JudikaturJustiz7R62/23a

7R62/23a – OLG Graz Entscheidung

Entscheidung
04. April 2024

Kopf

Das Oberlandesgericht Graz hat als Rekursgericht durch die Senatspräsidentin Dr. in Kraschowetz-Kandolf als Vorsitzende sowie die Richter Mag. Reautschnig und Mag. Russegger als weitere Senatsmitglieder in der Rechtssache der klagenden Partei A* GmbH Co KG , FN **, **, vertreten durch die Summereder Pichler Wächter Rechtsanwälte GmbH in Leonding, gegen die beklagte Partei B* , Beschäftigung nicht bekannt, **, vertreten durch Dr. Franz P. Oberlercher und Mag. Gustav H. Ortner, Rechtsanwälte in Spittal/Drau, wegen EUR 25.920,00 sA, hier wegen Aufhebung einer Vollstreckbarkeitsbestätigung , über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom 31. August 2023, GZ 50 Cg 57/22p-16, beschlossen:

Spruch

I. Der Antrag, dem Rekurs hemmende Wirkung zuzuerkennen, wird zurückgewiesen .

II. Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 1.648,14 (darin enthalten EUR 274,69 USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens zu ersetzen.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig .

Text

BEGRÜNDUNG:

Die klagende Partei begehrt von der Beklagten EUR 25.920,00 sA an Werklohn/Honorar/Vermittlungsvergütung.

Am 3.8.2022 wurde der (antragsgemäß) erlassene Zahlungsbefehl (vom 27.7.2022) für die Beklagte zur Abholung hinterlegt. Da sie das Schriftstück nicht behob, wurde dieses am 23.8.2022 als nicht behoben retourniert. Am 23.10.2022 wurde die Vollstreckbarkeit des Zahlungsbefehls bestätigt.

Einlangend am 20.12.2022 beantragte die beklagte Partei die Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung und die Zustellung des Zahlungsbefehls. Die Beklagte habe dazu keine Hinterlegungsanzeige erhalten; eine solche sei an ihrer Abgabestelle definitiv nicht hinterlassen worden, weshalb keine rechtswirksame Zustellung erfolgt sei. Damit sei die Vollstreckbarkeit des Zahlungsbefehls zu Unrecht bestätigt worden. Die Beklagte verfüge an ihrer Adresse **, über einen Postkasten, den sie täglich leere. Wäre sie von einer Hinterlegung des Zahlungsbefehls verständigt worden, hätte sie diesen behoben und beeinsprucht. In einer Entfernung von etwa 30 bis 40 m zur Abgabestelle befinde sich eine Art Rohr, in welchem regelmäßig Zeitungen hinterlegt würden; dabei handle es sich aber um keinen Briefkasten. „Vorsorglich“ führte die beklagte Partei unter einem den Einspruch aus.

Die klagende Partei begehrte die Abweisung dieser Anträge. Laut Rückschein sei der Zahlungsbefehl für die Beklagte zur Abholung ab 3.8.2022 hinterlegt worden. Diese Bestätigung sei eine öffentliche Urkunde und erbringe daher „an sich“ den Beweis, dass die Zustellung am dokumentierten Tag vorschriftsmäßig erfolgt sei. Die beklagte Partei, die den Gegenbeweis zu führen habe, behaupte nicht einmal eine gesetzwidrige Zustellung und einen konkreten Fehler beim Zustellvorgang. Die Zustellung des Zahlungsbefehls sei ordnungsgemäß erfolgt; die Vollstreckbarkeitsbestätigung sei weder gesetzwidrig noch irrtümlich erteilt worden.

Mit dem angefochtenen Beschluss hebt das Erstgericht nach der Durchführung eines Beweisverfahrens zum Zustellvorgang die Bestätigung der Vollstreckbarkeit vom 13.10.2022 für den Zahlungsbefehl vom 27.7.2022 gemäß § 7 Abs 3 EO auf und verpflichtet die klagende Partei (im Zwischenstreit betreffend die Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung) zu einem Prozesskostenersatz von EUR 2.999,22.

Dabei geht es von folgendem Sachverhalt aus:

„Beim von der Beklagten bewohnten Haus in **, gibt es keinen Briefkasten. Ein vorhandener Postkasten wurde von der Beklagten weggerissen. Auf dem Hauseinfahrtstor befindet sich ein Schild „ Achtung! Wachsamer Hund! “. Die Beklagte besitzt einen aggressiven Rottweiler.

