHLUSS

gefasst:

Spruch

Den Beschwerden wird nicht Folge gegeben.

Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu.

Text

BEGRÜNDUNG:

Die Staatsanwaltschaft Klagenfurt führt zu AZ 3 St 181/22w ein Ermittlungsverfahren unter anderem gegen DI Dr.A* und B*, MSc in ihrer Eigenschaft als Verantwortliche mehrerer Gesellschaften, darunter der C* GmbH und der D* GmbH (wobei in beiden Gesellschaften DI Dr. A* Alleingeschäftsführer ist und [nur] DI Dr. A* und B*, MSc Gesellschafter sind) wegen der Verbrechen der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und Abs 2 StGB sowie weiterer Vergehen und Verbrechen.

Soweit für das Beschwerdeverfahren von Relevanz, besteht der konkrete Verdacht, dass DI Dr. A* und B*, MSc im bewussten und gewollten Zusammenwirken am 9. Februar 2023 als leitende Angestellte (B*, MSc als De-Facto-Geschäftsführer; siehe ZV E* ON 11.5,5, ZV F* ON 11.6, 4, BV G* ON 36.21,5 und ON 57.3,4; Beschwerdeausführung ON 124, 3; vgl dazu Kirchbacher, WK 2 StGB § 161 Rz 7ff, 13) einen Bestandteil des Vermögens der C* GmbH und der D* GmbH beiseite geschafft haben, indem sie veranlassten, dass ohne betriebliche Notwendigkeit ein Gesamtbetrag von EUR 3.340.000,-- auf Privatkonten von B*, MSc und H* überwiesen und dadurch die Befriedigung der Gläubiger der Gesellschaften oder wenigstens eines von ihnen vereitelt oder geschmälert wird und sie dadurch das Verbrechen der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und Abs 2 StGB begangen sowie durch die Begehung der Taten Vermögenswerte im genannten Umfang erlangt haben.

Gemäß § 109  Z 1lit b, 110 Abs 1 Z 2 und Z 3 StPO ordnete die Staatsanwaltschaft Klagenfurt am 14. April 2023 (ON 25, ON 26) die Sicherstellung von Geldbeträgen, und zwar hinsichtlich des auf B*, MSc lautenden Kontos IBAN ** bis zu einem Betrag von EUR 950.000,-- und hinsichtlich des auf H* lautenden Kontos IBAN ** bis zu einem Betrag von EUR 890.000,-- in Form eines Drittverbots an. Nach Mitteilung des kontoführenden Instituts erfolgten die Sperren am 19. April 2023, wobei der Saldo auf dem Konto des B*, MSc zu diesem Zeitpunkt (nur mehr) EUR 461.715,90 betrug (ON 28.5).

Fristgerecht erhoben DI Dr. A* und B*, MSc wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen für die Sicherstellung Einspruch wegen Rechtsverletzung nach § 106 Abs 1 StPO mit dem Antrag, die Sicherstellung und somit die Sperren aufzuheben (ON 64.2). Die Staatsanwaltschaft entsprach dem Einspruch nicht und leitete diesen mit einer Stellungnahme (ON 75) dem Landesgericht Klagenfurt weiter.

Am 17. Mai 2023 beantragte die Staatsanwaltschaft Klagenfurt zudem die gerichtliche Beschlagnahme durch Ausspruch eines Drittverbots der auf den gegenständlichen Konten erliegenden Geldbeträge (ON 1.27).

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 31. Juli 2023, ON 86, wurden in Punkt I. nachfolgende, gemäß §§ 109 Z 1 lit b, 110 Abs 1 Z 2 und Z 3 StPO sichergestellte (ON 25, ON 26) Geldbeträge der nachgenannten Konten bei der I* AG gemäß § 115 Abs 1 Z 2 und Z 3 StPO durch Drittverbot gerichtlich beschlagnahmt, und zwar a./ EUR 890.000,-- zu Konto Nr. IBAN ** der Kontoinhaberin H* und b./ EUR 461.715,90 zu Konto Nr. IBAN ** des Kontoinhabers B*, MSc, wobei die Geldbeträge, in dem die für verfallen zu erklärenden Vermögenswerte Deckung finden (§ 115 Abs 5 StPO) in der angeführten Höhe bestimmt wurden, sowie in Punkt II. der Einspruch wegen Rechtsverletzung der Beschuldigten DI Dr. A* und B*, MSc (ON 64.2) abgewiesen.

