JudikaturJustiz8Bs107/12k

8Bs107/12k – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
23. Oktober 2012

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat durch den Einzelrichter Dr. Bergmayr in der Strafsache gegen W***** E***** wegen des Verbrechens der vorsätzlichen Beeinträchtigung der Umwelt nach § 180 Abs 1 Z 3, Abs 2 zweiter Fall StGB über die Beschwerde des W***** E***** gegen den Beschluss des Landesgerichtes Salzburg vom 10. Mai 2012, 37 Hv 88/11k-47, in nichtöffent licher Sitzung entschieden:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Text

BEGRÜNDUNG:

W***** E***** wurde mit Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 27. März 2012 (ON 42) von dem wider ihn nach § 180 Abs 1 Z 3, Abs 2 zweiter Fall StGB erhobenen Vorwurf gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen. In der Folge begehrte er als Beitrag zu seinen Verteidiger kosten einen Pauschalbeitrag im gesetzlichen Höchstausmaß und einen Betrag von EUR 6.984,78, welchen er an Kosten für die Erstellung eines (Privat-)Gutachtens der Hydologischen Untersuchungsstelle Salzburg dieser bezahlt habe (ON 45).

Mit Beschluss vom 10. Mai 2012 (ON 47) bestimmte die Erstrichterin den Pauschalkostenbeitrag mit EUR 700,00 und lehnte die Zuerkennung sowohl eines darüber hinausgehenden Pauschalbeitrages als auch der Kosten für das Privatgutachten ab.

Die dagegen von W***** E***** erhobene, auf eine gänzlich antragsstattgebende Abänderung abzielende Beschwerde (ON 48) ist nicht berechtigt.

1. Zum Pauschalkostenbeitrag:

Dem Beschwerdeführer ist durchaus einzuräumen, dass es sich beim Gegenstand des Verfahrens um eine komplexe Materie gehandelt hat. Dies kommt insbesondere in der Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen DI Dr. H***** K*****, welches ohne Beilagen einen Umfang von 23 Seiten aufweist, wozu kommt, dass der Sachverständige auch ein Ergänzungsgutachten (im Umfang von 14 Seiten ohne Beilagen) und schließlich, nach der Beauftragung einer weiteren Gutachtensergänzung, ein Gesamtgutachten (im Umfang von 98 Seiten ohne Beilagen) erstattet hat, und weiters durch die in Anwesenheit des Verteidigers erfolgte Vornahme eines Ortsaugenscheines durch den Sachverständigen nach Erstattung der beiden ersterwähnten schriftlichen Gutachten und durch die mehr als einstündige Gutachtenserörterung und -ergänzung in der Hauptverhandlung zum Ausdruck. Auf der anderen Seite kann aber nicht übersehen werden, dass das Verfahren nur eine einzige Hauptverhandlung, welche (abzüglich einer Unterbrechung) nur 1 Stunde und 20 Minuten gedauert hat, umfasst hat und schon in erster Instanz beendet wurde. Somit kann sich der Beschwerdeführer - unter Zugrundelegung der Judikatur, wonach auch bei nachweislich den höchsten Pauschalbeitrag übersteigenden Kosten (vorliegend in einer Höhe, die den gesetzlichen Höchstbetrag um mehr als das 10-Fache übersteigt) dieser weder stets noch im Regelfall mit dem Höchstbetrag zu bemessen ist, sondern die Höhe vielmehr entsprechend dem Verhältnis des konkreten Verfahrensaufwandes zum realistischerweise in Betracht kommenden Höchstaufwand in der jeweiligen Verfahrensart (wobei lediglich extrem aufwändige Verfahren außer Be tracht bleiben) festzusetzen ist ( Fabrizy StPO 11 § 393a RN 3, Lendl, WK-StPO § 393a Rz 10) - mit dem vom Erstgericht ausgemittelten Betrag nicht für beschwert erachten.

2. Zu den Kosten des Privatgutachtens:

Rechtliche Beurteilung

Zunächst ist festzuhalten, dass es sich bei Privatexperten, die ein Gutachten („Privatgutachten“) erstatten, nicht um Sachverständige iSd StPO handelt (Hinterhofer, WK-StPO § 125 Rz 18). Dies führt etwa dazu, dass sie zwar als Zeugen vernommen werden können, allerdings nur über die von ihnen erhobenen Befundtatsachen, nicht aber auch hinsichtlich der von ihnen gezogenen Schlussfolgerungen (aaO Rz 19). Das erkennende Gericht ist grundsätzlich nicht nur nicht verpflichtet, ein Privatgutachten zu verlesen, sondern nicht einmal gehalten, ein Privatgutachten zum Akt zu nehmen (aaO Rz 26f).