Auf der linken Seite der Hauseinfahrt, welche durch ein Tor verschlossen werden kann, befindet sich ein ungefähr 0,5 m langes Rohr mit einem Durchmesser von etwa 10 cm. In dieses Rohr wird in der Regel die Post hineingelegt. Das Rohr ist auf beiden Seiten geöffnet und an der Westseite des Hauses angebracht.

Wenn die Hauseinfahrt verschlossen ist, hupt die zuständige Postbeamtin C*, die diese Zustelltour schon seit längerer Zeit bedient, mit ihrem Fahrzeug, um auf sich aufmerksam zu machen. Sie betritt das Grundstück aus Angst vor dem Rottweiler der Beklagten nicht und bedient auch nicht die außerhalb befindliche Hausglocke. Die Beklagte verfügt über einen großen Besitz, sodass sie die Türglocke oder das Hupen des Postfahrzeugs nur wahrnimmt, wenn sie sich in der Nähe des Hauses befindet.

Am Tag der gegenständlichen Zustellung war es windig. Zumal das Tor der Hauseinfahrt verschlossen war, hupte die Postbeamtin, um die Beklagte auf sich aufmerksam zu machen. Da niemand reagierte, ging sie davon aus, dass die Beklagte nicht zu Hause war. Es kann nicht festgestellt werden, ob die Beklagte zu Hause war oder das Hupen der Zustellerin nicht wahrnahm.

Zumal der Postbeamtin der eingeschriebene Brief wichtig vorkam, klebte sie die in das Rohr eingelegte Verständigung von der Hinterlegung mit einem kleinen Klebestreifen an das Rohr, um so zu verhindern, dass diese durch den Wind hinausgetragen wird. In der weiteren Folge hinterlegte sie das Schriftstück zur Abholung.

Der weitere Verbleib der Verständigung kann nicht festgestellt werden. Es kann nicht festgestellt werden, ob der Wind die Hinterlegungsanzeige vertrug oder vorbeigehende Personen diese aus dem Rohr herauszogen. Es kommt vor, dass Poststücke aus dem Rohr vom Wind verblasen oder von Personen herausgezogen werden. Dies ist der Beklagten auch bekannt. Diese erhielt die Hinterlegungsanzeige nicht.“

Diesen Sachverhalt beurteilt das Erstgericht rechtlich wie folgt:

Könne ein Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und habe der Zusteller Grund zur Annahme, dass sich der Empfänger (oder ein Vertreter) regelmäßig an der Abgabestelle aufhalte, sei das Dokument gemäß § 17 Abs 1 ZustG im Fall der Zustellung durch den Zustelldienst bei dessen zuständiger Geschäftsstelle zu hinterlegen. Von der Hinterlegung sei der Empfänger gemäß Abs 2 dieser Bestimmung schriftlich zu verständigen. Die Verständigung sei in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten, Hausbrieffach oder Briefeinwurf) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich sei, an der Eingangstür (Wohnungs-, Haus-, Gartentür) anzubringen. Letzteres habe nur dann zu erfolgen, wenn weder ein Einlegen des Dokuments in den Briefkasten etc noch ein Zurücklassen an der Abgabestelle möglich sei; diesbezüglich komme dem Zusteller kein Wahlrecht zu. Die Tür, an der die Verständigung von der Hinterlegung in diesem Fall angebracht werden müsse, sei jene, die das Zustellorgan am Betreten der Abgabestelle hindere. „Anbringen“ bedeute ein haltbares Befestigen – im Allgemeinen mit Klebezetteln –, sodass die Verständigung nicht ohne weiteres von selbst abfallen könne. Von mehreren im Gesetz alternativ vorgesehenen Möglichkeiten der Verständigung von der Hinterlegung sei jene zu wählen, die eine größere Gewähr dafür biete, dass der Empfänger die Verständigung tatsächlich erhalte.

