JudikaturJustiz8Bs15/15k

8Bs15/15k – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
12. Februar 2015

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat durch den Richter Dr. Bergmayr als Vorsitzenden, die Richterin Dr. Engljähringer und den Richter Mag. Koller in der Strafsache gegen T***** M***** und M***** P***** wegen des Verbrechens der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Salzburg gegen den Beschluss des Landesgerichtes Salzburg vom 13. Jänner 2015, 28 HR 12/15b-11, in nichtöffentlicher Sitzung entschieden:

Spruch

Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene Beschluss dahin abgeändert, dass von der Verhängung der Untersuchungshaft über die Jugendlichen T***** M*****, geboren am 16. Dezember 1998, und M***** P*****, geboren am 27. Juni 1997, unter Anwendung folgender gelinderer Mittel gemäß § 173 Abs 5 StPO abgesehen wird:

das Gelöbnis, bis zur rechtskräftigen Beendigung des Strafverfahrens weder zu fliehen noch sich verborgen zu halten noch sich ohne Genehmigung der Staatsanwaltschaft von ihrem Aufenthaltsort zu entfernen (Z 1),

die Weisung, bei ihrer Mutter in ***** S***** (betreffend T***** M*****), bzw. bei ihren Eltern in ***** E***** (betreffend M***** P*****), wohnen zu bleiben (Z 4) sowie jeden Wechsel des Aufenthaltes der Staatsanwaltschaft Salzburg binnen einer Woche anzuzeigen (Z 5),

die Weisung, sich wöchentlich bei der nächstgelegenen Polizeidienststelle zu melden (Z 5),

die Weisung, einer geregelten Arbeit nachzugehen bzw. sich unverzüglich - soweit noch nicht geschehen - beim AMS arbeitssuchend zu melden und darüber der Staatsanwaltschaft Salzburg binnen einer Woche zu berichten (Z 4),

die (vorübergehende) Abnahme des Konventions- sowie falls vorhanden Reise- (betreffend T***** M*****) bzw. Reisepasses (betreffend M***** P*****) und Hinterlegung dieser Dokumente bei der Staatsanwaltschaft Salzburg (Z 6),

die Anordnung vorläufiger Bewährungshilfe nach § 179 StPO (Z 7) sowie

betreffend T***** M***** die Weisung, das Betreuungsangebot des Jugendamtes S***** weiterhin wöchentlich wahrzunehmen und dies der Staatsanwaltschaft Salzburg monatlich, beginnend mit 15. März 2015, nachzuweisen.

Text

Begründung:

Bei der Staatsanwaltschaft Salzburg behängt zu 7 St 3/15t ein Ermittlungsverfahren gegen die Jugendlichen T***** M***** und M***** P***** jeweils wegen des Verbrechens der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB.

Nach ihrer Festnahme am 10. Jänner 2015 um 15.11 Uhr (betreffend T***** M*****, ON 7) sowie 15.15 Uhr (M***** P*****, ON 8) beantragte die Staatsanwaltschaft Salzburg am 12. Jänner 2015 die Verhängung der Untersuchungshaft über die beiden jugendlichen Beschuldigten aus den Haftgründen der „Flucht-, Tatbegehungs- und Tatwiederholungsgefahr gemäß § 173 Abs 1 und 2 Z 1 und 3 lit a und d StPO“ (S 5 in ON 1). Mit dem angefochtenen Beschluss vom 13. Jänner 2015 (ON 11) wies die Haft- und Rechtsschutzrichterin nach Einvernahme der beiden Beschuldigten am selben Tag (ON 9f) den auf Verhängung der Untersuchungshaft gerichteten Antrag der Staatsanwaltschaft Salzburg ab.

Dagegen richtet sich die rechtzeitig erhobene Beschwerde der Staatsanwaltschaft Salzburg (ON 17), welche die Verhängung der Untersuchungshaft über die beiden Beschuldigten aus den Haftgründen der Fluchtgefahr sowie der Tatbegehungs- bzw. Tatwiederholungsgefahr gemäß § 173 Abs 1 und 2 Z 1 und 3 lit a StPO anstrebt.