Übersehen werden kann jedoch nicht, dass mit Blick auf das - auch grundrechtlich abgesicherte (Art 6 Abs 3 lit d EMRK) Fragerecht mit dem Strafprozessreformbegleitgesetz I die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Beiziehung eines sogenannten „Privatsachverständigen“ bei der Befragung eines Sachverständigen auf eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage gestellt wurde. Demnach kann der Angeklagte zur Befragung eines Sachverständigen eine Person mit besonderem Fachwissen beiziehen, der ein Sitz neben dem Verteidiger zu gestatten ist (§ 249 Abs 3 1.Satz StPO). Nach den Erläuternden Bemerkungen soll die Regelung dazu dienen, dass sich der Verteidiger nicht nur vor Beginn der Befragung entsprechend fachlich instruieren lässt, sondern dass er die Hilfe seines Experten auch laufend während der in Rede stehenden Befragung nutzen kann, um auf die Antworten des Gerichtssachverständigen jeweils bestmöglich zu reagieren. Nicht geteilt werde hingegen die Ansicht, ein Gutachten eines von Staatsanwaltschaft oder Gericht bestellten Sachverständigen könne nur durch die Vorlage eines Privatgutachtens überprüft werden. Wesentlich sei, dass der Beweiswürdigung Elemente zugeführt werden können, die einen begründeten Zweifel an den Annahmen im Befund bzw. den daraus gezogenen Schlussfolgerungen nähren können (RV BlgNR 213 XXIII. GP, 14).

Mit Blick auf die Intentionen bei der Schaffung der zuletzt erwähnten gesetzlichen Bestimmung hat dieses Beschwerdegericht schon zurückliegend (hg 7 Bs 284/08a) zum Ausdruck gebracht, dass die grundsätzliche Anerkennung der Beiziehung von Privatsachverständigen auch in der Kostenfrage nicht ohne Auswirkung bleiben kann und dementsprechend auch dann, wenn die Beiziehung eines Privatsachverständigen zu dem Zweck erfolgt, dem Angeklagten oder seinem Verteidiger eine über ihr eigenes Wissen und Können hinausgehende Information zu verschaffen und es ihnen dadurch leichter zu ermöglichen, sachdienliche Anträge an das Gericht oder entsprechende Fragen an den gerichtlich bestellten Sachverständigen zu stellen, die daraus resultierenden Kosten als Barauslagen iSd § 393 Abs 2 StPO anzuerkennen sind, wobei die Notwendigkeit allerdings im Einzelfall streng zu prüfen ist.

Im vorliegenden Fall ist dem Beschwerdeführer durchaus einzuräumen, dass angesichts des in Rede stehenden Delikts (vorsätzliche Beeinträchtigung der Umwelt; § 180 Abs 1 Z 3, Abs 2 2.Fall StGB) und der damit erforderlichen worst-case-Beurteilung (Aicher-Hadler, WK-StGB § 180 Rz 31) den bezughabenden Ausführungen des vom Gericht bestellten Sachverständigen herausragende Bedeutung zukam. Angesichts der Konstruktion des hier aktuellen Verbrechens als erfolgsbedingtes potenzielles Gefährdungsdelikt (Fabrizy, StGB 10 § 180 Rz 5) war eine hypothetische Beurteilung der Gefährdung auf Basis festzustellender Emissionen vorzunehmen (Aicher-Hadler aaO Rz 31). Um die bezughabenden Darlegungen des Sachverständigen (insbesondere S.213ff in ON 26) überprüfen bzw. erschüttern zu können, haben der Angeklagte und der in Verantwortung gezogene Verband ein Privatgutachten eingeholt, welches, wie dem (im Zuge des Beschwerdeverfahrens (§ 89 Abs 5 1.Satz StPO) übertragenen) Hauptverhandlungsprotokoll, welches auch die von der Erstrichterin bei der Urteilsverkündung für den Freispruch gegebenen Gründe, zu welchen auch der Hinweis auf das Privatgutachten, im Besonderen auf das Ergebnis vom Probenentnahmen, enthält, zu entnehmen ist, vom Verteidiger auch dem (Gerichts-)Sachverständigen vorgehalten wurde. Eine Betrachtung dieses Privatgutachtens zeigt jedoch, dass im Zentrum die (neuerliche) Erhebung der tatsächlichen Schwermetallbelastung der Sedimente im Ableitungsgerinne und im Zubringer zum Henn dorfer Bach stand, wozu Sedimentproben entnommen und in der Folge aufbereitet wurden (S.7 des in ON 41 angeschlossenen Privatgutachtens). Wenn nun mit dem Ergebnis der Auswertung dieser Proben das vom (Gerichts-)Sachverständigen berechnete worst-case-Szenario erschüttert werden sollte (siehe dazu insbesondere die Zusammenfassung des Privatgutachtens (S.11 des Anhanges zu ON 41) und den entsprechenden Vorhalt des Verteidigers in der Hauptverhandlung (S.11 des Protokolles der Hauptverhandlung vom 27. März 2012)), so zeigt sich, dass im Zentrum des Privatgutachtens eine neuerliche Befundaufnahme stand, welche, über entsprechenden Antrag, auch vom (Gerichts-)Sachverständigen hätte durchgeführt werden können.

Damit sind die mit der Einholung des Privatgutachtens verbundenen Kosten trotz der bedeutsamen Rolle der neuerlichen Probenziehung und -auswertung nicht (als eine der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung in diesem Verfahren notwendige Auslage) zu vergüten.

RECHTSMITTELBELEHRUNG:

Gegen diese Entscheidung ist ein weiteres Rechtsmittel nicht zulässig.

Rechtssätze
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