Im konkreten Fall sei in Ermangelung eines Briefkastens und infolge verschlossener Hauseinfahrt weder das Einlegen in eine für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung noch ein Zurücklassen an derselben möglich gewesen. Die Zustellerin hätte die Verständigung von der Hinterlegung daher am Einfahrtstor haltbar (mit einem Klebestreifen) befestigen müssen. Die Befestigung in dem neben dem Hauseinfahrtstor befindlichen Rohr entspreche somit nicht den Vorgaben des § 17 ZustG, was zur Unwirksamkeit der Hinterlegung führe. Daraus wiederum folge, dass die Bestätigung der Vollstreckbarkeit des Zahlungsbefehls gemäß § 7 Abs 3 EO aufzuheben sei.

Dagegen richtet sich der aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung (unter Geltendmachung auch sekundärer Feststellungsmängel) erhobene Rekurs der klagenden Partei mit dem Antrag, den bekämpften Beschluss dahin abzuändern, dass dem „Antrag auf Aufhebung der Vollstreckbarkeit keine Folge gegeben“ werde; hilfsweise stellt die Berufungswerberin einen Aufhebungsantrag. Unter einem begehrt sie, das Oberlandesgericht Graz möge dem Rekurs einstweilige Hemmung zuerkennen, um die (sofortige) Durchführung des Zivilverfahrens über den streitgegenständlichen Anspruch zu verhindern, zumal der damit verbundene Aufwand im Fall einer Stattgebung des Rekurses frustriert wäre.

Die beklagte Partei tritt dem Rechtsmittel in einer Rekursbeantwortung entgegen und beantragt, diesem keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt . Für die Entscheidung über den Aufschiebungsantrag ist das Rekursgericht unzuständig .

Zu I.:

Der offenbar auf § 524 Abs 2 ZPO (iVm § 78 EO) gestützte und ausdrücklich an das Oberlandesgericht Graz als Rekursgericht gerichtete Antrag, dem Rekurs „einstweilige Hemmung“ zuzuerkennen, war zurückzuweisen, weil die Gewährung aufschiebender Wirkung stets beim funktionell zuständigen Gericht erster Instanz zu beantragen ist (RS0121085; 2 Ob 118/06a) .

Zu II.:

In ihrer Rechtsrüge führt die Rekurswerberin zusammengefasst aus, solange objektiv gewährleistet sei, dass die Verständigung von der Hinterlegung gemäß § 17 Abs 2 ZustG den Empfänger tatsächlich erreichen könne, habe der Zusteller ein Wahlrecht, wo er diese anbringe. Er habe im Einzelfall zu beurteilen, ob die Zurücklassung der Hinterlegungsanzeige an der Abgabestelle möglich sei oder nicht. Im konkreten Fall habe die Zustellerin davon ausgehen dürfen, dass die Verständigung von der Hinterlegung des Zahlungsbefehls die Beklagte am ehesten erreiche, wenn sie diese in jenes Rohr hineinklebe, in welchem üblicherweise die Post deponiert werde. Dabei habe es sich nach den Feststellungen im Übrigen auch um die für die Abgabestelle vorgesehene Abgabeeinrichtung gehandelt. Es sei der Beklagten zuzurechnen, dass an der Abgabestelle kein „Briefkasten“ vorhanden sei. Der Zustellvorgang sei daher nicht gesetzwidrig gewesen. Falls aus Sicht des (richtig:) Rekurs gerichts keine ausreichenden Feststellungen dazu vorlägen, dass der Hinterlegungsvorgang mittels Rückscheins – als öffentlicher Urkunde – dokumentiert sei, werde dies als sekundärer Feststellungsmangel gerügt. Daraus ergebe sich bis zum Beweis des Gegenteils, welche der beklagten Partei nicht gelungen sei, der volle Beweis einer ordnungsgemäßen Zustellung.

Dem ist zu entgegnen:

Es ist nicht strittig, dass eine Vollstreckbarkeitsbestätigung, die auf Basis einer unwirksamen Zustellung erfolgte, gesetzwidrig oder irrtümlich erteilt wurde und daher gemäß § 7 Abs 3 EO von Amts wegen oder auf Antrag durch Beschluss aufzuheben ist (vgl RS0116036 [T4, T5]) .

Im konkreten Fall wurde der Zahlungsbefehl für die Beklagte hinterlegt, sodass die Wirksamkeit der Zustellung nach § 17 ZustG zu beurteilen ist. Das Erstgericht gibt den für die Entscheidung wesentlichen Inhalt von Abs 1 und Abs 2 dieser Bestimmung zutreffend wieder.