Der Beschwerde, zu welcher sich die Oberstaatsanwaltschaft Linz nicht äußerte, kommt im spruchgemäßen Sinn teilweise Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

T***** M***** und M***** P***** sind nach den bisherigen Ermittlungsergebnissen dringend verdächtig, sich am 29. und 30. Dezember 2014 in Salzburg, Linz und andernorts gemeinsam als Mittäterinnen dadurch, dass sie, nachdem sie sich bereits zuvor im Wege der Telekommunikation zur „Ehe“ mit aktiven, ihnen bis dahin unbekannten Kämpfern der Terrororganisation Islamischer Staat bereit erklärt haben, eine solche – unwirksam – eingegangen seien und ihre Reise nach Syrien und die Unterstützung ihrer Männer durch Übernahme ihrer „ehelichen Pflichten“ angekündigt haben, die Reise mit dem Zug von Salzburg (T***** M*****) bzw. Linz (M***** P*****) über Budapest und Sofia nach Syrien angetreten haben, wobei sie nach dem Grenzübertritt von Ungarn nach Rumänien von rumänischen Behörden angehalten und in weiterer Folge zurück nach Österreich geschickt worden seien, wissentlich als Mitglieder der terroristischen Vereinigung Islamischer Staat beteiligt zu haben.

Vorauszuschicken bleibt, dass es sich bei der Gruppierung „IS – Islamischer Staat“ um eine der inhaltlich Art 2 des Rahmenbeschlusses zur Terrorismusbekämpfung entsprechenden Legaldefinition des § 278b Abs 3 StGB unterfallende terroristische Vereinigung, konkret sohin einen auf längere Zeit angelegten Zusammenschluss von mehr als zwei Personen, der darauf ausgerichtet ist, dass von einem oder mehreren Mitgliedern dieser Vereinigung eine oder mehrere terroristische Straftaten (§ 278c StGB) ausgeführt werden oder Terrorismusfinanzierung (§ 278d StGB) betrieben wird, handelt. Auf das auf einem solchen Verständnis aufbauende Symbole-Gesetz (BGBl I Nr.103/2014) sei ergänzend verwiesen.

§ 278b Abs 2 StGB pönalisiert die Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung als Mitglied und verweist diesbezüglich auf die Legaldefinition des § 278 Abs 3 StGB. Demnach beteiligt sich als Mitglied an einer kriminellen Vereinigung, wer im Rahmen ihrer kriminellen Ausrichtung eine strafbare Handlung begeht (erster Fall), sich in dem Wissen, dass er dadurch die Vereinigung oder deren strafbare Handlungen fördert, an den Aktivitäten der Vereinigung durch die Bereitstellung von Informationen oder Vermögenswerten (zweiter Fall) oder auf andere Weise (dritter Fall) beteiligt. Mit der Generalklausel einer Beteiligung im Sinne des hier interessierenden dritten Falles des § 278 Abs 3 StGB werden alle sonstigen Beteiligungshandlungen an den Aktivitäten der kriminellen Vereinigung erfasst, wozu etwa auch die psychische Unterstützung zur Stärkung der „Gruppenmoral“ oder einzelner Mitglieder in ihrer Bereitschaft zur Ausführung von Vereinigungstaten zählt (Plöchl in WK² § 278 Rz 39).

§ 278b ist als selbständiges Vorbereitungsdelikt, bei dem Versuch möglich ist, Abs 2 leg cit als schlichtes Tätigkeitsdelikt konzipiert. Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung als Mitglied ist sohin vollendet, sobald der Täter eine Aktivität im Sinn des § 278b Abs 2 iVm § 278 Abs 3 StGB entfaltet. Ob die terroristische Vereinigung eine sonstige Förderungsaktivität erfolgreich nutzt, ist für die Deliktsvollendung ohne Bedeutung (Plöchl aaO § 278b Rz 14).

Die Dringlichkeit des angenommenen Tatverdachtes im Sinne einer höhergradigen Wahrscheinlichkeit, dass die beiden jugendlichen Beschuldigten die ihnen angelasteten strafbaren, § 278b Abs 2 StGB zu subsumierenden Handlungen begangen haben, gründet auf den bisherigen sicherheitsbehördlichen Erhebungsergebnissen des Landesamtes für Verfassungsschutz zu B5/945/2005-Pe, insbesondere den bei unterstellter Auslegung des Tatbestandes des § 278b Abs 2 StGB im Ergebnis zur objektiven Tatseite geständigen Verantwortungen der beiden jugendlichen Beschuldigten.

M***** P***** äußerte, sie hätte intendiert, Ehefrau eines IS-Kämpfers zu werden und ihre Rolle als gute Muslima und Ehefrau wahrzunehmen, indem sie alles mache, was ihr Mann von ihr verlangt hätte (AS 24 in ON 6). Sie hätte daran gedacht, dass sie für ihren Mann sorgen, für diesen kochen müsse, eine Familie gründe usw. (AS 5 in ON 10). T***** M***** bezeichnete ihre Aufgabe im islamischen Staat dahin, dass sie bei ihrem Mann gewesen wäre, für ihn gekocht, geputzt und gesorgt hätte. Wäre er im Kampf gestorben, hätte sie einen anderen Mann dort geheiratet (AS 33 in ON 6).