Gegen beide Beschlusspunkte richten sich die rechtzeitigen und zulässigen Beschwerden der Beschuldigten DI Dr. A* und B*, MSc vom 1. August 2023 (ON 87.2) sowie gegen den ersten Beschlusspunkt auch der C* GmbH vom 31. Jänner 2024 (ON 124 [zur Zustellung an den Verteidiger des belangten Verbandes siehe ON 1.74]).

Rechtliche Beurteilung

Den Rechtsmitteln kommt keine Berechtigung zu.

Nach § 110 Abs 1 StPO ist eine Sicherstellung (hier: in Form eines Drittverbots nach § 109 Z 1 lit b StPO) zulässig, wenn sie zur Sicherung privatrechtlicher Ansprüche (Z 2) oder zur Sicherung des Verfalls (§ 20 StGB) erforderlich scheint (Z 3). Eine Sicherstellung nach Z 3 leg. cit. setzt den Verdacht voraus, dass die jeweiligen Voraussetzungen für die Anordnung vorliegen. Der Verdacht muss sich aus rational nachvollziehbaren Fakten begründen lassen, an seinen Grad sind aber keine allzu hohen Anforderungen zu stellen, da die Sicherstellung einen ersten Zugriff bewirkt und der provisorischen Sicherung dient. Schon die Möglichkeit, dass die betreffende Anordnung verhängt werden wird, kann zur Sicherstellung führen ( Tipold/Zerbes, WK StPO § 110 Rz 16f).

Gemäß § 115 Abs 1 StPO ist eine Beschlagnahme (soweit hier relevant) unter anderem zulässig, wenn die sichergestellten Gegenstände voraussichtlich privatrechtlichen Ansprüchen unterliegen (Z 2) oder dazu dienen werden, eine gerichtliche Entscheidung auf Verfall (§ 20 StGB) zu sichern (Z 3). Zu den Beschlagnahmevoraussetzungen vgl Tipold/Zerbes , WK StPO § 115 Rz 7ff.

Der konkrete Verdacht der Tatbegehung nach § 156 Abs 1 und Abs 2 StGB sowie auf ein Vorliegen der Verfallsvoraussetzungen stützt sich fallaktuell auf die Ermittlungsergebnisse der Kriminalpolizei, dabei insbesondere auf die nachweislichen Zahlungsflüsse, welche am 9. Februar 2023, somit im zeitlichen Nahebereich einer über Anordnung der Staatsanwaltschaft Klagenfurt (ON 7) am 2. Februar 2023 in den Räumlichkeiten der gegenständlichen Firmen durchgeführten Durchsuchung (ON 34) erfolgten (Überweisungsbelege ON 11.17 ff; Kontoverdichtung ON 76, 16: Überweisung von EUR 950.000,00 und von EUR 1.500.000,00 jeweils vom Konto der C* GmbH auf Konten des B*, MSc, Verwendungszweck “VT 202212“ bzw „VT202211“; Überweisung vom Konto der D* GmbH in Höhe von EUR 750.000,00 unter dem Verwendungszweck „VT 202213“ und in Höhe von EUR 140.000,00 unter dem Verwendungszweck „VT 2022/2“ jeweils auf das Konto der H* [mutmaßlich Mutter des 1. und des 2. Beschuldigten]). Zudem erhärtet sich der Tatverdacht durch die DI Dr. A* und B*, MSc belastenden Zeugenaussagen ihrer Mitarbeiterinnen E* (ON 11.5, ON 36.18, ON 36.27) und J* (ON 11.7) sowie des Angestellten F* (ON 11.6), wonach derartige Transaktionen an Privatpersonen vor diesem Zeitpunkt nicht üblich waren. Hinsichtlich der Überweisung von EUR 1.500.000,-- auf das Konto des B*, MSc (wobei am 10. Februar 2023 eine [Weiter-]Überweisung in Höhe von EUR 1.500.503,20 auf ein Konto in Brasilien erfolgte; ON 11.21) vermag die Einlassung der Beschuldigten DI Dr. A* und B*, MSc, es habe sich dabei um Zahlungen für ein seit Jahren entwickeltes Projekt in Brasilien gehandelt und die Überweisung sei nur unter Einschaltung des Privatkontos des B*, MSc möglich gewesen (ON 52.4,7; ON 52.6,6), den Tatverdacht nicht zu entkräften, zumal einerseits keine Unterlagen zu dem mutmaßlichen Projekt in Brasilien sichergestellt oder vorgelegt wurden, der dargelegte Zahlungsfluss nicht lebensnah und ein derartiges Projekt den Mitarbeitern auch nicht bekannt ist (vgl ZV G* ON 39, 7). Die Verantwortung der Beschuldigten, wonach es sich bei den übrigen Geldbeträgen um Darlehen gehandelt habe (ON 52.4, ON 58 [DI Dr. A*] bzw ON 52.6, ON 59 [B*, MSc]) vermögen den Tatverdacht nicht zu entkräften, zumal keine diesbezüglichen Unterlagen vorgelegt oder sichergestellt werden konnten und sich diese Einlassung auch aus dem jeweiligen Verwendungszweck nicht nachvollziehen lässt. Gegenständlich liegen somit der geforderte Tatverdacht und der Verdacht auf das Vorliegen der Verfallsvoraussetzungen vor (Ausschlussgründe nach § 20a Abs 1 und Abs 2 StGB sind nicht anzunehmen; angesichts der Unüblichkeit derartiger Überweisungen, des zeitlichen Zusammenhangs mit dem Ermittlungsverfahren und der Hausdurchsuchung, der Höhe des überwiesenen Gesamtbetrags sowie des Fehlens von schriftlichen Unterlagen ist der Verdacht einer Kenntnis der H* in Bezug auf eine mit Strafe bedrohte Handlung von DI Dr. A* und B*, MSc anzunehmen).