Demnach setzt eine wirksame Zustellung durch Hinterlegung voraus, dass eine solche weder durch Aushändigen noch im Wege einer Ersatzzustellung erfolgen kann, also an der Abgabestelle ein (erfolgloser) Zustellversuch durchgeführt wird, und dass der Empfänger von der Hinterlegung ordnungsgemäß verständigt wird (Stumvoll in Fasching/Konecny3 II/2 § 17 ZustG [Stand 1.7.2016, rdb.at], Rz 3). Die Verständigung ist je nach Beschaffenheit der Abgabestelle in die zugehörigen Abgabeeinrichtungen (Briefkasten, Briefeinwurf, Hausbrieffach) einzulegen oder an dieser zurückzulassen – zB bei einer dort angetroffenen Person. Zwischen mehreren Abgabeeinrichtungen und einem (anderweitigen) „Zurücklassen“ der Verständigung hat der Zusteller – wie der Rekurs zutreffend ausführt – ein Wahlrecht. Unter mehreren vom Gesetz alternativ zur Verfügung gestellten Möglichkeiten der Verständigung des Empfängers von der Hinterlegung ist jene zu wählen, von der angenommen werden kann, dass sie die größte Gewähr für den Erhalt der Verständigung durch den Empfänger bietet. Nur wenn weder ein Einlegen in eine Abgabeeinrichtung noch ein (sonstiges) „Zurücklassen“ an der Abgabestelle möglich ist - diesbezüglich hat der Zusteller kein Wahlrecht –, ist die Verständigung an jener Tür (in der Regel Wohnungs-, Haus- oder Gartentür) anzubringen (= haltbar zu befestigen), welche das Zustellorgan am Betreten der Abgabestelle hindert (Stumvoll aaO, Rz 9; RS0132999; RS0083954).

Es ist also zunächst zu prüfen, ob es sich bei dem (beidseitig offenen) Rohr links vom Hauseinfahrtstor, in welches die Zustellerin die Verständigung von der Hinterlegung des Zahlungsbefehls einlegte (und mit einem kleinen Klebestreifen befestigte), um eine Abgabeeinrichtung im Sinn des § 17 Abs 2 ZustG handelt.

Dabei ist in einem ersten Schritt anhand objektiver Umstände zu beurteilen, ob die Beklagte als Empfängerin überhaupt zu erkennen gab, über diese „Einrichtung“ schriftliche Mitteilungen entgegennehmen zu wollen (Stumvoll aaO, Rz 28). Dies ist nach dem festgestellten Sachverhalt, wonach bei der Abgabestelle kein Briefkasten vorhanden ist, sich das Rohr links neben der Hauseinfahrt befindet, in dieses regelmäßig „die Post“ hineingelegt wird und der Zugang zum Haus durch ein (jedenfalls zeitweise) versperrtes Tor sowie einen aggressiven Rottweiler samt Warnhinweis unterbunden wird, zu bejahen.

Darüber hinaus ist aber selbst bei einem Briefkasten im Einzelfall zu prüfen, inwieweit dieser – etwa aufgrund fehlender Versperrbarkeit oder Beschädigung – die ihm zugedachte Funktion noch erfüllt, also objektiv gewährleistet, dass die eingelegte Verständigung den Empfänger erreichen kann. Andernfalls ist so vorzugehen, als sei kein Briefkasten, also keine „Abgabeeinrichtung“, vorhanden. Die gleiche Frage stellt sich bei einem „Briefkastenersatz“ wie dem hier zu beurteilenden Rohr. Selbst wenn man – entgegen der strengeren Judikatur des VwGH (s Bumberger/Schmid, Praxiskommentar zum Zustellgesetz § 17 [Stand 1.1.2018, rdb.at], E46, E52, E54 ff) - davon ausgeht, dass die bloße Zugriffsmöglichkeit Dritter, welche in gleicher Weise im Fall eines Türanschlags besteht, noch nicht ausreicht, um die Qualifikation als „Abgabeeinrichtung“ zu verneinen, muss diese doch einen Schutz vor dem Verlust von Zustellstücken bieten, der jenem eines Briefkastens, Hausbrieffachs oder Briefeinwurfs annähernd vergleichbar ist (vgl Stumvoll aaO, Rz 28/1).