In diesen konkreten Zusagen der beiden Beschuldigten, für den islamischen Staat Kampfeinsätze absolvierenden jeweiligen Ehemännern im aufgezeigten Sinn Unterstützung zu sein, liegen jene Handlungen, welche fallkonkret der Schaffung einer Infrastruktur dienen, durch die die Erreichung des kriminellen Ziels der Vereinigung tatverdachtsmäßig gefördert wird. In Zusammenhalt mit der erfolgten Abreise in Richtung der Kampfgebiete unterstützten die beiden Beschuldigten Mitglieder der terroristischen Vereinigung Islamischer Staat psychisch, konnten zumindest die mit ihnen damals „verheirateten“, im bewaffneten Kampf befindlichen Kämpfer auf deren Beistand und Zuwendung in Kampfpausen als Bonifikation für erfolgreiches Kampfgeschehen zählen. Entgegen den Ausführungen sowohl des Erstgerichts als auch der beiden Beschuldigten liegt spätestens mit erfolgter Abreise derselben in Richtung der in Syrien kämpfenden „Ehemänner“ eine dringende Verdachtslage vollendeter Begehung des in Rede stehenden Verbrechens nahe, bedroht doch § 278b Abs 2 StGB als selbständiges Vorbereitungsdelikt bereits die Förderung einer terroristischen Vereinigung auf andere Weise und diese Bestimmung verlagert damit - dringenden kriminalpolitischen Bedürfnissen Rechnung tragend - die Strafbarkeit weitreichend vor.

Erkennt man die inkriminierten Tathandlungen der Beschuldigten zutreffend als psychische Unterstützung der Kampfmoral der an der Front befindlichen „Ehemänner“ und damit als Sicherstellung für einen erfolgreichen Kampfeinsatz derselben unabdingbarer logistischer Versorgungsaufgaben, unterscheiden sich die vorliegenden Fälle lediglich im kriminogenen Gehalt von einer - in der Entscheidung 12 Os 143/14t als im Sinne des § 278b Abs 2 StGB relevant erachteten - konkreten Zusage an eine Kämpfer für den Islamischen Staat rekrutierende Person in Zusammenhalt mit der erfolgen Abreise in Richtung der Kampfgebiete.

Soweit die beiden Beschuldigten das Vorliegen der subjektiven Tatseite des § 278b Abs 2 StGB, insbesondere deren Wissen um Förderung der terroristischen Vereinigung Islamischer Staat auf sonstige Weise durch ihre Beteiligung in Abrede stellen, sind sie auf ihre durchaus intensive und länger dauernde Beschäftigung mit dieser Gruppierung vor allem im Wege elektronischer Medien (S 24 und 30f in ON 6) und die akribische Planung der Reise ins Kampfgebiet unter vorangegangener Kontaktaufnahme mit Schleppern (S 30 in ON 6; S 5 in ON 10) zu verweisen. Das planmäßig vorbereitete und finanziell abgesicherte, möglicherweise endgültige Verlassen ihrer Familien, um sich der Organisation Islamischer Staat anzuschließen, dokumentiert zwar ein gewisses Maß an Naivität der beiden Beschuldigten, legt aber auch (tatverdachtsmäßig) eine Befassung auch mit den tatsächlichen Zielen dieser Vereinigung nahe. Nicht zuletzt weist ein Bericht des Jugendamtes Salzburg vom 5. Februar 2015 T***** M***** als gute, von ihrer Volksschullehrerin für eine gymnasiale Ausbildung vorgeschlagene, wenngleich insbesondere im empathischen Bereich einen merklichen Entwicklungs- bzw. Reifungsrückstand aufweisende Jugendliche aus.