Ein vorzeitiger Sicherungsbedarf ist daher gegeben, die Sicherstellung und die Beschlagnahme sind erforderlich, für den zu erreichenden Zweck geeignet und verhältnismäßig ( Tipold/Zerbes , aaO § 110 Rz 49, 52, § 115 Rz 11). Während der auf das Konto der H* überwiesene Gesamtbetrag von EUR 890.000,-- noch auf deren Konto erliegt, befindet sich am Konto des B*, MSc (nur mehr) ein Geldbetrag von EUR 461.715,90, sodass zum seinerzeit überwiesenen Betrag von EUR 950.000,- eine Differenz von EUR 488.284,10 besteht (ON 28.5). Im Hinblick auf die bereits erfolgten Transaktionen und den Verdacht des bewussten Beiseiteschaffens von Vermögenswerten waren sowohl die Anordnung der Sicherstellung als auch die Beschlagnahme aus Sicherungsgründen notwendig und erforderlich (vgl dazu auch die eigenen Ausführungen der nunmehrigen Rechtsmittelwerber im Einspruch wegen Rechtsverletzung [ON 64.2, 6], wonach ihnen „faktisch ihre Existenzgrundlage bzw. fast ihr gesamtes liquides Erspartes nicht mehr zur Verfügung steht“), um eine Behebung oder (neuerliche) Weiterüberweisung des Guthabens zu verhindern und somit die sich aus der Vereitelung bzw. Schmälerung der Befriedigung von Gläubigern ergebenden privatrechtlichen Ansprüche und die Entscheidung auf Verfall nach § 20 StGB in Ansehung der durch die Tatbegehung erlangten Vermögenswerte zu sichern ; dabei bleibt die Höhe der Sicherung sogar unter der zu erwartenden vermögensrechtlichen Anordnung ( Tipold/Zerbes, aaO § 110 Rz 53f, § 115 Rz 12). Zu Recht wurde daher vom Erstgericht (zu I.) die Beschlagnahme der im Spruch genannten Geldbeträge auf den dort ersichtlichen Konten angeordnet und (zu II.) der – gegen eine staatsanwaltschaftliche Sicherstellungsanordnung den davon Betroffenen offen stehende (vgl Tipold/Zerbes , aaO § 110 Rz 57), rechtzeitige und ausreichend bestimmte – Einspruch wegen Rechtsverletzung nach § 106 Abs 1 StPO (ON 64) abgewiesen.

Der Ausschluss eines weiteren Rechtszugs gründet auf § 89 Abs 6 StPO.

Rechtssätze
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