Einen solchen gewährt das beim Einfahrtstor zum Anwesen der Beklagten angebrachte, beidseitig offene Rohr nicht. Dies zeigt sich schon daran, dass es die Zustellerin für notwendig hielt, die Hinterlegungsanzeige mit einem kleinen Klebestreifen im Rohr zu befestigen, um ein „Hinaustragen“ durch den Wind zu verhindern, und dass derartiges auch „vorkommt“. Das Rohr bietet somit nach objektiven Kriterien keine große Gewähr dafür, dass die Beklagte darin deponierte Zustellstücke tatsächlich erhält, und stellt(e) daher keine taugliche Abgabeeinrichtung im Sinn des § 17 Abs 2 ZustG dar.

Es eignet(e) sich aufgrund der erhöhten Gefahr eines Verlusts von Zustellstücken (sowohl durch Zugriff Dritter als auch durch Wind) ebenso wenig dazu, die Hinterlegungsanzeige dort – alternativ zum Einlegen in eine Abgabeeinrichtung – „zurückzulassen“. Außerdem verneinte der Oberste Gerichtshof in einem vergleichbaren Fall, in welchem die Anzeige einer Hinterlegung in einer „Zeitungsröhre“ (unterhalb eines Briefkastens) deponiert worden war, ein „Zurücklassen“ im Sinn der 2. Alternative des § 17 Abs 2 Satz 2 ZustG mit der Begründung, dies könne nicht gänzlich außerhalb der als Abgabestelle bezeichneten Räumlichkeit erfolgen. Damit scheidet ein „Zurücklassen“ der Hinterlegungsanzeige im Rohr auch für den vorliegenden Fall aus.

Somit ist die Rechtsauffassung des Erstgerichts nicht korrekturbedürftig, dass der Zustellerin gemäß § 17 Abs 1 und 2 ZustG nur die Möglichkeit offen stand, die Hinterlegungsanzeige am Gartentor anzubringen. Das stattdessen erfolgte Einlegen in das bei der Hauseinfahrt befindliche Rohr entsprach demnach nicht dem Gesetz, weshalb die Zustellung unwirksam war. Bei dieser Beurteilung kommt es – entgegen den Rekursausführungen – nicht darauf an, ob das Einkleben der Verständigung in das Rohr verhältnismäßig besser geeignet war, um der Beklagten von der Hinterlegung Kenntnis zu verschaffen, als ein Anschlag am Gartentor. Das Gesetz sieht das „Anbringen an der Eingangstür“ nämlich zwingend für den Fall vor, dass keine Möglichkeit besteht, die Verständigung von der Hinterlegung in einen Briefkasten oder eine ähnliche Einrichtung einzulegen oder sonst auf eine Art an der Abgabestelle zurückzulassen, die in vergleichbarer Weise Gewähr dafür bietet, dass der Empfänger von der Zustellung Kenntnis erlangen kann. Ein Wahlrecht des Zustellers, die Hinterlegungsanzeige in einer „ungeeigneten“ (Abgabe-)Einrichtung zu deponieren, statt einen ihm noch unsicherer erscheinenden Türanschlag vorzunehmen, sieht § 17 Abs 2 ZustG nicht vor.

Die Zustellung des Zahlungsbefehls (durch Hinterlegung) war im konkreten Fall aber noch aus einem anderen Grund unwirksam:

Nach dem festgestellten Sachverhalt betätigte die Zustellerin beim Zustellversuch nicht die außerhalb des (offenbar umzäunten) Grundstücks der Beklagten befindliche Türglocke, sondern versuchte lediglich, durch Hupen auf sich aufmerksam zu machen.

Dazu ist zunächst auszuführen, dass die beklagte Partei diesen Umstand nicht explizit behauptete. Nach (nunmehr) ständiger Rechtsprechung wird eine Rechtssache unrichtig beurteilt, wenn der Entscheidung unzulässige überschießende Feststellungen zugrunde gelegt werden (RS0040318 [T2]; RS0036933 [T10, T11, T12]) . Sachverhaltsannahmen sind dann „überschießend“, wenn sie nicht durch ein entsprechendes Prozessvorbingen gedeckt sind (vgl RS0037972) . Sie dürfen allerdings bei der rechtlichen Beurteilung berücksichtigt werden, wenn sie sich im Rahmen des geltend gemachten Klagegrundes oder der erhobenen Einwendung bewegen (RS0040318; RS0036933 [T6]) .