Entgegen der Auffassung des Erstgerichtes liegen aktuell die Haftgründe der Flucht- bzw. Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 1 und 2 Z 1 und 3 lit a StPO vor. Mit Blick auf das geplante und durchaus zielgerichtete Vorgehen der tatverdachtsmäßig ein Leben im Rahmen einer terroristischen Vereinigung einem solchen im Rahmen des Familienverbundes vorziehenden jugendlichen Beschuldigten besteht weiterhin die Gefahr, diese werden ungeachtet des wegen der in Rede stehenden Straftat mit schweren Folgen gegen sie geführten Strafverfahrens neuerlich rechtsgutidente strafbare Handlungen mit durchaus auch schweren Folgen begehen. Der Begriff der „schweren Folgen“ in § 173 Abs 2 Z 3 lit a StPO ist mit jenem der §§ 21 und 23 StGB ident; er umfasst über die tatbestandsmäßigen Folgen hinaus alle konkreten Tatauswirkungen in der gesellschaftlichen Wirklichkeit. Dabei sind Art, Ausmaß und Wichtigkeit aller effektiven Nachteile sowohl für den betroffenen Einzelnen als auch für die Gesellschaft im Ganzen, der gesellschaftliche Störwert einschließlich der Eignung, umfangreiche und kostspielige Abwehrmaßnahmen auszulösen und weitreichende Beunruhigung und Besorgnisse herbeizuführen, zu berücksichtigen. Die vom Gesetz verlangten schweren Folgen müssen (jeweils) aus einer einzigen Tat resultieren (Kirchbacher/Rami in WK-StPO, § 173 Rz 43). Die konkrete Fallkonstellation im Sinne einer Unterstützung einer terroristischen Vereinigung durch die konkrete Zusage von Versorgungsleistungen an im Regime dieser Gruppierung tätige Kämpfer qualifiziert die Anlasstat sowie in dieser Ausgestaltung befürchtete Prognosetaten als solche mit schweren Folgen. Einer nachhaltigen Distanzierung von einer Unterstützung des Islamischen Staates stehen nach der zeugenschaftlichen Aussage S***** M***** das von den beiden Beschuldigten anlässlich des Aufgriffs durch die rumänische Polizei geäußerte Streben um Berühmtheit bzw. Kopie der beiden bosnischen, nach Syrien ausgereisten Mädchen aus Wien (S 23 in ON 2), der von T***** M***** geschilderte Versuch M***** P*****, die „Scheidung“ von ihrem letzten „Ehemann“ rückgängig zu machen (S 32 in ON 6), sowie das anlässlich der sicherheitsbehördlichen Einvernahme M***** P***** am 1. Jänner 2015 ausgedrückte Bestreben, auf jeden Fall von zu Hause weg zu wollen, wie und wann jedoch nicht zu wissen (S 51 in ON 2), entgegen. Die durch die konkrete Tatausformung indizierte unzureichende soziale Integration sowie Art und Ausmaß der den Beschuldigten im Falle eines Schuldspruches bevorstehenden Strafe legen auch die Gefahr nahe, diese werden sich der Strafverfolgung entziehen. In diesem Zusammenhang sei auch auf die gute Vernetzung der Beschuldigten mit Sympathisanten bzw. Unterhändlern des Islamischen Staates sogar im ferneren Ausland zu verweisen.

In Ansehung der nach § 5 Z 4 JGG reduzierten Strafdrohung des § 278 Abs 2 StGB (bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe) sowie der bei tatverdachtskonformem Schuldspruch gegebenen konkreten Straferwartung und mit Blick auf die Bedeutung der Sache kann auch unter angezeigter Berücksichtigung des § 35 Abs 1 Satz 2 JGG und der darin statuierten strengeren Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsprüfung von einer Unverhältnismäßigkeit der Untersuchungshaft bei den beiden, ihre Schulausbildung beendet habenden und derzeit beschäftigungslosen Beschuldigten nicht mit Grund ausgegangen werden.

Mit Blick auf die nunmehrige erstmalige Anfassung der beiden Beschuldigten sowohl durch aus- als auch inländische Strafverfolgungsbehörden, die dem erstmaligen Erleben eines damit einhergehenden (Verwahrungs-)Haftübels zukommende persönlichkeitskorrigierende Wirkung sowie das (nunmehr) bereits mehrere Wochen zurückliegende inkriminierte Tatgeschehen ist bei fallkonkret derzeit anzunehmendem, innerhalb des Deliktstypus des § 278b Abs 2 StGB limitiertem kriminogenen Gehalt der (tatverdachtsmäßigen) Delinquenz die Intensität der angenommenen Haftgründe zwischenzeitig so weit abgebaut, dass diesen auch anders als durch Haft, konkret durch die spruchgemäß erwogenen gelinderen Mittel, begegnet werden kann. Letztere vermögen nicht nur eine vor dem Hintergrund befürchteter neuerlicher einschlägiger Tatbegehung notwendige räumliche Distanz zu Kampfschauplätzen des Islamischen Staates sicherzustellen, sondern auch eine dringend angezeigte innere Abkehr von dem diese Vereinigung prägenden Gedankengut voranzutreiben.

Insgesamt war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

RECHTSMITTELBELEHRUNG:

Gegen diese Entscheidung steht ein weiteres Rechtsmittel nicht zu.

Rechtssätze
0

Keine verknüpften Rechtssätze zu diesem Paragrafen