Das Erstgericht nahm die Behauptungen der beklagten Partei, die Zustellung des Zahlungsbefehls sei nicht rechtswirksam erfolgt, weil die Beklagte keine Hinterlegungsanzeige erhalten habe, und das bei der Abgabestelle befindliche Rohr sei kein Briefkasten, zutreffend zum Anlass, den Zustellvorgang insgesamt zu prüfen. In diesem Zusammenhang erweisen sich auch die Feststellungen zum - der Hinterlegung vorangegangenen – Zustellversuch als vom Vorbringen der beklagten Partei zum gesetzwidrigen Zustellvorgang gedeckt und können daher bei der rechtlichen Beurteilung berücksichtigt werden.

Wie bereits dargestellt, setzt die (wirksame) Zustellung durch Hinterlegung (gemäß § 17 Abs 1 ZustG) voraus, dass eine solche weder durch Aushändigen des Zustellstücks noch im Wege einer Ersatzzustellung erfolgen kann, also an der Abgabestelle eine entsprechende Zustellung (erfolglos) versucht wurde. Die Betätigung einer Hupe kann – jedenfalls für sich allein – nicht als tauglicher Zustellversuch angesehen werden, mag dies auch in manchen Regionen üblich sein. Von einem Zustellorgan ist vielmehr zu erwarten, dass es auf geeignete Weise (zB durch Klopfen, Läuten oder allenfalls auch Rufen) prüft, ob ein Dokument an der Abgabestelle tatsächlich nicht zugestellt werden kann, bevor – bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen – eine Hinterlegung der Sendung vorgenommen werden darf. Aus einem bloßen „Hupen“ kann nämlich weder geschlossen werden, wem dieses gilt, noch zu welchem Zweck es erfolgt, und schon gar nicht, dass damit die Zustellung eines behördlichen Schriftstücks angekündigt werden soll (BVwG W238 2125407-1) . Die wirksame Zustellung des Zahlungsbefehls durch Hinterlegung scheitert im konkreten Fall somit auch daran, dass dieser kein ordnungsgemäßer Zustellversuch voranging.

Die Rekurswerberin weist noch zutreffend darauf hin, dass eine über die Zustellung durch Hinterlegung ausgestellte öffentliche Urkunde (Zustellschein, Rückschein) gemäß § 292 ZPO zunächst den vollen Beweis darüber begründet, dass die beurkundeten Zustellvorgänge auch eingehalten wurden, und dass derjenige, dem gegenüber die Zustellung nicht wirksam sein soll, den Gegenbeweis über deren Nichteinhaltung zu führen hat (vgl RS0040471) .

Im konkreten Fall ergibt sich aus dem Zustellschein zum Zahlungsbefehl – soweit hier relevant – lediglich, dass die Anzeige der Hinterlegung des Zahlungsbefehls (nach einem Zustellversuch) an der Abgabestelle der Beklagten in eine Abgabeeinrichtung eingelegt wurde. Dies konnte die beklagte Partei nach dem festgestellten Sachverhalt - unter Berücksichtigung der rechtlichen Überlegungen zur Beschaffenheit einer solchen „Abgabeeinrichtung“ und den Voraussetzungen für einen ordnungsgemäßen Zustellversuch – widerlegen. In diesem Zusammenhang fehlen auch keine rechtlich relevanten Feststellungen zum Inhalt des Zustellscheins, welcher sich ohnedies aus dem Akt ergibt.

Somit hob das Erstgericht die Bestätigung der Vollstreckbarkeit des von ihm erlassenen Zahlungsbefehls gemäß § 7 Abs 3 EO zu Recht auf, weshalb die Rechtsrüge und mit ihr der Rekurs insgesamt erfolglos bleibt.

Die Kostenentscheidung im Rekursverfahren stützt sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Die mit ihrem Rekurs unterlegene klagende Partei hat der beklagten Partei im zweiseitigen Rechtsmittelverfahren betreffend den Zwischenstreit über die Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung (vgl RS0121467) die zweckentsprechenden und richtig verzeichneten Kosten der Rekursbeantwortung zu ersetzen.

Die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses folgt aus § 528 Abs 2 Z 2 ZPO.

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